Blaues Kreuz in Deutschland (Hg.), Wuppertal 2019, 138 Seiten, kostenlos bestellbar im Shop auf www.bluprevent.de
Ein Praxishandbuch zur Suchtprävention, das im Jugendbereich, in der Schulsozialarbeit und in der Suchthilfe genutzt werden kann, hat blu:prevent, die Suchtprävention des Blauen Kreuzes in Deutschland, auf den Markt gebracht. Dieses Praxisbuch liefert wesentliche Informationen zu den Themen Sucht, Prävention, Jugendkultur, Statistiken, Substanzen und Gesetzte sowie die Anleitung zur Nutzung der blu:app und der Online-Module (blu:interact).
Im Vorwort heißt es:
„Mit diesem Praxishandbuch möchten wir praktische Arbeitshilfen, Innovation und Fachwissen von uns sowie unseren Partnern möglichst komprimiert für Akteure in der Suchtprävention zur Verfügung stellen. Wir verstehen dieses Praxisbuch als Einstiegs- und Orientierungshilfe, welche zu mehr Handlungssicherheit führen soll. Teil dieses Handbuchs sind unsere aktuellen online- und appbasierten Tools: die blu:app (App) und die blu:interact (interaktive Online-Module). Sie kreieren neue Möglichkeiten in der digitalen Suchtprävention mit dem Ziel, Erlebnisse zu schaffen, aber auch Wissen zu vermitteln, welches jungen Menschen hilft, sich konstruktiv mit dem Thema ‚Sucht und Freiheit‘ auseinanderzusetzen.“
Das Programm rehapro soll Modellprojekte zur Stärkung der Rehabilitation fördern. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 28. März 2019 entschieden, welche Projekte im Rahmen des ersten Förderaufrufs in die engere Prüfung kommen.
61 Modellprojekte von insgesamt 97 beantragten Projekten haben die Vorauswahl bestanden. Davon alle 28 beantragten Projekte aus dem SGB VI-Bereich sowie 33 Projekte aus dem SGB II-Bereich. 36 Modellprojekte aus dem SGB II-Bereich wurden nicht zur Förderung ausgewählt, wie die zuständige unabhängige Fachstelle rehapro berichtet, die bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See angesiedelt ist.
Derzeit findet die vertiefte zuwendungsrechtliche Prüfung der Anträge durch die Fachstelle rehapro und den Grundsatz- und Querschnittsbereich der DRV Bund statt. Im Anschluss werden die rechtsverbindlichen Zuwendungsbescheide von der Fachstelle rehapro sukzessive versendet.
Im Sommer 2019 und im Jahr 2020 sind weitere Förderaufrufe geplant. Modellprojekte, die im Rahmen des ersten Förderaufrufs nicht zur Förderung vorgesehen sind, können sich mit einem gegebenenfalls überarbeiteten Antrag erneut bewerben.
Das DHS Jahrbuch Sucht 2019 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) liefert die aktuellen Zahlen, Fakten und Trends zum Konsum legaler und illegaler Drogen sowie zu abhängigem Verhalten.
Die legalen Drogen Alkohol und Tabak sind nach wie vor für den größten Teil der Suchtproblematik in Deutschland verantwortlich. Daher fordert die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) zum wiederholten Male effektive Präventionsmaßnahmen wie Preiserhöhungen, Angebotsreduzierung und eine Beschränkung der Werbung für Alkohol. Zudem sind das Verbot der Abgabe von Alkohol an Jugendliche unter 18 Jahren und die Optimierung des Jugendschutzes notwendig. Darüber hinaus gilt es, in der Prävention die unterschiedlichen Problemlagen von Frauen und Männern sowie die soziale Benachteiligung stärker zu berücksichtigen.
Alkohol
In diesem Jahrbuch greifen wir zum zweiten Mal auf eine verbesserte Ermittlung des Gesamtverbrauches an Trinkalkohol in Deutschland zurück. Im Jahr 2016 betrug der Alkoholkonsum 10,6 Liter Reinalkohol pro Bundesbürgerin oder Bundesbürger im Lebensalter ab 15 Jahren.
Der Gesamtverbrauch an alkoholischen Getränken sank im Jahr 2017 gegenüber dem Vorjahr um 2,38 Prozent auf 131,1 Liter Fertigware pro Kopf der Bevölkerung. Trotz eines geringen Konsumrückgangs kann keine Entwarnung gegeben werden: Deutschland ist ein Hochkonsumland in Bezug auf Alkohol. Etwa 74.000 Todesfälle jährlich werden durch Alkoholkonsum oder den kombinierten Konsum von Tabak und Alkohol verursacht.
Die Zahl der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen zehn und 20 Jahren, die 2017 aufgrund eines akuten Alkoholmissbrauchs stationär behandelt wurden, bleibt mit insgesamt 21.721 weiterhin auf hohem Niveau.
Mit 314.211 Behandlungsfällen wurde im Jahr 2017 die Diagnose „Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol (F 10)“ als zweithäufigste Hauptdiagnose in Krankenhäusern gestellt. Von den Patienten waren 228.928 Männer und 85.283 Frauen.
