Autor: Simone Schwarzer

  • Verhaltenssüchte personzentriert verstehen und behandeln

    Ernst Reinhardt Verlag, München 2024, 159 Seiten, 29,90 €, ISBN 978-3-497-03273-0

    Wenn Alltags- und Freizeitbeschäftigungen wie Einkaufen, Videospielen oder Internetsurfen zur Sucht werden, kann das für die Betroffenen gravierende Folgen haben, bis hin zu Verschuldung, sozialer Isolation, Arbeitslosigkeit und Beschaffungskriminalität. In Beratung und Therapie ist daher nicht nur eine vorurteilsfreie Arbeit am Selbstkonzept der Betroffenen wichtig, sondern auch Unterstützung beim Alltags- und Geldmanagement.

    Das Buch beschreibt umfangreich die häufigsten Verhaltenssüchte: Glücksspielsucht, Videospielsucht (Gaming), suchtartiges Surfen und Streamen sowie Kauf- und Sexsucht. Nach dem Personzentrierten Ansatz werden störungsspezifische Themen und Strategien für Beratung und Behandlung abgeleitet. Zahlreiche Fallbeispiele und Beispieldialoge veranschaulichen die Umsetzung in der Praxis.

  • Erste AWMF-Leitlinie zu Internetnutzungsstörungen veröffentlicht

    Der Fachverband Medienabhängigkeit e. V. informiert über die Veröffentlichung der S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie von Internetnutzungsstörungen (Registernummer 076 – 011):

    „Mit großer Freude dürfen wir Ihnen und euch mitteilen, dass erstmals eine AWMF-Leitlinie zu unserem Thema erarbeitet und nun auch offiziell veröffentlicht wurde. Sie trägt den Titel ‚Diagnostik und Behandlung von Internetnutzungsstörungen‘.

    Der Fachverband Medienabhängigkeit e.V. ist stolz darauf, die Ausarbeitung und Veröffentlichung dieser Leitlinie von Beginn an mitgestaltet zu haben. Die Leitlinie wurde federführend von der DG-Sucht (Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V.) koordiniert, es haben einige weitere Fachgesellschaften an der Entwicklung mitgewirkt. Zahlreiche Expertinnen und Experten bzw. Mitglieder des Fachverband Medienabhängigkeit e.V. waren über die vergangenen drei Jahre ehrenamtlich in den einzelnen Arbeitsgruppen beteiligt, welche sich mit den folgenden Aspekten von Internetsucht befasst haben, die sich nun in der Leitlinie wiederfinden:

    • Behandlung von Internetsucht allgemein
    • Behandlung der Computerspielsucht
    • Behandlung der Online-Pornografiesucht
    • Behandlung der Online-Kaufsucht
    • Behandlung der suchtartigen Nutzung von Sozialen Netzwerkseiten
    • Standards zur Diagnostik von verschiedenen Internetsuchtformen
    • Frühintervention bei Internetsucht

    Die komplette Leitlinie steht als Download auf der Homepage der AWMF zur Verfügung. Darüber hinaus wird ein Artikel mit einem Überblick zu den oben genannten Teilaspekten in einem Sonderheft der Zeitschrift SUCHT ab März 2025 erscheinen.

    Aus der Sicht des Fachverband Medienabhängigkeit e.V. stellt die Leitlinie einen extrem wichtigen Meilenstein für das Themenspektrum Internetsucht dar und ist sowohl für die Praxis als auch für die Betroffenen der nächste Schritt zu einer umfassenderen Versorgung. Dennoch ist damit noch kein Endpunkt erreicht. Denn es handelt sich zum aktuellen Zeitpunkt um eine S1-Leitlinie, das bedeutet, sie wurde aus den grundlegenden ersten Erfahrungen und Erkenntnissen einer Expert:innengruppe zusammengestellt. Angestrebt wird die Erarbeitung einer S3-Leitlinie, hier werden wir dann auf bestätigte und gesicherte Studien und Diagnostikerfahrungen zurückgreifen können. Auch das Thema der Primärprävention findet sich derzeit nicht als eigenständiges Kapitel in der Leitlinie. Hier gilt es in der Zukunft also, weiterhin am Ball zu bleiben und Arbeit zu investieren. Der Fachverband Medienabhängigkeit e.V. wird sich mit unverändertem Enthusiasmus weiterhin engagieren.“

