Autor: Simone Schwarzer

  • Zahlen, Wissen, Perspektiven

    Der Fachverband Drogen- und Suchthilfe e.V. mit seinem Arbeitsschwerpunkt im Bereich illegale Drogen kann auf 40-jährige Erfahrung und Fachexpertise von ca. 350 (in knapp 70 Mitgliedsorganisationen zusammengeschlossenen) Einrichtungen zurückgreifen. Mit der neuen Broschüre „Zahlen, Wissen, Perspektiven. Update 2019 zu den Grundlagen der Suchthilfe“ veröffentlicht der Beirat des fdr+ Basisinformationen und Aussagen zur Sucht- und Drogenhilfe. Dabei geht es um Zahlen, Differenzierungen, Rahmenbedingungen, den Krankheitsbegriff, ethische Fragen und Grundsätze. Leitlinien, Visionen und Strategien informieren über die Grundlagen der Verbandsarbeit und seine Ziele. Dabei will der fdr+ nicht nur Fakten und gesetzliche Vorgaben vermitteln, sondern auch deutlich machen, welches Menschenbild Ausgangspunkt für die Hilfen zur gesundheitlichen Verbesserung, Entwicklung, Teilhabe und höheren Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen ist.

    Damit ist eine umfassende Information zur Suchthilfe sowie zu den Arbeitsgrundlagen und Positionen des Fachverbandes Drogen- und Suchthilfe e.V. entstanden. Die Broschüre kann gegen eine Schutzgebühr von 9 Euro auf der Homepage des fdr+ bestellt werden.

    Quelle: https://fdr-online.info/

  • Heilsame Architektur

    transcript Verlag, Bielefeld 2019, 288 Seiten, 29,99 €, ISBN 978-3-8376-4503-3, auch als E-Book erhältlich

    Healing Design, Architecture for Health, Urban Health – immer lauter wird der Ruf nach Bauten, die nicht nur funktional gestaltet sind, sondern so, dass Menschen sich in ihnen wohlfühlen und besser gesund werden: nach Architekturen also, welche die Gesetzmäßigkeiten des leiblich-räumlichen Wahrnehmens und Spürens berücksichtigen.

    Katharina Brichetti und Franz Mechsner stellen Projekte heilsamer Architektur vor und verbinden dies mit Einsichten aus Psychologie, Neurobiologie und Phänomenologie, um zu zeigen, was menschenfreundliche Raumgestaltung ausmacht. Im Mittelpunkt steht dabei die Wirkung gebauter Umwelt auf das Erleben im Sinne einer „Rehumanisierung von Architektur“ (Gernot Böhme).

  • Grünflächen in Städten fördern psychisches Wohlbefinden

    Ein Forscherteam unter Federführung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim (ZI) konnte zeigen, dass Grünflächen unmittelbar das Wohlbefinden im Alltag von Stadtbewohnern verbessern und durch eine Untersuchung der Gehirnfunktion Menschen identifizieren, die hiervon besonders profitieren.

    Seit wenigen Jahren leben nach Angaben der Vereinten Nationen mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land. Es wird geschätzt, dass bis zum Jahr 2050 sogar rund zwei Drittel aller Menschen in Städten leben werden. Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass in der Stadt aufgewachsene und gegenwärtig in der Stadt lebende Menschen anders auf Stress reagieren als Landbewohner und ein deutlich höheres Risiko haben, an Depression, Schizophrenie oder Angststörungen zu erkranken. Ein interdisziplinär besetztes Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg und Prof. Dr. Dr. Heike Tost, sowie unter maßgeblicher Beteiligung von Dr. Urs Braun, alle aus der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am ZI, konnte nun zeigen, dass Grünflächen in Städten, also beispielsweise innerstädtische Bäume, Rasenflächen, Blumenbeete oder Parks, als wichtiger schützender Faktor angesehen werden können. In einer Studie, die in der Fachzeitschrift „Nature Neuroscience“ veröffentlicht wurde, fanden sie heraus, dass der Anteil an Grünflächen in der Umgebung von Menschen direkte Auswirkungen auf deren Wohlbefinden im Alltag hat. Von diesem Effekt profitieren erstaunlicherweise besonders solche Menschen, die die meiste Zeit ihres Alltags in urbanen Stadtvierteln mit wenig Grünanlagen verbringen und eine verminderte Gehirnkapazität aufweisen, negative Emotionen zu regulieren.