Tabak
Der Verbrauch von Zigarren und Zigarillos ist 2018 um 6,5 Prozent auf 3.007 Millionen Stück gestiegen. Zugenommen haben auch der Konsum von Pfeifentabak (+2,7 Prozent) und Feinschnitt (+0,2 Prozent). In Deutschland wurden 74.360 Millionen Zigaretten konsumiert, das entspricht einem leichten Konsumrückgang um 1,9 Prozent.
Einer Studie zufolge waren im Jahr 2015 rund elf Prozent der 18-jährigen und älteren Bevölkerung, die selbst nicht rauchten, regelmäßig in geschlossenen Räumen einer Passivrauchbelastung ausgesetzt. Die höchste Exposition wurde bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 29 Jahren festgestellt.
Im Jahr 2013 starben rund 121.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Das waren 13,5 Prozent aller Todesfälle.
Psychotrope Medikamente
Hinsichtlich des Missbrauchs und der Abhängigkeit von Arzneimitteln zeigt sich ein unverändertes Bild: Es wird geschätzt, dass durch Langzeitanwendung in Deutschland etwa 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen abhängig von Tranquilizern und Schlafmitteln sind – in erster Linie ältere Menschen und darunter vor allem Frauen, weitere etwa 300.000 bis 400.000 Menschen von anderen Arzneimitteln. Dies sind insgesamt rund 1,5 bis 1,9 Millionen Menschen.
Schlafmittel und Tranquilizer enthalten zumeist vergleichbare Wirkstoffe, die letztlich in der Wirkweise auf die so genannten Benzodiazepine zurückgehen. In diese Gruppe gehören auch die so genannten „Z-Drugs“, die in der Zwischenzeit am häufigsten als Schlafmittel verordnet werden und deren Wirkstoffnamen Zolpidem und Zopiclon allesamt mit dem Buchstaben Z beginnen. All diese Mittel sind mit der unerwünschten Wirkung „Abhängigkeit“ belastet, die bereits nach mehreren Wochen der ununterbrochenen Einnahme auftritt.
Illegale Drogen
Cannabis ist sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Erwachsenen die mit Abstand am häufigsten konsumierte illegale Droge.
Der Handel mit Rauschgift im Internet (Darknet/Deepweb/Clearnet) hat sich als fester Vertriebsweg für Drogen in Deutschland etabliert.
Im Jahr 2018 wurden in Deutschland 1.276 Rauschgifttote registriert. Im Vorjahr waren es vier Personen weniger. Das Durchschnittsalter der registrierten Drogentoten lag 2017 bei 39 Jahren. Der Trend des ansteigenden Durchschnittsalters der Drogentoten hält seit Jahren an und geht mit einer zunehmenden Anzahl von Drogentoten durch Langzeitschädigungen ein-her.
Pathologisches Glücksspiel
Auf dem legalen deutschen Glücksspiel-Markt wurde 2017 ein Umsatz (gleichbedeutend mit Spieleinsätzen) von 46,3 Mrd. Euro erzielt, das entspricht einem Anstieg um 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten sind mit Abstand der größte Umsatz- und Ertragsträger. 7,1 Milliarden Euro am Bruttospielertrag (Differenzbetrag aus den Einsätzen und Gewinnen der Spieler: Kasseninhalt) erzielten die Aufsteller mit diesen Geräten, das ist ein Anteil von 58 Prozent am Gesamtmarkt.
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hg.): DHS Jahrbuch Sucht 2019
Pabst Science Publishers, Lengerich 2019, 263 Seiten, € 20,00, ISBN 978-3-95853-483-4, auch als E-Book erhältlich
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 17. April 2019
Pabst Science Publishers, Lengerich 2018, 110 Seiten, € 12,00, ISBN 978-3-95853-393-6, auch als
E-Book erhältlich
Positive Psychologie ist die Wissenschaft vom gelingenden Leben. Im Fokus der Forschung steht die Frage, was Individuen, Organisationen und Gesellschaften dazu befähigt, sich bestmöglich zu entwickeln, das Wohlbefinden zu steigern und aufzublühen (flourish).
Als erste deutsche Forschungsgesellschaft auf diesem Gebiet verfolgt die Deutsche Gesellschaft für Positiv-Psychologische Forschung (DGPPF) die Förderung und Verbreitung entsprechender – auch interdisziplinärer – Forschung und stärkt die internationale Sichtbarkeit, der aus dem deutschsprachigen Raum stammenden positiv-psychologischen Studien.
Mit dem vorliegenden Band wird nun erstmalig auch jungen Wissenschaftler/innen der DGPPF die Möglichkeit gegeben, ihre Arbeit einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Zusammengetragen wurden Konferenzbeiträge unterschiedlicher Fachdisziplinen, welche sich in Schwerpunkten mit Leistung und Flow, Wohlbefinden und Bildung im positiv-psychologischen Forschungskontext beschäftigen. Es entstand ein frischer, dynamischer Band.
