Autor: Simone Schwarzer

  • Therapie-Tools Alkohol- und Tabakabhängigkeit

    Beltz Verlag, Weinheim 2019, 260 Seiten mit E-Book inside und Arbeitsmaterial, 42,95 €,
    ISBN 978-3-621-28680-0

    Von allen Suchterkrankungen sind der übermäßige Alkoholkonsum und das Rauchen am weitesten verbreitet, und sie haben die schwerwiegendsten Auswirkungen mit hunderten von Folgeerkrankungen und über hunderttausend Todesfällen. Alkohol- und Tabakabhängigkeit treten oft gemeinsam auf. Das Tools-Buch enthält umfassende Arbeitsmaterialien sowohl für die Behandlung von Alkoholabhängigen als auch für die Raucherentwöhnung für die Stufen Diagnostik/Anamnese, Motivierung/ Veränderungsentscheidung, Entwicklung persönlicher Therapieziele, Therapiedurchführung sowie Rückfallprävention. So werden den Behandlern geeignete Materialien für eine erfolgreiche und zeitökonomische Therapie zur Verfügung gestellt.

    Aus dem Inhalt:

    1. Diagnostik und Anamnese: verschiedene Checklisten zur Erfassung des Suchtverhaltens
    2. Motivierung und Veränderungsentscheidung: Suchtverhalten erkennen, Suchtmechanismen verstehen
    3. Entwicklung persönlicher Therapieziele: Behandlungsplan, Therapieziele, Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche
    4. Therapiedurchführung: Einzelsitzungen, Gruppensitzungen, Einbezug der Partner/innen
    5. Rückfallprävention: Umgang mit Verlangen, Ablehnungstraining, Notfallplan u.v.m.
  • Mitarbeiterbefragung und Gefährdungsanalyse Teil II

    Mitarbeiterbefragung und Gefährdungsanalyse Teil II

    Robert Meyer-Steinkamp

    Wie hoch sind die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz in der Suchthilfe? Die Therapeutische Gemeinschaft Jenfeld (TGJ) ermittelte mithilfe einer „Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen“ die Situation der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In Teil I dieses Artikels (erschienen am 15. April 2019) berichtete Robert Meyer-Steinkamp über den Anstoß dazu und die Durchführung der ersten Phase, einer Mitarbeiterbefragung mit Fragebogen. In Teil II stellt er die zweite Durchführungsphase dar, in der aufbauend auf den Befragungsergebnissen in Workshops Maßnahmepläne erarbeitet wurden.

    Psychische Belastung und psychische Beanspruchung

    Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) bemängelt in ihrer Broschüre „Psychische Belastung und Beanspruchung im Berufsleben: Erkennen – Gestalten“ (2010) begriffliche Unklarheiten und gibt eine Definition für „psychische Belastung“ und „psychische Beanspruchung“ an. In Anlehnung daran lässt sich zusammenfassen:

    „Psychische Belastung ist die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.“ (DIN EN ISO 10075-1 (1a); baua 2010, S. 9)

    Psychische Belastung, ob beruflicher oder außerberuflicher Natur, wird dabei zunächst als wertneutral und nicht zwangsläufig als negativ betrachtet. Grundsätzlich ist psychische Belastung Teil aller Tätigkeiten und betrifft alle Menschen. Darüber hinaus ist sie notwendig, um die psychischen Funktionen aufrechtzuerhalten, analog den körperlichen Funktionen, die schwinden, wenn z. B. nach einem Beinbruch eine längere Ruhigstellung erfolgt und anschließend die Muskulatur erst wieder trainiert werden muss, bevor der Betroffene wieder regulär gehen oder womöglich sportlich aktiv sein kann.

    „Psychische Beanspruchung ist die unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien.“ (DIN EN ISO 10075-1; baua 2010, S. 10)

    Die psychische Belastung durch einen aufregenden Film kann als beängstigend oder anregend erlebt werden und damit eine unterschiedliche Beanspruchung erzeugen. Zwei Teammitglieder in gleicher Funktion können auf die gleiche Belastung durch die Arbeitsumgebung sehr unterschiedlich reagieren und sich unterschiedlich beansprucht fühlen. Der eine fühlt sich im positiven Sinne herausgefordert und angespornt, führt Auseinandersetzungen, sucht Lösungen und bezieht Kollegen ein. Der andere fühlt sich überfordert, unter Druck, entwickelt Stresssymptome und zieht sich zurück. Zu einem anderen Zeitpunkt, ein Jahr später, könnte die Reaktion aufgrund veränderter individueller Voraussetzungen jeweils ganz anders ausfallen.

    Auswirkungen psychischer Beanspruchung

    Positive psychische Beanspruchung im Sinne von Anreiz und adäquater Herausforderung wird als ein Motor für die menschliche Entwicklung allgemein und auch im Hinblick auf arbeitsbezogene Kompetenzen gesehen. Gleichzeitig kann psychische Belastung die mit diesem Begriff eher assoziierten negativen Folgen wie Erschöpfung, somatoforme Erkrankungen, Burnout-Symptome oder weiterreichende psychische Erkrankungen auslösen. In diesem Fall spricht  man von Fehlbeanspruchung. Positive Beanspruchung führt tendenziell zu individueller Weiterentwicklung und Zufriedenheit sowie betrieblich zu höherer Produktivität und Geschäftserfolg. Fehlbeanspruchung führt tendenziell zu Stress und Krankheit  sowie auf betrieblicher Ebene zu Fehlern, Mehrkosten und geschäftlichem Misserfolg (s. Abb. 1).