    Erstmals Bestätigung auf neuronaler Ebene

    „Wir konnten die positive Wirkung von Grünflächen in Städten auf das Wohlbefinden erstmals direkt im städtischen Alltag bestätigen und auf die Gehirnfunktion beziehen“, sagt ZI-Forscherin Prof. Dr. Dr. Heike Tost. Dafür wurden zunächst 33 gesunde Stadtbewohner gebeten, mit Hilfe speziell ausgestatteter Smartphones binnen einer Woche rund neun Mal pro Tag ihre Stimmung zu bewerten. Die Teilnehmer/innen gingen in dieser Zeit wie gewohnt ihrem Alltag nach. Mit geoinformatischen Methoden wurden die von ihnen zurückgelegten Wege nachvollzogen und Merkmale der Wegstrecken, vor allem einsehbare Grünflächen, ermittelt. Diese Informationen wurden mit der aufgezeichneten Stimmungssituation verknüpft. Es zeigte sich, dass die Teilnehmer/innen in Situationen, in denen sie von einem höheren Anteil an Grünflächen in der Stadt umgeben waren, ein höheres Wohlbefinden anzeigten. In einem zweiten Schritt wurden 52 weitere junge Erwachsene gebeten, auf dieselbe Weise ihre Stimmung im Alltag zu bewerten. Zusätzlich wurden die Teilnehmer/innen nach der siebentägigen Bewertungsphase einer funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) unterzogen. Diese Methode erlaubt es, bestimmte Hirnfunktionen darzustellen.

    Erhebliches Präventionspotenzial durch Grünflächen in Städten

    Die Ergebnisse des ersten Durchgangs wurden durch die zweite Gruppe bestätigt. Zudem beobachteten die Forscher/innen eine verminderte Aktivität im dorsolateralen präfrontalen Cortex bei Menschen, die in ihrem Alltag besonders positiv auf Grünflächen reagierten. Der dorsolaterale präfrontale Cortex ist eine Hirnregion, die eine zentrale Kontrollfunktion bei der Verarbeitung negativer Emotionen und stressiger Umwelterfahrungen ausübt. „Diese Ergebnisse legen nahe, dass Grünflächen besonders für solche Menschen wichtig sind, deren Kapazität vermindert ist, negative Emotionen selbst zu regulieren“, sagt Prof. Dr. Andreas Meyer-Lindenberg, Vorstandsvorsitzender des ZI und Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. „Das ist gerade mit Blick auf Planung gesundheitsförderlicher Städte sehr interessant“, ergänzt Markus Reichert vom Mental mHealth Lab des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), einer der Erstautoren der Studie. Entsprechend gut über eine Stadt verteilte Grünflächen könnten ein erhebliches Präventionspotenzial mit Blick auf psychische Erkrankungen entfalten, schlägt er vor.

    Interdisziplinäres Team kombiniert mehrere Methoden

    Das Forscherteam um Meyer-Lindenberg und Tost kombinierte bei der jüngsten Untersuchung mehrere Methoden aus den Bereichen Epidemiologie, Psychologie, Geoinformatik und Neuroimaging. Neben den ZI-Forscher/innen waren mit Markus Reichert und Prof. Dr. Ulrich Ebner-Priemer, beide vom KIT, auch Prof. Dr. Alexander Zipf und Dr. Sven Lautenbach vom Geographischen Institut der Universität Heidelberg und dem Heidelberg Institute for Geoinformation Technology HeiGIT federführend an der Studie beteiligt.

    Veröffentlichung:
    Tost H, Reichert M, Braun U, Reinhard I, Peters R, Lautenbach S, Hoell A, Schwarz E, Ebner-Priemer U, Zipf A and Meyer-Lindenberg A: Neural correlates of individual differences in affective benefits of real-life urban green space exposure. Nat. Neurosci. 2019.

    Pressestelle des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI), 30.07.2019

  • Soziale Arbeit in der digitalen Transformation

    Ausgabe 2/2019 – Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit
    Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau 2019, 96 Seiten, 14,50 €, ISBN 978-3-7841-3127-6

    Die digitale Transformation verändert nicht nur die Verwaltungsabläufe in der Sozialen Arbeit, sondern sie erfordert grundlegend neue Konzepte für Beratungs- und Hilfeprozesse. Dieses Heft fragt nach notwendigen Strategien und Rahmenbedingungen für einen digitalen Wandel, der sich an den Bedürfnissen der Nutzer/innen und Fachkräfte orientiert.