Bundesweit übernehmen Suchtberatungsstellen vor Ort eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge und können erfolgreiche Leistungen vorweisen. In einer gemeinsamen Aktion machen die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. und Mitgliedsverbände sowie der Fachverband Sucht e.V. auf die teilweise prekäre Finanzsituation der Beratungsstellen vor Ort aufmerksam. Der „Notruf Suchtberatung“ wurde Anfang April an alle Mitglieder des Bundestages, die Bundesdrogenbeauftragte, das Referat Drogen und Sucht im BMG, die Gesundheitsminister der Länder, die kommunalen Spitzenverbände sowie an den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. übermittelt. Der „Notruf“ lautet im Originaltext:
Die Hilfen für suchtkranke Menschen sind bedroht!
Mehr als eine halbe Million suchtkranke Menschen und deren Angehörige werden jährlich in ca. 1.500 Suchtberatungsstellen erreicht, betreut und in weiterführende Behandlungen vermittelt. Mit ihrer Brückenfunktion zwischen Beratungsstelle und dem Gesundheitssystem trägt die Suchtberatung nachweislich dazu bei, die Verelendung der Klient*innen zu verhindern und so die Folgekosten der Suchterkrankung zu verringern. Suchtberatung in dieser Form angeboten, hat ein Alleinstellungsmerkmal, das nicht von anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen erbracht werden kann, nicht von Ärzt*innen, auch nicht von niedergelassenen Therapeut*innen.
Eine gut ausgebaute kommunale Suchthilfe und frühere Hilfen können Leben retten! Sie stehen für:
niedrigschwellige Zugangsmöglichkeiten zu einem qualifiziertenHilfeangebot, auch digital,
Raum zur Entwicklung einer vertrauensvollen Beziehung, um weitergehende Hilfeleistungen wie Beratung, Vermittlung oder Behandlung erst zu ermöglichen,
Vermittlung in weiterführende Hilfen bzw. Rehabilitation und in Sucht-Selbsthilfe,
bedarfsgerechte Beratung und Begleitung in Bezug auf die Anliegen und Problematiken von Klient*innen, auch über den Suchtmittelkonsum hinaus,
Erschließung des Zugangs zu einem regionalen Hilfenetzwerk für Betroffene
Dem gegenüber steht eine gravierende Unterfinanzierung dieser Beratungsstellen. Die kommunale Finanzierung der Suchtberatungsstellen, die den größten Anteil der Finanzierung ausmacht, stagniert in den letzten Jahren weitgehend. Dabei muss immer mehr für immer weniger geleistet werden: Personalkosten steigen, die Anforderungen an Qualität nehmen zu und die Hilfeangebote müssen flexibler und individueller gestaltet werden. Die Folgen sind absehbar und betreffen alle.
Die Erfolge der Suchtberatung sprechen für sich.
Zwei Drittel der Klient*innen geben nach Betreuungsende an, dass sie ihre Problematik erfolgreich bewältigt haben oder sich diese gebessert hat. Die Vermittlung in weiterführende Hilfe ist ein zentrales Element: 65 Prozent der Zuweisung in medizinische Rehabilitation erfolgt aus den Suchtberatungsstellen. Mit einer Suchtberatung können Arbeitsplätze während und nach einer Behandlung erhalten bleiben. Mit jedem stabilisierten suchtkranken Menschen wird auch das familiäre Umfeld unterstützt. Somit profitieren bedeutend mehr Menschen von der Sucht-beratung als statistisch erfasst.
Erfolgreiche Suchtberatung gibt es nicht zum Nulltarif!
Suchtberatung kann nur mit einer stabilen, verlässlichen und kostendeckenden Finanzierung gelingen! Zeigen Sie suchtkranken Menschen und ihren Angehörigen, dass sie nicht allein sind. Helfen Sie den Einrichtungen dabei, diesen Menschen zu helfen.
Bislang nahm man an, dass der Cannabisbestandteil Cannabidiol (CBD) keine psychoaktive Wirkung hat und den Effekt des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) abmildert. Einer experimentellen Studie zufolge müssen beide Annahmen korrigiert werden.
Inhalieren, zehn Sekunden Luft anhalten und wieder ausatmen. In der Studie war genau vorgeschrieben, wie die untersuchten Substanzen zu konsumieren sind. Schließlich sollte deren Wirkung nicht durch unterschiedliche Konsumgewohnheiten verzerrt werden. Es ging um die Frage, welche Effekte die Cannabiswirkstoffe THC und CBD haben. Von THC ist bekannt, dass es einen Rausch erzeugt. Doch wie wirkt eigentlich CBD, wenn es allein oder in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen mit THC konsumiert wird? Ein australisches Forschungsteam um Studienleiterin Nadia Solowij hat sich experimentell mit diesen Fragen befasst.
