Autor: Simone Schwarzer

  • Partnerschaft und Alkohol

    Pabst Science Publishers, Lengerich 2012, 288 Seiten, € 25,00, ISBN 978-3-89967-804-8

    Das Buch bietet eine Übersicht über psychologische und soziologische Aspekte der Partnerschaft mit Alkoholabhängigen. Unter Berücksichtigung von Kultur-, Gender- und Generationenfaktoren wird die geschichtliche Entwicklung der Behandlung der Partner/innen betrachtet, der heutige Stand wird geschildert, gesellschaftliche Zusammenhänge werden für den deutschsprachigen Raum und Europa beleuchtet und in Bezug zu weltweiten Begebenheiten gesetzt. Das Wohl der Angehörigen, der Partner/innen steht im Mittelpunkt. Theorien aus der Gesundheits-, Stress- und Traumaforschung, Paardynamiken (negative Kommunikation, Gewalt etc.) und innerpsychisches Geschehen (wie Hilflosigkeit, Hoffnung etc.) werden in Bezug zum Umgang mit Alkoholabhängigen gesetzt. Des Weiteren widmet sich ein Kapitel besonders den Auswirkungen auf die gemeinsame Elternschaft, ein anderes den transgenerationalen Weitergaben.

    Gesunde Zukunftsentwürfe basieren auf Hoffnung und einer positiven Vision für die Zukunft. Es wird hier diskutiert, wie realisierbare Entwürfe für die Zukunft im Zusammenleben mit Alkoholabhängigen entstehen könnten.

  • Achtsamkeit in der Suchttherapie

    Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2017, 192 Seiten, € 32,00, ISBN 978-3-17-030623-3, auch als E-Book erhältlich

    Unangenehme Gefühle und Gedanken, innere Anspannung und Craving als drängender Handlungsimpuls sind zentrale Bestandteile von Suchttherapie. Achtsamkeitsbasierte Ansätze in der Suchttherapie fokussieren hierbei nicht auf Veränderung, sondern auf die Fähigkeit, diese schwierigen Gedanken, Gefühle und Handlungsimpulse mitfühlend anzuschauen, ohne diesen folgen zu müssen. Erstmals im deutschsprachigen Raum gibt dieses Buch einen Überblick über achtsamkeitsbasierte Ansätze in der Suchttherapie. Ausführlich dargestellt werden die „Achtsamkeitsbasierte Rückfallprävention bei Substanzabhängigkeit – das MBRP Programm“, das „DBT-S-Programm“ sowie die Prinzipien von Selbstmitgefühl.

  • Frauen im Kreislauf von Gewalt und Sucht

    Trotz der fachlich unumstrittenen komplexen Wechselwirkung zwischen Sucht und Gewalt agieren zuständige Hilfesysteme bislang in der Regel getrennt voneinander. In den vergangenen drei Jahren ist im Rahmen des Bundesmodellprojektes GeSA (Gewalt-Sucht-Ausweg) an zwei Standorten in Mecklenburg-Vorpommern der Aufbau von Kooperationsstrukturen zur Unterstützung von Frauen im Kreislauf von Gewalt und Sucht unter Beteiligung von Einrichtungen verschiedener Hilfesysteme gelungen.

    Nun startet GeSA in das vierte Jahr. Ein wichtiger Auftrag ist in diesem Jahr, Einrichtungen in vier weiteren Regionen bundesweit beim Aufbau ähnlicher Kooperationsstrukturen zwischen Suchthilfe, Gewaltschutzeinrichtungen und anderen tangierenden Hilfesystemen zu unterstützen. Dieser Auftrag kann Folgendes umfassen:

    • einen Erstkontakt mit interessierten Einrichtung vor Ort
      + Kennenlernen
      + Klärung von Zielen, Erwartungen und Unterstützungsbedarf
      + Präsentation von GeSA: Möglichkeiten und Grenzen
      + Austausch zu möglichen regionalen Kooperationspartner/innen
    • Begleitung eines ersten Netzwerktreffens mit möglichen Kooperationspartner/innen der Region
      + Einführung in die Thematik
      + Analyse der Ist-Situation
      + Austausch zu Bedarfen
      + Entwicklung von Vorstellungen über die Form der Kooperation und praktische Umsetzung
      + Festlegung der nächsten Handlungsschritte
    • Nachbereitungstreffen mit der initiierenden Einrichtung
      + Reflexion fördernder/hemmender Bedingungen für die Kooperation
      + Planung des weiteren Vorgehens