    Abb. 1: Modell für Zusammenhänge hinsichtlich psychischer Belastung und Beanspruchung

    Die Belastungen am Arbeitsplatz, das wird bei dieser Betrachtung deutlich, sind eine wesentliche, aber durchaus nicht die einzige Quelle möglicher psychischer Fehlbeanspruchung. Lebensgeschichtlich erworbene persönliche Stärken und Schwächen und aktuelle außerbetriebliche Belastungen können dazu führen, dass die ‚normale‘ Arbeitssituation bei einzelnen Mitarbeiter/innen in psychischer Fehlbeanspruchung mit all ihren Auswirkungen mündet, obwohl diese Situation bei 95 Prozent der Kolleg/innen keine negativen Auswirkungen hat. Außerbetriebliche oder in der Persönlichkeit liegende Quellen für Fehlbeanspruchung lassen sich durch eine Gefährdungsanalyse psychischer Belastungen nicht erfassen und sind mit betrieblichen Mitteln auch nicht zu steuern. Somit ist es unwahrscheinlich, eine betriebliche Situation herstellen zu können, in der die psychische Fehlbeanspruchung und deren negative Auswirkungen bei null liegen. 

    Betriebliche Quellen psychischer Belastung

    Dennoch füllt Arbeit einen erheblichen Teil des Alltags  aus und stellt somit eine bedeutsame Quelle psychischer Belastung dar. Die baua (2010) differenziert diese Quelle in die Bereiche:

    • Arbeitsaufgabe (z. B. viel Verantwortung, schwierige Klientel, Monotonie)
    • Arbeitsumgebung (z. B. physikalisch: Lärm, Temperatur; oder sozial: Betriebsklima, Führungsverhalten)
    • Arbeitsorganisation/Arbeitsablauf (z. B. Informationsfluss, Dienstplanung)
    • Arbeitsmittel (z. B. allgemeine technische Ausstattung, Computersysteme)
    • Arbeitsplatz (z. B. direkte Arbeitsumgebung des Einzelnen)

    Alle Bereiche werden durch den in Teil I des Artikels beschriebenen Mitarbeiterfragebogen angesprochen und in den 13 Faktoren der Mitarbeiterzufriedenheit abgebildet:

    1. Führungs- und Unternehmenskultur
    2. Arbeitsbelastung
    3. Direkte Vorgesetzte
    4. Beschäftigungsbedingungen
    5. Strukturen & Prozesse
    6. Kollegen
    7. Patientenversorgung
    8. Arbeitsumgebung/Ausstattung
    9. Dienstplanung
    10. Personalqualifizierung
    11. PC-Arbeitsplätze
    12. IT
    13. Schnittstellen

    Phase 1: Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung

    Die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung stehen in der Therapeutischen Gemeinschaft Jenfeld (TGJ) den Mitgliedern der AG Gefährdungsanalyse, der Leitung und dem Betriebsrat in allen Details zur Verfügung. Außerdem erhalten die externen Moderatorinnen der Workshops – die Betriebsärztin (Hanseatisches Zentrum für Arbeitsmedizin hanza) sowie eine auf Gefährdungsanalysen psychischer Belastungen spezialisierte Psychologin (hanza ressources) – die Ergebnisse, um die Workshops vorzubereiten.

    Eine erste genauere Betrachtung der Befragungsergebnisse obliegt der Leitung und dem Betriebsrat mit dem Ziel, die zentralen Punkte auf einer Betriebsversammlung zu präsentieren und so den Kolleg/innen eine zeitnahe Rückmeldung zu ihrer Teilnahme an der Befragung zu geben. Dabei werden sowohl Stärken als auch Problemfelder, die sich abzeichnen, benannt.

    Hinsichtlich der allgemeinen Arbeitszufriedenheit ergab sich für die TGJ gesamt, auch im Benchmark mit sieben anderen Einrichtungen der Suchthilfe, ein sehr erfreuliches Bild. Unzufrieden waren nur ca. drei Prozent (s. Abb. 2).

    Abb. 2: „Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit Ihrem Arbeitsplatz?“

    Wir gehen davon aus, dass die Mitteilung dieses Stimmungsbildes im Rahmen der Ergebnispräsentation das Bewusstsein für die positiven Aspekte des Arbeitsplatzes weiter steigert und sich daraus wiederum positive Einflüsse auf das betriebliche Geschehen entwickeln.

    Auf der Ebene der Faktoren der Mitarbeiterzufriedenheit zeichnete sich dagegen beim Faktor PC-Arbeitsplätze eine deutliche Verschlechterung gegenüber der Befragung von 2014 ab. 2014 betrug die Problemhäufigkeit drei Prozent, 2017 waren es 16 Prozent (s. Abb. 3).