  • IT-Report für die Sozialwirtschaft 2019

    Digitalisierung steht weit oben auf der Agenda der Führungskräfte sozialer Organisationen. Aber wie ist es um die Voraussetzungen dafür bestellt? Der von der Arbeitsstelle für Sozialinformatik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) herausgegebene IT-Report für die Sozialwirtschaft beleuchtet in seiner aktuellen Ausgabe, wie es um die Investitionen in Informationstechnologie, das IT-Personal, den Reifegrad des IT-Managements und die IT-Sicherheit in der Branche steht.

    Die Digitalisierung, so das Fazit der Autoren Prof. Helmut Kreidenweis und Prof. Dr. Dietmar Wolff, wird ausgebremst, wenn die Träger den Grundlagen dafür weiterhin zu wenig Augenmerk schenken. So stagnieren etwa die Ausgaben für Informationstechnologie seit drei Jahren, eine Weiterentwicklung zu modernen IT-Architekturen ist kaum erkennbar und der Reifegrad des IT-Servicemanagements bleibt vielfach niedrig. Zwar steigt mittlerweile der Einsatz von Smartphones und Tablets, jedoch beträgt ihr Anteil an den Endgeräten bislang nur 24 Prozent.

    Ein großes Problem stellt mittlerweile der Mangel an IT-Fachkräften dar. In der Folge müssen immer weniger IT-Mitarbeiter immer mehr Nutzer und Endgeräte betreuen, die Zeit für Innovationen fehlt.

    Deutlich aufgeholt haben die Träger dagegen in Sachen Datenschutz. Heute verfügen 99 Prozent über einen Datenschutzbeauftragten. Lücken gibt es aber weiterhin bei der IT-Sicherheit. So wendet etwa nur ein Viertel der Einrichtungen standardisierte Normen zu ihrer Gewährleistung an.

    Gute Stimmung herrscht immer noch in der Software-Anbieterbranche für die Sozialwirtschaft. Investieren wollen die Firmen vor allem in die Funktionalität ihrer Software, in ihre Anwenderfreundlichkeit und in die Entwicklung von Mobillösungen. Innovative Ansätze wie die Integration von Klienten, Angehörigen oder Ärzten in die einrichtungseigene Informationsverarbeitung oder die Anbindung von Technologien aus dem Internet der Dinge sind bislang jedoch nur bei einem Teil der Anbieter erkennbar.

    Neben statistischen Analysen liefert der IT-Report auch die jährlich von der Branche mit Spannung erwarteten Rankings der Anbieter sowie ein Anbieterverzeichnis, das Auskunft über Umsatz-, Kunden- und Mitarbeitendenzahlen der teilnehmenden Firmen gibt.

    Der IT-Report für die Sozialwirtschaft 2019 kann als digitales Dokument zum Preis von 72,– Euro per Mail an christine.vetter@ku.de gegen Rechnung bezogen werden. Weitere Informationen finden Sie unter: http://www.sozialinformatik.de

    Pressestelle der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, 03.07.2019

  • E-Zigarette zur Raucherentwöhnung

    Rauchen ist nach wie vor ein wichtiger Risikofaktor für die koronare Herzerkrankung und den akuten Herzinfarkt mit nachfolgend hoher Sterblichkeit Wer einmal an diese Droge geraten ist, unternimmt oft viele Versuche, um wieder davon loszukommen. Eine Möglichkeit, um den Ausstieg aus der Tabaksucht zu erleichtern, könnte die Entwöhnung mit der E-Zigarette sein.

    E-Zigaretten erleben derzeit einen Boom. In den letzten sieben Jahren ist der Umsatz mit E-Zigaretten allein in Deutschland von fünf auf 600 Millionen Euro angestiegen. Eine englische Studie, die kürzlich im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurde (Hajek et al. 2019), prüfte nun, ob die E-Zigarette als Methode der Raucherentwöhnung wirklich geeignet und wie vielversprechend sie ist. Das Ergebnis: Langjährigen Raucherinnen und Rauchern, die gewillt waren, das Rauchen zu beenden, gelang der Ausstieg über die E-Zigarette doppelt so häufig wie mit Nikotinersatzstoffen (z. B. Pflaster, Kaugummi, Lutschtabletten, medikamentöse Therapie etc.).

