Das Jahrbuch Sucht 2018 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) ist erschienen. Es liefert die neuesten Zahlen, Fakten und Trends zum Konsum legaler und illegaler Drogen sowie zu abhängigem Verhalten. Eine Zusammenfassung der aktuellen Daten und Fakten finden Sie hier. Anlässlich des Erscheinens des diesjährigen Jahrbuches macht die DHS besonders auf die Folgen des ‚Passivtrinkens’ aufmerksam.
Passivtrinken – eine folgenschwere Gefahr für Unbeteiligte
Der Konsum keines anderen Suchtmittels ist gesellschaftlich derart akzeptiert wie der des Alkohols. Dessen Risiken werden häufig verdrängt – auch die für das persönliche Umfeld. Dazu muss nicht zwingend eine Abhängigkeit vorliegen, bereits der akute Konsum kann Dritte schädigen. Betroffene sind in erster Linie Angehörige und Partner, Kinder und Jugendliche sowie Ungeborene. Hinzu kommen Kollegen und Mitarbeitende, Beifahrer alkoholisierter Fahrer, Unfallopfer und ihre Angehörigen sowie Steuer- und Beitragszahler. Sie alle sind von folgenschweren Konsequenzen des Konsums betroffen, auch wenn sie nicht unbedingt selbst Alkohol trinken. Dies alles fällt unter den Begriff des ‚Passivtrinkens‘.
Angehörige und Kinder leiden am meisten unter Passivtrinken
Dramatisch ist das Passivtrinken für Ungeborene und Kinder. Nach einer aktuellen europaweiten Studie trinken mehr als ein Viertel der Frauen in Deutschland in der Schwangerschaft Alkohol. Pro Jahr sind in Deutschland 10.000 Kinder schon bei ihrer Geburt alkoholgeschädigt – geistig und körperlich („Fetale Alkohol-Spektrum Störung“ FASD). Diese Schädigungen sind nicht reversibel, viele der Betroffenen brauchen lebenslange Betreuung. Insgesamt gehen Experten von rund 1,5 Millionen Menschen mit einer FASD in Deutschland aus. Wichtig: Es gibt für Schwangere keine unbedenkliche Menge Alkohol!
Kinder, die mit alkoholkranken Eltern leben, können dieser Situation kaum ausweichen. Rund 2,65 Millionen Kinder wachsen in einer Suchtfamilie auf. Sie erleiden eine schwerwiegende Beeinträchtigung und Gefährdung ihrer persönlichen Entwicklung. Überdurchschnittlich oft kommt es in diesen Familien zu sexuellen Übergriffen, Missbrauch und körperlicher Gewalt. Es herrscht eine Atmosphäre der Angst und Unberechenbarkeit, die einen nachhaltigen Einfluss auf die seelische Entwicklung der Kinder nimmt. Forschungsergebnisse belegen, dass Kinder, die diesen und weiteren familiären Belastungsfaktoren ausgesetzt sind, ein erhöhtes Risiko aufweisen, selbst suchtkrank zu werden oder andere psychische Störungen zu entwickeln.
Angehörige können unter den Auswirkungen des akuten und abhängigen Konsums leiden. Etwa acht Millionen Angehörige alkoholkranker Menschen in Deutschland erfahren zahlreiche Belastungen, sorgen sich um die Gesundheit des alkoholabhängigen Angehörigen, fühlen sich hilflos und ohnmächtig, einsam, alleinverantwortlich und oftmals nicht ernst genommen. In Extremfällen erfahren sie gar regelmäßig körperliche und sexuelle Gewalt. Hinzu kommen Zukunftsängste, finanzielle Belastungen, Trauer und Verlust, Scham und Schuldgefühle (Hilfe für Angehörige: http://www.suchthilfeverzeichnis.de/).
Passivtrinken im Straßenverkehr
Bei Alkoholunfällen kommen insbesondere Menschen zu Schaden, die selbst nichts getrunken haben: Mitfahrer, Unfallbeteiligte oder andere Verkehrsteilnehmer. Auch Angehörige oder Unfallzeugen, die Schockierendes miterleben, sind Opfer des Alkoholkonsums anderer. Stirbt ein Mensch bei einem Verkehrsunfall, sind laut Deutschem Verkehrssicherheitsrat im Durchschnitt 113 andere Menschen unmittelbar betroffen. Darunter sind elf Angehörige, vier enge Freunde, 56 Bekannte – und 42 Einsatzkräfte von Sanitätsdiensten, Feuerwehren oder Polizei. Bei 225 Personen, die 2016 bei Alkoholunfällen ums Leben gekommen sind, wären das allein über 24.400 Betroffene. Etwa jeder 14. Verkehrstote stirbt, weil ein Verkehrsteilnehmer zu viel Alkohol getrunken hat.
Im Jahr 2016 wurden zudem 16.770 Menschen bei einem Alkoholunfall verletzt. Auch die Zahl der Schwerverletzten liegt bei Alkoholunfällen deutlich höher als bei Verkehrsunfällen ohne Alkoholeinfluss: Während bei allen Unfällen mit Personenschaden 219 Schwerverletzte auf 1.000 Unfälle kamen, waren es bei Alkoholunfällen 337 Schwerverletzte. Auch wenn sie überleben, haben viele der Verletzten ihr Leben lang mit den Folgen zu kämpfen: Sie sind Pflegefälle, haben ihren Arbeitsplatz und ihre Lebensqualität verloren.
Insbesondere Männer neigen dazu, alkoholisiert zu fahren: Laut Statistischem Bundesamt werden am alljährlichen ‚Vatertag‘ zwei- bis dreimal so viele Alkoholunfälle registriert wie an anderen Tagen. 2015 gab es an diesem Tag 254 Alkoholunfälle, das sind 160 mehr als an einem durchschnittlichen Tag. Nur an Neujahr 2015 war die Bilanz noch schlechter.
Verluste für Betriebe und Volkswirtschaft
Auch im Arbeitsleben kann Passivtrinken durch trinkende Kollegen erhebliche Auswirkungen nach sich ziehen: Produktivitätsausfälle, die Kollegen im Betrieb auffangen müssen, Arbeitsunfälle, die nicht trinkenden Mitarbeitenden Schaden zufügen, Qualitätsverluste der eigenen Arbeit, die durch fehlerhafte Leistungen von Alkoholkonsumenten verursacht werden. Es ist davon auszugehen, dass fünf Prozent der Arbeitnehmer – von der Geschäftsführung bis zur Aushilfskraft – problematisch Alkohol konsumieren, weitere fünf Prozent sind abhängig. Bei der nächsten Aktionswoche Alkohol vom 18. bis 26. Mai 2019 wird das Thema „Kein Alkohol am Arbeitsplatz!“ im Mittelpunkt stehen (weitere Informationen unter www.aktionswoche-alkohol.de sowie www.sucht-am-arbeitsplatz.de).
Schließlich sind alle Steuerzahler und Beitragszahler in Renten- und Krankenversicherungen Geschädigte des Passivtrinkens: Eine aktuelle Untersuchung beziffert die direkten und indirekten Kosten des Alkoholkonsums in Deutschland auf rund 40 Milliarden Euro. Dem stehen Einnahmen des Staates aus alkoholbezogenen Steuern von nur 3,165 Milliarden Euro gegenüber.