    Mit 16 Prozent Problemhäufigkeit steht die TGJ im Vergleich zu anderen Einrichtungen zwar gut da – eine deutliche Verschlechterung des eigenen Wertes, so hatten wir es in der AG Gefährdungsanalyse festgelegt, sollte aber immer ein Anlass zu Diskussionen und möglichst Verbesserungen sein. Letzteres wurde für die Jahre 2018/19 dann auch als Zielsetzung formuliert und im weiteren Verlauf mit konkreten Maßnahmen unterlegt.

    Abb. 3: Problemhäufigkeiten der Faktoren PC-Arbeitsplätze und Beschäftigungsbedingungen im Vergleich

    Der Faktor Beschäftigungsbedingungen wiederum verzeichnete eine deutliche Verbesserung von 25 auf 13 Prozent Problemhäufigkeit (s. Abb 3). Hintergrund dafür war vor allem die Umwandlung von Nebenabreden in nunmehr feste Stellen. Bei einer größeren Zahl von Mitarbeitern waren ergänzend zu einer fest vereinbarten Teilzeitstelle weitere wöchentliche Arbeitsstunden durch jährlich zu erneuernde Nebenabreden geregelt. Für die Kollegen war damit ein nicht unerhebliches Maß an längerfristiger Einkommensunsicherheit verbunden. Die Mitarbeiterbefragung von 2014 war ein Anlass gewesen, diese Nebenabreden zu diskutieren. Die erfolgreiche Veränderung ist ein Beispiel dafür, dass eine Einflussnahme durch die Mitarbeitenden möglich ist.

    Phase 2: Workshops und die Entwicklung von Maßnahmeplänen

    Die Betriebsärztin und die auf Gefährdungsanalysen psychischer Belastungen spezialisierte Psychologin moderieren die Workshops. Sie nehmen an der Präsentation der Befragungsergebnisse teil und notieren dabei auftauchende Fragen und Anmerkungen aus der Kollegenschaft. Diese Notizen und eine eigene Sichtung der Befragungsergebnisse dienen zur thematischen Vorbereitung der Workshops. Die Workshop-Teilnehmer werden von den Berufsgruppen nach eigener Wahl entsandt. Die Workshops finden ohne die jeweilige Bereichsleitung statt. Die Bereichsleitungen besuchen einen eigenen Workshop, um Themen im Kontext ihrer Leitungsaufgabe ansprechen zu können (s. Abb. 4).

    Abb. 4: Teilnehmerzahl und Dauer der Workshops

    Gut konstruierte Fragebögen sprechen möglichst alle Aspekte an, die für die zu untersuchende Thematik wesentlich sind. Bei den 102 Fragen des verwendeten Picker-Fragebogens geschieht das relativ detailliert. (Das Picker Institut wurde zwischenzeitlich vom Institut BQS übernommen. Zur Vermeidung von Irritationen ist in beiden Teilen des Artikels durchgängig von Picker die Rede.) Dennoch werden weitere möglicherweise wichtige Aspekte nicht wahrgenommen. Diese anderen Aspekte können z. B. arbeitsbereichsspezifisch sein oder in Besonderheiten der Einrichtung liegen. Zwei im Picker-Fragebogen enthaltene offene Fragestellungen gehen auf dieses Problem ansatzweise ein, können es aber nicht lösen.

    Die moderierten Workshops dagegen bieten die Möglichkeit, sich jenseits der feststehenden Fragestellungen zu bewegen und, ausgehend von den Befragungsergebnissen, weitere Themen zu diskutieren. Außerdem wird in den Workshops geprüft, welche Maßnahmen, die aus der letzten Mitarbeiterbefragung bzw. den damaligen Workshops hervorgegangen sind, mit welchem Erfolg umgesetzt wurden. Dazu beziehen die Teilnehmer Stellung.

    Die Moderatorinnen verfassen über den Verlauf der Veranstaltung einen Abschlussbericht, der die diskutierten Punkte wiedergibt und einen Maßnahmeplan zu den als problematisch erachteten Punkten enthält. Der Abschlussbericht wird nach Erstellung zunächst von den Teilnehmern gegengelesen und freigegeben. Danach erhält der Bereichsleiter für die jeweilige Gruppe die Gelegenheit zu einer Stellungnahme. Diese wird ggf. auch aufgenommen, und erst dann wird der fertige Bericht an die AG Gefährdungsanalyse übergeben.

    Maßnahmepläne

    Die Maßnahmepläne sind lange Vorschlagslisten, die an die AG Gefährdungsanalyse gerichtet sind. In der AG Gefährdungsanalyse werden alle Vorschläge sorgsam diskutiert und abgewogen, und es wird letztlich entschieden, was umsetzbar ist bzw. was versucht werden soll. Soweit es sich nicht um gesetzlich geregelte Sachverhalte handelt, bleibt die letzte Entscheidung bei der Leitung, die Kolleg/innen besitzen aber einen starken Einfluss. Als Beispiel für einen Maßnahmeplan ist in Abb. 5 der anonymisierte Vorschlag zum bereits erwähnten Thema Nebenabreden abgebildet.