    Dieses Beratungsangebot ist Bestandteil des Auftrages im Rahmen des Bundesmodellprojektes GeSA. Es entstehen keine zusätzlichen Kosten für die Einrichtungen. Gerne teilen die Mitarbeiterinnen des Projekts im Rahmen dieses Angebotes ihre Erfahrungen aus der dreijährigen Modellphase mit interessierten Einrichtungen, sind aber ebenso neugierig auf die regionalen Unterschiede und andere Ideen und Formen von Kooperation, die sich daraus möglicherweise entwickeln.

    Egal, ob Einrichtunge der Suchthilfe, des Gesundheitswesens, des Gewaltschutzes oder eines tangierenden Arbeitsgebietes – bei Interesse an einer fachübergreifenden Kooperation zu den Themen Sucht und Gewalt und an der Unterstützung durch GeSA sind alle Einrichtungen eingeladen, Kontakt aufzunehmen. Für die weitere Planung und die Koordination der Termine wird bis spätestens 26.03.2018 um Rückmeldung gebeten.

    • Ansprechpartnerinnen:
      + Petra Antoniewski, Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt, Rostock: 0381/440 329 4
      + Christine Voß, Fachdienst Suchthilfe der Caritas, Rostock: 0381/252 323
    • Mailkontakt: gesa@fhf-rostock.de

    Bundesmodellprojekt GeSA, 08.02.2018

  • Kinder suchtkranker Eltern stärken

    Das präventive modulare Gruppenprogramm „Trampolin“ stärkt Kinder aus suchtbelasteten Familien in ihrer eigenen Handlungsfähigkeit und reduziert deren psychische Belastung. Seit Anfang Dezember 2017 entwickelt das Deutsche Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP) der Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen (KatHO NRW) dieses erfolgreiche Konzept mit zusätzlichen achtsamkeitsbasierten Elementen weiter. „Trampolin-Mind“ ist der Titel des neuen Präventionsprogramms.

    Voraussichtlich werden 366 Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren an der klinischen Studie teilnehmen. Mindestens ein Elternteil weist eine Alkohol- oder Drogenproblematik auf, und die Kinder selbst befinden sich in psychiatrischer (jedoch nicht suchtbezogener) Behandlung. Ein Drittel der 366 Kinder wird das neue „Trampolin-Mind“-Programm durchlaufen und ein weiteres Drittel das ursprüngliche Trampolin-Programm. Eine dritte Gruppe erhält das reguläre Therapieangebot ihrer Behandlung. So können die Forscherinnen und Forscher des DISuP die drei Gruppen vergleichen und überprüfen, ob und wie sehr das erweiterte Konzept wirkt.

    „Wir wollen herausfinden, ob die Kinder z. B. besser mit Stresssituationen umgehen können, ob sie weniger aggressiv auftreten oder Ängste und Selbstzweifel zurückgehen, nachdem sie bei den neuen Modulen mitgemacht haben“, erklärt Prof. Dr. Michael Klein, Leiter des DISuP und Professor an der Katholischen Hochschule NRW. „Mit den Erkenntnissen können wir unser Präventionsprogramm Trampolin optimieren und Kinder aus suchtbelasteten Familien weiter psychisch stärken.“

    Das Forschungsprojekt wird in Kooperation mit Kliniken der Kinder- und Jugendpsychiatrie durchgeführt, die sowohl die Zielgruppe rekrutieren als auch das neu standardisierte Kursprogramm von „Trampolin-Mind“ sowie die ursprüngliche Version von „Trampolin“ durchführen werden. Schon das ‚originale‘ Trampolin erfreute sich großer Nachfrage durch Fachkräfte, die in der praktischen Arbeit mit Kindern aus suchtbelasteten Familien tätig sind. „Trampolin“ wurde vom DISuP in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf entwickelt.

    „Trampolin-Mind“ ist ein Teilprojekt, welches im Rahmen des Forschungsverbundes „IMAC‐Mind: Verbesserung der psychischen Gesundheit und Verringerung von Suchtgefahr im Kindes- und Jugendalter durch Achtsamkeit: Mechanismen, Prävention und Behandlung“ durchgeführt wird. Dessen Laufzeit geht vom 1. November 2017 bis zum 31. Oktober 2021 und wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Fördermaßnahme „Gesund – ein Leben lang: Kinder- und Jugendgesundheit“. Koordinator des Verbundprojektes ist das DZSKJ unter der Leitung von Prof. Dr. med. Rainer Thomasius.