Bereits 2007 hat die EU-Kommission im Zusammenhang mit Alkohol Schwerpunktbereiche ermittelt, die in allen Mitgliedsstaaten relevant sind und für die ein gemeinschaftliches Vorgehen gefordert wird:
Schutz von Jugendlichen, Kindern und des Kindes im Mutterleib,
Senkung der Zahl von Verletzungen durch alkoholbedingte Straßenverkehrsunfälle,
Vorbeugung alkoholbedingter Schädigung bei Erwachsenen und Verringerung der negativen Auswirkungen am Arbeitsplatz.
An der Aktualität dieser Schwerpunkte hat sich auch nach über zehn Jahren nichts geändert: „Deutschland ist ein Alkohol-Höchstkonsumland“, sagt Christina Rummel, stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. „Es muss bewusst werden, dass Passivtrinken ähnlich gravierende Folgen für Unbeteiligte hat wie das Passivrauchen.“
Forderungen der DHS
Die DHS fordert effektive Präventionsmaßnahmen, u.a. Preiserhöhungen, Angebotsreduzierung, Werbeeinschränkungen sowie die Ausdehnung des Jugendschutzes: kein Alkoholverkauf an Minderjährige! Diese Maßnahmen sind dringend erforderlich, wenn Millionen Einzelne und die Gesellschaft vor den massiven Beeinträchtigungen durch Passivtrinken geschützt werden sollen. Keine dieser wirksamen Maßnahmen stand auf den Agenden der vergangenen Bundesregierungen. Höchste Zeit für einen Wandel!
(Quelle: DHS Jahrbuch Sucht 2018, S. 198 ff.)
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hg.): DHS Jahrbuch Sucht 2018
Pabst Science Publishers, Lengerich 2018, 276 Seiten, € 20,00, ISBN 978-3-95853-380-6, auch als E-Book erhältlich
Die Filme beschäftigen sich mit der Handynutzung von Jugendlichen. Viele der Teilnehmer/innen haben beim ‚Handyfasten‘ mitgemacht und freiwillig versucht, eine Woche auf ihr Handy zu verzichten. Diese Zeit porträtieren die Jugendlichen in Videoblogs, die durch persönliche Interviews ergänzt werden. Die Teilnehmer/innen sprechen über die Apps, die sie nutzen, und die Rolle des Handys in ihrem Leben. Sie beschreiben ihren Tagesablauf und in welchen Momenten sie das Handy nutzen. In vielen Punkten, vor allem bei der Nutzungsdauer, gibt es Konflikte mit Erwachsenen, die das Verhalten ihrer Kinder kritisieren. Für viele Jugendliche ist es Stress, nicht erreichbar zu sein, für andere ist es Erholung, die aber beim Beantworten der angestauten Nachrichten schnell wieder verfliegt. Die Protagonist/innen erzählen von dem Drang, alles zu fotografieren und es dann zu ‚teilen‘, bis hin zur Frage, ob etwas wirklich passiert ist, wenn es nur in der Erinnerung existiert. Sie sprechen über die Regeln zur Handynutzung an ihren Schulen und die Nutzung im Schulalltag. Die Interviews und der Handyverzicht lassen die Teilnehmer/innen ihren eigenen Konsum reflektieren. Das Experiment rüttelt am Stellenwert des geliebten Smartphones. Alle stellen sich schließlich die Frage: Kann man süchtig sein nach dem Handy?
Die Filme geben authentische Einblicke in die Handynutzung junger Menschen. Sie bieten eine gute Gesprächsgrundlage für Kinder und Jugendliche, die dazu angeregt werden, ihren Handykonsum kritisch zu reflektieren und – vielleicht – das Handy mal zur Seite zu legen.
Am 19.03.2018 findet die Premiere der Filmreihe „Bin ich süchtig?“ im CinemaxX Wuppertal (Bundesallee 250) statt. Der Eintritt ist frei!
Die Filme:
Ich mach alles damit
Ich hab‘ kein Handy mehr
Mein Handy und ich
Der Akku ist schnell leer
Mir fehlt etwas
7 Tage offline
„Handyverbot oder kein Taschengeld!“
Mittel zum Zweck
Interview mit Thomas Feibel, Journalist, Autor und Leiter des Büros für Kindermedien in Berlin
Interview mit Dr. Kai-Uwe Hugger, Professor für Medienpädagogik und Mediendidaktik
Freigegeben ab 0 Jahren
DVD Kauf € 32,00, Ausleihe € 12,00, Preis V & Ö € 60,00 Mehr Informationen
Pressestelle des Medienprojekts Wuppertal, 13.03.2018
Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2017, 152 Seiten, € 29,00, ISBN 978-3-17-023361-4, auch als E-Book erhältlich
Während das Internet in mancherlei Hinsicht eine Bereicherung darstellt, ist es für viele Menschen zu einer Falle geworden. Der Begriff Internetsucht beschreibt eine unkontrollierte, zeitlich ausufernde Beschäftigung mit Internet-Inhalten, die für den Nutzer zu einer nachhaltigen Einschränkung der Lebensführung wurde. Trotz der mit der exzessiven Nutzung verbundenen Probleme und des Bewusstseins, dass das Verhalten längst seinen Reiz verloren hat, wird es fortgeführt und erzeugt Leidensdruck. Wie macht das Internet süchtig? Muss ein Betroffener nach erfolgter Therapie auf alle digitalen Vorteile verzichten? Sind alle Nutzergruppen gleichermaßen gefährdet? Diese und weitere Fragen werden in diesem Buch geklärt.
WhatsApp, Instagram oder Snapchat können süchtig machen. Nach einer neuen DAK-Studie erfüllen 2,6 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland die Kriterien für eine Abhängigkeit nach der so genannten „Social Media Disorder Scale“. Das Suchtrisiko wurde jetzt erstmals in einer repräsentativen Untersuchung der Krankenkasse DAK-Gesundheit und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) analysiert. Laut Studie verbringen Jungen und Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren durchschnittlich rund zweieinhalb Stunden täglich mit sozialen Medien. Durch die intensive Nutzung entstehen gesundheitliche Probleme. Es gibt sogar einen Zusammenhang zwischen Social-Media-Sucht und Depressionen. Die sozialen Probleme sind vielfältig: zu wenig Schlaf, Realitätsflucht und Streit mit den Eltern.
100.000 Kinder und Jugendliche abhängig von Social Media
Für die DAK-Studie „WhatsApp, Instagram und Co. – so süchtig macht Social Media“ hat das Forsa-Institut 1.001 Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren befragt. Erstmals wurde mit dieser Analyse die Häufigkeit einer Social-Media-Abhängigkeit in einer für Deutschland repräsentativen Stichprobe untersucht. Grundlage sind wissenschaftliche Kriterien aus den Niederlanden (Social Media Disorder Scale). Werden mindestens fünf von neun Standardfragen mit Ja beantwortet, liegt laut Fragebogen eine Social-Media-Abhängigkeit vor. Kernergebnis der DAK-Studie: 2,6 Prozent der Befragten sind bereits süchtig nach Social Media – Mädchen mit 3,4 Prozent etwas häufiger als Jungen (1,9 Prozent). Auf alle 12- bis 17-Jährigen in Deutschland hochgerechnet entspricht dieser Prozentsatz etwa 100.000 Betroffenen.