    Information des Fachverbands Medienabhängigkeit e. V., 27.2.2025

  • Hirnströme zeigen Wirkung von Videos zur Alkoholprävention

    Studentin mit kabelloser EEG-Haube probiert klassisches EEG-Experiment (Oddball) aus. ©Karl-Philipp M. Flösch

    Um die Effektivität öffentlicher Videokampagnen gegen riskanten Alkoholkonsum zu bewerten, untersuchten Psycholog:innen des Konstanzer Exzellenzclusters „Kollektives Verhalten“ die Synchronisierung der Hirnaktivitäten von Zuschauergruppen mittels EEG-Messungen. In einer aktuellen Studie zeigen sie neue Wege auf, die Methode aus dem Labor in die reale Anwendung im öffentlichen Gesundheitsbereich zu bringen.

    Breit gestreute Gesundheitskampagnen, beispielsweise gegen Drogenmissbrauch oder zum Infektionsschutz während der Corona-Pandemie, sind ein wichtiges Instrument der Öffentlichen Gesundheitspflege (Public Health) und damit zum Schutz der Bevölkerung. Erst im Oktober 2024 startete beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter dem Motto „Neudefinition von Alkohol“ eine europaweite Kampagne zur Aufklärung der europäischen Bürger:innen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Alkoholkonsum. Laut WHO ist Alkohol aktuell für ein Elftel aller Todesfälle in der Europäischen Region direkt verantwortlich.

    Doch nicht alle Gesundheitskampagnen zeigen die gewünschte Wirkung. Es wäre daher erstrebenswert, schon bei der Kampagnenentwicklung ein objektives Maß für die Effizienz gesundheitsrelevanter Botschaften zu haben. Psycholog:innen des Konstanzer Exzellenzclusters „Kollektives Verhalten“ um Harald Schupp und Britta Renner messen hierfür in ihren Studien die Hirnaktivität von Zuschauer:innen, denen reale Präventionsvideos gegen riskanten Alkoholkonsum vorgespielt werden.

    Bereits in der Vergangenheit konnten sie in Laborexperimenten mittels aufwändiger bildgebender Verfahren – wie funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) oder Elektroenzephalografie (EEG) – zeigen: Bei besonders wirksamen Botschaften kommt es zu einer starken Synchronisation der Hirnaktivität der Zuschauer*innen. Die Aktivität verändert sich also beim Schauen des Videos bei allen Proband:innen auf ähnliche Weise, insbesondere in den Hirnregionen, die mit Prozessen höherer Ordnung wie Aufmerksamkeit, Emotionen und persönlicher Relevanz verbunden sind.

    Vom Labor in die reale Anwendung

    In einer aktuellen Studie nutzten die Konstanzer Forschenden nun erstmals einfachere, tragbare EEGs, welche die Messungen kabellos übertragen. Sie beobachteten die Hirnströme der Zuschauer:innen damit in einem normalen Seminarraum – also außerhalb eines aufwändig abgeschirmten Labors – und bei einer ganzen Gruppe von Zuschauer:innen gleichzeitig. Sie konnten zeigen, dass die Synchronisierung der Hirnströme bei besonders effektiven Videobotschaften gegen riskanten Alkoholkonsum auch unter diesen „Realbedingungen“ und mit dem vereinfachten, kostengünstigeren technischen Aufwand messbar ist.

    „Das ist ein wichtiger Schritt, um die Methode näher an die praktische Anwendung im öffentlichen Gesundheitsbereich zu bringen. EEG-Studien in kleinen ‚neuronalen‘ Fokusgruppen könnten in Zukunft außerhalb von Universitätslaboren bei der evidenzbasierten Entwicklung und Auswahl von Kampagnenmaterial helfen, um eine bessere Wirkung von Gesundheitskampagnen zu gewährleisten“, sagt Schupp.

    Pressestelle der Universität Konstanz, 6.2.2025

  • Warnmeldung: Verbreitung hochpotenter synthetischer Opioide

    Das News-Projekt informiert über eine Warnmeldung der Bayerischen Akademie zu Sucht- und Gesundheitsfragen BAS zu Todes- und Intoxikationsfällen mit wahrscheinlicher Beteiligung von synthetischen Opioiden in Bayern. Zu der unten abgebildeten Warnmeldung merkt das News-Projekt an:

    Bitte beachten Sie, dass bisher nur ein Teil dieser Fälle toxikologisch bestätigt ist (im Dokument fett gedruckt). Wir haben uns dennoch und trotz der bisherigen Beschränkung der Meldungen auf Bayern für die Weiterleitung entschieden, da unwahrscheinlich ist, dass nur bayerische Konsumierende die Substanzen über Online-Shops beziehen.