    Abb. 5: Maßnahmevorschlag zum Thema Nebenabreden

    Die Gefährdungsanalysen finden in drei- bis vierjährigen Abständen statt. 2014 wurde vorgeschlagen, die Belastung durch interne Fortbildungen und Veranstaltungen zu reduzieren. Abb. 6 zeigt ein Beispiel für die Überprüfung der Umsetzung durch den Workshop im Jahr 2018:

    Abb. 6: Überprüfung der Umsetzung von Maßnahmevorschlägen

    Die AG Gefährdungsanalyse

    Die Arbeitsgruppe Gefährdungsanalyse der TGJ setzt sich zusammen aus je einem Vertreter aller Arbeitsbereiche (Therapie, Verwaltung, Haustechnik, etc.), Betriebsrat und Leitung. Die nach Bedarf tagende AG ist im weiteren Verlauf das zentrale Organ zur prozessualen Umsetzung der Gefährdungsanalyse. Alle in den Workshops vorgeschlagenen Maßnahmen, alle negativen Unterschiede zu anderen Suchteinrichtungen (Benchmark) oder zu vorherigen Befragungen im eigenen Haus und alle Problemhäufigkeiten über zehn Prozent werden diskutiert. Bei einigen Fragen ist es notwendig, zusätzliche Informationen einzuholen oder mit einzelnen Bereichen oder Mitarbeitern zu sprechen, um das Problem richtig zu verstehen. Manche Vorschläge müssen abgelehnt werden, nicht nur aus Leitungssicht, sondern häufiger auch, weil Argumente aus anderen Bereichen des Hauses gegen eine Umsetzung sprechen. In der Regel geschieht dies im Konsens oder zumindest mit Verständnis für die gegenläufigen Argumente.

    Im ersten Durchlauf 2014 waren diese Diskussionen teilweise sehr emotional, haben sich aber mit einkehrender Routine zunehmend versachlicht. Die gegenseitigen Perspektiven und Positionen werden verständlicher. Im zweiten Durchlauf 2017/2018 gelingt die Abarbeitung der Aufgabenstellung sehr viel schneller als in der ersten Runde. Es ergibt sich trotz allem eine Vielzahl von Maßnahmen, deren Umsetzung teilweise auch andere Akteure im Haus einbezieht. Die Überprüfung der Ergebnisse erfolgt in zeitlicher Hinsicht nach Festlegung durch die AG, spätestens allerdings mit der nächsten Durchführung der Gefährdungsanalyse.

    Mit Blick auf das in Teil I des Artikels eingeführte Prozessmodell lässt sich zusammenfassen, dass die AG die Belastungen, die sich in den Befragungsergebnissen und den Workshop-Protokollen zeigen, beurteilt. Sie prüft die Maßnahmenvorschläge und entscheidet, ob sie umgesetzt werden sollen oder nicht. Bei Bedarf werden zusätzliche Maßnahmen geplant. Je nach Sachlage erfolgt die Umsetzung durch die Teilnehmer der AG oder es werden weitere Kolleg/innen einbezogen. Die Wirksamkeit wird, soweit sinnvoll, im Verlauf geprüft. Den Schlusspunkt und gleichzeitig Neustart des Prozesses bildet dann die erneute Gefährdungsanalyse nach ca. drei Jahren.

    Kosten

    Die Workshops und deren Vor- und Nachbereitung kosteten  3.600 Euro. Zusammen mit der Summe für die schriftliche Befragung ergeben sich Gesamtkosten von 4.800 Euro. Die Summe verteilt auf drei Jahre ergibt 1.600 Euro im Jahr. Hinzurechnen muss man sicherlich auch die Arbeitszeit, die für den geschilderten Prozess aufgewendet wird. Diese Investition erscheint aus unserer Perspektive angesichts der vielen positiven Effekte für die betriebliche Situation gut vertretbar.

    Fazit

    Der ursprüngliche Gedanke, dass eine eingehende Gefährdungsanalyse psychischer Belastungen für eine so kleine Einrichtung wie die TGJ (50 Mitarbeiter) eine übertriebene Maßnahme darstellt, hat sich als falsch erwiesen. Nicht, weil wir auf ungeahnte Problematiken gestoßen wären, im Gegenteil: Unsere Gefährdungsanalyse zeichnete insgesamt ein sehr positives Bild vom Arbeitsplatzerleben der Kolleg/innen. Diese Rückmeldung, wiederholt diskutiert, kann dazu beitragen, die positiven Seiten des Arbeitsplatzes bewusster zu machen und die Zufriedenheit weiter zu steigern.