Mädchen länger online
Mädchen sind länger in sozialen Medien unterwegs als Jungen – im Schnitt knapp über drei Stunden pro Tag (Jungen: 2,5 Stunden pro Tag). Je älter die Befragten werden, desto mehr Zeit verbringen sie bei WhatsApp, Instagram und Co.: Mädchen zwischen 16 und 17 Jahren sind fast 3,5 Stunden pro Tag in sozialen Medien aktiv, gleichaltrige Jungen nur 2,75 Stunden. Mit Abstand die beliebteste Anwendung ist WhatsApp, gefolgt von Instagram und Snapchat. „Je länger und häufiger die Kinder und Jugendlichen online sind, desto höher das Suchtrisiko“, sagt Professor Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am UKE. „Wir beobachten, dass Eltern häufig keine klaren Regeln zum Umgang mit sozialen Medien aufstellen. Die sind aber dringend nötig, damit ihre Kinder nicht unbemerkt in die Abhängigkeit rutschen.“
Social-Media-Sucht und Depressionen
Besonders alarmierend sei der Zusammenhang zwischen Social-Media-Sucht und Depressionen, sagt Thomasius: Wer von sozialen Medien abhängig ist, hat ein um den Faktor 4,6 Prozent höheres Risiko, an einer Depression zu erkranken als Nicht-Süchtige – so das Ergebnis der DAK-Studie: Jeder dritte Jugendliche mit einer Social Media Disorder berichtet über Symptome einer Depression. „Über Ursache und Wirkung haben wir noch keine Erkenntnisse“, kommentiert der Suchtexperte. „Natürlich kann es auch sein, dass sich depressive Kinder und Jugendliche häufiger in die virtuelle Welt zurückziehen und deshalb ein Suchtverhalten entwickeln. In jedem Fall verstärken sich die beiden Faktoren, so dass eine ernste gesundheitliche Gefahr droht.“
Weitere Probleme durch soziale Medien
Laut Untersuchung haben soziale Medien bei den befragten Kindern und Jugendlichen häufig negative soziale Auswirkungen in verschiedenen Bereichen – auch wenn sie nicht als süchtig gelten:
Jeder dritte Befragte nutzt soziale Medien um nicht an unangenehme Dinge denken zu müssen. Bei den Mädchen trifft dies sogar auf vier von zehn Befragten zu.
Knapp ein Viertel der Befragten bekommt wegen der Nutzung sozialer Medien manchmal, häufig oder sogar sehr häufig zu wenig Schlaf.
22 Prozent streiten manchmal, häufig oder sehr häufig mit den Eltern über die Nutzung sozialer Medien – öfter betroffen sind die 12- bis 13-Jährigen (32 Prozent).
14 Prozent gaben an, soziale Medien oft heimlich zu nutzen. Ebenso viele können die Nutzung nicht stoppen, obwohl andere ihnen sagten, dass sie dies dringend tun müssen.
13 Prozent sind unglücklich, wenn sie keine sozialen Medien nutzen können.
Acht Prozent der Befragten sind mit allen Freunden ausschließlich über soziale Medien in Kontakt.
Fünf Prozent der Befragten haben regelmäßig kein Interesse mehr an Hobbys oder anderen Beschäftigungen, weil sie lieber Social Media nutzen.
Als Konsequenz aus den aktuellen Umfrageergebnissen setzt die DAK-Gesundheit ihre Aufklärungskampagne zum Thema Internetsucht fort. Die Krankenkasse finanziert Broschüren, die Jugendliche, Eltern und Lehrkräfte gezielt informieren. Herausgegeben werden die Hefte mit ausführlichen Hintergrundinformationen, Beispielen und einem Selbsttest vom Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Außerdem schaltet die DAK-Gesundheit gemeinsam mit den Suchtexperten des UKE in Kürze eine kostenlose Hotline und einen Experten-Chat für Betroffene und Angehörige.
In allen Nationen, Kulturen, Religionen sowie in allen sozialen Schichten und Hierarchieebenen finden sich Suchtkrankheiten. Störungen des Substanzmissbrauchs stellen mit einer Prävalenz von 16,6 Prozent der erwachsenen Gesamtbevölkerung (Jacobi et al. 2014) die größte Gruppe psychischer Störungen dar. Trotz der hohen Anzahl werden Suchtkranke häufig ausgegrenzt, diskriminiert und stigmatisiert. Der Stigmatisierungsprozess ist ein komplexes Phänomen von Wechselwirkungen zwischen den Betroffenen und der Gesellschaft. Dabei nehmen meist historisch entstandene und nicht hinterfragte Vorstellungen von Normalität und Normabweichung eine entscheidende Rolle ein.
Auf die Wahrnehmung und Benennung einer Normabweichung erfolgt die Zuschreibung negativer Stereotype, die zu einer Abgrenzung gegenüber den Trägern des Stigmas führt und eine Diskriminierung bewirkt. Bei vielen Betroffenen löst die Diagnose Sucht durch das Bewusstsein der gesellschaftlichen ‚Ächtung‘ einen Selbstverurteilungsprozess aus. Interviews mit Suchtkranken machen deutlich, dass deren negative Gedanken über sich selbst wie z. B. „Ich tauge nichts“, „Ich kriege nichts auf die Reihe“, „Ich bin ja selbst schuld“ mit diskriminierenden Äußerungen von anderen Personen übereinstimmen. Diese negative Identitätsbildung führt zum Selbstwertverlust und wird als Teil der „zweiten Krankheit“ gesehen. Als „zweite Krankheit“ bezeichnet Finzen (2001) die sozialen Auswirkungen der Stigmatisierung, die als ebenso gravierend eingeordnet werden wie die Grunderkrankung an sich.
Der Teufelskreis der Stigmatisierung
Der Teufelskreis der Stigmatisierung beginnt für viele Betroffene mit der Diagnose Sucht, die verheimlicht wird und zu sozialem Rückzug führt. Diese Normabweichung (Sucht und Rückzug wegen Sucht) bewirkt in der Gesellschaft eine Aktivierung negativer Stereotype – insbesondere von Schuldvorwürfen –, die der Betroffene sich schließlich selbst zuschreibt. Diese Selbstzuschreibung führt zu einer Verhaltensannahme. Infolgedessen geht die Diskriminierung mit einer Verstetigung des kritisierten Verhaltens einher, die wiederum eine Bestätigung der Diagnose bedeutet (Abbildung 1).
Abbildung 1: Ein Teufelskreis – die Diagnose als Teil des Stigmatisierungsprozesses (vgl. Bottlender & Möller, 2005, S. 15)
Die Betroffenen sehen sich durch die Stigmatisierung einer bestimmten Rollenerwartung gegenüber, die sie in ihrem Handeln beeinflusst. Der Mechanismus der Anpassung erfolgt wie in jedem anderen Sozialisationsprozess. Durch die an den Menschen herangetragenen Erwartungen wird das Selbstkonzept entsprechend der self-fulfilling prophecy neu bestimmt. Paradoxerweise wird das deviante Verhalten durch den Konformitätsdruck verstärkt und der Wunsch des Betroffenen, sich in gleichgesinnten Gruppen aufzuhalten, gesteigert. Das süchtige Verhalten wird insbesondere unter dem Gesichtspunkt verständlich, dass der Betroffene nicht mehr als vollwertiger Interaktionsteilnehmer anerkannt wird, sondern nur noch unter der Prämisse seines Stigmas bewertet wird. Nach Finzen entsteht beim Betroffenen ein gestörtes Grundvertrauen in die Berechenbarkeit sozialer Interaktionen. Studien zur Stigmatisierung von Suchterkrankungen zeigen als häufigstes Maß für die Ablehnung das Bedürfnis der Betroffenen nach sozialer Distanz. Die Ablehnung von Alkoholikern ist im Vergleich zu anderen psychischen oder somatischen Erkrankungen am höchsten (Schomerus et al. 2010).
