Autor: Simone Schwarzer

  • Psychische Erkrankungen in Deutschland – Schwerpunkt Versorgung

    45 Milliarden Euro direkte Gesundheitskosten und 15 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitstage pro Jahr, jeder vierte Erwachsene in Deutschland ist betroffen. Der gemeinsame Nenner: All diese Zahlen beschreiben die aktuelle Lage zum Thema psychische Erkrankungen in Deutschland. Das am
    10. Oktober, dem Internationalen Tag der Seelischen Gesundheit, erschienene Dossier der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) ist die übersichtliche Faktensammlung zum psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungssystem. Die Fachgesellschaft zeigt anhand von Daten und Grafiken, aber auch mit Hintergrundgeschichten und Kurzinterviews aus Sicht von Ärzten, Betroffenen und Angehörigen auf, was die Barrieren von heute und die Chancen von morgen im Zusammenspiel der verschiedenen Sektoren sind. Anknüpfend daran formuliert das DGPPN-Standpunktepapier konkrete Handlungsfelder.

    Als Stimme der psychischen Gesundheit hat die Fachgesellschaft in ihrem Dossier erstmals alle wichtigen Daten und Fakten rund um das psychiatrisch-psychotherapeutische Hilfesystem in Deutschland aus verschiedenen wissenschaftlichen Quellen in einer kompakten Publikation zusammengetragen. Das erste Kapitel widmet sich der Prävalenz psychischer Erkrankungen und gibt Aufschluss darüber, welche Störungsbilder in welcher Häufigkeit in welchen Bevölkerungsgruppen vorkommen. Kapitel zwei behandelt die gravierenden Folgen psychischer Erkrankungen und im dritten Kapitel stehen die Hilfen für Menschen mit psychischen Erkrankungen im Vordergrund. Es wird dargestellt, wie komplex die Angebote sind und wie notwendig, um Betroffene am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Hinter all diesen Zahlen stehen Lebensgeschichten von Menschen mit psychischen Erkrankungen, deren Angehörigen und Familien sowie auch die Geschichten der behandelnden Ärzte, die täglich im Einsatz sind, um den Betroffenen durch Krisen zu helfen und ihnen mehr Lebensqualität zurückzugeben. Daher dürfen auch Berichte von Menschen, die mit dem psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungssystem verbunden sind, im DGPPN-Dossier nicht fehlen. Entstanden ist eine sachliche Analyse mit klaren Botschaften, die Chancen und Barrieren des psychiatrischen Hilfesystems beleuchtet.

    Daran anknüpfend hat der DGPPN-Vorstand ein Standpunktepapier erarbeitet, das anhand der vier Schwerpunktthemen Versorgung, Forschung, Nachwuchs und Qualität die nötigen Weichenstellungen herausarbeitet, um die Psychiatrie und Psychotherapie der Zukunft patientenorientiert, zeitgemäß und nachhaltig zu gestalten. „Den Problemanalysen müssen jetzt Lösungen folgen. Dafür sollen die vorliegenden Standpunkte der DGPPN Impulse geben. Den Leitprinzipien Patientenwohl und Wissenschaftlichkeit verpflichtet, werden Lösungsansätze formuliert, die unverzichtbar für eine zukunftsfähige Psychiatrie sind“, kommentiert DGPPN-Präsident Professor Arno Deister.

    Das DGPPN-Dossier, das Standpunktepapier für eine zukunftsfähige Psychiatrie sowie zahlreiche Info-Grafiken stehen zum Download bereit oder können per E-Mail an sekretariat@dgppn.de in Papierform bei der DGPPN-Geschäftsstelle angefordert werden

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), 10. Oktober 2018

  • Forschungsprojekt zum BTHG

    Das Kooperationsprojekt „Partizipatives Monitoring der aktuellen Entwicklung des Rehabilitations- und Teilhaberechts bis 2021“ beobachtet von September 2018 bis August 2021 die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und angrenzender Fragestellungen aus sozialrechtlicher und soziologischer Perspektive. Dazu sollen u. a. eigene empirische Erhebungen durchgeführt werden. Im Fokus der Analysen und Kommentierungen steht die Teilhabe am Arbeitsleben.