    Pressestelle der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, 04.01.2018

  • „Weil sonst keiner zuständig ist …“

    „Weil sonst keiner zuständig ist …“

    Iris Otto
    Prof. Dr. Andreas Koch

    Der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss) ist als Fachverband der bundesweite Zusammenschluss von rund 160 stationären Einrichtungen und Fachabteilungen mit knapp 7.500 Plätzen zur Behandlung und Betreuung suchtkranker Menschen. Zahlreiche Mitgliedseinrichtungen verfügen über spezielle Betreuungskonzepte für die Kinder von suchtkranken Rehabilitanden. Diese Konzepte sind sehr individuell in ihrer fachlichen Ausgestaltung und wurden jeweils in Abstimmung mit dem federführenden Leistungsträger der Deutschen Rentenversicherung entwickelt. Auch die Höhe der Vergütung für diese zusätzliche Betreuungsleistung ist sehr unterschiedlich und folgt keiner einheitlichen Systematik. Dabei ist zu beachten, dass die Rehabilitationsträger bislang nur für die Behandlung der Eltern mit Suchtdiagnose zuständig sind und die Betreuung als so genannte Begleitkinder lediglich über einen Haushaltshilfesatz finanziert wird. Eine weitergehende Unterstützung liegt dann in der Zuständigkeit der Jugendhilfe.

    Einige aktuelle politische Entwicklungen lenken nun aber den Fokus verstärkt auf diese spezielle Zielgruppe: Zum einen sieht das Flexi-Rentengesetz vor, dass die Kinder- und Jugendrehabilitation nun eine Pflichtleistung für die Deutsche Rentenversicherung ist. Zum anderen hat die Bundesdrogenbeauftragte einen fraktionsübergreifenden Beschluss des Bundestages mit initiiert, der eine deutliche Verbesserung der Hilfen für Kinder von psychisch kranken Eltern fordert. Bemerkenswert ist daran, dass auch suchtkranke Eltern explizit genannt werden. Kinder aus suchtbelasteten Familien sind nicht selten psychisch stark belastet. Neben der gesellschaftlichen Verantwortung für den Schutz der Kinder ergibt sich der dringende Handlungsbedarf auch aufgrund der volkswirtschaftlichen Folgekosten bei Vernachlässigung dieser Risikozielgruppe.

    Vor diesem Hintergrund entschied sich der buss, eine verbandsinterne Umfrage zur begleitenden Aufnahme von Kinder in der Suchtrehabilitation durchzuführen, um sich einen Überblick über die Betreuungsangebote, die finanzielle Situation und den Personalmehraufwand in den Einrichtungen zu verschaffen. Über die verbandseigene Webseite www.therapieplaetze.de konnten durch die erweiterte Suche „Eltern mit Kind“ insgesamt 37 Einrichtungen ermittelt und angeschrieben werden. 26 Einrichtungen füllten den Fragebogen aus, neun Einrichtungen nahmen in den Jahren 2015/2016 keine Begleitkinder auf, drei Einrichtungen gaben keine Rückmeldung.

    Betreuungsplätze und Fallzahlen

    Insgesamt stellen diese 26 Einrichtungen 212 Betreuungsplätze für Kinder zur Verfügung und hatten 676 Betreuungsfälle im Jahr 2015 sowie 665 Fälle im Jahr 2016. Die Altersverteilung der Begleitkinder ist heterogen, die meisten Kinder sind zwischen drei und fünf Jahre alt (43 Prozent). Jeweils etwa gut ein Viertel fällt auf die Gruppe der Kinder unter zwei Jahren und auf die Gruppe der 6- bis 11-Jährigen. In Ausnahmefällen nehmen einzelne Einrichtungen Kinder ab zwölf Jahren auf, also jenseits des Grundschulalters.

    Der überwiegende Teil der Einrichtungen hält bis zu zehn Betreuungsplätze vor. Das Minimum liegt bei drei, das Maximum bei 26 Plätzen (siehe Abbildung 1).