Auswirkungen von Stigmatisierung auf die Gesundheit
Mitglieder stigmatisierter Gruppen weisen ein erhöhtes Risiko für körperliche Erkrankungen sowie für psychische Störungen auf und zeigen aufgrund der stressauslösenden Diskriminierung eine erhöhte Vulnerabilität. Darüber hinaus zeigen Studien einen erschwerten Zugang der Betroffenen zum Gesundheitssystem. Sie spüren eine ablehnende Haltung von Fachkräften einiger Gesundheitsberufe und reagieren darauf mit Vermeidung oder Abbruch der Behandlung. Teils erfolgen vom Pflegepersonal Schuldzuweisungen, dass die Betroffenen ihre Gesundheitsprobleme ja sozusagen „selbst verschuldet“ hätten (vgl. Vogt 2017).
Strategien gegen Stigmatisierung
Das Stigma-Memorandum
Im Frühjahr 2017 wurde das Memorandum „Das Stigma von Suchterkrankungen verstehen und überwinden“ veröffentlicht. Eine der Kernaussagen ist die Empfehlung, dass Befähigung und Wertschätzung im Zentrum des Umgangs mit Suchtkranken stehen müssen. Im Sinne des Empowerments sollen Betroffene und Angehörige unterstützt werden, sich gegen das Stigma zu wehren. Begleitend ist eine qualitative Verbesserung im Hilfesystem und der Prävention erforderlich. Die Suchtprävention muss auf stigmatisierende Effekte überprüft werden, und in Studium und Ausbildung von Gesundheitsberufen muss die Anti-Stigma-Kompetenz erhöht werden. Die Öffentlichkeitsarbeit soll durch einen Medienleitfaden zur stigmafreien Berichterstattung professionalisiert und eine Entkriminalisierung des Konsums soll rechtlich weiterentwickelt werden. Im Bereich der Forschung sind Förderungen zur Entwicklung von Strategien der Entstigmatisierung genauso anzustreben wie die Untersuchung von Stigmafolgen bzw. -ursachen, wobei die Einbeziehung Betroffener und Angehöriger notwendig ist.
Psychologische Forschung
Weitere Strategien lassen sich aus der psychologischen Forschung entnehmen. Als einheitliche Erkenntnis wird in der Social contact theory (Allport) wie auch in den Prinzipien nach Corrigan et al. (2001) und den Strategien nach Schomerus et al. (2011) der Kontakt, also die direkte Interaktion zwischen Menschen mit und ohne Stigma, als Grundsatz für die Entstigmatisierung deutlich. Darüber hinaus wird der Protest gegen Diskriminierung durch Meinungsmacher und Fachkräfte sowie die Edukation zur Auflösung stereotyper Verurteilungen als zielführend von Schomerus et al. (2013) benannt. Durch die gesellschaftliche Edukation zum Abbau von Vorurteilen sollen Ansichten, die zur Selbststigmatisierung führen wie „Der Süchtige ist selbst schuld“, aufgelöst werden.
Öffentlicher Diskurs
Im öffentlichen Diskurs muss insbesondere auf Sachlichkeit gesetzt werden, Übertreibungen beinhalten häufig stigmatisierende Elemente. Dabei hilft eine akzeptanzorientierte professionelle Grundhaltung, die deutlich macht, dass Sucht nicht die gesamte Person erfasst bzw. ausmacht, also ein Süchtiger nicht nur auf seine Sucht reduziert wird. Das konsequente Auftreten gegen stigmatisierende Angriffe stellt ein wichtiges Element dar, ebenso wie das Arbeiten mit Ansätzen der motivierenden Gesprächsführung.
Behandlung
Als eine neue Strategie in der Behandlung wird die Förderung von Selbstmitgefühl gesehen, Methoden dafür sind Achtsamkeit und Meditation. Unter Selbstmitgefühl wird eine Art Selbstfreundlichkeit verstanden, die mit dem „gemeinsamen Menschsein“ und dem „gelassenen Gewahrsein“ einhergeht. Dadurch kann es dem Betroffenen gelingen, die Selbstverurteilung abzubauen und die Isolation aufzulösen. Die Erkenntnis, dass Krankheit zum Leben dazugehört, also die Fähigkeit, die Erkrankung zu akzeptieren, um daran arbeiten zu können, sind wichtige Schritte in dieser Behandlungsstrategie. Brooks et al. (2012) konnten nachweisen, dass das Selbstmitgefühl bei Alkoholabhängigen weniger ausgeprägt ist als in der Allgemeinbevölkerung und dass das Selbstmitgefühl positiv mit dem Selbstwert zusammenhängt. Aus diesem Grund ist diese Behandlungsmethode gerade im Kontext des Abbaus von Selbststigmatisierung sehr vielversprechend.
Strategien zur Entstigmatisierung in der Suchtprävention
Entsprechend dem o. g. Memorandum wird empfohlen, dass Präventionsmaßnahmen routinemäßig auf mögliche stigmatisierende Effekte hin geprüft werden. Im Memorandum wird herausgestellt, dass Gesundheitsförderung und Prävention durch abschreckende und stereotypisierende Elemente stigmatisierend wirken und die Zielgruppen dadurch ausgegrenzt bzw. abgewertet werden können.
Im Rahmen selektiver Prävention besteht die Gefahr, dass die Zielgruppe allein durch die erhöhte Risikoexposition und ohne Verhaltensauffälligkeiten zu zeigen, schon als Risikoträger identifiziert wird. Wicki et al. (Zürich 2000) ermittelten anhand einer Literaturrecherche bei 25 Prozent der sekundärpräventiven Programme eine Zunahme des Substanzkonsums der Jugendlichen. Die Forscher begründeten den negativen Effekt durch Etikettierung der Zielgruppe als Risikojugendliche und den vermehrten Kontakt mit anderen riskant konsumierenden Peers. Als Ursache für solche unerwünschten Programmergebnisse (Dishion 1999) wird der „deviant talk“ benannt, wodurch sich die Jugendlichen gegenseitig innerhalb der Gruppe in ihrem abweichenden Verhalten bestärken. Obwohl die Ressourcenorientierung in der Suchtprävention zunimmt, überwiegen Konzepte für Risikogruppen, die anhand von Risikofaktoren ermittelt werden. Diese Faktoren geben aber nur einen Hinweis auf potentielle Gefährdungen und können keine Kausalitäten darstellen. Sobald Präventionsfachkräfte im Rahmen der Risikobewertung Zusammenhänge konstruieren und Werturteile fällen, greifen soziale Stigmata und Gefährdungsannahmen unreflektiert ineinander.