    Das Projekt der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation e. V. (DVfR) und ihrer Partnerinnen und Partner an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Universität Kassel sowie am Zentrum für Sozialforschung Halle führt das Monitoring der Entwicklung des Rehabilitations- und Teilhaberechts mit neuen Forschungsthemen fort. Hintergrund ist das stufenweise Inkrafttreten des BTHG, verbunden mit seiner Rechtsauslegung sowie mit Fragen der Akzeptanz durch die betroffenen Akteure. Das Projekt hat das Ziel, die Umsetzung der Reformschritte zu beobachten, zu analysieren und aus wissenschaftlicher wie praktischer Sicht zu kommentieren. Die Forschung wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus Mitteln des Ausgleichsfonds gefördert und durch einen interdisziplinären Beirat begleitet. Zu den Forschungsschwerpunkten bis 2021 zählen u. a.:

    • die Neuregelungen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA),
    • die Rolle der Schwerbehindertenvertretung oder
    • Fragen der Bedarfsermittlung nach § 13 SGB IX.

    „Es wird zu beobachten sein, ob und wie die Verknüpfung von medizinischer Rehabilitation, LTA, begleitenden Hilfen, Teilhabe an Bildung, sozialer Teilhabe und Krankenbehandlung zukünftig gelingt, wie sie in gemeinsamen Empfehlungen, regionalen Vereinbarungen und in der Begutachtungspraxis umgesetzt wird und wie die Rechtsprechung mit den neuen Regelungen umgeht“, erklärt der DVfR-Vorsitzende Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann.

    Verstärkt stehen neben rein rechtlichen Aspekten auch eigene empirische Erhebungen im Fokus: Wie bewerten unterschiedliche Akteure in der Rehabilitation wichtige Neuerungen durch das BTHG, etwa die Mitbestimmungsrechte für den Werkstattrat und die Implementierung von Frauenbeauftragten in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM), das Budget für Arbeit oder Alternativen zur WfbM? Neben Arbeitgebern, Leistungsträgern und -anbietern sollen vor allem Menschen mit Behinderungen zu Wort kommen.

    Im Rahmen des Monitoring-Prozesses werden Vorschläge zur Klärung, Weiterentwicklung oder Umsetzung der neuen Regelungen entwickelt und diese in Fachveranstaltungen sowie auf der interaktiven Plattform „Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht“ zur Diskussion gestellt. Regelmäßige Online-Diskussionen zu ausgewählten Themen stehen allen Interessierten offen und ermöglichen eine niedrigschwellige Partizipation.

    Weitere Informationen finden Sie auf der Projektseite: www.reha-recht.de/monitoring

    Über reha-recht.de

    Das Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht unter www.reha-recht.de dient als Plattform für die Verbreitung der nicht hinreichend bekannten, zuletzt durch das Bundesteilhabegesetz geänderten Rechtsnormen v. a. des SGB IX. Hierzu werden die aktuelle Rechtsprechung und Verwaltungspraxis sowie Gesetzgebungsprozesse analysiert und kommentiert. Der juristischen Fachöffentlichkeit und Akteuren in Betrieben, Institutionen und Verbänden steht damit ein Forum für den interdisziplinären Austausch zu Rechtsfragen zur Verfügung. Ziel ist es, die Anwendung und Weiterentwicklung des Rehabilitations- und Teilhaberechts zu unterstützen.

    Pressestelle der Deutsche Vereinigung für Rehabilitation (DVfR), 10.10.2018

  • TANDEM – Modellprojekt zur Vernetzung der Behindertenhilfe und der Suchthilfe

    Ende 2018 startet das Bundesmodellprojekt „TANDEM – Besondere Hilfen für besondere Menschen im Netzwerk der Behinderten- und Suchthilfe“. Das vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Modellprojekt wird von der LWL-Koordinationsstelle Sucht durchgeführt, durch die FOGS GmbH wissenschaftlich evaluiert und durch einen Fachbeirat begleitet. Gesucht sind nun Einrichtungen, die geeignet sind, an diesem Projekt teilzunehmen. Bewerbungsfrist ist der
    9. November 2018. Weitere Informationen finden sich in der Ausschreibung.