    Wir möchten noch einmal unterstreichen, dass bei einer Intoxikation mit hochpotenten synthetischen Opioiden häufig mehrere Gaben von Naloxon notwendig sind, um die Überdosierung aufzuheben.

    Basierend auf den bereits aus Bremen gemeldeten Fällen von mit Nitazenen versetztem Heroin scheint außerdem für Drogenkonsumräume angeraten, Konsumierende darum zu bitten, nach Konsum mind. 15 Minuten auf dem Gelände zu bleiben. In Bremen setzten die bis zur Atemdepression gehenden Symptome teils mit dieser Verzögerung ein. Der Wirkmechanismus ist zurzeit unbekannt.

    Sollten Ihnen Intoxikations- oder Todesfälle im Zusammenhang mit synthetischen Opioiden bekannt werden, bitten wir Sie um eine kurze Meldung an: news-projekt@ift.de

    Mitteilung des News-Projekts, 25.2.2025

  • Einweg-E-Zigaretten

    Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) fordert ein schnellstmögliches Verbot von Einweg-E-Zigaretten! „Die neue Bundesregierung darf keine Zeit verlieren und sollte nach der Wahl sofort handeln, um eine neue Generation von Nikotinabhängigen zu verhindern“, erklärt Professor Wolfram Windisch, Präsident der DGP und Chefarzt der Lungenklinik an den Kliniken der Stadt Köln. „Einweg-E-Zigaretten stellen eine ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar, insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene.“

    Deutschland dürfe in diesem Punkt anderen Ländern nicht weiter hinterherhinken. In der vergangenen Woche hat der französische Senat das Verbot von Einweg-E-Zigaretten verabschiedet, schon zuvor ist Belgien diesen Schritt gegangen.

    Im Kindes- und Jugendalter ist die Nutzung der E-Zigaretten in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen. „Mittlerweile ist die E-Zigarette bei Kindern und Jugendlichen das am häufigsten konsumierte nikotinhaltige Produkt, noch vor der Tabakzigarette und der Wasserpfeife“, sagt Professor Reiner Hanewinkel, Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel, kurz IFT-Nord. Das Institut hat ermittelt: 2024 hatte jedes achte Kind im Alter von 9 bis 13 Jahren schon einmal E-Zigaretten probiert, insgesamt 12,8 Prozent. Unter den 14- bis 17-Jährigen waren es mehr als jeder Dritte – genauer gesagt 37,5 Prozent. Die Zahl der erwachsenen Nutzenden von E-Zigaretten in Deutschland lag zuletzt geschätzt bei mehr als zwei Millionen. „Die Vielzahl der auf dem Markt angebotenen Aromastoffe für E-Zigaretten spricht natürlich besonders Jugendliche an und trägt dazu bei, dass das Suchtpotenzial bei dieser Zielgruppe deutlich erhöht wird“, so Hanewinkel.

    Nikotinprävention: „Deutschland darf nicht das Schlusslicht Europas sein“

    „Die Gesundheit unserer Bevölkerung, insbesondere der jungen Generation, muss oberste Priorität haben. Ein Verbot von Einweg-E-Zigaretten ist ein notwendiger Schritt, um die öffentliche Gesundheit zu schützen und die Nikotinabhängigkeit einzudämmen“, erklärt Lungenarzt Wolfram Windisch. Derzeit sieht eine EU-Batterie-Verordnung vor, dass Einweg-E-Zigaretten bis Ende 2026 in der gesamten Europäischen Union vom Markt genommen werden müssen. „Doch die Gesundheit orientiert sich nicht an den Fristen einer politischen Verordnung. Es muss jetzt gehandelt werden – Deutschland darf beim Thema Nikotin- und Tabakprävention nicht länger das Schlusslicht Europas sein“, sagt Windisch.

