Autor: Simone Schwarzer

  • Rückgang der gemeldeten Substitutionspatienten um 1.200

    Im Januar ist der Bericht zum Substitutionsregister des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für das Jahr 2024 erschienen. Er ist online erhältlich unter: https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Substitutionsregister/_node.html
    (Zum Download weit nach unten scrollen)

    Der 8-seitige Bericht gibt Auskunft über folgende Themen:

    • Anzahl und Entwicklung der gemeldeten Substitutionspatienten in den letzten zehn Jahren
    • Anzahl und Entwicklung der meldenden Substitutionsärzte
    • Anzahl gemeldeter Substitutionspatienten pro Arzt (Stichtag 1.07.2024)
    • Art und Anteil der gemeldeten Substitutionsmittel (Stichtag 1.07.2024)
    • Entwicklung der Häufigkeit gemeldeter Substitutionsmittel von 2002 bis 2024
    • Durchschnittliche Anzahl der gemeldeten Patienten pro substituierendem Arzt (2024)
    • Gemeldete Substitutionspatienten pro 100.000 Einwohner in den Bundesländern (Stichtag 01.07.2024)

    Quelle: Website des BfArM, 2.4.2025

  • Warnung des NEWS-Projekts

    Das NEWS-Projekt am IFT Institut für Therapieforschung informiert: Aus Frankreich wurden drei bestätigte Fälle von Cannabiskraut, welches mit winzigen Glasperlen versetzt war, gemeldet. Dies ereignete sich im November 2024 und Januar 2025. Bereits zwischen 2006 und 2007 gab es in Europa ähnliche Vorfälle mit winzigen Glaspartikeln, insbesondere im Vereinigten Königreich und in Frankreich.

    Nähere Informationen dazu finden Sie im Infoblatt der EUDA.

    Bitte informieren Sie das NEWS-Projekt-Team, wenn Ihnen solche Fälle bekannt werden:
    news-projekt(at)ift.de

    Vielen Dank für Ihre Mithilfe!

    Quelle: Mitteilung des NEWS-Projektes, 31.3.2025

  • Verein „Recovery Deutschland“ in Leipzig gegründet

    Gründungsmitglieder (v.l.n.r.): Sven Speerforck, Denise Kraft, Georg Schomerus, Mika Döring, Franziska Eichler, Ulrich Zimmermann, Stephan Müller, Florian Lauer, Katrin Fröhlich

    Am 27. März 2025 hat sich der Verein „Recovery Deutschland“ gegründet. Sein Anliegen ist es, Menschen zu stärken, die von einer Suchterkrankung genesen – also in Recovery sind. Die bundesweite Initiative mit Sitz in Leipzig setzt sich für gesellschaftliche Rahmenbedingungen ein, die zu einem selbstbestimmten Leben in Recovery beitragen. Ziele des Vereins sind:

    • Recovery als einen vielschichtigen, individuellen und lebensbejahenden Prozess ins öffentliche Bewusstsein rücken
    • Stigmatisierung von Abhängigkeitserkrankungen abbauen
    • Menschen in Recovery miteinander vernetzen
    • individuelle Genesungsprozesse durch gemeinschaftliche Aktivitäten und Austausch fördern, wie zum Beispiel den jährlichen Recovery Walk

    Ganz oben auf der Agenda: Im September veranstaltet der Verein Deutschlands ersten „Recovery Walk“ in Leipzig

    „Recovery Walks“ sind öffentliche Veranstaltungen, organisiert von Menschen mit Suchtgeschichte, bei denen Betroffene, Angehörige, Fachleute und Interessierte zusammenkommen, um

    • sich zu vernetzen,
    • Genesung zu feiern,
    • Mut zu stiften und
    • Stigmatisierung abzubauen.

    In Schottland sind die Recovery Walks mittlerweile ein wichtiger Bestandteil der Suchthilfe und Ausdruck einer lebendigen Recovery-Community. Der Verein holt das Konzept nach Deutschland.