    Projekthintergrund und Projektziele

    Inklusion und Normalisierungskonzepte führen zu Veränderungen in der Lebenswelt von Menschen mit geistiger Behinderung. Eine selbstständigere und unabhängigere Lebensführung birgt aber zugleich auch mehr Möglichkeiten, Suchtmittel zu erwerben und zu konsumieren. Dabei ist das Risiko für einen Substanzmissbrauch mindestens dem von Menschen ohne geistige Behinderung gleichwertig. Bei einer bestehenden Problematik stehen sowohl Sucht- als auch Behindertenhilfe vor einer großen Herausforderung. Spezialisierte Hilfeangebote bei konsum- oder suchtbezogenen Problemlagen von erwachsenen Menschen mit einer geistigen Behinderung existieren in Deutschland bislang nur wenige.

    Um Menschen mit geistiger Behinderung und einem Suchtproblem eine adäquate Unterstützung anbieten zu können, müssen die Hilfeangebote bedarfsgerecht ausgestaltet sein. Zentral ist dabei die Vernetzung der Behinderten- und der Suchthilfe. Hier setzt TANDEM konkret an: Jeweils eine Einrichtung der Sucht- und der Behindertenhilfe agieren gemeinsam als Projekttandem. Die Fachkräfte werden in der Anwendung ausgewählter Hilfsangebote geschult und setzen diese an ihrem Projektstandort gemeinsam um. Es werden zwei bereits erprobte Konzepte aus den Niederlanden adaptiert und durch das von der LWL-Koordinationsstelle Sucht entwickelte selektive Suchtpräventionsprogramm „SAG NEIN!“ ergänzt.

    • SUMID – Q ist ein niederländisches Screeninginstrument (Fragebogen) zur Einschätzung des Schweregrades einer Substanzstörung bei Menschen mit einer geistigen Behinderung.
    • SAG NEIN! richtet sich als selektives Präventionsprogramm an Schülerinnen und Schüler von Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung. Das Programm ist dabei dem Lernverhalten angepasst. Im Projektverlauf wird das Programm an weitere Settings der Behindertenhilfe angepasst.
    • Less Booze or Drugs (LBoD) ist eine niederländische, kognitiv verhaltenstherapeutische Maßnahme mit zwölf Einzel- und zwölf Gruppensitzungen. Das Programm berücksichtigt zentrale Aspekte der kognitiven Verhaltenstherapie und hat diese für die Zielgruppe angepasst.

    Die Materialien sowie deren Anwendung werden jeweils auf deutsche Verhältnisse und unterschiedliche Settings der Sucht- und der Behindertenhilfe angepasst und im Projektverlauf gemeinsam mit allen Projektbeteiligten gender- und zielgruppengerecht weiterentwickelt. Menschen mit geistiger Behinderung werden an der (Weiter-)Entwicklung der Maßnahmen beteiligt.

    Zusätzlich werden weitere bereits bestehende Präventions-, Beratungs- und Behandlungsangebote für Menschen mit geistiger Behinderung und Suchtproblemen  systematisch erfasst und in einer Online-Datenbank bereitgestellt.

    Je eine Einrichtung der Suchthilfe und der Behindertenhilfe bewerben sich gemeinsam als TANDEM-Projektstandort. Von jeder Einrichtung beteiligen sich zwei Fachkräfte an dem Projekt – also insgesamt vier Fachkräfte je Projektstandort.

    Quelle: Ausschreibung zur Teilnahme am Bundesmodellprojekt: TANDEM – Besondere Hilfen für besondere Menschen im Netzwerk der Behinderten- und Suchthilfe (2018-2021), LWL-KS, Oktober 2018

  • Nur noch kurz die Arbeitsmails checken

    Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes greift mittlerweile fast jeder Zweite von zu Hause auf seine Arbeitsmails zu – besonders häufig über das Smartphone. Die Technik erlaubt eine flexible Arbeitsorganisation ohne räumliche und zeitliche Grenzen. Wer diese Möglichkeiten allerdings unbedacht nutzt, riskiert unerwünschte Folgen für die psychische Gesundheit.

    Tagebuchstudie untersucht kurzfristige Erschöpfungsfolgen

    Arbeitspsycholog/innen des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) haben untersucht, wie sich die berufliche Smartphone-Nutzung nach Feierabend auf das psychische Wohlbefinden am nächsten Arbeitstag auswirkt. Hierzu haben sie eine Tagebuchstudie durchgeführt: 63 Proband/innen haben über zehn Arbeitstage zweimal täglich Online-Fragebögen ausgefüllt. Jeden Morgen sollten sie angeben, wie intensiv sie ihr Smartphone am Abend zuvor für berufliche Zwecke genutzt hatten und wie ihr Schlaf in der Nacht war. Am Nachmittag wurden sie nach ihren Arbeitsaufgaben und aktuellen Erschöpfungssymptomen gefragt.

