Autor: Simone Schwarzer

  • Gießener Psychologenteam erforscht sexuelle Sucht

    Lange war umstritten, ob sexuelles Verhalten zu einem klinisch relevanten Problem werden kann. In der Neuauflage des International Classification of Diseases (ICD), dem offiziellen Diagnoseregister der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wird mittlerweile die Diagnose „Zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung“ geführt. An der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen erforscht die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Rudolf Stark (Psychotherapie und Systemneurowissenschaften) seit Jahren dieses Krankheitsbild. Diese beschreibt eine Störung, die oft als sexuelle Sucht bezeichnet wird, da die Betroffenen unfähig sind, ihr problematisches sexuelles Verhalten zu reduzieren oder einzustellen, obwohl es für sie mit massiven negativen Folgen verbunden ist.

    Von der Störung sind besonders häufig Männer betroffen, die ihren Pornographiekonsum nicht kontrollieren können. Pornographiekonsum, der sich täglich über mehrere Stunden hinzieht, kann zu Problemen am Arbeitsplatz und auch im privaten Bereich führen. Aktuell untersucht das Team in einer groß angelegten und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Studie die neuronalen Veränderungen bei der Verarbeitung sexueller Reize. Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) werden die hirnphysiologischen Reaktionen auf sexuelle Reize getestet. Hierbei steht die Frage im Mittelpunkt, ob akuter Stress etwas an diesen hirnphysiologischen Reaktionen verändert. Erste vorläufige Analysen legen nahe, dass sich bei der „Zwanghaften sexuellen Verhaltensstörung“ Ähnlichkeiten zu Suchterkrankungen finden lassen. Lassen sich diese Befunde bestätigen, so hat dies weitreichende Konsequenzen für die Diagnostik und die Therapie dieser Störung.

    Neben dieser neurobiologischen Grundlagenstudie wurde in der verhaltenstherapeutischen Ambulanz der JLU ein auf verhaltenstherapeutischen Grundprinzipien beruhendes Therapieprogramm entwickelt, das als Gruppenangebot durchgeführt werden soll. Hierzu wird im Frühjahr 2020 eine neue Studie beginnen, die die Wirksamkeit des Behandlungsprogramms untersucht.

    Um die verschiedenen Forschungsprojekte erfolgreich durchzuführen, sucht das Forscherteam kontinuierlich betroffene Männer zwischen 18 und 45 Jahren, die ihren Pornographiekonsum nicht kontrollieren können. Diese können bei Interesse – und bei Zutreffen der Einschlusskriterien, die in einem Telefonat abgeklärt werden – an der fMRT-Untersuchung teilnehmen. Bei Bedarf wird auch ein kostenloses Beratungsgespräch angeboten, um Klärung anzubieten, ob weitergehende psychotherapeutische Hilfe nötig ist.

    Interessierte können sich per E-Mail unter pornstudies@psychol.uni-giessen.de melden.
    Weitere Informationen unter: http://www.pornstudies-giessen.de

    Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, 01.10.2019

  • Ein Fünftel aller Arbeitnehmer digital gestresst

    Jeder fünfte Arbeitnehmer empfindet starken digitalen Stress durch seinen Beruf. Die Folgen: Digital Gestresste denken öfter daran, die Arbeitsstelle oder den Beruf zu wechseln, zeigen eine schlechtere Leistung und sind unzufriedener mit ihrer Arbeitsstelle. Das geht aus einer Studie hervor, die unter Beteiligung Bayreuther Wissenschaftler entstanden ist. 5.000 Arbeitnehmer*innen haben die Forscher der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT, des Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrums für Fragen der mittelständischen Wirtschaft (BF/M-Bayreuth) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin für die Studie „Gesund digital arbeiten?!“ befragt.