36 Personen mit Cannabiserfahrung nahmen an dem Versuch teil. Die Hälfte der Teilnehmenden waren regelmäßig Konsumierende, die andere Hälfte kiffte eher selten. Jede Versuchsperson hat in wöchentlichem Abstand an fünf Sitzungen teilgenommen. Dabei inhalierten sie entweder ein wirkstofffreies Placebo, nur THC, nur CBD oder eine Mischung aus THC und CBD. Die Dosis CBD variierte und betrug vier Milligramm in der niedrigen und 400 Milligramm in der hohen Dosis. Die Wirkung wurde sowohl von den Versuchspersonen selbst eingeschätzt, als auch durch geschulte Beobachter.
Hohe Dosis CBD hat psychoaktive Wirkung
Entgegen den Erwartungen des Forschungsteams hat CBD in hoher Dosis Rauschzustände erzeugt. Die Wirkung war zwar weniger stark ausgeprägt als bei THC, wurde aber sowohl von den Konsumierenden als auch den Beobachtern eindeutig als Rausch klassifiziert, der sich von der Placebo-Variante unterschied. CBD hat somit entgegen der bisherigen Annahme doch eine gewisse psychoaktive Wirkung, wenn auch nur bei vergleichsweise hoher Dosierung.
Die Mischung aus THC und CBD barg ebenfalls Überraschungen. So wirkte die Kombination von acht Milligramm THC mit einer niedrigen Dosis CBD stärker als THC allein. Dieser Effekt war bei den Versuchspersonen mit geringer Konsumerfahrung stärker ausgeprägt als bei den regelmäßig Konsumierenden. Eine hohe Dosis CBD hat die Wirkung von THC hingegen erwartungsgemäß deutlich abgeschwächt. Somit konnte ein so genannter biphasischer Effekt für CBD in Kombination mit THC nachgewiesen werden: Verstärkend bei niedriger und dämpfend bei hoher Dosierung.
Das Forschungsteam vermutet den Grund für die biphasische Wirkung von CBD auf Rezeptorebene. CBD selbst habe nur eine geringe Bindungskraft an den körpereigenen Cannabinoid-Rezeptoren. Allerdings würden andere Studien Hinweise liefern, dass CBD die Eigenschaften des Cannabinoid-Rezeptors verändern kann, so dass entweder eine stärkere oder eine schwächere Stimulation von THC ausgeht.
Wirkung von THC und CBD komplexer als gedacht
Die Ergebnisse würden somit nach Einschätzung des Forschungsteam zeigen, dass die Wechselwirkungen von THC und CBD komplexer sind, als bislang angenommen. Dies habe insbesondere Auswirkungen auf Dosierungsempfehlungen, wenn Cannabis als Medizin verabreicht werde. Auch die zuweilen anzutreffende populäre Einschätzung „CBD ist gut für dich“, müsse noch auf den Prüfstand gestellt, also weiter wissenschaftlich untersucht werden. Denn bislang gäbe es keine Studien zu möglichen langfristigen Effekten von CBD.
Das Forschungsteam weist einschränkend darauf hin, dass die in ihrer Studie verwendeten Substanzen mittels eines Vaporisators konsumiert wurden. In einem Vaporisator wird die Substanz nicht verbrannt, sondern bei niedrigeren Temperaturen verdampft. Ob sich die Ergebnisse auch auf verbrannten Cannabis oder auf oral eingenommene, also geschluckt eingenommene Cannabinoide übertragen lassen, müsse durch weitere Studien belegt werden.
Publikation:
Solowij, N., Broyd, S., Greenwood, L.-M., van Hell, H., Martelozzo, D., Rueb, K., Todd, J., Liu, Z., Galettis, P., Martin, J., Murray, R., Jones, A., Michie, P. T. & Croft, R. (2019). A randomised controlled trial of vaporised Δ9-tetrahydrocannabinol and cannabidiol alone and in combination in frequent and infrequent cannabis users: acute intoxication effects. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, https://doi.org/10.1007/s00406-019-00978-2
Mit circa 50 Beschäftigten ist die Therapeutische Gemeinschaft Jenfeld (TGJ) eine relativ kleine Einrichtung, in der sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr regelmäßig begegnen und miteinander sprechen. Das Gespräch beinhaltet auch aktuelle Probleme und Belastungen aus dem Arbeitsalltag, für die wir, das Leitungsteam, versuchen, befriedigende Lösungen zu finden. Unabhängig von aktuellen Problemen sind wir bemüht, die Arbeitszusammenhänge für alle so zu gestalten, dass Belastung und Entlastung sich die Waage halten (z. B. durch Entscheidungsfreiräume, möglichst flexible Arbeitszeiten, Supervision, Entspannungsangebote usw.). Die Notwendigkeit einer Mitarbeiterbefragung war uns bis zum Auftauchen des Themas „Gefährdungsanalyse psychischer Belastungen“ nicht in den Sinn gekommen.
Der Anstoß
Im Rahmen einer Betriebsversammlung im Jahr 2012 startete der damalige Betriebsrat der TGJ unter den anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unerwartet eine auf wenige Fragen begrenzte, anonyme Umfrage zur erlebten psychischen Belastung im Arbeitsalltag. Die Ergebnisse der noch während der Versammlung erfolgenden Auswertung waren nicht spektakulär, die Aktion brachte aber Bewegung in das bis dahin in der TGJ eher am Rande behandelte Thema.