    Die Studie bestätigt: Mobil erreichbar bleiben ist belastend. Es kostet uns viel Energie, zwischen den Rollen als Beschäftigte/r und als Privatperson hin- und herzuwechseln. Denn die Rollen sind mit verschiedenen Erwartungen des Arbeitgebers einerseits sowie von Familie und Freunden andererseits verbunden. Gleichzeitig müssen Aufmerksamkeit und Konzentration aufrechterhalten werden. Dieses Wechselspiel kann schnell die persönlichen Kapazitäten übersteigen.

    Der Tag danach – wenn der Akku zu schnell leer ist

    Die Folgen lassen nicht lange auf sich warten: Der beruflich motivierte Griff zum Smartphone wirkt sich unmittelbar auf den nächsten Tag aus. Verlangt der Job am nächsten Tag, dass wir unsere Impulse kontrollieren, Ablenkungen widerstehen oder innere Widerstände überwinden, nehmen wir diese Anforderungen als deutlich belastender wahr als an anderen Tagen. Als Folge fühlen wir uns überproportional stark erschöpft. „Berufliche Smartphone-Nutzung in der Freizeit wie auch viele Aufgaben während der Arbeitszeit erfordern, dass wir uns kontrollieren und unser Verhalten an die aktuelle Situation anpassen. Solche „Selbstkontrollprozesse“ kosten Energie. Ist die erschöpft, sinkt unsere Leistungsfähigkeit“, erklärt IfADo-Studienautorin und Arbeitspsychologin Lilian Gombert.

    Wer gut schläft, beugt Beanspruchungsfolgen vor

    Doch nicht jeder Griff zum Firmen-Smartphone wird zum Problem: Bei Proband/innen, die im Anschluss ans mobile Weiterarbeiten gut schliefen, wurde das Wohlbefinden am nächsten Tag nicht weiter beeinflusst. Der Grund: Die Qualität des Schlafes spielt eine wichtige Rolle für unsere Erholung. Haben wir gut geschlafen, starten wir mit mehr Energie in den nächsten Tag. „Wenn ein Projekt fertig werden muss, lässt es sich nicht immer vermeiden, auch nach Feierabend noch E-Mails zu beantworten. Dann sollte man aber darauf achten, gut und ausreichend lang zu schlafen“, so Gombert. Dabei helfen können feste Schlafroutinen – zum Beispiel jeden Tag zur selben Zeit ins Bett zu gehen. Die Studie wurde im „International Journal of Environmental Research and Public Health“ veröffentlicht.

    Wichtig auf Unternehmensebene sind nachvollziehbare Regeln, wie das Smartphone für berufliche Zwecke genutzt werden soll. Eine entscheidende Rolle spielen hier Führungskräfte, die Richtlinien und Erwartungen für die Erreichbarkeit nach Feierabend kommunizieren, aktiv mittragen – und selbst einhalten.

    Originalpublikation:
    Gombert, L., Konze, A.-K., Rivkin, W., & Schmidt, K.-H. (2018). Protect Your Sleep When Work is Calling: How Work-Related Smartphone Use During Non-Work Time and Sleep Quality Impact Next-Day Self-Control Processes at Work. International Journal of Environmental Research and Public Health, 15(8), 1757. doi: 10.3390/ijerph15081757, https://www.mdpi.com/1660-4601/15/8/1757

    Pressestelle des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung, TU Dortmund, 30.08.2018

  • Was Kiffern hilft, mit dem Kiffen aufzuhören

    Cannabiskonsum kann Probleme bereiten. Da hilft mitunter nur der Ausstieg oder zumindest eine deutliche Reduktion. In einer Studie aus Kanada haben David Hodgins und Jonathan Stea Cannabiskonsumierende dazu befragt, wie sie ihren einstmals problematischen Cannabiskonsum überwinden konnten. Auszusteigen war ein häufiger Rat, aber nicht immer.

    Hodgins und Stea haben 119 Personen persönlich interviewt und die Aussagen der Befragten nach Kategorien sortiert. 57 Prozent der Befragten waren seit mindestens zwölf Monaten konsumfrei, andere gaben an, dass sie das Kiffen durch Reduzierung weitestgehend in den Griff gekriegt haben. Etwas weniger als die Hälfte der Befragten hatte professionelle Beratung in Anspruch genommen, andere hatten ihren Konsum ohne fremde Hilfe beendet oder reduziert.