    Wie hoch ist der digitale Stress in Deutschland, was beeinflusst ihn und wer ist besonders gefährdet? Das wollten die Wissenschaftler für das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt „Prävention für sicheres und gesundes Arbeiten mit digitalen Technologien“ (PräDiTec) erfragen. Sie haben dabei zwölf verschiedene Belastungsfaktoren identifiziert: Dazu gehören beispielsweise der gefühlte Zwang zur Omnipräsenz, das Gefühl der ständigen Erreichbarkeit und eine erwartete kürzere Reaktionszeit durch das Auflösen der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben. Bemerkenswert ist nicht nur, dass jeder dritte Befragte mindestens einem der Belastungsfaktoren stark bis sehr stark ausgesetzt ist, sondern auch, dass fast jeder Fünfte aufgrund eines Belastungsfaktors sehr starken digitalen Stress wahrnimmt. Als stressig werden auch Unterbrechungen und Ablenkung durch digitale Medien empfunden. Außerdem fühlen sich viele Menschen mittlerweile als „gläserne Person“, weil sie ihre Privatsphäre durch die berufliche Nutzung digitaler Technologien und Medien in Gefahr sehen.

    „Das bleibt nicht ohne Folgen auch für den Arbeitgeber“, warnt Prof. Dr. Torsten Kühlmann, Inhaber des Lehrstuhls für Personalwesen und Führungslehre an der Universität Bayreuth und Präsident des Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrums für Fragen der mittelständischen Wirtschaft (BF/M-Bayreuth): „Erwerbstätige mit starkem digitalem Stress berichten häufiger, dass sie Probleme haben, von der Arbeit abzuschalten. Sie denken öfter daran, die Arbeitsstelle oder den Beruf zu wechseln, und zeigen eine schlechtere Leistung. Sie sind außerdem unzufriedener mit ihrer Arbeitsstelle.“ Die Forscher stellen fest: Digitaler Stress geht meist mit sozialen Konflikten am Arbeitsplatz, einer hohen emotionalen Anforderung sowie einer hohen Arbeitsquantität einher. „Interessanterweise sind vor allem auch Erwerbstätige in innovativen Unternehmen, welche sich durch Kreativität und Risikobereitschaft auszeichnen, von stärkerem digitalem Stress betroffen“, sagt Kühlmann.

    „Die schnell voranschreitende Durchdringung des Arbeitslebens mit digitalen Technologien und Medien bringt viele Chancen, aber auch substanzielle Risiken und Nachteile mit sich“, fasst Prof. Dr. Nils Urbach, Professor für Wirtschaftsinformatik und Strategisches IT-Management und Mitglied der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik am Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, zusammen. Er betont: „Organisationale und soziale Faktoren können digitalem Stress am Arbeitsplatz entgegenwirken. Dazu gehört beispielsweise ein erweiterter Handlungsspielraum hinsichtlich arbeitsrelevanter Entscheidungen sowie eine gute Beziehung zu Vorgesetzten.“

    Originalpublikation:
    https://gesund-digital-arbeiten.de/

    Pressestelle der Universität Bayreuth, 30.08.2019

  • einfach.LEBEN

    Pabst Science Publishers, Lengerich 2019, 196 Seiten, 15,00 €, ISBN 978-3-95853-534-3, auch als
    E-Book erhältlich

    Drogen- und Alkoholsüchtige müssen mit vielen Vorurteilen kämpfen und sehen sich mit gesellschaftlicher Ablehnung konfrontiert. Oft fehlt den Betroffenen daher Vertrauen in sich selbst sowie Zuversicht – dies sind nur einige Aspekte unter vielen, warum die Rehabilitation von Suchtkranken so oft scheitert. Peter Schay, Roland Helsper und Marion Birkholz blicken mit den „Gesichtern der Sucht“ hinter die selbst errichteten „Mauern“ der Süchtigen und möchten anregen, einander offen zu begegnen und neugierig auf die Menschen zu sein, die sich hinter der Sucht verbergen.

    Dieses Buch ist zugleich der Versuch, die Erkenntnisse aus einer 40-jährigen Tätigkeit in diversen Arbeitsfeldern der Suchtkrankenhilfe zu bündeln. Es zeigt auch die Notwendigkeit von guter institutioneller Zusammenarbeit mit einem abgestimmten Schnittstellenmanagement, damit eine optimale Versorgung erreicht werden kann.