Die Stigma-Checkliste der Stadt Zürich
Eine zeitgemäße stigmafreie Suchtprävention muss sich mit solchen Stigmatisierungseffekten auseinandersetzen. Hierfür hat die Suchtpräventionsstelle der Stadt Zürich eine Stigma-Checkliste (Berger 2012) entwickelt. Inwieweit diese in der präventiven Praxis in Deutschland Anwendung findet, wurde im Rahmen von leitfadengestützten Expert/inneninterviews ermittelt (Kostrzewa 2017). Der Fokus wurde dabei auf Ressourcenorientierung, Partizipation und Empowerment gelegt, weg von einer defizitorientierten Sichtweise, hin zu einer resilienzfördernden Prävention. Die Expert/innen waren 14 Fachkräfte der Suchtprävention und -arbeit mit einem durchschnittlichen Arbeitszeitumfang von 71 Prozent für Suchtprävention und 21,2 Berufsjahren im Durchschnitt. In den Interviews wurden sie nach einer Bewertung der in der Zürcher Stigma-Checkliste vorgestellten Strategien mit „sinnvoll“, „umsetzbar“ und „bekannt“ gefragt. Insgesamt gaben 85,7 Prozent der Befragten an, sich schon mal mit dem Thema Stigma bei Suchtkranken auseinandergesetzt zu haben, jedoch nur zwei Fachkräfte gaben an, die Checkliste aus Zürich zu kennen. Folgende Ergebnisse hat die Befragung im Einzelnen erzielt:
Die Strategie der offenen Fehlerkultur, durch die negative stigmatisierende Auswirkungen von Suchtpräventionsmaßnahmen benannt werden, um aus ihnen zu lernen, wurde von den Expert/innen zu 100 Prozent als sinnvoll, zu 85,7 Prozent als umsetzbar und zu 42,8 Prozent als schon bekannt bewertet. Es gab dabei große Unterschiede in den Aussagen von „… Fehleranalyse ist ein ganz wichtiger Punkt, muss man auch klar ansprechen …“ bis „… alles, was unter dem Aspekt Nachbereitung läuft, das spielt eigentlich keine große Rolle, da ist keine Zeit für …“.
Inwieweit standardisierte Reflexionsfragen zur Entstigmatisierung in der Suchtprävention etwas beitragen können, blieb unklar: 57,1 Prozent bewerteten diese Strategie als sinnvoll und 50 Prozent als umsetzbar, während sie aber nur 14,2 Prozent der Expert/innen bekannt war.
Eine klare Position der Expert/innen zeichnete sich bei der Strategie Ressourcenorientierung beim Adressaten ab, mit der Partizipation und Empowerment gestärkt werden sollen. Diese Strategie bewerteten 100 Prozent als sinnvoll und 85,7 Prozent als umsetzbar, für 50 Prozent war es bereits eine bekannte Strategie. Eindeutige Aussagen wie „… ressourcenorientiert, das ist der einzige mir sinnvoll erscheinende Weg, das Stigma überhaupt zu reduzieren“ können als richtungsweisend bezeichnet werden.
Die Offenlegung von Zielen als vertrauensbildende Maßnahme gegenüber den Adressat/innen wurde von 92,9 Prozent als sinnvoll bewertet, von 78,6 Prozent als umsetzbar und von 57,1 Prozent als bekannt. Es wurde deutlich, dass bei diesem Punkt abhängig von der Zielgruppe auch sprachliche Schwierigkeiten auftreten können.
Die Strategie der Resilienzförderung zur Entwicklungsbegleitung wurde zu 100 Prozent als sinnvoll und zu 85,7 Prozent als umsetzbar bewertet und damit eindeutig positiv eingeordnet, während sie aber nur 35,7 Prozent der Expert/innen als Strategie in der Suchtprävention bekannt war. Aussagen wie „Ja, aber ich glaube, das ist noch so in den Anfängen …“ machen dies gut deutlich.
Auf die Frage nach eigenen Strategien zur Entstigmatisierung in der Suchtprävention wurde der Kontakt, explizit das Reden mit den Betroffenen, als zentrales Element durch die Expert/innen bestätigt.
Als Fazit der Expert/inneninterviews lässt sich herausstellen, dass eine Modernisierung der Suchtprävention in Richtung einer Verstärkung der Ressourcenorientierung und Resilienzförderung als vielversprechend für die Entstigmatisierung gesehen wird: „… es würde der Suchtprävention sicherlich gut tun, den Fokus auf Resilienzförderung zu verschieben.“
Partizipative Theaterarbeit
Eine weitere Methode zur Entstigmatisierung ist in der partizipativen Theaterarbeit zu sehen. Diese interaktive Theaterform ermöglicht im Spiel die Teilhabe und Interaktion von Betroffenen in der Gesellschaft (Abbildung 2). Durch die Aufnahme der Strategien des Protests, der Edukation und des Kontaktes lässt sich der stigmatisierende Alltag dekonstruieren. Integration und Offenheit im Alltag werden ermöglicht, um am Abbau des Vorurteils „Der Süchtige ist selbst schuld“ mitzuwirken und so den Teufelskreis von Stigmatisierung und Selbststigmatisierung zu durchbrechen bzw. aufzulösen.
Abbildung 2: Entstigmatisierung durch partizipative Theaterarbeit
Prof. Dr. Regina Kostrzewa, Dipl.-Pädagogin, ist 1. Vorsitzende der Gesundheitsakademie Nord e.V. in Kiel. Seit Oktober 2015 ist sie als Professorin für Soziale Arbeit/Sozialpädagogik an der Medical School Hamburg tätig. Dort ist sie auch Studiengangsleiterin des Bachelor-Studiengangs Soziale Arbeit/Sozialpädagogik. Zuvor war sie 25 Jahre in der Suchtarbeit in Schleswig-Holstein tätig und entwickelte eine Reihe innovativer suchtpräventiver Maßnahmen und Projekte, die auch über die Landesgrenzen hinaus im Bundesgebiet zum Einsatz kamen.
Literatur:
Berger, C. (2017): Stigmatisierung trotz guter Absicht – Zum Umgang mit einem konstitutiven Dilemma in der Suchtprävention. In: Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis. 49. Jg., Heft 2, Tübingen, 335 – 345.
Bottlender, R. & Möller, H.-J. (2005): Psychische Störungen und ihre sozialen Folgen. In: Gaebel, W., Möller, H.-J.& Rössler, W. (Hrsg.): Stigma – Diskriminierung – Bewältigung. Der Umgang mit sozialer Ausgrenzung psychisch Kranker. Stuttgart: Kohlhammer. S. 7-17.
Brooks, M./Kay-Lambkin, F./Bowman, J./Childs, S. (2012): Self-Compassion Amongst Clients with Problematic Alcohol Use. Springer Science Media, DOI 10.1007/s12671-012-0106-5.
Corrigan, P./Schomerus, G./Shuman, V./Kraus, D./Perlick, D./Hamish, A./Kulesza, M./Kane-Willis, K./Qin, S./Smelson, D. (2016): Developing a research agenda for understanding the stigma of addictions Part I: Lessons from the Mental Health Stigma Literature. Am J Addict.
Dishion, T. J. (1999): When Interventions harm. Peer Groups and Problem Behavior. In: American Psychologist, 54, 755-764.
Finzen, A. (2001): Psychose und Stigma. Stigmabewältigung – zum Umgang mit Vorurteilen und Schuldzuweisungen. 2. korrigierte Auflage. Bonn: Psychiatrieverlag.