    Persönliche Konsumgründe und Motivation zur Verhaltensänderung

    Was hat den Befragten am meisten geholfen? Aus den Antworten konnten Hodgins und Stea zwölf unterschiedliche Begründungen herausarbeiten. Unabhängig davon, ob die Befragten aus dem Konsum ausgestiegen sind oder nur reduziert haben, sagten sie am häufigsten, dass ihnen das Nachdenken über ihre persönlichen Konsumgründe geholfen habe. Auch die Beschäftigung mit ihrer Motivation, eine Verhaltensänderung in die Tat umzusetzen, wurde als hilfreich erachtet.

    Personen, die sich ohne die Hilfe anderer mit ihrem Cannabiskonsum auseinandergesetzt haben, fanden es auch hilfreich, sich schonungslos vor Augen zu führen, welche Probleme der Cannabiskonsum ihnen tatsächlich bereitet. Die Bedeutung von professioneller Beratung oder auch die Nutzung von Selbsthilfe-Informationen wurde erwartungsgemäß stärker von den Personen hervorgehoben, die entsprechende Angebote in Anspruch genommen haben.

    Der Willenskraft wurde hingegen keine so große Bedeutung beigemessen. Lediglich zehn Prozent der Befragten sagten, dass ihr Wille entscheidend zum Ausstieg oder der erfolgreichen Reduktion beigetragen habe. Unter den Personen, die fremde Unterstützung genutzt haben, wiesen nur vier Prozent der Willenskraft eine wichtige Rolle im Ausstiegs- oder Reduktionsprozess zu.

    Externe Hilfe und Ausstieg am häufigsten empfohlen

    Interessanterweise gab es kaum Gruppenunterschiede bei der Frage, was sie anderen Menschen empfehlen würden, die von ihrem problematischen Cannabiskonsum loskommen wollen. Sowohl Personen, die professionelle Hilfe für den Ausstieg genutzt haben, als auch jene, die es aus eigener Kraft geschafft haben, empfehlen mehrheitlich, sich externe Hilfe zu holen. Dies kann professionelle Beratung, aber auch die Hilfe von Freunden oder Familienmitgliedern sein.

    Die Frage, ob sie anderen Personen eher den Ausstieg oder die Reduktion nahelegen würden, wurde je nach Gruppenzugehörigkeit unterschiedlich bewertet. Rund zwei von drei Personen, die professionelle Hilfe genutzt haben, empfehlen den Ausstieg. Von den Befragten, die ihren Cannabiskonsum ohne Hilfe bewältigt haben, empfehlen immerhin noch 38 Prozent den Ausstieg, 23 Prozent finden allerdings auch die Reduktion erstrebenswert. Viele der Befragten würden diese Frage jedoch nicht pauschal beantworten, sondern ihre Empfehlung von der adressierten Person abhängig machen.

    Hodgins und Stea schlussfolgern, dass es sinnvoll sein kann, Personen mit problematischem Cannabiskonsum unterschiedliche Beratungsangebote zu machen. Vielen ist vermutlich schon mit Selbsthilfe-Materialen geholfen, während ein Teil der Betroffenen besonders von persönlichen Gesprächen mit professionellen Beraterinnen und Beratern profitiert.

    Originalpublikation:
    Hodgins, D. C. & Stea, J. N. (2018). Insights from individuals successfully recovered from cannabis use disorder: natural versus treatment-assisted recoveries and abstinent versus moderation outcomes. Addict Sci Clin Pract, 13: 16. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6065061/

    Quelle: www-drugcom.de, 14.09.2018

    Weitere Informationen zum Umgang mit Cannabis und zum Entzug gibt es hier:
    AUFHÖREN ZU KIFFEN – INFOPORTAL | ONLINEKURS | COMMUNITY

  • Drogen- und Substanzmissbrauch in Unternehmen

    Richard Boorberg Verlag, Stuttgart 2018, 306 Seiten, € 42,00, ISBN 978-3-415-06207-8

    Viele Veröffentlichungen und Statistiken der letzten Jahre belegen, dass Industrie und Wirtschaft durch substanzbedingte Ausfallzeiten, Qualitätseinbußen, Regressforderungen und aufwendige Straf- und Zivilverfahren Milliardenverluste verbuchen mussten.