    Gleichzeitig bleiben wichtige Hinweise auf ‚Baustellen‘, die es zu bearbeiten gilt. Übermäßige Belastungen durch die Arbeitssituation lassen sich mit der beschriebenen Methodik lokalisieren. Die systematische Befragung und Diskussion garantieren eine Gründlichkeit, die sich durch die, wenn auch häufigen, alltäglichen Kontakte nicht erreichen lässt. So gefundene Quellen übermäßiger psychischer Belastung im Betrieb lassen sich häufig abstellen. Präventiv können Ressourcen z. B. in Form von Rückzugsräumen, phasenweiser Minderbelastung, Supervision, Coaching, flexibler Arbeitszeit usw. im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden. In Reaktion auf belastende Ereignisse können Maßnahmen entwickelt werden. So rückte im Rahmen der Gefährdungsanalyse ein bisher nicht deutlich wahrgenommenes grenzüberschreitendes Verhalten von Klienten gegenüber Mitarbeiterinnen der Hauswirtschaft und Haustechnik in den Vordergrund. Zum Abbau übermäßiger Belastungen in diesem Kontext sollen u. a. Fortbildungen stattfinden, die den Kolleg/innen die Hintergründe solcher Verhaltensweisen verständlicher machen, damit Orientierung bieten und darauf fußend geeignete praktische Handlungsstrategien vermitteln.

    Neben den praktischen Verbesserungen erscheint insbesondere das kontinuierliche Gespräch über die erlebte Belastung wesentlich. Die Kolleg/innen nehmen wahr, dass es eine Auseinandersetzung mit den Beschwerden gibt und, soweit möglich, auch mit dem Ziel der Verbesserung gehandelt wird. Gründe, nicht zu handeln, lassen sich ggf. durch die Diskussion nachvollziehen und werden nicht als Mangel an Interesse und Fürsorge erlebt.

    Positiv gewendet erlebt der Einzelne sich handlungsfähiger in Bezug auf psychisch belastende Aspekte der Arbeit. Wenn Rahmenbedingungen wie z. B. Kostenträgervorgaben oder tarifliche und gesetzliche Regelungen psychische Belastungen mit verursachen, werden sie im Zuge der fortlaufenden Gespräche leichter als Begrenzung der Handlungsmöglichkeiten für alle Beteiligten im Betrieb verstanden. Man erschöpft sich nicht unnötig in Auseinandersetzungen über Bedingungen, die auf dieser Ebene nicht zu beeinflussen sind.

    Kontakt:

    Robert Meyer-Steinkamp
    Therapeutische Gemeinschaft Jenfeld
    Jenfelder Straße 100
    22045 Hamburg
    Tel. 040/65 40 96-66
    meyerst.tgj@alida.de

    Angaben zum Autor:

    Robert Meyer-Steinkamp, Dipl.-Psychologe / Psychologischer Psychotherapeut:
    Therapeutische Leitung der Therapeutischen Gemeinschaft Jenfeld
    Ausbildungsleitung Suchttherapie VT (DRV-anerkannt) am Hamburger Institut für Gestaltorientierte Weiterbildung (HIGW)

    Literatur:
  • Digitaler Aufbruch in der Suchthilfe

    Beim 41. fdr+sucht+kongress „Hey Alex, ich habe ein Suchtproblem! Digitaler Aufbruch in der Suchthilfe“ am 20./21.05.2019 in Frankfurt am Main wurden die Digitalisierung, ihre Entwicklung und insbesondere ihre Chancen und Möglichkeiten für die Suchtprävention, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe in den Mittelpunkt gestellt. 165 Teilnehmende informierten und beteiligten sich an fünf Vorträgen und 14 vertiefenden Seminaren renommierter und praxiserfahrener Referent*innen zu diesem Thema. Es wurde untersucht, welcher Veränderungsbedarf im Hilfesystem besteht und wie digitale Strategien adäquat in die bestehenden Strukturen implementiert werden können. Die Ergebnisse sollen hier differenziert dargestellt werden: 

    Welche Chancen birgt die Digitalisierung für …

    … die Mitarbeiter*innen?

    • räumliche/zeitliche Flexibilität, u. a. auch durch Möglichkeiten von Homeoffice
    • Verringerung von Verwaltungsaufgaben durch digitale Assistenzsysteme (Terminvergabe, Dokumentation, Kommunikation und Organisation)
    • Ausbau von Ressourcen durch Onlineprogramme in Therapie und Beratung (Online-Edukationstraining, Selbstkontrollprogramme, Algorithmen für passgenaue Interventionen, Informationsvermittlung, Checkups)
    • Erhöhung der Kooperationsfähigkeit/Vernetzung durch überregionales Projektmanagement
    • Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten (z. B. Videokonferenzen für Fallberatungen und Supervision)
    • Steigerung der Attraktivität des Arbeitsfeldes durch Methodenvielfalt, Medienkompetenz, Flexibilität

    … die Zielgruppe/Klientel?

    • Erhöhung der Erreichbarkeit
    • höhere Unverbindlichkeit/Anonymität
    • niedrigschwelliger Zugang (Herabsetzung von Ängsten durch Online-Kontaktmöglichkeit)
    • schnelle Verfügbarkeit von Interventionen und unkomplizierter Erhalt von Informationen über Plattformen und Tools
    • flexiblerer und barrierefreier Zugang bzw. barrierefreie Kontaktanbahnung
    • positive Entgrenzung/überregionale Erreichbarkeit
    • bedarfsgerechte, zielgruppenorientierte und individuelle Angebote
    • Motivierende Onlineangebote wecken Interesse, eigenständiges ‚Austesten‘ möglich, Veränderungsbereitschaft wird verstärkt, Lernchance für Lebenskompetenzen (somit können neue Zielgruppen erreicht werden)

    … den Träger/den Verband?