    Die Autoren plädieren dafür, die starren Grenzen einer Standardrehabilitation um die Konzepte der sozialen Rehabilitation grundsätzlich zu erweitern, um Klient*innen besser erreichen und den Kreislauf des Scheiterns unterbrechen zu können.

  • Traumata hinterlassen epigenetische Spuren

    In einer aktuell in der renommierten Fachzeitschrift „Translational Psychiatry“ veröffentlichten Studie untersuchten Forscherinnen und Forscher des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie (MPI) molekulare Mechanismen, die an der Entstehung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) beteiligt sind. Dafür suchten sie bei Menschen und Mäusen Veränderungen auf molekularer Ebene, die nach traumatischen Ereignissen auftreten. Sie konnten zeigen, dass traumatische Erlebnisse bei Menschen und Mäusen zu ähnlichen molekularen Veränderungen führen.

    Eine PTBS ist eine psychische Erkrankung, die nach traumatischen Erfahrungen entstehen kann. Größere Aufmerksamkeit bekam diese Störung erstmals, als viele Soldaten, die aus dem Irakkrieg zurückkehrten, ähnliche psychische Probleme zeigten. Doch auch andere traumatische Ereignisse wie sexueller Missbrauch, ein Verkehrsunfall, Naturkatastrophen oder Gewalterlebnisse können eine PTBS auslösen. Nicht alle Menschen, die Traumatisches erleben, entwickeln jedoch eine PTBS. Die Erkenntnisse aus der aktuellen Studie könnten dazu beitragen, das Risiko einer PTBS frühzeitig einzuschätzen und so eine erneute Traumatisierung zu verhindern.

    Der translationale Ansatz des MPI ermöglicht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ihre Forschung am Menschen und im Mausmodell durchzuführen. Spezialisten beider Bereiche untersuchten die Rolle des Transkriptor-Faktors GILZ (Glukokortikoid-induzierter Leucin-Zipper). GILZ wird durch das Gen Tsc22d3 kodiert, das auf dem X-Chromosom sitzt, wird von Glukokortikoiden hochreguliert und wirkt entzündungshemmend.

    In Blutproben aus einer Kohorte von stark traumatisierten Amerikanern maßen die MPI-Forscherinnen und Forscher GILZ-mRna, Moleküle, die Erbinformation in sich tragen und für deren Übertragung zuständig sind, sowie den epigenetischen Prozess der GILZ-Methylierung. Im Mausmodell erzeugten sie zu verschiedenen Zeitpunkten Traumata: Ein Modellstressor stimulierte pränatal die biologische Aktivierung der zentralen Stressantwort, der andere verursachte PTBS-ähnliches Verhalten im Erwachsenenalter.

    Die Direktorin des MPI, Elisabeth Binder, fasst die Erkenntnisse aus den menschlichen Blutproben zusammen: „Interessanterweise sahen wir bei den Amerikanern, dass mehr traumatische Ereignisse in ihrem Leben zu niedrigeren GILZ-mRNA-Werten und umso höherer GILZ-Methylierung führten. Deshalb nehmen wir an, dass GILZ die Reaktion auf Stress beeinflusst.“

    Die männlichen Mäuse, die pränatalem und späterem Stress ausgesetzt waren, zeigten dreimal so häufig PTBS-ähnliches Verhalten wie die Tiere in der Kontrollgruppe. Zudem ging die erhöhte Stressanfälligkeit mit einer reduzierten GLIZ-mRNA und anderen epigenetischen Veränderungen einher.

    MPI-Direktor Alon Chen, der neurobiologische Vorgänge in Zusammenhang mit Stress im Mausmodell erforscht, erklärt: „Wir wollten herausfinden, wie die Mäuse auf verringerte GLIZ reagierten. So sahen wir, dass 70 Prozent der Versuchstiere mit reduziertem GLIZ PTBS-ähnliches Verhalten zeigten, während es bei den nicht behandelten Mäusen nur 10 Prozent waren.“

    Originalpublikation:
    https://doi.org/10.1038/s41398-019-0509-3

    Pressestelle des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, 03.09.2019

  • Daniela Ludwig ist neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung

    Foto©Daniela Ludwig/Markus Schmuck

    Das Kabinett hat am 18. September dem Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zugestimmt und Daniela Ludwig (CSU) als neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung berufen.