    In der Studie wurden 886 im Durchschnitt 41 Jahre alte Raucherinnen und Raucher nach einer persönlichen Beratung in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe erhielt ein Starterpaket mit E-Zigarette und einer nikotinhaltigen Inhaltsflüssigkeit, weitere Einheiten zum Nachfüllen nach Wahl schlossen sich an. Die zweite Gruppe wurde mit anderen Nikotinersatzpräparaten ausgestattet. Alle Teilnehmer wurden zudem ermutigt, an einer regelmäßigen Verhaltenstherapie teilzunehmen. Nach zwölf Monaten waren 18 Prozent der E-Zigaretten-Raucher*innen tabakabstinent. Diejenigen, die mit Ersatzpräparaten den Ausstieg erreichen wollten, zeigten diese Abstinenz nur zu 9,9 Prozent.

    Dennoch sind die Ergebnisse der Studie mit Vorsicht zu genießen, warnen Experten der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK): „Bei der Bewertung der Ergebnisse darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Mehrzahl der Probandinnen und Probanden der E-Zigaretten-Gruppe langfristig nicht auf das Rauchen verzichtete, sondern 80 Prozent der E-Zigarette treu blieben. Die meisten Patientinnen und Patienten sind also auf die E-Zigarette umgestiegen, ein wirklicher Ausstieg bzw. eine vollständige Abstinenz erfolgte nicht“, erklärt Prof. Dr. Rainer Hambrecht, Vorsitzender der DGK-Projektgruppe Prävention. Prof. Dr. Harm Wienbergen fügt hinzu: „Bedenklich ist hierbei vor allem, dass bislang keine fundierten Ergebnisse über die Langzeitfolgen von E-Zigaretten vorliegen, es gibt allerdings erste beunruhigende Hinweise auf ernste Spätschäden durch E-Zigaretten (Garcia-Arcos et al. 2016; Ghosh et al. 2018).“

    So zeigte eine US-amerikanische Studie, dass der Konsum von nikotinhaltigen Liquids der E-Zigaretten Auswirkungen auf die Bonchialepithelzellen hat, wie sie sonst nur bei von der chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) Betroffenen beobachtet werden. Anfang des Jahres hatte bereits die American Heart Association in einer Pressemitteilung davor gewarnt, dass der Konsum von E-Zigaretten mit einer deutlich erhöhten Rate von Schlaganfällen und Herzerkrankungen einhergeht (American Heart Association 2019).

    Hinzu kommt die Vorbildfunktion: E-Zigaretten-Raucherinnen und -Raucher sind schlechte Vorbilder für Jugendliche, die besonders empfänglich dafür sind, E-Zigaretten zu konsumieren. Dadurch wird bei den Jugendlichen nachweislich auch der Beginn konventionellen Zigarettenrauchens gebahnt (Walley et al. 2019).

    Es ist deshalb eine stärkere bundesweite Regulierung des Verkaufes und der Bewerbung von E-Zigaretten zu fordern. Ein Tabakwerbeverbot, das E-Zigaretten einbezieht, ist dringend erforderlich, um insbesondere Kinder und Jugendliche zu schützen, fordern die Kardiologen.

    Literatur:
    Hajek P. et al. A Randomized Trial of E-Cigarettes versus Nicotine-Replacement Therapy. N Engl J Med 2019; 380:629-637.
    Garcia-Arcos I. et al. Chronic electronic cigarette exposure in mice induces features of COPD in a nicotine-dependent manner. Thorax 2016; 71:1119-1129.
    Ghosh A. et al. Chronic E-Cigarette Exposure Alters the Human Bronchial Epithelial Proteome. Am J Respir Crit Care Med 2018; 198:67-76.
    Walley S.C. et al. A Public Health Crisis: Electronic Cigarettes, Vape, and JUUL. Pediatrics 2019; 143:e20182741.

    Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK), 24.07.2019

  • Kritik des Anti-Doping

    transcript Verlag, Bielefeld 2019, 332 Seiten, 29,99 €, ISBN 978-3-8376-4494-4, auch als E-Book erhältlich

    Der anhaltend brisante Kampf gegen Doping im Sport wird mit vielen Mitteln geführt. Dabei haben die verschiedenen Anti-Doping-Programme und Maßnahmen eklatante Probleme und sind vielfach sogar widersprüchlich. So stellt eine Totalüberwachung der Athleten ihre bürgerlichen Rechte in Frage, viele Maßnahmen sind ineffektiv, und der Kampf gegen das Doping wird oft inkonsequent geführt.