Historischer und theoretischer Hintergrund
Das 1996 von der Bundesregierung verabschiedete Arbeitsschutzgesetz gab Impulse für einen systematischen Arbeitsschutz und trug den Arbeitgebern auf, regelhaft eine Gefährdungsbeurteilung bezüglich gesundheitlicher Risiken und Belastungen durch betriebliche Arbeitsbedingungen vorzunehmen. Wenn es aufgrund der Bewertung der so ermittelten Belastungen erforderlich erscheint, müssen geeignete Maßnahmen zur Vorbeugung gegen Gesundheitsgefahren entwickelt, umgesetzt und auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.
Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) ist eine im Arbeitsschutzgesetz und im SGB VII verankerte Plattform von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern unter Einbezug der Sozialpartner (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände in beratender Funktion) zur Umsetzung des Arbeitsschutzes. Sie schlägt in ihren „Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung“ (2017a) ein wiederholt zu durchlaufendes prozesshaftes Vorgehen vor, das im Prinzip auch aus anderen Themenfeldern des Qualitätsmanagements bekannt ist. Angelehnt daran lässt sich folgendes Prozessmodell darstellen:
Abb. 1: Prozessmodell zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung
Praxis in der TGJ
In der TGJ wird die Aufgabe einer regelhaften Gefährdungsbeurteilung in Form einer jährlichen Arbeitsplatzbegehung durch das Zentrum für Arbeits-, Umwelt- und Gesundheitsschutz (ZAG) erfüllt. Das ZAG übernimmt dabei die Rolle einer externen Fachkraft für Arbeitsschutz. Im Zuge der Begehung und der Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses (AsA) werden Belastungen ermittelt und beurteilt und daraus Maßnahmepläne entwickelt. Für deren Realisierung sind die Einrichtungsleitung und die intern für die Arbeitssicherheit verantwortlichen Mitarbeiter/innen zuständig. Die Wirksamkeit der Maßnahmen wird während der Implementierung und spätestens mit der nächsten Begehung geprüft. Die nächste Begehung stellt auch die Fortschreibung des Prozesses dar, und es werden gegebenenfalls neue Belastungen ermittelt (usw.).
Die psychischen Belastungen spielten bei diesem Vorgehen allerdings keine Rolle, da im Arbeitsschutzgesetz explizit als möglicherweise gefährdend nur ‚klassische‘ Belastungsfaktoren wie schwere körperliche Arbeit oder ungünstige Umgebungsbedingungen aufgelistet wurden. Diese haben allerdings zunehmend an Bedeutung gegenüber den psychischen Belastungen verloren. Für die Suchtkrankenhilfe darf man aus Sicht des Verfassers ohnehin von einer überproportionalen psychischen Belastung im Vergleich zu vielen anderen Tätigkeitsfeldern ausgehen. Der DAK-Gesundheitsreport 2018 nennt die psychischen Erkrankungen als zweithäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit und beschreibt einen rasanten Anstieg der Fehlzeiten aufgrund dieser Erkrankungen in der Zeit nach der Verabschiedung des Arbeitsschutzgesetzes.
Abb. 2: Anteile der zehn wichtigsten Krankheitsarten an den Arbeitsunfähigkeitstagen. Quelle: DAK-Gesundheitsreport 2018Abb. 3: Arbeitsunfähigkeitstage und Arbeitsunfähigkeitsfälle pro 100 Versichertenjahre aufgrund psychischer Erkrankungen. Quelle: DAK-Gesundheitsreport 2018
Konsequenterweise hat der Gesetzgeber im Jahr 2013 die psychischen Belastungen in der Auflistung möglicher Risiken ausdrücklich ergänzt (§ 5, Abs. 3, Pkt. 6 ArbSchG). In vielen, vor allem kleineren und mittleren Betrieben, ähnlich wie in der TGJ, waren die psychischen Belastungen bis dahin kein Feld der systematischen Überprüfung.
Zuständigkeiten
Dem „Ratgeber zur Gefährdungsbeurteilung“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA; 2016) folgend hat der Arbeitgeber die Verantwortung für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und die Umsetzung der Ergebnisse. Die Vertretungen der Beschäftigten bzw. wenn solche Vertretungen nicht vorhanden sind, die Beschäftigten selbst, sind vom Arbeitgeber zu allen Maßnahmen, die Auswirkungen auf ihre Sicherheit und Gesundheit haben können (§§ 81, 82, 89 Betriebsverfassungsgesetz, §§14, 17 ArbSchG) zu hören, und sie sind berechtigt, Vorschläge zu diesen Themen zu machen.
Drei gute Gründe für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
Die explizite Aufnahme der psychischen Belastungen in das Arbeitsschutzgesetz war im Weiteren förderlich, die Betriebsratsinitiative in der TGJ in Richtung einer eingehenderen Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen voranzutreiben.