    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: „Ich kenne und schätze Daniela Ludwig seit unserem gemeinsamen Start im Bundestag, und ich weiß, dass sie als neue Drogenbeauftragte frischen Wind in das Amt bringen wird. Daniela Ludwig befürwortet ebenso wie ich den offenen Dialog und die fundierte Debatte. Sie wird ihre langjährige Erfahrung als Bundespolitikerin wie auch in der Kommunalpolitik einbringen. Das ist wichtig, weil das Amt der Drogenbeauftragten eine Querschnittsaufgabe über viele Fachgebiete ist. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.“

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig sagt: „Ich freue mich, dieses wichtige Amt übernehmen zu dürfen! Gerade weil Sucht so viele Menschen in diesem Land betrifft, ist es gut und richtig, unvoreingenommen auf das Thema zu schauen. So kann ich neue Akzente setzen, was von allen Akteuren als Chance gesehen werden kann. Wichtig ist ein offener Austausch mit allen Playern aus dem Drogen- und Suchtbereich. Dazu gehören auch kontroverse Debatten, die niemand scheuen sollte, wenn sie am Ende des Tages dazu dienen, das Thema positiv voranzubringen.“

    Die 44-jährige Juristin Daniela Ludwig ist seit 2002 Mitglied im Deutschen Bundestag und verkehrspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

    Zu den Arbeitsschwerpunkten der Drogenbeauftragten gehören die Förderung und Unterstützung von Initiativen und Aktivitäten der Sucht- und Drogenprävention. Zudem zählt es zu ihren Aufgaben, neue Wege und Schwerpunkte in der Sucht- und Drogenpolitik zu entwickeln, um gesundheitliche, soziale und psychische Probleme zu vermeiden oder abzumildern. Sie vertritt die Sucht- und Drogenpolitik der Bundesregierung auf internationaler Ebene und in der Öffentlichkeit.

    Pressestelle der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, 18.09.2019

  • Epidemiologischer Suchtsurvey 2018

    Der aktuell im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichte Epidemiologische Suchtsurvey 2018 des Instituts für Therapieforschung in München gibt Auskunft über besonders für die Schmerzmedizin wichtige Erkenntnisse zum aktuellen Stand von Über- und Fehlgebrauch sowie Missbrauch der Schmerzmedikation. Die immer wieder angestoßene Befürchtung, dass sich Entwicklungen wie in den USA zur Schmerzmittelsucht – insbesondere durch Opioide – bewahrheiten, wird nicht bestätigt. Allerdings besteht eine bedenkliche Entwicklung zu freiverkäuflichen Medikamenten im Analgetikabereich.

    Laut Survey haben 17,5 Prozent (9 Millionen Menschen) der Befragten in den letzten 30 Tagen verschreibungspflichtige und 31,4 Prozent (16,2 Millionen Menschen) freiverkäufliche Medikamente eingenommen, d. h. rund 26 Millionen Menschen haben Schmerzmittel zu sich genommen – mehrheitlich ohne ärztliche Verordnung. Der Frauenanteil lag dabei deutlich höher als der von Männern. Die zweithäufigste Medikamentengruppe betraf mit 4,1 Prozent (2,1 Millionen Menschen) Antidepressiva. Unter den freiverkäuflichen Medikamenten wurden Hypnotika und/oder Sedativa (2,0 Prozent; eine Million Menschen) eingenommen. Auch diese wurden von Frauen häufiger eingenommen als von Männern. Anteilig war der tägliche Gebrauch verschreibungspflichtiger Antidepressiva mit 87,7 Prozent und Neuroleptika mit 78,0 Prozent am höchsten.

    Dr. med. Johannes Horlemann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS), weist in diesem Zusammenhang darauf hin, „dass auch der unsachgemäße Gebrauch freiverkäuflicher nicht-opioidhaltiger Analgetika über einen längeren Zeitraum (ab 15 Tage pro Monat) bedenklich sein kann“. Es können medikamenteninduzierte Kopfschmerzen ausgelöst oder ein weiterer Medikamentenmissbrauch bis hin zur Abhängigkeit induziert werden.