    • Modernisierung/Methodenerweiterung: Neue Konzepte, Neue Visionen – Aufbruch als Chance!
    • Erhöhung der Wettbewerbs- bzw. Marktfähigkeit
    • Qualitätssicherung, Messbarkeit von Ergebnissen bzw. Erfolgen
    • ressourcenschonender Einsatz (personell/finanziell) als Ausgleich zum Fachkräftemangel
    • Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, da z. B. weniger Räume und Arbeitsplätze vor Ort notwendig sind
    • größere/r Erreichungsgrad, Effektivität, Effizienz
    • Verbesserte Zusammenarbeit/Vernetzung/Kooperation; Prozesse können verbandsübergreifend organisiert werden
    • wirksamere Interessenvertretung
    • Lobbyarbeit – Zugänge
    • Systematisierung der Datenerfassung

    Fazit

    Die Akteur*innen der Suchtprävention, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe setzen sich bereits intensiv mit dem Thema der ‚Digitalisierung‘ auseinander und halten teilweise bereits Onlineangebote vor. Um diese zu entwickeln, zu organisieren und umzusetzen bedarf es personeller und zeitlicher Ressourcen, struktureller Voraussetzungen und Medienkompetenzen und einer entsprechenden Finanzierung (Personal- und Sachkosten). Im Sinne einer Nachhaltigkeit und Wirksamkeit bzw. einer Begleitung und Weiterentwicklung der Onlineangebote sind weiterhin regelmäßige Fortbildungen/Schulungen bzw. Coachings notwendig.

    Auf den Ergebnissen des 41. fdr+sucht+kongress basierend empfiehlt der fdr+ …

     … auf Verbands-, Träger- und Einrichtungsebene:

    • eine gezielte Vernetzung und Verknüpfung von analogen und digitalen Angeboten, um eine bedarfsgerechte, zielgruppenspezifische, nachhaltige und wirksame Suchthilfearbeit leisten zu können.
    • Im Sinne einer Qualitätssicherung und ‚Trenderfassung‘ müssen fortlaufend einrichtungs- und klient*innenbezogene Daten erhoben, ausgewertet und im Rahmen der Deutschen Suchthilfestatistik veröffentlicht werden können. Entsprechende Programme und Technik müssen zur Verfügung gestellt werden.
    • die kontinuierliche Vermittlung von digitalen Kompetenzen (Medienkompetenzen) bzw. eine regelmäßige Inanspruchnahme von Fortbildungen zu diesem Thema. Insbesondere bei der Anwendung von Online-Beratung bedarf es spezifischer Lese- und Schreibkompetenzen, die es ermöglichen, Problemlagen ohne visuelle Unterstützung zu verstehen und darauf entsprechend zu reagieren. Die Vermittlung der für die Online-Beratung und -Behandlung notwendigen Kompetenzen muss in die etablierten Aus- und Fortbildungen eingebunden werden; dazu zählen ebenfalls datenschutzrechtliche Kompetenzen.
    • sich den innovativen digitalen Möglichkeiten zu öffnen bzw. das digitale Verständnis weiterzuentwickeln und insbesondere im Hinblick auf den bestehenden Fachkräftemangel, Organisationsstrukturen zu digitalisieren. Mit dem Ziel der Ressourcenschonung können z. B. durch elektronische Anwendungen Kommunikationswege optimiert und beschleunigt werden (Videokonferenzen, Abstimmungsmöglichkeiten, Terminorganisation, Informationsvermittlung, digitales ‚Recruiting‘)
    • Das interne betriebliche Gesundheitsmanagement sollte die risikobehafteten Aspekte der Digitalisierung (‚always on‘) berücksichtigen und die Umsetzung entsprechender Präventionsmaßnahmen ermöglichen.

    Auf politischer Ebene fordert der fdr+:

    • die Digitalisierung für die Arbeitsfelder Suchtprävention, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe bundesweit nutzbar zu machen. Mit dem Ziel eines frühzeitigen Erreichens der Zielgruppe sollte eine verbands- und trägerübergreifende Informations- und Beratungsplattform entwickelt und bundesweit bereitgestellt werden. Die Gestaltung der digitalen Informationsplattform muss demokratisiert erfolgen, d. h. teilhabeorientiert, mit öffentlicher Zugänglichkeit und einer demokratischen Steuerung. Da die Leistungen der Suchtprävention, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe eine öffentliche bzw. gesellschaftliche Daseinsvorsorge darstellen, müssen sie auch als ‚öffentliche Güter‘ im digitalen Raum zur Verfügung gestellt und genutzt werden können und dürfen nicht dem kommerziellen Markt überlassen werden.
    • Eine kommunale/regionale Finanzierung ist dabei nicht zielführend, da die digitalen Angebote gebietskörperschaftliche Grenzen überschreiten und somit Zuständigkeitsfragen aufwerfen würden. Deshalb muss eine verlässliche und kostendeckende Finanzierung im Sinne einer kommunen- und länderübergreifenden Lösung bzw. Digitalstrategie gewährleistet werden.
    • eine funktionierende und flächendeckende IT-Infrastruktur, sodass ein gleichberechtigter Zugang zum ‚Markt‘ (seitens der Träger bzw. Einrichtungen) und zu den Angeboten (seitens der Klient*innen und Patient*innen) möglich ist und keine regional bedingten Wettbewerbsvorteile bzw. Nachteile entstehen können.