    Selten gibt es in Unternehmen und Firmen Routinekontrollen, um den Missbrauch von Medikamenten oder Drogen durch Mitarbeiter zu erkennen. Für Vorgesetzte stellt sich in diesen Fällen auch die Frage nach der richtigen und angemessenen Reaktion. Das Handbuch hilft Führungskräften, Personalsachbearbeitern und Fachkräften für Arbeitssicherheit, präventive Konzepte zu erstellen, um die Herausforderungen in Bezug auf den zunehmenden Substanzmissbrauch im Arbeitsbereich zu bewältigen. Das Handbuch gibt den Verantwortlichen wirksame Lösungsideen zum Wohl aller Beteiligten an die Hand.

  • Speed Check

    Amphetamine sind illegale Drogen und besonders wirksame Stimulanzien. Der Konsum ist grundsätzlich mit zahlreichen gravierenden gesundheitlichen Risiken verbunden. Häufiger Amphetaminkonsum kann zu einer starken psychischen Abhängigkeit und Schädigungen der Nervenzellen des Gehirns führen. Darüber hinaus steigt das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.

    Auf dem Internetportal http://www.drugcom.de bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit einem neuen Online-Selbsttest anonym und qualitätsgesichert die Möglichkeit, das persönliche Risikoprofil zu erstellen, wenn Menschen Amphetamine konsumieren. Der „Speed Check“-Test gibt Hinweise auf eine Substanzabhängigkeit und regt dazu an, den Konsum kritisch zu überdenken und zu verändern. Empfehlungen zum Konsumausstieg begleiten das neue Selbsttest-Angebot.

    Amphetamine gehören neben Cannabis zu den am häufigsten konsumierten illegalen Drogen in Deutschland. Die auch als „Speed“ oder „Pep“ bezeichneten Amphetamine werden nicht nur in der Party-Szene, sondern auch zur Leistungssteigerung in Beruf, Freizeit, Ausbildung oder Studium eingesetzt. In der Befragung „Epidemiologischer Suchtsurvey 2015“ zu Konsum und Missbrauch von psychoaktiven Substanzen in der deutschen Allgemeinbevölkerung gaben 1,1 Prozent der Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren an, in den letzten zwölf Monaten Amphetamine konsumiert zu haben. Aktuelle Daten der BZgA-Drogenaffinitätsstudie zeigen, dass insbesondere junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren Amphetamine nehmen: Zwei Prozent dieser Befragungsgruppe gaben an, Amphetamine konsumiert zu haben.

    Unter dem Motto „Check yourself!“ bietet die BZgA seit 2001 auf dem Internetportal http://www.drugcom.de aktuelle und wissenschaftlich fundierte Informationen sowie Selbsttests und Beratung zum Konsum von legalen und illegalen Substanzen. Der neue Online-Selbsttest „Speed Check“ berücksichtigt unterschiedliche Motive für den Amphetaminkonsum und die individuellen Lebensumstände der Konsumenten. Ziel des Tests ist es, dazu zu motivieren, den Konsum selbstkritisch zu hinterfragen und möglichst einzustellen.

    Zum Selbsttest „Speed Check“: https://www.drugcom.de/selbsttests/speed-check/

    Für die BZgA-Drogenaffinitätsstudie 2015 zum Suchtmittelkonsum junger Menschen in Deutschland wurden 7.004 Personen im Alter von zwölf bis 25 Jahren im Zeitraum von März bis Juni 2015 befragt. Die Studie ist abrufbar unter: http://www.bzga.de/forschung/studien-untersuchungen/studien/suchtpraevention/

    Pressestelle der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 13.09.2018

  • Wie Rauchen unsere Gene beeinflusst

    Rauchen ist schädlich, das ist bekannt. Doch erst nach und nach wird klar, was genau der blaue Dunst in unserem Körper bewirkt. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) haben nun neue molekulare Details über die Folgen des Zigarettenkonsums aufgedeckt: Das Gen für einen Rezeptor, der an Entzündungen und der Neubildung von Blutgefäßen beteiligt ist, wird bei Rauchern häufiger abgelesen als bei Nichtrauchern.