    Es wird angenommen, dass etwa 1,6 Millionen der 18 bis 64-Jährigen analgetikaabhängig sind. Nach ESA-Daten aus dem Jahr 2015 wird die Prävalenz einer Gebrauchsstörung durch Opioidanalgetika nach DSM-V auf ein Prozent und der Anteil aller durch Analgetika verursachten psychischen Störungen auf zwölf Prozent geschätzt.

    Diese Daten zeigen, dass der Großteil der Abhängigkeitserkrankungen durch freiverkäufliche Analgetika und nicht durch opioidhaltige Analgetika ausgelöst wird. „Somit unterstützt die Datenlage eine seriöse Opioidtherapie im schmerzmedizinischen Bereich“, betont Horlemann. Keineswegs könne in Deutschland von einer Entwicklung gesprochen werden, die mit der in den USA zur Verschreibung von Opioiden vergleichbar wäre. Wenn auch die Schmerzmittelabhängigkeit in ihrer Prävalenz die Alkoholabhängigkeit überholt hat, lassen sich Hinweise dafür finden, dass vorrangig die psychische Komorbidität bei Schmerzmittelsucht im Nicht-Opioidbereich die Problematik in Deutschland erklärt.

    Aus diesem Grunde unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. die Initiative des Gesundheitsministers, die freie Abgabe von Schmerzmitteln an Patienten verstärkt zu kontrollieren bzw. zu beenden. Denn die gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Folgen dieses Missstandes sind eine schwere Belastung für die gesamte Gesellschaft. „Es ist zu wenig verbreitet, dass auch nicht-opioidhaltige freiverkäufliche Analgetika zur Sucht führen und sehr häufig psychische Folgeerkrankungen auslösen bzw. gemeinsam mit ihnen auftreten“, so der DGS-Präsident weiter.

    Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V. unterstützt als Versorgergesellschaft deshalb den schmerzmedizinisch begründeten Gebrauch von Opioiden und nicht-opioidhaltigen Analgetika bei chronischen Schmerzen. Jedoch wendet sie sich gegen unkontrollierte Abgabebedingungen, die nach der vorliegenden Datenlage Suchterkrankungen mit Analgetika fördern. Gleichzeitig befürwortet die DGS weiterhin die kritische Beobachtung der Verordnungslage – auch wenn für die Therapie mit Opioiden eine epidemiologische Entwarnung in den publizierten Daten liegt.

    Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin, 06.09.2019

  • Psychische Störungen und Suchterkrankungen

    Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 2., erweiterte und aktualisierte Auflage 2019, 278 Seiten, 44,00 €, ISBN 978-3-17-035049-6, auch als E-Book erhältlich

    Das Buch behandelt systematisch und umfassend die häufig auftretenden Komorbiditäten von Suchterkrankungen mit anderen psychischen Störungen. Aus psychiatrisch-psychotherapeutischer sowie suchttherapeutischer Perspektive werden die Besonderheiten des gemeinsamen Auftretens und das spezielle therapeutische Vorgehen nach aktuellen evidenzbasierten Studienergebnissen ausgeführt. Eine exakte Anamnese unter Berücksichtigung der Zeitabfolge des Auftretens der verschiedenen Symptome und Beschwerden ist essenziell. Sie ermöglicht erst eine korrekte Diagnose und ist die Basis für die Behandlungsplanung.

    Das Werk bietet praxisorientierte Lösungen für die häufigen Probleme der Diagnostik und Therapie von „Doppeldiagnosen“ und den Umgang mit häufig als herausfordernd erlebten Patienten im klinischen Versorgungsalltag. Die 2. Auflage ist vollständig aktualisiert, zudem sind zwei neue Kapitel zu den wichtigen Themen Diagnostik/Klassifikation sowie Medikamentenabhängigkeit ergänzt.