    Mika Mareike Döring, 1. Vorsitzende des Vereins:
    „Als ich mit meiner Alkoholabhängigkeit kämpfte, konnte ich mir nicht vorstellen, wie mein Leben ohne diese Substanz aussehen sollte. Vorbilder gaben mir Hoffnung, dass Genesung nicht nur möglich ist, sondern auch eine Chance sein könnte, mein Leben reicher, schöner und bunter zu machen. Gerade in diesen Zeiten brauchen Menschen Hoffnung, dass positive Veränderungen möglich sind. Das wollen wir mit dem Verein und dem Recovery Walk auf die Straße und in die Köpfe bringen.“

    Prof. Dr. Georg Schomerus, Gründungsmitglied und Professor an der Universität Leipzig und Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Leipzig:
    „Ich freue mich sehr über diese Initiative. Menschen, die eine Abhängigkeit entwickeln, stehen oft unter Druck, ihre Erkrankung geheim zu halten. Und auch im Hilfesystem wird oft noch über die Köpfe von Betroffenen hinweg gesprochen. Dabei zeigt die Forschung, dass Expert:innen aus Erfahrung eine wirkungsvolle Ressource sind, wenn es darum geht, Scham und Stigma abzubauen. Die Initiative für einen deutschen Recovery Walk ist ein großer Schritt für einen offeneren Umgang mit Suchterkrankungen.“

    Mehr über Recovery Deutschland unter www.recovery-deutschland.org

    Pressemitteilung von Recovery Deutschland, 28.3.2025

  • Gesundheit in der Postmoderne

    transcript Verlag, Bielefeld 2025, 265 Seiten, 44,00 €, ISBN 978-3-8376-6584-0. Der Titel steht auch als Open Access-Download zur Verfügung.

    In einem neuen postmodernen und transdisziplinären Verständnis von Public Health versteht sich die bisherige Außengrenze der Disziplin als eine, die proliferiert, zum Überschreiten einlädt und ihren Verlauf ständig mit einem neuen Verfallsdatum versieht. Der enge Rahmen, der künstlich um das derzeit sehr bescheidene Fächerspektrum gezogen wird, engt den Blick auf Gesundheit unnötig ein. So behindert er sogar die 1986 von der WHO eingeforderte gesamtgesellschaftlich getragene Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung.

    In einem innovativen Vorhaben versammeln die Autor:innen diejenigen Fachdisziplinen, die bislang nicht ausreichend in gesundheitswissenschaftlichen Diskussionen berücksichtigt wurden. Damit öffnen sie den akademischen Diskurs und geben einen Ausblick auf eine Gesundheitswissenschaft ohne Grenzen.

  • Gesundheit in Deutschland

    Deutschland investiert Milliarden in sein Gesundheitswesen – doch die Ergebnisse bleiben hinter denen vieler europäischer Nachbarn zurück. Warum ist das so? Eine aktuelle Analyse der Gesundheitspolitik beleuchtet systematische Schwächen und macht Reformvorschläge.

    Deutschland gehört zu den wirtschaftsstärksten Nationen der Welt. Das Sozialsystem ist gut ausgebaut, die Gesundheitsausgaben pro Kopf sind die dritthöchsten innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Trotzdem bleiben die Gesundheitsindikatoren des Landes hinter denen vergleichbarer europäischer Staaten zurück. Die Menschen sind kränker und sterben früher. Wie kann das sein?

    Eine am 3. März in der renommierten Fachzeitschrift „Lancet Public Health“ erschienene gesundheitspolitische Übersichtsarbeit unter der Leitung von Prof. Dr. Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Deutschland hat ein strukturelles Problem in der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Statt Krankheiten zu verhindern, konzentriert sich das System zu sehr auf deren Behandlung – und das mit zum Teil ineffizienten Strukturen.

    „Ein System, das Krankheiten verwaltet, statt sie zu verhindern“

    Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen drei Hauptprobleme:

    1. Fehlende zentrale Steuerung – Deutschland hat keine starke Institution, die Public-Health-Maßnahmen koordiniert. Stattdessen herrscht ein Flickenteppich aus Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen, der zu schlechter Abstimmung und ineffizienter Mittelverteilung führt.
    2. Zu wenig Prävention, zu viel Reparaturmedizin – Die Krankenkassen investieren Milliarden in hochspezialisierte Behandlungen, während die Finanzierung von Prävention und Gesundheitsförderung weiterhin ein Nischendasein fristet.
    3. Lobbys verhindern wirksame Maßnahmen – Zuckersteuer? Werbeverbote für ungesunde Lebensmittel? Regulierungen für Tabak und Alkohol? In Deutschland sind diese Maßnahmen entweder abgeschwächt oder nie umgesetzt worden – oft unter dem Einfluss wirtschaftlicher Interessen.

    „Die Folge ist ein Gesundheitssystem, das zwar enorm teuer ist, aber zu wenig für die langfristige Gesundheit der Bevölkerung tut“, sagt Erstautor Zeeb.