Eichhorn und K. Schuller (2017) von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ordnen diese Pflichterfüllung des Arbeitgebers unter dem „normativ-gesetzlichen Motiv“ ein. Ein zweites, „humanistisch-mitarbeiterorientiertes“ Motiv war in der TGJ die grundsätzliche Haltung des Leitungsteams, dass die Arbeit im Hause bei allen Belastungen und Herausforderungen, die die Arbeit mit Suchtkranken mit sich bringt, auch erfüllend und befriedigend, nicht gesundheitsgefährdend und im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes menschengerecht sein soll. Das dritte, von Eichhorn und Schuller als „ökonomisch-instrumentell“ bezeichnete Motiv liegt in dem Wissen und der Erfahrung, dass zufriedene und gesunde Kolleg/innen nachhaltig die Leistungsfähigkeit der Einrichtung stärken.
Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
Die Unfallversicherungsträger, d. h. die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, übernehmen im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) die Aufgabe, für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren in den Betrieben zu sorgen, dies zu überwachen und die Unternehmer und Beschäftigten zu beraten. Sie bieten zur Orientierung unter anderem Seminare zum Thema Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen an sowie Workshops zum Austausch mit anderen Einrichtungen, die sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigen. Die Teilnahme ist für Mitglieder der Unfallkasse in der Regel kostenfrei.
Die Unfallkasse Nord war der für die TGJ zuständige Ansprechpartner zur ersten Orientierung für die praktische Umsetzung. Neben der Vermittlung des oben beschriebenen prozesshaften Vorgehens wurden folgende wesentliche Fragen aufgeworfen und später in der internen Diskussion beantwortet:
Wie werden möglichst alle Kolleginnen und Kollegen beteiligt?
Wir entschieden uns für die Gründung einer auf Dauer angelegten Arbeitsgruppe Gefährdungsanalyse, die je nach Bedarf tagt und alle Planungsschritte, Befragungsergebnisse und Maßnahmepläne diskutiert. Die AG setzt sich zusammen aus je einem Vertreter aller Arbeitsbereiche (Therapie, Verwaltung, Haustechnik, etc.), Betriebsrat und Leitung. Die Vertreter der Arbeitsbereiche transportieren bei Bedarf Informationen aus der AG in ihr Team oder aus dem jeweiligen Team in die AG. Im Rahmen einer Betriebsversammlung kündigen Betriebsrat und Leitung gemeinsam die bevorstehende Mitarbeiterbefragung an. Das Procedere wird erläutert und die Anonymität der Befragung wiederholt zugesichert. Im Zuge dessen wird auch die praktische Umsetzung organisiert. Wenn nach der Befragung die Ergebnisse vorliegen, werden die Kolleginnen und Kollegen in einer weiteren Betriebsversammlung von Leitung und Betriebsrat über eine Auswahl der wesentlichen Ergebnisse informiert.
Mit welcher Methode werden die Belastungen ermittelt?
Im Wesentlichen lassen sich drei Methoden anwenden:
Workshops mit externer Moderation zur Feststellung von Problemfeldern und zur Entwicklung diesbezüglicher Maßnahmepläne,
Beobachtung konkreter Arbeitsprozesse und damit verbundener Belastungen vor Ort durch externe Fachleute und Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen,
Mitarbeiterbefragung mit Fragebogen und Ableitung von Maßnahmen aus den Befragungsergebnissen.
Auch eine Kombination dieser Methoden ist möglich. Wir entschieden uns für die Fragebogenvariante und anschließende, auf den Befragungsergebnissen aufbauende Workshops. Fragebögen sahen wir als beste Möglichkeit, jedem Mitarbeiter die Möglichkeit der Teilnahme zu geben und relativ ökonomisch viele Informationen aus vielen Themenfeldern zu sammeln. Standardisierte Fragebögen mit Bewertungsskalen machen außerdem den Vergleich zwischen wiederholten Befragungen möglich, so dass man die Entwicklung von Problemfeldern im Vergleich zur letzten Befragung auch quantitativ darstellen kann. Beobachtungen und Workshops erscheinen in dieser Hinsicht schwierig.
Bei der Auswahl des Fragebogens kam uns entgegen, dass ein befreundeter Träger bereits gute Erfahrungen mit dem Fragebogen zur Mitarbeiterzufriedenheit des Picker Instituts gesammelt hatte. (Das Picker Institut wurde zwischenzeitlich vom Institut BQS (https://www.bqs.de/leistungen/picker-befragungen) übernommen. Zur Vermeidung von Irritationen ist hier im Weiteren durchgängig von Picker die Rede.) Der Fragebogen war wissenschaftlich evaluiert, im Einsatz in Krankenhäusern erprobt und konnte auf die Bedarfe der Suchthilfe noch in begrenztem Maß zugeschnitten werden. Eine Reihe anderer Instrumente (z. B. Kurz-Fragebogen zur Arbeitsanalyse KFZA oder „Instrumente und Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung“ (GDA 2017b)) entsprach nicht unseren Vorstellungen.