  • Social-Media-Stress kann zu Social-Media-Sucht führen

    Soziale Medien wie Facebook und Instagram können so genannten Technostress auslösen. Anstatt jedoch die Plattform weniger oder gar nicht mehr zu nutzen, wechseln manche Menschen lediglich von einer Funktion zu einer anderen. Sie entziehen sich also den Ursachen des Stresses, ohne das Medium zu verlassen, auf dem er entstanden ist. Das haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Lancaster University, der Universität Bamberg sowie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) herausgefunden und im Information Systems Journal veröffentlicht.

    Die Forschungsgruppe untersuchte die Gewohnheiten von 444 Facebook-Nutzern und -Nutzerinnen. Sobald Aktivitäten wie Chatten, Scannen von Nachrichten-Feeds und Veröffentlichen von Updates zu Stress führten, wechselte ein Teil zu einer anderen Aktivität innerhalb des Netzwerks. Dieses Verhalten erhöht wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass die Nutzer eine „Technologiesucht“ entwickeln, da die verschiedenen Features der Plattform über längere Zeit verwendet werden. Die Nutzerinnen und Nutzer suchen also Ablenkung innerhalb des sozialen Netzwerks als Bewältigungsmechanismus für Stress, der durch eben dieses ausgelöst wurde, anstatt die Tätigkeit zu beenden und sich anderweitig zu beschäftigen.

    „Auch wenn dies der Intuition widersprechen mag, bleiben Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzer weiterhin auf denselben Plattformen, die sie belasten, anstatt sie zu verlassen, was die Grenze zwischen der stressverursachenden Nutzung und der zwanghaften Nutzung verschwimmen lässt“, erklärt Mitautorin Monideepa Tarafdar, Professorin für Informationssysteme und Co-Direktorin des Zentrums für technologische Zukunftsforschung an der Lancaster University Management School.

    Wirtschaftsinformatiker Dr. Christian Maier von der Universität Bamberg, der die Daten der Facebook-Nutzer und -Nutzerinnen zusammen mit Prof. Dr. Sven Laumer, Schöller-Stiftungslehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft, der FAU, sammelte, führt aus: „Da soziale Netzwerke eine so große Bandbreite an Funktionen bieten, können sie für Nutzerinnen und Nutzer sowohl Stressfaktor als auch Ablenkung darstellen. Selbst wenn diese Personen von sozialen Medien gestresst sind, verwenden sie die gleichen Plattformen, um diesen Stress zu bewältigen. Sie verlagern ihre Aktivitäten innerhalb der Netzwerke und bauen letztendlich ein zwanghaftes und übermäßiges Verhalten auf. Infolgedessen vertiefen sie sich noch stärker in die Plattform, anstatt sich von ihr zu lösen, und geraten so in eine Abhängigkeit.“

    Das Forschungsteam untersuchte verschiedene Formen von Technostress, die durch soziale Medien hervorgerufen werden. So hatten Nutzerinnen und Nutzer das Gefühl, dass die Netzwerke in ihr persönliches Leben eindringen, sie ihre Nutzung an die ihrer Freunde anpassen, sie übermäßigen sozialen Erwartungen und einer Flut an Informationen ausgesetzt sind und mit ständigen Änderungen und Aktualisierungen konfrontiert werden.

    Es zeigte sich: Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer begegnen Technostress durch soziale Medien auf zwei unterschiedliche Weisen. Der naheliegende Weg: auf Aktivitäten außerhalb sozialer Medien ausweichen. Dieser Personenkreis klinkte sich aus der Plattform aus, sprach mit anderen Personen oder der Familie über ihre Probleme und verbrachte weniger Zeit im Netzwerk. Der andere Weg bestand hingegen darin, innerhalb der sozialen Plattform andere Angebote zu nutzen und so möglicherweise abhängig zu werden. Dieses Verhalten zeigten vor allem diejenigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die die Plattform regelmäßiger nutzten.