    Nachteile föderaler Strukturen

    Neben einigen Vorteilen wie dem Spielraum für eigene Schwerpunktsetzungen haben die föderalen Strukturen in der öffentlichen Gesundheitsversorgung auch Nachteile. Zu oft werden Gesundheitsdaten unkoordiniert erhoben und sind nicht ausreichend miteinander verbindbar – ein Problem, das sich während der Covid-19-Pandemie besonders deutlich zeigte.

    „Während andere Länder klare Strategien für Public Health entwickelt haben, fehlt eine solche Strategie in Deutschland“, erklärt Ko-Autor Prof. Dr. Ansgar Gerhardus von der Universität Bremen.

    Lösungsvorschläge: Mehr Mut zu Public Health

    Die Autorinnen und Autoren der Arbeit schlagen vier zentrale Reformen vor:

    1. Eine starke Identität für Public Health entwickeln – Deutschland braucht eine kohärente Vision für Gesundheitspolitik, die Prävention und Gesundheitsförderung in den Mittelpunkt stellt.
    2. Eine nationale Public-Health-Strategie aufstellen – Gesundheitsförderung darf nicht länger ein Flickwerk bleiben, sondern muss systematisch und sektorübergreifend gedacht werden.
    3. Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen – Neben dem Gesundheitswesen müssen auch Bildung, Arbeit und Umweltpolitik verstärkt auf präventives Handeln ausgerichtet werden.
    4. Kommerzielle Interessen regulieren – Die Politik muss sich trauen, gesundheitsschädliche wirtschaftliche Interessen stärker zurückzudrängen, sei es bei Ernährung, Alkohol oder Tabak.

    „Deutschland muss umdenken“

    Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen, dass der Status quo nicht nur ein Problem für die Gesundheit der Bevölkerung ist, sondern auch für die wirtschaftliche Zukunft des Landes. Die Kosten für das Gesundheitssystem steigen seit Jahren, während die Krankenkassen immer wieder Beitragserhöhungen ankündigen müssen.

    „Deutschland kann sich sein aktuelles System auf Dauer nicht leisten – weder gesundheitspolitisch noch wirtschaftlich“, sagt Zeeb. „Wir brauchen eine Neuausrichtung hin zu mehr Prävention, wenn wir nicht weiter in der Kostenspirale gefangen bleiben wollen.“ Die Analyse macht deutlich: Deutschland hat die Mittel, um ein gesünderes und effizienteres System aufzubauen – doch es fehlt bislang der politische Wille, die notwendigen Reformen anzugehen.

    Originalpublikation:
    Zeeb H, Loss J, Starke D, Altgeld T, Moebus S, Geffert K, Gerhardus A. Public health in Germany: Structures, dynamics and ways ahead health policy. The Lancet Public Health. 2025. https://doi.org/10.1016/S2468-2667(25)00033-7

    Weitere Informationen mit einer Einordnung von Prof. Dr. Hajo Zeeb: https://youtu.be/haUmlsKmpqk

    Pressestelle des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS, 4.3.2025

  • NEWS-Projekt Routineerhebung

    Das Team des NEWS-Projektes am IFT Institut für Therapieforschung lädt ein, an der Online-Befragung für Expert*innen teilzunehmen:

    Falls Sie bereits mitgemacht haben, danken wir Ihnen herzlich für Ihre Unterstützung! Ziel der Befragung ist es, neue Erkenntnisse über die aktuelle Lage in Deutschland zu gewinnen. Die Erkenntnisse sollen dazu beitragen, ein vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten nationales Frühwarnsystem National Early Warning System (NEWS) zu entwickeln, das frühzeitig auf Neuentwicklungen im Bereich psychoaktiver Substanzen und Medikamentenmissbrauch hinweist. So können relevante Zielgruppen – darunter Konsumierende, Fachkräfte der Suchthilfe sowie politische Entscheidungsträger*innen – informiert und vor gefährlichen Trends gewarnt werden.

    Sie finden die Online-Befragung hier: https://s2survey.net/news-umfrage_exp/

    Der Fragebogen wird bis Freitag, 28. März 2025, verlängert. Die Beantwortung sollte nur wenige Minuten dauern.

    Um ein möglichst vollständiges Bild zu erhalten, füllen Sie den Fragebogen bitte auch dann aus, wenn es in Ihrem Zuständigkeitsgebiet in den letzten 12 Monaten keine Neuentwicklungen im Bereich psychoaktiver Substanzen und Medikamentenmissbrauch gab. Dann geht es besonders schnell. Im Voraus vielen Dank für Ihre Mithilfe!