    Von Abhängigkeit bis Krebserkrankung: Risiken für Anwender von Einweg-E-Zigaretten

    Einmal mehr weist die DGP auf eine Reihe von gesundheitlichen Risiken hin, die durch das Dampfen von Einweg-E-Zigaretten auftreten können:

    • Nikotinabhängigkeit: Das in den meisten E-Zigaretten enthaltene Nikotin kann eine rasche Nikotinabhängigkeit entstehen lassen, ähnlich dem Rauchen von Tabakzigaretten.
    • Nikotin kann die Hirnentwicklung negativ beeinflussen, was umso schlimmer ist, umso jünger die E-Zigaretten-Konsumierenden sind.
    • Schaden durch Aromen: Aromastoffe erleichtern den Inhalationsvorgang, suggerieren eine Harmlosigkeit, fördern damit die Nikotinabhängigkeit und sind ihrerseits gesundheitsschädlich.
    • Erhöhtes Krebsrisiko: Beim Erhitzen der Liquids entstehen krebserregende Stoffe wie Formaldehyd, Acetaldehyd und Acrolein.
    • Atemwegserkrankungen: Das Aerosol von E-Zigaretten kann Atemwegserkrankungen auslösen.
    • Herz-Kreislauf-Schäden: Die Inhalation kann das Herz-Kreislauf-System schädigen.
    • Einstieg in den Tabakkonsum: Studien zeigen, dass junge E-Zigaretten-Konsumenten ein bis zu dreimal höheres Risiko haben, später auf Tabakzigaretten umzusteigen.
    • Schädigung durch Schwermetalle: Im Aerosol wurden Metalle wie Nickel, Chrom und Blei nachgewiesen.

    DGP-Präsident Windisch unterstreicht: „Auch wer grundsätzlich vom Rauchen loskommen will, sollte nicht erst noch auf eine fruchtig schmeckende E-Zigarette umsteigen. Die Gefahr, weiterhin nikotinabhängig zu bleiben oder schlussendlich sogar Tabak- sowie E-Zigaretten zu nutzen, ist einfach zu groß. Dieser sogenannte ‚Dual Use‘ ist noch schädlicher als Rauchen oder Dampfen allein. Vielmehr gibt es mittlerweile genügend evidenzbasierte Therapien ohne toxisches Inhalieren, damit der Rauchstopp gelingt.“

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP), 18.2.2025

  • Lachgas ist keine harmlose Partydroge

    Die Kartuschen mit Lachgas sind legal erhältlich. Foto: Tina Götting/MHH

    Es ist legal zu bekommen, verschafft einen kurzen Rausch und ist nicht nachweisbar: Das alles macht Lachgas für viele Jugendliche zu einer „attraktiven“ Droge. Doch harmlos ist Lachgas nicht. Fachleute warnen schon lange vor möglichen gesundheitlichen Folgen des Konsums. „Wer die Droge häufig und über einen längeren Zeitraum zu sich nimmt, riskiert Nervenschäden und eine psychische Abhängigkeit“, warnt Professor Dr. Alexander Glahn von der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). „Lachgas ist eine ernstzunehmende Droge. „Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sollte die Verfügbarkeit daher gesetzlich besser geregelt werden“, fordert der Psychiater.

    Im Supermarkt erhältlich

    Lachgas ist ein farbloses Gas aus der Gruppe der Stickoxide. Die chemische Bezeichnung lautet Distickstoffmonoxid (N2O). In der Medizin wird es als Narkosemittel beim Zahnarzt oder in der Geburtshilfe eingesetzt. Im Alltag dient es als Treibgas in Spraydosen sowie in Kartuschen für Sprühsahne – und ist damit problemlos in vielen Supermärkten und Kiosken zu bekommen. Seit einigen Jahren ist Lachgas auch als Partydroge auf dem Vormarsch. Um sich zu berauschen, füllen Konsumierende das Gas aus den Kartuschen in Luftballons um und atmen es daraus ein.