    Abbildung 1: Anzahl der Betreuungsplätze pro Einrichtung

    Betreuungsangebote

    Die Betreuung der Kinder während der Therapiezeiten erfolgt in den meisten Fällen in der Einrichtung oder bei Kooperationspartnern. Die Betreuungsangebote reichen von externer Unterstützung (z. B. Notmütterdienst) bis hin zur Heilpädagogischen Tagesstätte. In Abbildung 2 ist die Häufigkeitsverteilung der Angebote dargestellt (Mehrfachnennung möglich). Insgesamt 13 Einrichtungen bieten unterstützende Maßnahmen zur Betreuung in eigenen Kinder-Einrichtungen an.

    Abbildung 2: Betreuungsangebote in den Einrichtungen

    Einrichtungen, die keine eigene Kindertagesstätte oder einen Kindergarten vorhalten, haben Kooperationsvereinbarungen mit entsprechenden ortsansässigen Anbietern  (siehe Abbildung 3). Jedoch bestehen die meisten Kooperationsvereinbarungen mit Grundschulen (14 Nennungen).

    Abbildung 3: Kooperationsvereinbarungen mit externen Partnern

    Neben einer Grundversorgung der Kinder bestehen weitere Kooperationsvereinbarungen mit folgenden Institutionen:

    • Förder- oder Sonderschule, Schule für Behinderte
    • Frühförderstelle
    • Kinderarzt oder Kinderklinik
    • Ambulante Einrichtung für Kinder von Suchtkranken
    • Kommunaler Fachbereich Familienhilfe und Erziehungsberatung
    • Kreisjugendamt (örtlich zuständiges Landratsamt)
    • Ergotherapie oder Logopädie

    Suchtkranke Eltern sind in vielen Fällen überfordert mit der Erziehung der Kinder. Daher bieten 16 Einrichtungen neben der Betreuung der Kinder auch gemeinsame Unterstützungsangebote für Eltern und Kinder an. Insbesondere Spiel-, Sport- und Freizeitaktivitäten werden genannt. Therapeutische Gesprächsrunden und Interaktionstherapien mit Videoanalyse gehören außerdem zum Portfolio einzelner Einrichtungen. Eltern erhalten Unterstützung in Form von speziellen Gruppenangeboten (Müttergruppe, Indikative Gruppe für Eltern), Elternsprechstunden und Mütter-Kompetenztraining nach dem Programm des Kinderschutzbundes. Im Bedarfsfall finden Krisengespräche statt. Im Zusammenhang mit diesen Angeboten stellt sich für die Einrichtungen ein zusätzliches Problem: Nicht alle genannten Leistungen lassen sich angemessen in der KTL (Klassifikation Therapeutischer Leistungen) abbilden und somit entstehen Nachteile bei der Erfüllung der im Rahmen der Reha-Qualitätssicherung geforderten Standards (bspw. Reha-Therapiestandards).

    Kinder von suchtkranken Eltern benötigen in erheblichem Umfang psychische, soziale, pädagogische und z. T. medizinische Unterstützung. Elf Einrichtungen geben in diesem Zusammenhang an, spezielle Förderprogramme für Kinder vorzuhalten. Je nach Entwicklungsstand des Kindes steht die emotionale, motorische, sprachliche, kognitive und soziale Förderung im Vordergrund. Dazu werden Angebote wie Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie und Frühförderprogramme angesetzt. Entspannungsverfahren, Suchtprävention und angeleitete aktive Freizeitgestaltung gehören ebenso dazu. Drei Einrichtungen verfügen über eine eigene heilpädagogische Tagesstätte. In fünf Einrichtungen werden die Kinder unter Einbeziehung von externen Kooperationspartner betreut.

    Personalausstattung

    Die o. g. besonderen Leistungen können nur mit Hilfe von zusätzlichem Personal bewältigt werden. In den Einrichtungen werden Erzieher/innen (16 Nennungen), Sozialpädagog/innen, Heilpädagog/innen und Therapeut/innen (elf Nennungen), Psycholog/innen bzw. Kinder- und Jugendpsychotherapeut/innen (vier Nennungen) und Kinderkrankenschwestern (vier Nennungen) eingesetzt. Neben Absolvent/innen des FSJ (drei Nennungen) werden auch Sport-/ Ergotherapeut/innen, Sozialassistenz und Tagesmütter genannt. Ein Teil der Einrichtungen holt sich bei Bedarf fachliche Unterstützung auf Honorarbasis.