    Quelle: Mitteilung des News-Projektes, 14.3.2025

  • An der Seite der Sucht

    Schattauer/Klett Cotta-Verlag, Stuttgart 2025, 210 Seiten, 29,99 €, ISBN 978-3-608-20701-9

    Vermutlich gibt es eine Person in Ihrem Umfeld, um die Sie sich Sorgen machen, weil sie zu viel trinkt oder Drogen konsumiert. Und Sie fragen sich womöglich, ob diese Person süchtig ist. Auch wenn der häufigste Rat, Abstand und Distanz zu halten, fundamental wichtig sein kann, zeigt die Realität: Angehörige brauchen mehr als Ratschläge rund um das Thema Co-Abhängigkeit. Genauso wichtig sind Information und Orientierung.

    Dieses Buch vermittelt aus der Perspektive eines Psychotherapeuten, was Sie über die Mechanismen von Sucht wissen sollten und wo Sie Hilfe erhalten können, Fallbeispiele illustrieren die Problematik. Gefühle von Macht- und Hilflosigkeit werden so abgemildert, und Sie können sich auf Ihren individuellen Weg begeben – an der Seite des betroffenen Menschen oder in Distanz zu ihm.

  • Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf das Leben von Kindern und Jugendlichen

    Die aktuelle Ausgabe des „Journal of Health Monitoring“ (5.3.2025) berichtet auf der Grundlage der Daten der HBSC-Studie 2022 (Health Behaviour in School-aged Children), wie Kinder und Jugendliche die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf verschiedene Lebensbereiche einschätzen. Dazu werden Zusammenhänge zwischen den wahrgenommenen Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf verschiedene Bereiche ihres Lebens und den Faktoren Alter, Geschlecht und familiärer Wohlstand untersucht.

    Hintergrund: Die Eindämmungsmaßnahmen der COVID-19-Pandemie haben den Alltag vieler Menschen verändert. Untersucht wird, wie Kinder und Jugendliche die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf verschiedene Lebensbereiche einschätzen. 

    Methode: An der repräsentativen „Health Behaviour in School-aged Children (HBSC)“-Studie haben 2022 bundesweit N = 6.475 Schülerinnen und Schüler (11 bis15 Jahre) teilgenommen. Mittels logistischer Regressionen wurden Zusammenhänge zwischen den wahrgenommenen Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf verschiedene Bereiche ihres Lebens und den Faktoren Alter, Geschlecht und familiärer Wohlstand untersucht. 

    Ergebnisse: Zwei Jahre nach Pandemiebeginn berichteten Kinder und Jugendliche sowohl positive als auch negative Auswirkungen der Corona-Maßnahmen. Bei den sozialen Beziehungen nahm etwa die Hälfte der Befragten positive Auswirkungen wahr. Dagegen gab etwa jede bzw. jeder dritte Befragte Verschlechterungen bei der seelischen Gesundheit und den schulischen Leistungen an. Vor allem 11-Jährige, Jungen und Befragte mit hohem familiären Wohlstand berichteten von positiven Auswirkungen. 

    Schlussfolgerungen: Die in Einzelbereichen positiven Auswirkungen der Pandemie auf das Leben von Kindern und Jugendlichen und die sich hier abzeichnende Resilienz (Widerstandskraft) sowie die Ergebnisse zu negativeren Einschätzungen von Jugendlichen, Mädchen und Befragten mit niedrigerem familiären Wohlstand können als Ausgangspunkt für eine bedarfsorientierte und zielgruppenspezifische Gesundheitsförderung in Krisenzeiten genutzt werden. Gegenstand zukünftiger Forschung sollten die Langzeitfolgen der Pandemie auf die Entwicklung junger Menschen sein.

    Die 17-seitige Publikation kann auf der Website des RKI heruntergeladen werden.