Jacobi, F./Höfler, M./Strehle, J./Mack, S./Gerschler, A./Scholl, L./Busch, M. A./Maske, U./Hapke, U./Gaebel, W./Maier, W./Wagner, M./Zielasek, J./Wittchen, H.-U. (2014): Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung: Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland und ihr Zusatzmodul Psychische Gesundheit (DEGS1-MH). In: Nervenarzt 85, 77 – 87.
Schomerus, G. (2011): Warum werden Menschen mit Alkoholabhängigkeit in besonderer Weise stigmatisiert, und was kann man dagegen tun? Psychiatrische Praxis, 38, 109 – 110.
Schomerus, G./Holzinger, A./Matschinger, H. et al. (2010): Einstellung der Bevölkerung zu Alkoholkranken. Eine Übersicht. Psychiatrische Praxis. DOI: http://dx.doi.org/10.1055/s-0029-1223438.
Schomerus, G. et al. (2010): Self-stigma in alcohol dependence: Consequences for drinking-refusal self-efficacy. In: Drug and Alcohol Dependence, 1 – 6.
Vogt, I. (2017): Nobody’s perfect: Einstellungen von Angehörigen der Gesundheitsberufe zu psychisch Kranken. Ein Überblick über die Forschungsergebnisse. Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis, 49 (2), 307 – 323.
Wicki, W. et al. (2000): Präventionsforschung bei Jugendlichen im Suchtbereich. Erkenntnisse für die Praxis. In: Bundesamt für Gesundheit BAG: Suchtforschung des BAG 1996 – 98, Band 2/4: Prävention, 2 – 13.
Psychiatrie Verlag, Köln 2018, 111 Seiten, € 17,00, ISBN 978-3-88414-698-9
Das Bundesteilhabegesetz soll aus dem bisherigen ‚Fürsorgesystem‘ herausführen und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht für Menschen mit Behinderungen weiterentwickeln. Das Buch ist kein sozialrechtlicher Kommentar, sondern bietet eine kompakte Einführung in Grundsätze, Neuregelungen und Gestaltungsmöglichkeiten des neuen Gesetzes.
Sich alle gesetzlichen Neuregelungen des neuen Bundesteilhabegesetzes anzueignen, ist gar nicht so einfach, denn die verschiedenen Vorschriften sind verstreut in verschiedenen Sozialgesetzbüchern zu finden. Sie treten überdies noch zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft. Der Autor erklärt die Ziele des BTHG und füllt zentrale Begriffe wie Assistenz, Selbstbestimmung und Teilhabe mit Leben. Das Buch bietet:
Orientierung im unübersichtlichen Terrain
gesetzliche Neuerungen strukturiert und aktuell
Grundsätze und grundlegende Verfahren
Informationen über Gestaltungsmöglichkeiten und Begrenzungen
Was bewegt sozialtherapeutische Einrichtungen im Kontext des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und der Eingliederungshilfe Sucht? Mit dieser Fragestellung lassen sich die vielfältigen Inhalte des 4. Fachtages für Soziotherapeutische Einrichtungen beschreiben, zu dem der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss) am 21.02.2018 nach Kassel eingeladen hatte.
Vorstandsmitglied Andreas Reimer (Deutscher Orden Suchthilfe) skizzierte in seiner Einführung aktuelle fach- und sozialpolitische Entwicklungen und Herausforderungen für suchtspezifische Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Gleichzeitig lenkte er den Blick auf die noch junge Geschichte des Fachtages und dessen Bedeutung für die Praktiker: Einige Mitglieder des buss betreiben neben Einrichtungen der stationären und ambulanten medizinischen Rehabilitation auch komplementäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe Sucht. Anlass für den ersten Fachtag für Soziotherapeutische Einrichtungen 2015 waren die Vorboten des BTHG und der Bedarf der Leitungskräfte und Betreiber soziotherapeutischer Einrichtungen, die eigenen fachlichen und strukturellen Konzepte rechtzeitig hinsichtlich der Anforderungen der Gesetzgebung zu analysieren und ggf. anzupassen.
Die durchweg sehr guten Bewertungen der bisherigen Fachtage motivieren die Vorbereitungsgruppe, auch für das kommende Jahr wieder ein Programm mit relevanten Themen und Trends für die Praxis zusammenzustellen. Das breite Fach- und Vernetzungswissen innerhalb der Suchthilfelandschaft und die Themenwünsche der Teilnehmer/innen werden dabei eingebunden.
Wirkung und Wirkungsmessung
Was konkret ist zu tun, um die Herausforderungen des BTHG zu meistern, die Chancen im Sinne einer noch besseren personenzentrierten Teilhabe von Suchtkranken zu nutzen und – ganz im Sinne einer qualitativen Hebelwirkung – die komplementären (zumeist noch stationären) Einrichtungen für chronisch mehrfachbeeinträchtigte Suchtkranke aus dem Schattendasein herauszuholen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des diesjährige Fachtages.
Der Vormittag stand thematisch unter dem BTHG-Schlagwort „Wirkung“. Robert Meyer-Steinkamp (Therapeutische Gemeinschaft Jenfeld, Hamburg) stellte in seinem Beitrag BADO Hamburg – Erfassung und Auswertung von Daten aus der Eingliederungshilfe dar, wie es in Hamburg gelingt, die Ergebnisqualität der umfassenden Eingliederungsleistungen für Suchtkranke abzubilden. Eindrucksvoll und überzeugt stellte Meyer-Steinkamp die Arbeit des gemeinsam von Leistungsträger und Leistungsanbietern getragen Vereins BADO e.V. vor. Anders als in vielen anderen Bundesländern ist die Basisdokumentation in Hamburg auch in der Eingliederungshilfe Pflicht, so dass seit 2011 alle ambulanten und (teil-)stationären Angebote Daten liefern. Dass sich die – zugegeben nicht immer beliebte – Erbsenzählerei lohnt, stellte er anhand des Spezialthemas im Statusbericht 2015 vor. Aus allen Datensätzen der letzten sechs Jahre wurden so genannte Intensivnutzer der Hamburger Suchthilfe herausgefiltert und hinsichtlich ihrer Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungsepisoden sowie der dabei erreichten Gesamtergebnisse untersucht. In den beispielhaft vorgestellten Teilhabebereichen zeigten sich für die Leistungsberechtigten trotz oder wegen der ‚Drehtür-Verläufe‘ spürbare Verbesserungen ihrer Lebens- und Teilhabesituation, die zwar für den Praktiker vor Ort und im Einzelfall erwartbar waren, aber eben ohne die Datenerhebung und -auswertung nicht in der Quantität belegbar wären.
Es wäre wünschenswert, wenn auch andernorts die Chancen der Basisdokumentation erkannt und genutzt würden. Nach einer Auswertung des IFT Institut für Therapieforschung zur Deutschen Suchthilfestatistik für das Jahr 2014 ergab sich eine Beteiligung von nur 105 ambulanten und (teil-)stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe mit rund 5.500 Fällen. Die Datenlage und ihre Aussagekraft könnte mit einer stärkeren Beteiligung der Träger deutlich verbessert werden. Die aktuelle Ausdifferenzierung des Kerndatensatzes 3.0 und stärkere Berücksichtigung von Angeboten der Eingliederungshilfe kann ein guter Anlass sein, jetzt in die Datenerhebung einzusteigen.