Die Deutsche Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Suchttherapie e.V. (deQus) und das Picker Institut trafen eine Rahmenvereinbarung zur Durchführung von Mitarbeiterbefragungen für Mitglieder der deQus, da das Interesse an dem Fragebogen vermehrt auftauchte. Inzwischen nutzen acht Träger unter dem Dach der deQus den Fragebogen und die Rahmenvereinbarung, so dass, ergänzend zu einrichtungsinternen Ergebnisvergleichen von Befragung zu Befragung, ein Benchmark mit anderen Einrichtungen im Suchthilfesystem möglich ist.
Die GDA (2017a) benennt Arbeitsintensität, Arbeitszeit, Handlungsspielraum und soziale Beziehungen, insbesondere zu Vorgesetzten, sowie die Gestaltung der Arbeitsumgebungsbedingungen als branchen- und tätigkeitsübergreifend relevante Schlüsselfaktoren der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung. Diese und andere Themen werden von den 102 Fragen des Picker-Bogens abgedeckt. Aus den Gesamtdaten aller bei Picker durchgeführten Mitarbeiterbefragungen in einem Zeitfenster von drei Jahren werden faktoranalytisch, jährlich aktualisiert, Faktoren der Mitarbeiterzufriedenheit errechnet:
Führungs- und Unternehmenskultur
Arbeitsbelastung
Direkte Vorgesetzte
Beschäftigungsbedingungen
Strukturen & Prozesse
Kollegen
Patientenversorgung
Arbeitsumgebung/Ausstattung
Dienstplanung
Personalqualifizierung
PC-Arbeitsplätze
IT
Schnittstellen
Wie werden die ermittelten Belastungen beurteilt?
Die Prioritätenmatrix (aus dem Ergebnisbericht 2017 des Picker Instituts für die TGJ) veranschaulicht die Ergebnisse der Befragung auf der Ebene der Faktoren im groben Überblick (Abbildung 6). Auf der y-Achse ist die Einflussstärke der einzelnen Faktoren auf die Gesamtzufriedenheit abgetragen. Die Arbeitsbelastung hat den stärksten Einfluss, es folgt der direkte Vorgesetzte usw.
Auf der x-Achse wird die Problemhäufigkeit in der eigenen Einrichtung als Prozentrang im Vergleich zu allen von Picker befragten Einrichtungen der Jahrgänge 2014 bis 2016 betrachtet. Der Faktor Arbeitsbelastung z. B. hat einen Prozentrang von ca. 5. Das bedeutet, dass 95 Prozent der anderen am Benchmark beteiligten Einrichtungen eine stärkere Problembelastung in diesem Faktor haben als die TGJ. Je weiter links der Prozentrang liegt, desto unproblematischer ist der jeweilige Faktor.
Abb. 6: Prioritätenmatrix
Bei 13 möglichen Faktoren werden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der TGJ überhaupt nur sieben als in geringem Umfang problematisch benannt. Allerdings sind die anderen von Picker befragten Einrichtungen, mit denen der Vergleich stattfindet, in der Regel Krankenhäuser, die außerhalb des Suchthilfesystems tätig sind. Die Vergleichsberichte zeigen in allen Faktoren eine deutlich stärkere Problembelastung in den Einrichtungen außerhalb der Suchthilfe. Beispielhaft lässt sich das am Faktor Arbeitsbelastung zeigen (Abbildung 7).
Abb. 7: Faktor Arbeitsbelastung: Vergleich der TGJ mit anderen von Picker befragten Einrichtungen
Im Jahr 2017 haben insgesamt 15 Prozent der Kolleg/innen in der TGJ die Arbeitsbelastung als problematisch empfunden. Das war eine Reduktion um drei Prozent im Vergleich zu 2014. In den Suchthilfeeinrichtungen unter dem Dach der deQus haben im Mittel 32 Prozent der Mitarbeiter/innen die Arbeitsbelastung als problematisch empfunden. In allen anderen von Picker befragten Häusern waren es im Mittel 43 Prozent Problemhäufigkeit in diesem Faktor. Diese Vergleichsdarstellung gibt es für alle Faktoren und Einzelfragen. Auch Arbeitsbereiche bzw. Berufsgruppen innerhalb der eigenen Institution können hinsichtlich der Problemhäufigkeit miteinander verglichen werden.
15 Prozent Problemhäufigkeit in der Arbeitsbelastung bleibt auch bei dieser Betrachtung ein vergleichsweise gutes Ergebnis. Bei der Diskussion in der AG Gefährdungsanalyse der TGJ wendet der Betriebsrat, seiner Aufgabe entsprechend, jedoch ein, dass der Vergleich mit anderen nicht so entscheidend sei. Eine Verbesserung um drei Prozent zur vorherigen Befragung sei schön, aber auch nicht wirklich bemerkenswert, und eine 15-prozentige Problemhäufigkeit sei auf jeden Fall ein Anlass, genauer zu prüfen. Dem können wir auch aus Leitungssicht zustimmen.