    Risiko für Unfälle und Verletzungen

    Die Wirkung tritt sofort ein. „Die Nutzerinnen und Nutzer berichten von angstlösenden und entspannenden Effekten, teilweise auch von einem geistigen Wegdriften“, erklärt Professor Glahn. Weil der von Lachgas verursachte Rausch normalerweise nur wenige Minuten anhält, konsumieren viele die Droge gleich mehrfach hintereinander. Direkte negative Effekte des Konsums können Schwindelgefühle, Kopfschmerzen und Ohnmacht sein. Außerdem kann es zu Koordinationsstörungen kommen, die das Risiko für Stürze und Unfälle erhöhen. Weil das Gas mit minus 55 Grad Celsius extrem kalt ist, riskieren Konsumierende darüber hinaus Verletzungen: Wenn Lachgas direkt mit Haut oder Schleimhaut in Berührung kommt, muss mit Erfrierungen an Mund, Lippen, Rachen oder Stimmbändern gerechnet werden.

    Soziale Medien animieren zu Konsum

    Da Lachgas legal und einfach erhältlich, der Rausch kurz und der Konsum nicht nachzuweisen ist, glauben viele, die Droge sei harmlos. Zudem wird das Gas auch auf sozialen Medien als witzige und coole Partydroge gefeiert. „Das alles sorgt dafür, dass besonders Jugendliche zu Lachgas greifen“, sagt Professor Glahn. Meistens werde es in Kombination mit anderen Rauschmitteln wie Alkohol oder Cannabis konsumiert, was die Wirkung verstärken und unberechenbarer machen könne. Laut der Frankfurter Studie Monitoring-System Drogentrends (MoSyD) 2023 haben 14 Prozent der 15- bis 18-jährigen Befragten Lachgas mindestens einmal ausprobiert.

    Taubheitsgefühle und Muskelschwäche

    Wer häufig und über einen längeren Zeitraum Lachgas konsumiert, läuft Gefahr, seine Nerven gravierend zu schädigen. Das Gas sorgt dafür, dass Vitamin B 12 im Körper nicht abgebaut werden kann. Eine mögliche Auswirkung davon ist Blutarmut. Eine andere Folge kann eine Schädigung der Schutzschicht der Nerven sein. „Dann werden die Nervenimpulse nicht mehr effizient weitergeleitet“, erläutert Professor Glahn. „Die Betroffenen leiden unter Missempfindungen wie Kribbeln in Händen und Füßen oder Taubheitsgefühlen und Muskelschwäche in den Beinen. Einige haben auch Gangstörungen.“ Außerdem können geistige und psychische Probleme auftauchen.

    Häufiger Konsum steigert Gefahrenpotenzial

    Die Symptome können zwar behandelt werden, der Erfolg ist aber unterschiedlich. „Bei den meisten lassen die Beschwerden nach. In einigen Fällen kann das aber mehrere Monate dauern“, sagt Professor Glahn. Grundsätzlich steige die Gefahr für gesundheitliche Schäden mit der Häufigkeit des Lachgaskonsums. Das schließe aber nicht aus, dass es auch bei gelegentlichem Konsum zu Nervenschäden kommen könne. Das Risiko, von Lachgas abhängig zu werden, ist psychisch größer als körperlich. In der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie behandelt Professor Glahn die Betroffenen mit einer Verhaltenstherapie.

    Gesetzlicher Schutz und Aufklärung

    Die Verfügbarkeit von Lachgas müsse gesetzlich besser geregelt werden, betont Professor Glahn. Neben dem Gesetzgeber sieht er auch die Schulen in der Pflicht. „Die Gesundheit allgemein und die Aufklärung über die Gefahren von Drogen gehören unbedingt auf den Lehrplan.“

    Pressestelle der Medizinischen Hochschule Hannover, 29.1.2025

  • Der große Rausch

    Siedler Verlag, München 2023, 304 Seiten, 26,00 €, ISBN 978-3-8275-0172-1

    Wer Anfang des 19. Jahrhunderts in der westlichen Welt Drogen kaufen wollte, ging in die Apotheke. Wer Anfang des 21. Jahrhunderts in der westlichen Welt Drogen kaufen wollte, musste zu seinem Dealer. Aus Medikamenten wurden Rauschmittel, aus Rauschmitteln Rauschgift und aus Rauschgift illegale Drogen. Wie es dazu kam, erklärt uns Helena Barop in dieser fantastisch geschriebenen Geschichte der Drogenpolitik.

    Die Historikerin zeigt, wie vor allem die US-amerikanische Drogenpolitik ihren Weg nach Deutschland und in den Rest der Welt fand und Drogen vielerorts zu einem gesellschaftlichen Problem erklärte. Fesselnd schildert Barop, wie die Angst vor Drogen sich zuverlässig in politisches Kapital umwandeln ließ und lässt. Dabei räumt sie mit Vorurteilen und Halbwahrheiten auf und verdeutlicht an zahlreichen Beispielen: Die Geschichte der Drogenpolitik ist eine Geschichte der schillernden Ambivalenzen – und es ist an der Zeit, sie neu zu sortieren.