    Die Beiträge des Bandes nehmen daher aus verschiedenen Perspektiven eine fundierte Kritik des Anti-Doping vor und zeigen, dass der Kampf gegen das Doping einer dringenden Revision auf vielen Ebenen bedarf. Die moralische Aufladung des Themas ist dabei genauso ein Problem wie die Methoden, Strategien und – nicht selten – die Personalien selbst.

  • Hilft das Handy beim Trockenbleiben?

    Jeder sechste Mensch in Deutschland trinkt zu viel Alkohol. Für rund vier Prozent wird der Genuss zur Sucht. Damit ist Alkoholabhängigkeit eine der häufigsten psychischen Störungen. Nur wenige Patientinnen und Patienten nehmen nach einem stationären Entzug weiterhin Hilfe in Anspruch. Das Projekt „Smartphone-assistierte Abstinenzförderung nach Alkoholentzug“ soll mit einer Kombination aus App und Telefoncoaching Betroffenen helfen, passende Angebote und Maßnahmen zu finden, um dauerhaft abstinent zu bleiben. Der Gemeinsame Bundesauschuss fördert dafür die Universitäten Erlangen-Nürnberg und Bamberg ab Mai 2019 drei Jahre lang mit rund 2.4 Millionen Euro aus seinem Innovationsfonds.

    „Wer gerade einen Alkoholentzug geschafft hat, hat ein sehr hohes Rückfallrisiko“, erklärt Prof. Dr. Sabine Steins-Löber, Inhaberin des Lehrstuhls für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Bamberg. „In dieser Phase sind individuell passende Anschlussmaßnahmen besonders wichtig.“ In Zusammenarbeit mit mehreren Kliniken führen Forschende der Universität Erlangen-Nürnberg deshalb einen innovativen Behandlungsplan in der Region Franken in Bayern ein: Mit Hilfe der neuen Versorgungsform namens SmartAssistEntz, die Prof. Dr. Matthias Berking und sein Team an der Universität Erlangen-Nürnberg entwickelt haben, werden Betroffene unterstützt, geeignete Anschlussmaßnahmen zu finden, in Anspruch zu nehmen und nachhaltig zu nutzen. Dafür lernen die Patientinnen und Patienten zuerst, mit einer App die eigene Motivation zu stärken, Verlangen nach dem Suchtmittel zu erkennen und mit Risikosituationen umzugehen sowie die eigenen Ressourcen zu aktivieren. Im zweiten Baustein erhalten sie über Telediagnostik Empfehlungen für passende Anschlussmaßnahmen wie Selbsthilfegruppen oder Paargespräche. Im dritten Baustein erarbeiten die Betroffenen gemeinsam mit einem eCoach einen Nachhaltigkeitsplan, in dem festgehalten ist, welche dieser Maßnahmen wann umgesetzt werden.

    Ob und wie diese Bausteine greifen, untersuchen die Bamberger Psychologinnen und Psychologen Sabine Steins-Löber, Niklas Enewoldsen und Daniela Reichl. Ihr Teilprojekt wird mit rund 395.000 Euro der Gesamtsumme gefördert. „Wir evaluieren die Effekte des neuen Behandlungskonzepts. Dafür vergleichen wir unter anderem das Rückfallrisiko innerhalb von sechs Monaten beim Einsatz von SmartAssistEntz mit der Regelversorgung“, erklärt Steins-Löber. Die Forschenden befragen Betroffene sowie Behandler, auch Routinedaten der beteiligten Krankenkassen und der Rentenversicherung werden miteinbezogen. „Wenn sich das Konzept bewährt, ist denkbar, dass es auch in anderen Regionen angewendet wird oder Teil der Regelversorgung wird.“ Erste Ergebnisse erwartet die Psychologin, die unter anderem auch zu Adipositas, Essstörungen, Kaufsucht und Binge-Watching forscht, ab Januar 2021.

    Weitere Informationen: www.uni-bamberg.de/klinpsych/forschung/projekte/smartassistentz

    Pressestelle der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 18.06.2019