    Für die Untersuchung wertete DZHK-Wissenschaftlerin Tina Haase, Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Professorin Tanja Zeller, beide aus der Klinik und Poliklinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie des Universitären Herzzentrums Hamburg des UKE, die Daten von 1.292 Probanden einer großen populations-basierten Studie aus. Davon waren 593 Personen Nichtraucher, 477 ehemalige Raucher und 221 Raucher. Bei Rauchern war das Gen für den G-Protein-gekoppelten Rezeptor 15 (GPR15) wesentlich aktiver als bei Nichtrauchern. Die Genaktivität ging dabei stark mit der Anzahl der pro Jahr gerauchten Zigaretten einher: Je mehr jemand rauchte, desto stärker wurde das Gen für GPR15 abgelesen.

    Die gute Nachricht ist, dass sich dieser Prozess wieder umkehren lässt. Wer mit dem Rauchen aufgehört hatte, wies nach einiger Zeit auch wieder eine geringere Aktivität des GPR15-Gens auf. Bei Personen, die unvermindert weitergeraucht hatten, blieb die Aktivität des Gens jedoch unverändert hoch. Diese langfristigen Auswirkungen des Rauchens haben die Forscher anhand der Daten, welche zu Beginn der Studie und nach fünf Jahren erhoben wurden, untersucht. Bei den ausgewerteten Daten der Ex-Raucher zeigte sich außerdem, dass die Abnahme der GPR15-Aktivität mit den Jahren seit dem Zigarettenverzicht einherging und in den ersten Jahren am stärksten abfiel.

    GPR15 ist sowohl an der Neubildung von Blutgefäßen als auch an Entzündungsvorgängen beteiligt. Seine genaue Rolle bei diesen Vorgängen versteht man aber noch nicht. „Rauchen ist einer der Hauptrisikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zum Teil werden die Erkrankungen durch Entzündungsvorgänge verursacht. Die Regulation und Funktion von GPR15 im Herz-Kreislauf-System zu untersuchen, ist daher sehr interessant“, sagt Haase.

    Rauchen hinterlässt Spuren auf der Erbsubstanz

    Zu Beginn der Untersuchungen war bereits bekannt, dass eine chemische Veränderung an einer bestimmten Region im GPR15-Gen mit dem Rauchen verknüpft ist. Dabei handelt es sich um eine Methylierung, also das Anhängen einer kleinen Methylgruppe an bestimmte Bausteine der Erbsubstanz. Diese kleinen Veränderungen können beeinflussen, wie stark verpackt und damit wie aktiv bestimmte DNA-Abschnitte sind. Haase und ihre Kollegen interessierten sich für das gesamte GPR15-Gen und konnten drei neue Regionen identifizieren, die bei Nichtrauchern stärker methyliert sind als bei Rauchern. Wenn man mit dem Rauchen wieder aufhört, nimmt die Methylierung an diesen Regionen stetig zu, parallel zur sinkenden Aktivität des GPR15-Gens. „Es ist daher gut möglich, dass Rauchen die Methylierung des GPR15-Gens senkt, wodurch das Gen verstärkt abgelesen wird“, vermutet Haase.

    Rauchverhalten exakt beurteilen

    Gelegenheitsraucher, reiner Party-Raucher, Stress-Kettenraucher – wie viel jemand raucht, ist gar nicht so einfach zu messen. Momentan werden dafür Fragebögen eingesetzt. Haase sieht hier eine mögliche Anwendung ihrer Ergebnisse: Da GPR15 in Abhängigkeit der Menge der gerauchten Zigaretten reguliert wird, könnte die GPR15-Genaktivität als Biomarker eingesetzt werden, um das Rauchverhalten zukünftig genauer zu erfassen. G-Protein-gekoppelte Rezeptoren lassen sich außerdem prinzipiell sehr gut medikamentös beeinflussen. „Daher ist GPR15 ein spannendes Target, gerade für die Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aber das ist noch ferne Zukunftsmusik“, sagt die junge Wissenschaftlerin.

    Originalpublikation:
    Novel DNA Methylation Sites Influence GPR15 Expression in Relation to Smoking. Haase T, Müller C, Krause J, Röthemeier C, Stenzig J, Kunze S, Waldenberger M, Münzel T, Pfeiffer N, Wild PS, Michal M, Marini F, Karakas M, Lackner KJ, Blankenberg S, Zeller T. Biomolecules. 2018 Aug 20;8(3). pii: E74. DOI: 10.3390/biom8030074.

    Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), 24.09.2018