    „Wir haben festgestellt, dass die Personen, die intensivere Social-Media-Nutzer sind, eher zu einem anderen Angebot auf der Plattform wechselten, um dem Stress zu entgehen, und daher eher innerhalb des Netzwerks blieben, anstatt sich auszuklinken. Je stärker jemand soziale Medien nutzt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sie auch zur Ablenkung bei Stress einsetzt und auf diese Weise vielleicht eine Abhängigkeit von der Plattform entwickelt“, sagt Prof. Sven Laumer und fügt hinzu: „Benutzerinnen und Benutzer gehen zu verschiedenen Bereichen der Plattform, die sie als getrennt betrachten und die sie auf unterschiedliche Weise nutzen. Bei Facebook gibt es ganz unterschiedliche Funktionen und Angebote – und alles auf derselben Plattform. Die Möglichkeiten reichen vom Chatten über das Posten von Bildern bis hin zu Online-Spielen.“

    Prof. Monideepa Tarafdar ergänzt: „Die Idee, dasselbe Umfeld, das den Stress verursacht, als Mittel zur Bewältigung dieses Stresses zu verwenden, ist neu. Es ist ein interessantes Phänomen, das für Technostress, der durch soziale Medien hervorgerufen wird, charakteristisch zu sein scheint.“

    Pressestelle der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), 10.09.2019

  • Rauchverhalten Jugendlicher und junger Erwachsener

    Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stellt anlässlich des Deutschen Suchtkongresses in Mainz vom 16. bis 18. September 2019 neue repräsentative Studienergebnisse zum Rauchverhalten Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland vor.

    Die aktuellen Daten aus dem Jahr 2018 zeigen, dass sich die positive Entwicklung beim Rauchverhalten junger Menschen fortsetzt. Die Raucherquote der 12- bis 17-Jährigen ist seit 2001 von 27,5 Prozent auf aktuell 6,6 Prozent gesunken. Unterschiede im Rauchverhalten zwischen den Geschlechtern gibt es in dieser Altersgruppe kaum noch. Auch bei den 18- bis 25-Jährigen geht die Raucherquote deutlich zurück und liegt derzeit bei 24,8 Prozent.

    Dr. Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA, betont: „Rauchen ist uncool: Nie zuvor haben mehr Jugendliche komplett auf das Rauchen verzichtet: 82,7 Prozent der 12- bis 17-Jährigen geben an, noch nie in ihrem Leben geraucht zu haben. Erfreulich ist auch die Entwicklung bei den jungen Erwachsenen. Hier erklären sich 44,3 Prozent als Nierauchende. Im Jahr 2001 waren es nur 23,1 Prozent. Allerdings bleibt der Konsum von Wasserpfeifen und E-Zigaretten nach wie vor problematisch, besonders vor dem Hintergrund, dass die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen der inhalierten Substanzen weiterhin unklar sind.“

    So ist den aktuellen BZgA-Studienergebnissen zufolge das Shisha-Rauchen bei den 18- bis 25-Jährigen weiter angestiegen: 19,1 Prozent der jungen Erwachsenen geben im Jahr 2018 an, in den vergangenen 30 Tagen Wasserpfeife geraucht zu haben. Zehn Jahre zuvor waren es noch 7,8 Prozent. Bei den 12- bis 17-Jährigen geht der Konsum der Wasserpfeife von 12,2 Prozent im Jahr 2008 auf 9,0 Prozent in 2018 leicht zurück.

    Beim Konsum von E-Zigaretten zeigen die aktuellen BZgA-Daten ebenfalls Anstiege: 6,6 Prozent der jungen Erwachsenen und 4,2 Prozent der Jugendlichen haben in den vergangenen 30 Tagen E-Zigaretten konsumiert. Ihr Anteil lag im Jahr 2012 bei 3,9 beziehungsweise 2,6 Prozent.

    Für die wissenschaftliche Erhebung der BZgA zum Rauchverhalten junger Menschen wurden im Zeitraum April bis Juni 2018 bundesweit 7.002 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12 bis 25 Jahren befragt. Die BZgA-Studie „Rauchverhalten Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland“ steht hier zum Download bereit.

    Informationen der BZgA zu Risiken des Rauchens und des Konsums von E-Produkten:
    für Jugendliche: www.rauch-frei.info
    für Erwachsene: www.rauchfrei-info.de

    Pressestelle der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 12.09.2019