    Diese vielfältigen und umfassenden Betreuungskonzepte werden mit vergleichsweise geringem Personaleinsatz realisiert. Im Schnitt stehen 0,2 bis 0,3 Vollkräfte pro Betreuungsplatz zur Verfügung (siehe Abbildung 4), dies entspricht etwa zehn Wochenstunden pro Betreuungsplatz. Dieser Umfang ist letztlich der unzureichenden Vergütung geschuldet.

    Abbildung 4: Personalausstattung pro Betreuungsplatz

    Finanzierung

    Für die Aufnahme von Kindern im Rahmen der Suchtrehabilitation der Eltern sehen die Rehabilitationsträger (DRV und GKV) einen tagesgleichen Haushaltshilfesatz vor, der nur die Unterbringung, Verpflegung und Aufsicht abdecken soll, weitere Leistungen werden nicht berücksichtigt. Die Obergrenze für diesen Haushaltshilfesatz liegt derzeit bei 74 Euro und wird jährlich angepasst. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen eine große Spannbreite der Vergütungssätze für begleitende Kinder. 14 Einrichtungen weisen Kostensätze bis 60 Euro aus, sieben Einrichtungen erhalten eine Vergütung in Höhe von 61 bis 70 Euro, und sechs Einrichtungen liegen über 70 Euro (siehe Abbildung 5).

    Abbildung 5: Kostensätze für die Kinderbetreuung (gruppiert)

    Der geringste Kostensatz bei den befragten Einrichtungen lag bei 38,50 Euro. Die betroffene Einrichtung hat den Betrieb des hauseigenen Kindergartens inzwischen wegen der massiven Unterfinanzierung eingestellt. Bei den angegebenen Kostensätzen von über 74 Euro (Obergrenze Haushaltshilfesatz DRV) werden die Differenzbeträge vom Jugendamt übernommen. Hier handelt es sich um einige wenige Einrichtungen mit Behandlungsverträgen in der Jugendhilfe gem. § 78 ff., § 27 i.V. mit § 34, § 35 i.V. mit § 34 SGB VIII. Im Bereich der GKV zahlt die AOK in vier Fällen einen Pflegesatz von 42 Euro, obwohl mit den übrigen Rehabilitationsträgern Tagessätze von 62 bis 74 Euro vereinbart sind.

    Ausblick

    Die Behandlung der suchtkranken Eltern steht im Rahmen der medizinischen Rehabilitation zwar im Vordergrund, aber mindestens die intensive Betreuung der Kinder, wenn nicht sogar die spezifische Behandlung, ist unumgänglich. Eine frühzeitige Intervention stärkt die Kinder in ihrer psychischen und physischen Entwicklung und kann die Ausbildung von psychischen Problemen bis hin zu eigenen Suchterkrankungen verhindern. Die Umfrage zeigt, dass in den Einrichtungen mit viel Engagement versucht wird, den Kindern und ihren Familien zu helfen. Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Betreuungskonzepte teilweise weit über den finanzierten Rahmen hinausgehen. Die Suchtrehabilitationseinrichtungen leisten einen enorm wichtigen Beitrag zur Förderung der Teilhabe von Familien, die von Suchterkrankungen betroffen sind, und es ist sehr bedauerlich, dass es dafür bislang keinen einheitlichen leistungsrechtlichen Rahmen gibt.

    Bei einem Treffen der entsprechenden Mitgliedseinrichtungen des buss im Sommer 2017 wurde der Vorschlag formuliert, eine gemeinsame konzeptionelle Grundlage für die Betreuung von Kindern suchtkranker Eltern im Rahmen der medizinischen Rehabilitation zu schaffen und in diesem Zusammenhang auch eine einheitliche Vergütung von Seiten der Rehabilitationsträger zu fordern. Insbesondere folgende Elemente sollten Teil der gemeinsamen konzeptionellen Grundlage sein:

    • Kindgerechte Unterbringung (Zimmer der Rehabilitand/innen mit Kinderschlafraum, Spielmöglichkeit, Speise- und Aufenthaltsräume, Sicherheit etc.)
    • Kindgerechtes Notfallmanagement (Notfallversorgung, Kinder-Reanimationsmaske etc.)
    • Angebote zur gemeinsamen Freizeitbeschäftigung für Eltern und Kinder
    • Vermittlung von Kompetenzen zur Haushaltsführung und zur Grundversorgung eines Kindes
    • Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern und Förderung der Eltern-Kind-Bindung
    • Feststellung des Förderbedarfs für das Kind und bei Bedarf Einleitung entsprechender Hilfe bzw. Erarbeitung von Nachsorgeempfehlung
    • Bei Bedarf fallbezogene Zusammenarbeit mit dem zuständigen Jugendamt
    • Bei Bedarf Organisation der Vorstellung bei einem Kinderarzt