    Gemeinsam sollten wir die voranschreitende Digitalisierung mitgestalten, unser Fachwissen einbringen und Risiken minimieren. Halten wir uns diesbezüglich zurück, werden andere Anbieter*innen – auch ohne Expertise – die Digitalisierung der Suchtpräventions-, Suchthilfe- und Suchtselbsthilfearbeit steuern und kommerzielle Angebote entwickeln.

    Das Ergebnispapier steht als download zur Verfügung.

    Fachverband Drogen- und Suchthilfe (fdr+), 21.06.2019

  • Anstiege beim Cannabiskonsum junger Menschen

    Zum Weltdrogentag am 26. Juni 2019 warnen die Drogenbeauftragte der Bundesregierung und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vor mit dem Konsum von Cannabis verbundenen Risiken. Neue Studiendaten der BZgA zeigen, dass der Konsum von Cannabis bei jungen Menschen im Alter von 12 bis 25 Jahren in Deutschland seit 2016 weiter angestiegen ist.

    Für den Teilband „Der Cannabiskonsum Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland 2018“ der bundesweiten BZgA-Repräsentativbefragung „Alkoholsurvey 2018“ wurden im Zeitraum April bis Juni 2018 insgesamt 7.002 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12 bis 25 Jahren befragt.

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, erklärt: „Wer behauptet, Cannabis ist ungefährlich, der irrt sich gewaltig! Cannabis ist und bleibt eine Droge mit hohen gesundheitlichen Risiken, gerade für regelmäßig konsumierende Jugendliche. Daher führt eine Debatte um Legalisierung völlig am Ziel vorbei. Wir möchten erreichen, dass mehr Jugendliche über die Gefahren Bescheid wissen und nicht aus Gruppenzwang oder Neugierde noch leichter an den Stoff herankommen. Ich habe mich dafür stark gemacht, dass der Bund mehr Geld für bundesweite Präventionsprojekte bereitstellt. Das hat geklappt, die BZgA arbeitet gerade auf Hochtouren an Materialien, die bald schon an die Schulen verteilt werden. Ein wichtiger Schritt, dem noch weitere folgen müssen!“

    Die aktuelle bundesweite BZgA-Repräsentativbefragung im Jahr 2018 belegt, dass 22,0 Prozent der 18- bis 25-Jährigen angeben, in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert zu haben. Im Jahr 2016 waren es 16,8 Prozent und im Jahr 2008 noch 11,6 Prozent. Dieser deutliche Anstieg ist sowohl bei den weiblichen als auch bei den männlichen Befragten zu verzeichnen. Anstiege sind auch in der Gruppe der 12- bis 17-Jährigen zu beobachten: Aktuell geben 8,0 Prozent der Jugendlichen an, Cannabis mindestens einmal in den letzten zwölf Monaten konsumiert zu haben. Im Jahr 2016 waren es 6,9 Prozent, im Jahr 2011 noch 4,6 Prozent.

    Dr. Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA, betont: „Die Anstiege des Cannabiskonsums bei jungen Menschen geben Anlass zur Sorge. Besonders verbreitet ist der Konsum unter 18- bis 25-jährigen Männern: Nahezu jeder Zweite gibt an, schon einmal Cannabis konsumiert zu haben. Gerade für junge Menschen ist der Konsum von Cannabis mit hohen gesundheitlichen Risiken verbunden. Je früher und je häufiger konsumiert wird, desto größer ist das Risiko, an einer Psychose zu erkranken. Vor dem Hintergrund der Konsumentwicklungen der vergangenen Jahre verstärkt die BZgA die Angebote zur Cannabisprävention im Jugendalter.“

    Das BZgA-Internetportal www.drugcom.de bietet wissenschaftlich fundierte, qualitätsgesicherte Informationen zu Cannabis. Zudem gibt der Drugcom-Online-Selbsttest „Cannabis-Check“ die Möglichkeit, das eigene Konsumverhalten zu überprüfen, um eine Risikoeinschätzung zu erhalten. Außerdem bietet die BZgA Unterstützung bei einer Konsumreduzierung mit dem Online-Verhaltensänderungsprogramm „Quit the Shit“ sowie einen dazugehörigen Chat an. Der Drugcom-Chat bietet werktags zwischen 15 und 17 Uhr Hilfesuchenden persönliche Beratung. Als Social-Media-Angebot ergänzt ein YouTube-Kanal mit kurzen Erklärvideos zu Wirkung und Risiken von Cannabis die Informationen von www.drugcom.de.