Mit der Aussage, Wirksamkeit und Wirkung seien zunächst einmal zu differenzieren, führte anschließend Prof. Dr. Andrea Riecken (Hochschule Osnabrück) in ihren Vortrag ein. Unter dem Titel Anforderungen an Wirkungsmessung in der Eingliederungshilfe stellte sie grundlegende forschungsmethodische Herausforderungen bei der Evaluation Sozialer Arbeit und ihrer Dienstleistungen vor. Die Komplexität von Wirkfaktoren und deren Zusammenspiel soll die Praxisforschung allerdings nicht länger davon abhalten, die Wirkung z. B. der Fachleistung innerhalb der Eingliederungshilfe Sucht wissenschaftlich sauber zu belegen. Damit kann auch der Erhalt und die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe-Leistungen im Sinne der Klienten vorangetrieben werden.
Nach diesen beiden Beiträgen mochte so manche/r Zuhörer/in angesichts der Überschrift des Vortrages von Dieter Adamski (Therapiehilfe e.V., Hamburg/Bremen) zunächst aufatmen: Basisdokumentation und Wirksamkeitsmessung – Was ist in der Praxis leistbar? Allerdings verdichtete Adamski die vielfältigen Anforderungen an Leitung, Fach- und Hilfskräfte zu prägnanten Forderungen im Rahmen einer weiteren Professionalisierung der Eingliederungshilfe Sucht im Sinne der Etablierung eines Qualitätsmanagements. Sofern nicht bereits ein Umdenken erfolgt ist, wird es nun höchste Zeit. Dabei ist der Gestaltungsspielraum, den ein proaktives Vorgehen der Einrichtungen, ihrer Träger und Fachverbände bietet, pragmatisch zu nutzen. Qualitätssicherung soll dabei keinen Selbstzweck erfüllen, sondern die kontinuierliche Weiterentwicklung von strukturellen und fachlichen Standards sowie die Abbildung der Ergebnisqualität der Leistungserbringer unterstützen. Nur so können komplementäre und am individuellen Teilhabebedarf und Teilhabeplan ausgerichtete Eingliederungshilfe-Angebote erhalten und zukunftssicher weiterentwickelt werden: „Wir wissen, wann und wie wir unsere Kunden unterstützen, wir dokumentieren es jedoch (noch) nicht sachgerecht, um mit den Ergebnissen an die Öffentlichkeit zu treten. Denkbar wären Katamnesen, wie es in der medizinischen Rehabilitation üblich ist.“ Gleichzeitig forderte Adamski finanzielle und personelle Ressourcen: „Wer Wirksamkeitsmessung in der Eingliederungshilfe umsetzten will, muss in Forschung investieren und für die Praxis handhabbare Instrumente entwickeln, die auch zu den Berufsgruppenprofilen der Eingliederungshilfe-Einrichtungen passen.“
Die Mittagspause bot Gelegenheit zu einem persönlichen und informellen Austausch der Teilnehmenden. Der Fachtag wurde in sechs Arbeitsgruppen zu Anforderungen und Chancen rund um die Umsetzung des BTHG fortgesetzt.
Anforderungen und Chancen bei der Umsetzung des BTHG
Prof. Dr. Johannes Schädler (Universität Siegen) gab in seiner Arbeitsgruppe Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung: Herausforderung und Chance für Suchtkranke und Leistungserbringer zunächst einen Überblick über die Begrifflichkeiten und die historische Entwicklung von Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung. Weiter ging er auf die Herausforderungen und Chancen für Suchtkranke und Leistungserbringer in dem Prozess ein und betonte die aus seiner Sicht dringend notwendige und gesetzlich verankerte Steuerungshoheit der Leistungsträger: „Wer den Gesamtplan verfasst, steuert de facto das (Teilhabeplan-)Verfahren.“ Seine weitere Aufforderung „Weg von dem (einrichtungsbezogenen) Platzierungsdenken und -handeln hin zu einer Steuerung der EGH durch die Leistungsträger im Sinne einer personenzentrierten Teilhabeplanung“ eröffnete einen Diskurs unter den Teilnehmenden zur Bedeutung des Teilhabeplanverfahrens für die Eingliederungshilfe Sucht. Hieraus entstanden neue Fragen zu folgenden Themen:
Teilhabeberatung von Suchtkranken (z. B. Suchtberatung, Sozialdienste in der Entgiftungsbehandlung und der medizinischen Rehabilitation, gesetzliche Betreuer),
Unterstützungsmöglichkeit von Suchtkranken und Beteiligung der Leistungserbringer im Bedarfsermittlungsverfahren,
Perspektiven der Studien zur Entwicklung des Personenkreises nach § 99 SGB IX-neu (Wie wird der geringe Anteil der Suchtkranken (vier Prozent) an allen Menschen mit Behinderung in den Studien z. B. hinsichtlich der Rechtsfolgen berücksichtigt? Exklusion durch ‚5 aus 9‘?),
sozialpolitische Aktivitäten in Bezug auf die länderspezifischen Ausführungsgesetze und Verordnungen.
Chancen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Suchtkranke bestehen in einem regional ausdifferenzierten Suchthilfeangebot, welches aus ambulanten Einrichtungen und stationären bzw. besonderen Wohnformen sowie tagesstrukturierenden und arbeitsmarktbezogenen Angeboten bestehen kann. Dazu könnten die multiprofessionellen Teams der Träger und die Vernetzungsqualität genutzt werden.
Stephan May (Hohage, May & Partner – Rechtsanwälte/Steuerberater, Hamburg) referierte in seiner Arbeitsgruppe Heimverträge und Betreuungsverträge – neue Anforderungen im Rahmen des BTHG?! zu den Anforderungen an Wohn- und Betreuungsverträge von ambulanten Einrichtungen und besonderen Wohnformen. Diese AG war rasch nach Anmeldebeginn des Fachtages ausgebucht, der hohe juristische Beratungsbedarf in diesem Feld spiegelte sich in der Diskussion und den Fragestellungen der Teilnehmenden wider.
In der Arbeitsgruppe Inklusion in CMA-Einrichtungen gab Janina Tessloff (Therapiehilfe e.V., Bremen) Impulse zu folgenden Fragen:
Wie müssen die inklusiven Strukturen aussehen, damit sie Teilhabeprozesse begünstigen?
Inwieweit und wie weit wollen unsere Bewohner/innen überhaupt Inklusion?
Wie können Mitarbeitende zur Teilhabe motivieren, gibt es Grenzen und worin liegt die Verantwortung der Einrichtung?