    Ziel muss es sein, dass für Einrichtungen, die diese Mindeststandards erfüllen, der Höchstsatz für die Haushaltshilfe voll ausgeschöpft wird. Über diese ‚Basisbetreuung‘ hinausgehende Angebote müssen zusätzlich vergütet werden. Eine Möglichkeit wäre in diesem Zusammenhang die Erhöhung des tagesgleichen Vergütungssatzes der Eltern, weil von den Einrichtungen zusätzliche therapeutische Leistungen auch für die Eltern erbracht werden. Notwendig wäre auch eine längere Dauer der Reha, um der Eingewöhnungsphase und den häufigen Erkrankungen der Kinder Rechnung zu tragen. Ganz besondere Anforderungen entstehen zudem für Einrichtungen, die schwangere Patientinnen aufnehmen und diese häufig auch bis zur Geburt und darüber hinaus begleiten. Eine weitere Möglichkeit ist die ‚Co-Finanzierung‘ der Leistungen für die Kinder durch die Jugendhilfe, was in einigen wenigen Fällen schon realisiert wird. Allerdings sind hier nicht unerhebliche Hürden zwischen zwei Versorgungssegmenten (medizinische Rehabilitation und Jugendhilfe) zu überwinden, und das ist von einzelnen Einrichtungen alleine nur mit großer Mühe zu bewältigen.

    Es ist dringend geboten, die Einrichtungen mit Angeboten für begleitend aufgenommene Kinder deutlicher als bisher durch die Leistungsträger zu unterstützen und dabei den gegebenen rechtlichen Rahmen auszuschöpfen sowie nach weiteren Finanzierungsmodellen zu suchen. Damit kann ein entscheidender Beitrag dazu geleistet werden, Kinder suchtkranker Eltern davor zu bewahren, selbst suchtkrank zu werden oder an anderen seelischen oder körperlichen Folgen ein Leben lang zu leiden. Einrichtungen, die Kinder begleitend zur Suchtreha der Eltern aufnehmen und entsprechende Angebote vorhalten, unterstützen die Kinder wesentlich darin, potentielle Einschränkungen in ihrer späteren gesellschaftlichen und beruflichen Entwicklung zu überwinden.

    Der Artikel ist in der Zeitschrift Sozial Extra erschienen:
    Koch, A., Otto, I., „Weil sonst keiner zuständig ist …“ Umfrage zur Mitaufnahme von Kindern in der Suchtrehabilitation, in: Sozial Extra 1/2018, 42, 40-43, DOI 10.1007/s12054-018-0004-8, http://link.springer.com/article/10.1007/s12054-018-0004-8

    Kontakt:

    Prof. Dr. Andreas Koch
    Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss)
    Wilhelmshöher Allee 273
    34131 Kassel
    Tel. 0561/77 93 51
    andreas.koch@suchthilfe.de
    www.suchthilfe.de

    Angaben zu den Autoren:

    Prof. Dr. Andreas Koch ist Geschäftsführer des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. in Kassel und Mitherausgeber von KONTUREN online.
    Iris Otto ist Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. in Kassel und zuständig für Projekte und Auswertungen.

  • Online-Expertenhilfe für Internetabhängigkeit

    Gefördert durch das Bundesministerium für Gesundheit entstand im Rahmen des Projekts „Screening Problematischer InternetNutzung: Implementierung und Translation“ (SPIN-IT) die Homepage www.dia-net.com zur Diagnostik von Internetabhängigkeit. Diese bietet Hilfestellung für Beratungsstellen, Psychologen, Ärzte, Sozialarbeiter und weitere Helfer im Umgang mit internetbezogenen Störungen. Auf der Homepage finden sich Tools, um internetbezogene Störungen identifizieren und diagnostizieren zu können, sowie hilfreiche Informationen zum Krankheitsbild und Adressen für weitere Hilfemaßnahmen. Hervorzuheben aus dem Angebot sind besonders die ausführliche vollstandardisierte Online-Diagnostik zur direkten Durchführung im Netz und das neuartige Kurzscreening „Short CIUS“. Das Screening sowie weitere hilfreiche Materialien können unter www.dia-net.com > Materialien direkt heruntergeladen oder bestellt werden.