    Für eine anonyme, persönliche Hilfestellung ist das BZgA-Infotelefon zur Suchtvorbeugung erreichbar unter der Telefonnummer 0221-89 20 31, weitere Infos unter: https://www.bzga.de/service/infotelefone/suchtvorbeugung/

    Pressestelle der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 24.06.2019

  • Bundesmodellprojekt „Digitale Lotsen“ gestartet

    Die Hessische Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS) entwickelt mithilfe externer Expert*innen auf dem Gebiet der Digitalisierung (und Suchthilfe/Suchtprävention) ein Curriculum, das die Grundlage für ein Qualifizierungsprogramm bildet.

    Im Rahmen von bundesweit stattfindenden Fortbildungen sollen die Teilnehmenden befähigt werden, eine auf wissenschaftlichen Grundlagen begründete Haltung zu dem Thema Digitalisierung im Arbeitsfeld der Suchthilfe zu entwickeln und als „Digitale Lotsen“ daraus Handlungsansätze für die Praxis abzuleiten. Als Multiplikatoren sollen sie vor Ort für die Thematik sensibilisieren. Dadurch wird das System der Suchthilfe unterstützt, die durch den digitalen Wandel erforderlichen Erneuerungsprozesse von Strukturen und Angeboten aktiv mitzugestalten.

    Das Modellvorhaben ist seit April 2019 am Start, auf die Dauer von 24 Monate angelegt und wird durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert. Nach dem Ende der Modellphase wird angestrebt, das Qualifizierungsprogramm in den Bundesländern zu verbreiten.

    Weitere Informationen gibt die HLS gerne weiter:
    Telefon 069/713 767-77
    hls@hls-online.org
    www.hls-online.org

    Hessische Landesstelle für Suchtfragen (HLS), 06.06.2019

  • Angst / Trauma / Schmerz ist ziemlich strange

    Carl Auer Verlag, Heidelberg 2019, 3 x 32 Seiten, zusammen 39,95 € (einzeln 14,95 €), ISBN 978-3-8497-0295-3, auch als E-Books erhältlich, Übersetzung aus dem Englischen: Weronika M. Jakubowska

    Trauma ist ziemlich strange (Steve Haines/Sophie Standing)

    Traumatische Erlebnisse können unsere Psyche überwältigen und unser Leben auf den Kopf stellen. Schmerz und Angst blockieren uns und lassen unser Selbst schrumpfen. Was dabei im Gehirn und im Körper mit uns geschieht, ist ziemlich strange. Trauma, Schmerz und Angst sind die drei Themen, die Psychotherapeuten bei ihrer Arbeit am häufigsten begegnen.

    Mit anschaulichen Bildern und Metaphern und mit einem Augenzwinkern erläutert Steve Haines in drei Graphic Novels, was genau dabei seelisch und physiologisch passiert, wie wir dunkle Gedanken und Gefühle vertreiben und unseren Körper, unseren Verstand und unsere Emotionen überlisten können, um wieder Selbstwirksamkeit zu erleben und wieder ganz zu werden.

    Abbildung aus: Angst ist ziemlich strange (Steve Haines/Sophie Standing)

    Die drei von Sophie Standing wunderbar gestalteten Graphic Novels bieten Methoden und Übungen für ein neues Lebensgefühl sowie Hinweise auf weiterführende Literatur.

  • Computerspielsucht als Erkrankung durch die WHO anerkannt

    Auf ihrer 72. Weltgesundheitsversammlung hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über die bereits im Sommer 2018 vorgestellten Vorschläge abgestimmt und das neue ICD-11 verabschiedet. Es wird im Jahr 2022 in Kraft treten. Dies bedeutet auch, dass Computerspielsucht (als „Gaming Disorder“) nun tatsächlich als diagnostizierbares Störungsbild und somit als Erkrankung anerkannt ist. Das ist in erster Linie ein großer Erfolg für Betroffene und deren Angehörige, für die hiermit eine Grundlage zur besseren Versorgung geschaffen wurde. Auch für Behandelnde bietet die nun mögliche Diagnose eine Form der Handlungssicherheit – erstens sind nun definierte diagnostische Kriterien verfüg-bar, zweitens wissen Behandelnde nun, dass sie Computerspielsucht auch offiziell behandeln dürfen und nicht länger nach Querfinanzierungen suchen müssen.

    Bereits mit seiner Gründung im Jahr 2008 hat sich der Fachverband Medienabhängigkeit e.V. die Anerkennung dieses Störungsbildes als ein wesentliches Ziel seiner Arbeit auf die Fahne geschrieben. Auch sein letztjähriges Jubiläumssymposium widmete der Verband ganz und gar dem Thema ICD-11 und insbesondere der WHO-Ankündigung, Computerspielsucht als neue Diagnose für diesen Kriterienkatalog zu prüfen.

    Noch im Januar hatte der Fachverband Medienabhängigkeit e.V. in Zusammenarbeit mit der DG-Sucht eine Petition an die WHO unterzeichnet, in der ausdrücklich die Notwendigkeit der Anerkennung dieser Diagnose unterstrichen wurde.

    Der Vorstand des Fachverbandes Medienabhängigkeit e.V. begrüßt diese wichtige und grundlegende Entscheidung sehr und sieht mit ihr ein zentrales Anliegen des Verbands erfüllt.

    Pressemeldung des Fachverbandes Medienabhängigkeit, 23.05.2019