Hinter den genannten Faktoren, so auch bei der Arbeitsbelastung, stehen thematisch passende Einzelfragen (Abbildung 8), deren Einzelergebnisse im Wert des Faktors verrechnet sind. Ein Beispiel aus dem Picker Ergebnisbericht 2017 für die TGJ:
Abb. 8: Einzelfrage zum Faktor Arbeitsbelastung
Zum Faktor Arbeitsbelastung gehören sechs weitere Einzelfragen, deren Betrachtung genauer verstehen lässt, was die Arbeitsbelastung ausmacht. Hier spielen vor allem längerfristige Personalausfälle und entsprechende Vertretungen sowie häufige Störungen in Arbeitsprozessen eine Rolle. Die Diskussion in der AG ergab, dass die Personalausfälle kaum besser hätten kompensiert werden können als bereits geschehen. Hinsichtlich der Arbeitsunterbrechungen können aber Verbesserungsmaßnahmen entwickelt werden.
In der Gesamtbetrachtung einigten wir uns in der AG Gefährdungsanalyse auf die Einschätzung, dass
stark negative Unterschiede zu Vergleichseinrichtungen der Suchthilfe,
stark negative Veränderungen zu vorhergehenden hauseigenen Befragungen,
Problemhäufigkeiten von über zehn Prozent auf Faktoren-, Arbeitsbereich- oder Einzelfragenebene
Anlass zu genauerer Betrachtung und das Gegenteil davon Anlass zu – mindestens stiller – Freude sein sollen.
Die gesamten Ergebnisse der Befragung werden der Leitung, dem Betriebsrat und den Mitgliedern der AG Gefährdungsanalyse als vertrauliche Unterlagen zur Verfügung gestellt. Auch die externen Moderatorinnen der im weiteren Verlauf vorgesehenen Workshops erhalten die Daten als Hintergrundinformation und sind bei der Präsentation ausgewählter Ergebnisse für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anwesend.
Die 102 Fragen des Bogens mit vorgegebenen Antwortkategorien lassen nur den Blick auf einen – wenn auch mit wissenschaftlicher Methodik gewählten – Teil des Erlebens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu. Die ebenfalls im Bogen enthaltenen offenen Fragen sind eine gute Ergänzung:
Wenn Sie in der Einrichtung oder an Ihrem Arbeitsplatz etwas verändern oder sich etwas wünschen könnten, was wäre es?
Was gefällt Ihnen in der Einrichtung oder an Ihrem Arbeitsplatz besonders gut?
Positive und negative Kritiken halten sich in den Freitexteingaben die Waage. Auch die Freitexte gehen an den schon genannten Personenkreis und werden in der AG Gefährdungsanalyse diskutiert.
Kosten
Die Kosten für die Mitarbeiterbefragung per Fragebogen beliefen sich für die TGJ im Jahr 2017 auf ca. 1.200 Euro. Für diesen Betrag wurden die Fragebögen gedruckt, die an das Institut zurückgesandten Fragebögen statistisch ausgewertet und die Ergebnisse als PDF-Datei und in Excel der TGJ zugesandt. Man kann wahlweise noch mehr Leistungen des Anbieters in Anspruch nehmen. Die Kosten für die weiteren, im Folgenden noch zu beschreibenden Schritte der Gefährdungsanalyse kommen am Ende hinzu.
Zwischenbilanz
Damit ist die erste Phase der Gefährdungsanalyse psychischer Belastungen in der TGJ, mit weitestgehend quantitativer Methodik, abgeschlossen. Die Gründung der AG Gefährdungsanalyse, die intensive Auseinandersetzung und das gelegentlich etwas zähe Ringen um die richtigen Vorgehensweisen und Instrumente haben sich bis hierhin deutlich bezahlt gemacht. Wir konnten ein gemeinsames Interesse an der Befragung vermitteln und zu einer ausgesprochen hohen Teilnahme motivieren. Die Rücklaufquote der Fragebögen lag 2014 bei ungewöhnlichen 90,2 Prozent, 2017 bei immer noch guten 70 Prozent. Die Ergebnisse waren insgesamt sehr gut, boten aber auch Ansatzpunkte für eine über die reinen Zahlen hinausgehende Analyse in den sich trotzdem abzeichnenden Problemfeldern. Die Betriebsversammlung zur Vermittlung der Befragungsergebnisse in die Mitarbeiterschaft diente gleichzeitig auch der Motivation zur Teilnahme an den nachfolgend geplanten Workshops. Diese sollten die Möglichkeit eröffnen, die durch die Befragung nicht abgebildeten Problematiken zu ergänzen, eine Beurteilung der gesamten bisherigen Ergebnisse vorzunehmen und Maßnahmevorschläge zu erarbeiten. Über den weiteren Verlauf berichtet Teil 2 des Artikels.
Kontakt:
Robert Meyer-Steinkamp
Therapeutische Gemeinschaft Jenfeld
Jenfelder Straße 100
22045 Hamburg
Tel. 040/65 40 96-66
meyerst.tgj@alida.de
Angaben zum Autor:
Robert Meyer-Steinkamp, Dipl.-Psychologe / Psychologischer Psychotherapeut:
Therapeutische Leitung der Therapeutischen Gemeinschaft Jenfeld
Ausbildungsleitung Suchttherapie VT (DRV-anerkannt) am Hamburger Institut für Gestaltorientierte Weiterbildung (HIGW)