    Quelle: Neues von der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 5.3.2025

  • Längsschnittstudie von DAK und DZSKJ zur Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen

    Gaming, Social Media und Streaming: In Deutschland haben Millionen Kinder und Jugendliche Probleme durch Medienkonsum. Trotz erster positiver Trends bleibt die Mediensucht besorgniserregend hoch. Bei mehr als 25 Prozent aller 10- bis 17-Jährigen gibt es eine riskante oder pathologische Nutzung sozialer Medien: insgesamt sind rund 1,3 Millionen junge Menschen betroffen. Das zeigt die aktuelle gemeinsame Längsschnittuntersuchung von DAK-Gesundheit und Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Demnach sind die Suchtprobleme bei Gaming und Social Media im letzten Jahr zwar leicht zurückgegangen, liegen aber noch immer über dem vorpandemischen Niveau von 2019. Als Reaktion auf die Ergebnisse fordert DAK-Chef Andreas Storm in einem Appell an die Kultusminister der Länder ein Schulfach Gesundheit. Ein Handyverbot löse das Problem nicht. Die Kasse selbst bietet mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ) ein neues Mediensuchtscreening zur Früherkennung an.

    Problematische Nutzung

    Laut DAK-Studie hat sich die Problematik der Mediensucht auf hohem Niveau eingependelt und liegt deutlich höher als vor fünf Jahren: Ein Viertel der 10- bis 17-Jährigen nutzt soziale Medien problematisch, darunter gelten 4,7 Prozent als abhängig. Jungen sind dabei mit sechs Prozent fast doppelt so häufig betroffen wie Mädchen (3,2 Prozent). Im Vergleich: Im Jahr 2019 lag der Anteil der problematischen Social-Media-Nutzung nur bei 11,4 Prozent. Das bedeutet einen Anstieg von 126 Prozent. Weniger dramatisch sind die Ergebnisse beim Gebrauch digitaler Spiele. Demnach nutzten zwölf Prozent aller Kinder und Jugendlichen digitale Spiele problematisch, 3,4 Prozent pathologisch. 2019 waren es 12,7 Prozent problematische Nutzer mit einem Anteil von 2,7 Prozent pathologischer Gamerinnen und Gamern. Neue Entwicklungen zeichnen sich auch beim Streamingverhalten ab, das erst seit 2022 in der Studie erfasst wird. Hier sind die Zahlen konstant hoch: 16 Prozent problematische Nutzer im Jahr 2024 stehen 16,3 Prozent im Jahr 2022 gegenüber. 2,6 Prozent gelten heute als abhängig.

    Nutzungszeiten

    An einem typischen Wochentag nutzen die Befragten zweieinhalb Stunden (157 Minuten) Social Media und damit ähnlich lang wie in den beiden Jahren zuvor. Dennoch ist ein deutlicher Anstieg über die insgesamt sieben Messzeitpunkte der Studie sichtbar. So verbrachten Kinder und Jugendliche im Jahr 2019 täglich durchschnittlich eine halbe Stunde weniger mit der Nutzung von sozialen Medien. Beim Gaming liegt die tägliche Nutzungszeit werktags bei 105 Minuten im Vergleich zu 91 Minuten im Jahr 2019. Beim Streaming ist indes ein deutlicher Corona-Peak im Jahr 2021 zu sehen (170 Minuten täglich), während die Nutzungszeiten ansonsten konstant um die 100 Minuten täglich lagen und zuletzt sogar leicht zurückgingen (93 Minuten).

    Phubbing und Verhalten der Eltern

    Erstmalig wurde in der Erhebung des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) das Phänomen „Phubbing“ untersucht: Es setzt sich aus den Wörtern „Snubbing“ (Englisch für „jemanden brüskieren“) und „Phone“ (Telefon) zusammen und beschreibt die unangemessene Nutzung des Smartphones in sozialen Situationen, beispielsweise bei Gesprächen oder am Esstisch. Demnach erleben die befragten Menschen das Phänomen häufig: 35,2 Prozent der Kinder und Jugendlichen fühlen sich durch die Smartphone-Nutzung anderer Personen ignoriert. 25,2 Prozent haben Erfahrungen mit sozialen Konflikten im Kontext mit Phubbing gemacht. Ebenso die Eltern: 29,2 Prozent fühlten sich bereits ignoriert, 28,2 Prozent erlebten entsprechende Konflikte. Insgesamt zeigt sich in diesem Zusammenhang auch, dass Kinder und Jugendliche mit häufigen Phubbing-Erfahrungen nachweislich einsamer, depressiver, ängstlicher und gestresster sind als solche, die selten Phubbing erfahren.