    Arbeitsgruppe DIA-NET der Forschungsgruppe S:TEP, Universität zu Lübeck, 30.01.2018

  • Angebot an Online-Glücksspielen wächst

    Die BZgA-Broschüre „Wetten, du gibst alles?“ zum Thema Sportwetten gibt es in den Sprachen Arabisch, Englisch, Polnisch, Russisch und Türkisch.

    Anlässlich des Safer Internet Day am 6. Februar 2018 informiert die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) über Suchtrisiken, die mit der weiten Verbreitung von Online-Glücks- und Computerspielen einhergehen.

    Online-Glücksspiele erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Ob Poker, Casinospiele oder Sportwetten – online sind diese Glücksspiele am PC, Tablet oder Smartphone rund um die Uhr verfügbar. Immer mehr Menschen, aktuell rund 725.000, nutzen die Möglichkeit zum Online-Glücksspiel. Das zeigen die Ergebnisse der bundesweiten Repräsentativbefragung der BZgA  „Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland 2015“. BZgA-Studiendaten belegen zudem, dass eine problematische Nutzung von Internetangeboten und Computerspielen unter jungen Menschen in Deutschland verbreitet ist: 22,4 Prozent der Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren und 14,9 Prozent der jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren nutzen die Angebote exzessiv und riskieren damit negative gesundheitliche Folgen oder den Verlust sozialer Kontakte.

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler: „Aufgrund der rasanten digitalen Entwicklung und des ständig wachsenden Angebotes im Netz müssen Kinder und Jugendliche umfassender geschützt werden! Um ein problematisches Spielverhalten frühzeitig zu verhindern, müssen sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt sein als auch Aufklärung und Jugendschutz gestärkt werden. Außerdem ist es höchste Zeit, dass sich die zuständigen Länder endlich auf eine Novelle des Glücksspielstaatsvertrages einigen, mit der die Grenze zwischen legalem und illegalem Glücksspiel im Internet klar gezogen wird.“

    Dr. Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA: „Der Zugang zu Online-Computerspielen und Online-Glücksspielen ist insbesondere über mobile Endgeräte praktisch immer und überall verfügbar. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass die Grenze zwischen Online-Computerspielen und Online-Glücksspielen, bei denen der Zufall über Geldgewinne und -verluste entscheidet, verschwimmt. Vor allem junge Menschen, die gerne Onlinespiele nutzen, müssen daher die Risiken des Glücksspiels kennen, um nicht nach Verlusten erneut spielen zu wollen und so in die Abhängigkeit zu geraten.“

    Die BZgA informiert auf der Internetseite www.check-dein-spiel.de über die Risiken von Online-Glücksspielen und sonstigen Glücksspielen. Mit einem Selbsttest kann jeder das eigene Glücksspielverhalten überprüfen und sich bei Bedarf mit einem Programm zur Verhaltensänderung unterstützen lassen. Wer bereits von einer Glücksspielsuchtproblematik betroffen ist, findet Informationen über wohnortnahe Beratungsstellen. Außerdem können sich Glücksspiel-Nutzende, deren Angehörige oder am Thema Interessierte bei der kostenfreien BZgA-Telefonberatung zur Glücksspielsuchtprävention persönlich und anonym beraten lassen.

    BZgA-Angebote zur Glücksspielsuchtprävention:

    • Informationen im Internet unter http://www.check-dein-spiel.de
    • Telefonische Beratung zu Glücksspielsucht unter der kostenfreien und anonymen Rufnummer 0800-137 27 00
    • Kostenloses, anonymes türkischsprachiges Beratungstelefon zum Thema Glücksspielsucht unter der Rufnummer 0800-326 47 62
    • Broschüren und Flyer zum Thema Glücksspielsucht für Betroffene, Angehörige und Jugendliche auf Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch, Arabisch und Türkisch. Die Informationsmaterialien zum Download und zur kostenfreien Bestellung finden sich auf http://www.bzga.de/infomaterialien/gluecksspielsucht/

    Gemeinsame Pressemitteilung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 02.02.2018