Die Teilnehmenden kamen rasch in einen Austausch über die bereits gelebte Praxis und der Spezifika von Suchtkranken. Tessloff formuliert in ihrer Präsentation ein gemeinsames Fazit: „Inklusion kann auch Überforderung bedeuten. Viele unserer Klienten können ihre Bedürfnisse nicht adäquat artikulieren, Selbsteinschätzung ist ein Lernprozess. Viele äußern eher den Wunsch nach Integration: Indem sie sich in der schützenden Einrichtung beheimaten, verweigern sie sich den Anforderungen der Gesellschaft und dem Inklusionsgedanken. Inklusion steht hier erst am Ende eines langen Weges, Integration ist die Vorstufe. Das stationär und ambulant betreute Wohnen arbeitet schon seit langem inklusiv, indem stetig an dem Teilhabeprozess der Betroffenen gemeinsam mit ihnen gearbeitet wird. Die Gesellschaft, die Politik muss nun nachziehen, indem Strukturen entstehen, die unsere Klientel, ohne von ihnen beeinträchtigt zu werden, nutzen kann.“
Der Impetus des BTHG im Sinne einer stärkeren Personenzentrierung und Verzahnung von Rehabilitationsleistungen mit dem Ziel einer gelingenden Teilhabe und verbesserter Aktivität einerseits und die zugespitzte Koppelung von Suchterkrankung und Wohnungslosigkeit andererseits lenkten auf die Schnittstelle zwischen Wohnungslosenhilfe und Sucht- bzw. Eingliederungshilfe neue Aufmerksamkeit. Gabriel Blass (Haus Eichen, Blankenrath) griff dieses Thema in seiner Arbeitsgruppe Schnittstelle zwischen Wohnungslosenhilfe und Eingliederungshilfe auf. Das vorgestellte Angebot bietet wohnungslosen Suchtkranken eine zweimonatige Orientierungs- und Stabilisierungsmöglichkeit, an die sich weiterführende Behandlungs- und Betreuungsangebote nahtlos anschließen können. Solche Angebote bestehen bundesweit vereinzelt als „Vorsorge“, Vorschaltphase, Betreutes Wohnen für Gefährdete, Übergangswohnen etc. Ihre Finanzierung erfolgt aktuell noch im Rahmen des SGB XII als so genannte § 67er Hilfe oder auch auf Grundlage des § 53.
In der Arbeitsgruppe Was ist das eigentlich: Soziotherapie oder Sozialtherapie? Leitlinie für neue Mitarbeitende von Nicolai Altmark und Andreas Guder (beide Diakonisches SuchtHilfeZentrum Flensburg) standen Newcomer unter den Mitarbeitenden der Einrichtungen im Focus. Neben der Klärung der verschiedenen Bezeichnungen für Leistungen von Eingliederungshilfe-Einrichtungen in der Suchthilfe (Soziotherapie, Sozialtherapie, soziale Rehabilitation) standen Leitlinien für neue Mitarbeiter zur Diskussion.
Das BTHG schreibt ICF-basierte Bedarfsermittlungsinstrumente und eine klare ICF-Orientierung im Teilhabeplanverfahren verbindlich vor. In allen Segmenten der Suchthilfe-Angebote kommt der Kenntnis und Anwendung der ICF – z. B. mit entsprechenden Instrumenten in der Beratung, Behandlung und Vermittlung von Suchtkranken mit Behinderung (oder die davon bedroht sind) – eine zunehmende Bedeutung zu. Eine differenzierte, leistungsbegründende Beschreibung der suchtbedingten Behinderung, der damit einhergehenden Einschränkungen der funktionalen Gesundheit sowie der daraus resultierenden Teilhabebedarfe wird mit Blick auf die Definition des leistungsberechtigten Personenkreises in Zukunft noch wichtiger sein als in der Vergangenheit. Maren Spies (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) und Robert Meyer-Steinkamp (Therapeutische Gemeinschaft Jenfeld, Hamburg) stellten in ihrer Arbeitsgruppe MCSS (Modulares Core Set Sucht) – Entwicklungsstand und Perspektiven zur Umsetzung der ICF in der Suchthilfe das Konzept und die Anwendung der ICF vor und gaben Einblick in den aktuellen Entwicklungsstand des Modularen Core-Sets Sucht. So genannte Core-Sets bieten störungsspezifische Listen typischer Funktionsbeeinträchtigungen, so dass die insgesamt 1442 Items der ICF in der Praxis handhabbar werden. Das MCSS bietet neben einem Basis-Set weitere Modul-Sets für verschiedene Settings der Suchtkrankenversorgung. In einer Studie wird aktuell die Validität der Item-Listen in den verschiedenen Settings untersucht.
In dem abschließenden Vortrag Modellprojekt zur Trennung existenzsichernder Leistungen von den Fachleistungen und zur Leistungssystematik gab Olaf Bauch (Landschaftsverband Rheinland, FB Sozialhilfe, Köln) einen Ausblick auf Zuordnungs- und Rechenmodelle, die für die länderspezifischen Vereinbarungen Pate stehen könnten. Neben der differenzierten Berechnung von existenzsichernden Leistungen und Fachleistungen stellt die Umstellung von der bisherigen Anrechnung von Einkommen und dessen Einzug durch die Leistungsträger auf ein Kostenbeitragsverfahren eine besondere Herausforderung für die Leistungserbringer dar. In der Suchthilfe ist mit einem Aufwand durch Forderungsmanagement zu rechnen – keine verlockende Aussicht für die Verwaltungen der Einrichtungen und sicherlich auch eine Herausforderung für die multiprofessionellen Betreuungsteams. Es darf mit einem weiteren Diskurs zum Wert Sozialer Arbeit gerechnet werden.
Die Tagungsbeiträge stehen – wie auch die Präsentationen der vorangegangenen Fachtage – auf der Homepage des buss zum Download bereit (www.suchthilfe.de > Veranstaltungen > Workshops).
Text: Martina Tranel
Mitglied der Vorbereitungsgruppe Fachtag für Soziotherapeutische Einrichtungen, Veranstalter: buss e.V.
Dipl.-Sozialarbeiterin/Dipl.-Sozialpädagogin, Sucht- und Sozialtherapeutin
Leiterin der Einrichtung Theresienhaus, Glandorf, CRT – Caritas Reha und Teilhabe GmbH
Vorstandsmitglied der DGSAS – Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit in der Suchthilfe e.V.
Springer-Verlag, Berlin 2017, 541 Seiten, € 54,99, ISBN 978-3-662-54631-4, auch als E-Book erhältlich
Der Fehlzeiten-Report, der jährlich als Buch erscheint, informiert umfassend über die Struktur und Entwicklung des Krankenstandes der Beschäftigten in der deutschen Wirtschaft und beleuchtet dabei detailliert einzelne Branchen. Der Fehlzeiten-Report 2017 fokussiert im aktuellen Schwerpunkt das Thema „Krise und Gesundheit“ und beleuchtet es aus gesellschaftlicher, unternehmerischer und individueller Perspektive. Es wird aufgezeigt, welche Rolle das Betriebliche Gesundheitsmanagement für die Prävention und Bewältigung von Krisen spielen kann. 28 Fachbeiträge erörtern u. a.:
Von welchen Krisen können Beschäftigte im Laufe ihres Berufslebens betroffen sein?
Auf welche Weise bewältigen Unternehmen neue Herausforderungen wie die digitale Transformation oder Wachstumskrisen?
Wie können Unternehmen bei kritischen Lebensereignissen Hilfestellung leisten?
Welche Empfehlungen lassen sich aus theoretischen Präventionsmodellen und praktischen Erfahrungen ableiten?
Welche Konzepte und Angebote bietet ein Betriebliches Gesundheitsmanagement, um individuelle und betriebliche Krisen zu meistern?
Darüber hinaus machen umfassende Daten und Analysen den Fehlzeiten-Report zu einem wertvollen Ratgeber für alle, die Verantwortung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen tragen.