    „Es gibt hier eine sichtbare Verbindung zu psychischen Belastungen wie Depressivität“, sagt Prof. Rainer Thomasius, Studienleiter und Ärztlicher Leiter des DZSKJ. „Wir erleben im klinischen Alltag, dass die digitale Welt zunehmend auch als störend empfunden wird. Gleichzeitig zeigt sich ein fehlender Effekt bei der elterlichen Regulation. Das Handeln der Eltern passt also häufig nicht zum eigentlichen Erziehungsanspruch.“

    Laut Studie wird von etwa 40 Prozent der Eltern der zeitliche Umfang der Mediennutzung nicht hinreichend festgelegt. Ein Viertel moderiert die Inhalte nicht. Gleichzeitig wünschten sich Eltern häufig zusätzliche Informationen oder gar Hilfe. „Die in der Studie erhobenen Befunde bilden sich in einem klinischen Zusammenhang ebenfalls ab: Ein Drittel der in unserem Institut behandelten Jugendlichen leidet mittlerweile unter einer medienbezogenen Störung. Diese jungen Menschen tendieren dann auch zu anderen psychischen Problemen oder gar stoffgebundenen Süchten.“

    Schulterschlus mit den Schulen

    „Im Kampf gegen die Mediensucht brauchen wir den Schulterschluss mit den Schulen“, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Er appelliert an die Kultusministerkonferenz der Länder, gemeinschaftlich zu handeln. „Uns hilft jetzt keine kontroverse Diskussion über ein Handy-Verbot für Schülerinnen und Schüler. Wir sollten offen über ein neues Schulfach Gesundheit diskutieren“, betont Storm. Darüber müsse die Gesundheitskompetenz von Lehrkräften, Kindern und Jugendlichen gestärkt werden, wobei dann auch die gesunde Mediennutzung ein zentrales Thema sei. Es gebe im Ausland zahlreiche Best-Practice-Beispiele zur Anpassung der Lehrpläne.

    „Medien- und Gesundheitskompetenz sind nah beieinander, weshalb deren Vermittlung in der Schule einen viel höheren Stellenwert einnehmen muss“, erklärt Dr. Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ). „Wir sehen im Praxisalltag das Problem der psychischen Störungen sowie medienbezogener Störungen immer häufiger. Außerdem sehen wir, dass Eltern überfordert sind und Orientierung suchen. Die Ausweitung des Mediensuchtscreenings mit der DAK-Gesundheit ist hierfür ein wichtiger Schritt.“

    Ausweitung des Mediensuchtscreenings

    Als Reaktion auf die Mediensucht-Studie baut die DAK-Gesundheit ihre Präventionsangebote aus. Seit 2020 bietet die Krankenkasse ihren Versicherten in fünf Bundesländern zusätzlich zu den bestehenden Vorsorgeuntersuchungen ein Mediensuchtscreening an. Dieses wird zum 1. April bundesweit ausgeweitet. Im Rahmen der J1- und J2-Vorsorgeuntersuchungen kommt dabei erstmals der Fragenbogen breit in der Praxis zum Einsatz, der im Zuge der gemeinsamen Längsschnittstudie mit der DAK-Gesundheit von Dr. Kerstin Paschke und ihrem Team vom DZSKJ entwickelt wurde. Bei Auffälligkeiten werden gemeinsam mit den Eltern und den Betroffenen Möglichkeiten aufgezeigt, einer beginnenden Mediensucht entgegenzuwirken oder eine bestehende Sucht professionell zu behandeln. Das neue DAK-Angebot gilt für Jungen und Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren. Dabei werden die Diagnosekriterien nach ICD-11 abgefragt. Interessierte Eltern können sich direkt in ihrer teilnehmenden Kinder- und Jugendpraxis in das Programm einschreiben oder die Praxis-App „Meine pädiatrische Praxis“ des BVJK nutzen. Das Angebot ist für DAK-Versicherte kostenlos. Um Betroffene und Angehörige weiter zu unterstützen, fördert die DAK-Gesundheit eine Online-Anlaufstelle Mediensucht am UKE auf www.mediensuchthilfe.info.

    Zur Studie

    Die repräsentative Längsschnittstudie zur Mediennutzung im Verlauf der Corona-Pandemie untersucht an rund 1.200 Familien die Häufigkeiten pathologischer und riskanter Gaming- und Social-Media-Nutzung bei Kindern und Jugendlichen nach den neuen ICD-11-Kriterien der WHO und ist damit weltweit einmalig. Die DAK-Gesundheit führte dazu gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) in mehreren Wellen Befragungen durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa durch. Dafür wurde eine repräsentative Gruppe von Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen zehn und 17 Jahren mit je einem Elternteil zu ihrem Umgang mit digitalen Medien befragt.

    Pressestelle der DAK-Gesundheit, 12.3.2025