  • Analoge Eltern – digitale Kinder

    Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main 2024, 218 Seiten, 24,00 €, ISBN 9783863216633

    In den letzten 30 Jahren hat sich die digitale Welt in rasantem Tempo entwickelt. Die Wirkung auf uns, insbesondere aber auch auf die Entwicklung unserer Kinder und damit auf unsere Familien, ist gewaltig. Medienkompetenz müssen nicht nur Kinder und Jugendliche erwerben. Google, YouTube, Instagram, TikTok etc. und auch KI sind in die Kinderzimmer eingezogen und gewinnen in vielen Familien in bisher unbekanntem Maß an Einfluss.

    Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Dr. Schmid König beschreibt entlang der kindlichen und jugendlichen Entwicklung aus psychoanalytischem Blickwinkel die Risiken der Digitalisierung. Sie macht anhand vieler Beispiele aus ihrer Praxis den weitgehend analog sozialisierten Eltern Mut, sich den Herausforderungen zu stellen und ihre Kinder mit diesen immensen digitalen Einflüssen nicht allein zu lassen.

  • Abbau von Stigmatisierung fördert Gesundheit

    Der Expert:innenrat „Gesundheit und Resilienz“ der Bundesregierung hat die Stellungnahme „Prävention und Gesundheitsförderung durch Entstigmatisierung“ veröffentlicht. Darin wird klar und prägnant auf den Punkt gebracht, was auch auf Abhängigkeitserkrankungen zutrifft: Stigmatisierung erhöht die Belastung und verhindert, dass Hilfe in Anspruch genommen wird. In der Einleitung heißt es:

    „Stigmatisierung ist eine eigenständige und relevante Ursache für individuelle und soziale gesundheitliche Folgen, erhöht die Krankheitslast, verhindert oder verzögert frühzeitige diagnostische und therapeutische Unterstützung und trägt damit auch zur erhöhten Belastung des Versorgungssystems bei. Stigmatisierung zu bekämpfen, ist damit eine notwendige, aber bisher vernachlässigte Form der Prävention und Gesundheitsförderung.“

    Die Verfasser:innen stellen anschaulich dar, wie Stigmatisierung entsteht und wirkt und wie ihr entgegengesteuert werden kann. Dabei beziehen sie sich auch auf bereits erfolgte Initiativen und Veröffentlichungen zur Entstigmatisierung vor allem von Abhängigkeitserkrankungen. Ihre Empfehlung ist eine gezielte Anti-Stigma-Kommunikation, die eher auf Kontakt und konkrete positive Rollenmodelle setzt als auf Edukation. Am Ende werden für die vier Bereiche

    • Bildungseinrichtungen/Freizeit- und Arbeitskontexte,
    • politische Rahmenbedingungen/Chancengleichheit,
    • „Social Change“ und
    • Datenlage

    konkrete Maßnahmen vorgeschlagen. Insgesamt ist die Stellungnahme ein fundiertes Plädoyer dafür, Entstigmatisierung als wesentlichen Faktor für Gesundheit und Prävention zu verstehen, der der gesamten Gesellschaft zugutekommt. Das Papier gibt allen Menschen mit psychischen sowie substanz- und verhaltensbezogenen Störungen und den Menschen, die sich für sie einsetzen, gute, klare und überzeugende Argumente an die Hand, um sich im alltäglichen Diskurs gegen Stigmatisierung zu stellen.

    Der Expert:innenrat „Gesundheit und Resilienz“ kommt regelmäßig zu Plenarsitzungen zusammen. Die Arbeit zu den Schwerpunktthemen Public Health, Prävention, Innovation und Teilhabe, Health Security sowie Klimawandel findet arbeitsteilig in Arbeitsgruppen statt. Das Plenum verabschiedet die Stellungnahmen.

    Die Stellungnahme zum Download und weitere Informationen zum Expert:innenrat finden Sie unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/bundeskanzleramt/expertinnenrat-gesundheit-und-resilienz

    Redaktion KONTUREN online, 12.2.2025