Autor: Simone Schwarzer

  • „Das Stigma von Suchterkrankungen verstehen und überwinden“

    Im September 2016 fand in Greifswald gemeinsam mit der DG-Sucht eine vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Klausurwoche zum Thema „Das Stigma von Suchterkrankungen verstehen und überwinden“ statt. Die Ergebnisse der Tagung, die federführend von Georg Schomerus, einem international angesehenen Stigmaforscher von der Universität Greifswald, in Kooperation mit Annemarie Heberlein (Medizinische Hochschule Hannover) und Hans-Jürgen Rumpf (Universität zu Lübeck) durchgeführt wurde, liegen seit Frühjahr 2017 in Form eines Memorandums vor. Das Memorandum wurde von einer interdisziplinären und internationalen Gruppe von Wissenschaftlern, Praktikern und Betroffenen konsentiert und unternimmt den Versuch, das Phänomen der Stigmatisierung von Menschen mit Suchtkrankheiten zu erklären und Wege aufzuzeigen, wie ein stigmafreier Umgang mit Suchtkrankheiten aussehen kann. Zu folgenden Bereichen werden Empfehlungen formuliert: Empowerment, qualitative Verbesserungen im Hilfesystem, konzeptionelle und rechtliche Weiterentwicklungen, Forschung sowie Koordination und Kommunikation der Anti-Stigma Aktivitäten.

    Seit seinem Erscheinen wurde das Memorandum im Rahmen verschiedener Fachveranstaltungen vorgestellt und diskutiert, u. a. auf dem Deutschen Suchtkongress 2017, der Mitte September in Lübeck stattgefunden hat. Das Memorandum finden Sie hier.

    Quelle: Website der DG-Sucht, September 2017

  • Medien, Nikotin, Alkohol? Mehr Sicherheit im Erziehungsalltag!

    Eltern stehen vor komplexen Erziehungsaufgaben. Sie begleiten ihre Kinder dabei, einen vernünftigen Umgang mit digitalen Medien, aber auch anderen ‚Verführern‘ wie Alkohol und Zigaretten zu entwickeln. Insbesondere die Digitalisierung und die Zunahme an Mobilgeräten verändert die familiäre Kommunikation und verunsichert viele Eltern stark: Die wenigsten Eltern wissen, was ihr Kind im Netz tut und welchen Einfluss WhatsApp, facebook und youtube auf Heranwachsende haben. Gleichzeitig ist der Einfluss der Eltern auf das Gesundheitsverhalten der Kinder sehr viel größer als vermutet. Zentrale Faktoren, die den späteren Substanzkonsum der Kinder beeinflussen, sind das Interesse der Eltern am Freizeitverhalten, nachvollziehbare und durchgesetzte Regeln sowie das vertrauensvolle Gespräch zwischen Eltern und Kind.

    Um Eltern zu motivieren, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen und sich bei Fragen Hilfe zu holen, veröffentlichen die Fachstelle für Suchtprävention Berlin gGmbH und die AOK Nordost – Die Gesundheitskasse drei Kurzfilme im Cartoon-Format, die ‚mit einem Augenzwinkern‘ Tipps im Umgang mit den benannten Themen vermitteln und auf weitere Unterstützungsangebote aufmerksam machen.

    „Das besondere an den Filmen ist, dass sie mit wenig Sprache auskommen und somit auch für Eltern attraktiv sind, die nicht so gerne lange Informationsbroschüren lesen oder dies vielleicht auch nicht gut können“, so Kerstin Jüngling, Geschäftsführerin der Fachstelle für Suchtprävention Berlin gGmbH. „Besonders freuen würde es uns, wenn die Filme von Eltern an andere Eltern verschickt und weitergegeben werden und somit möglichst viele Familien erreichen.“

    Werner Mall, Leiter des Unternehmensbereichs Prävention der AOK Nordost – Die Gesundheitskasse, betont: „Eltern sind Vorbilder für ihre Kinder, auch im Umgang mit Medien und Suchtmitteln wie Nikotin und Alkohol. Mit dem Programm „8 bis 12“ wollen wir Eltern in ihrer Erziehungskompetenz stärken. Die Kurzfilme, die im Rahmen des Programmes nun produziert wurden, transportieren Themen der Gesundheitsförderung und Suchtprävention direkt in die Familien.“

    Die Filme stehen der Öffentlichkeit und somit allen Familien auf www.8bis12.de, auf facebook sowie dem youtube-Kanal der Fachstelle für Suchtprävention Berlin gGmbH zur Verfügung.

    Pressemitteilung der Fachstelle für Suchtprävention Berlin gGmbH und der AOK Nordost – Die Gesundheitskasse, 08.09.2017

  • Hilfe gegen Heißhungeranfälle

    Professorin Dr. Martina de Zwaan. Foto: MHH/Kaiser

    Die Binge-Eating-Störung kann mit kognitiver Verhaltenstherapie behandelt werden. Aber auch ein verhaltenstherapeutisches Selbsthilfeprogramm, das das Internet nutzt und nicht anonym ist, hilft gut gegen diese Essstörung. Das hat Professorin Dr. Martina de Zwaan, Direktorin der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), gemeinsam mit Professorin Dr. Anja Hilbert von der Universität Leipzig herausgefunden. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift JAMA Psychiatry veröffentlicht.

    Menschen mit einer Binge-Eating-Störung essen bei wiederkehrenden Essanfällen unkontrolliert große Mengen an Lebensmitteln, was zu starkem Übergewicht führen kann. „Die Essanfälle werden meist durch negative Gefühle ausgelöst, die während des Essens unterbrochen werden. Mit Hilfe einer kognitiven Verhaltenstherapie lernen die Betroffenen, ihr Essverhalten zu normalisieren, weitere Gewichtszunahmen zu verhindern und mit ihren psychischen Problemen anders als durch Essen umzugehen“, erklärt Professorin de Zwaan. Doch Therapieplätze sind rar. Deshalb wollten die Forscherinnen herausfinden, ob auch ein bestimmtes Selbsthilfeprogramm hilft, das ebenfalls auf der kognitiven Verhaltenstherapie beruht. Es nutzt das Internet und beinhaltet ein persönliches erstes Gespräch sowie regelmäßige E-Mail-Kontakte mit dem Behandler. „Es kann schnell begonnen und unabhängig von Ort und Zeit durchgeführt werden. Darüber hinaus haben viele Patienten weniger Hemmungen, ein solches Programm durchzuarbeiten, als zu therapeutischen Sitzungen zu gehen“, erklärt Professorin de Zwaan.

    An der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Studie nahmen sieben deutsche Zentren mit insgesamt rund 180 Patientinnen und Patienten teil. Die Behandlung umfasste 20 wöchentliche Kontakte zu Therapeuten über vier Monate. Die Hälfte der Teilnehmenden hatte verhaltenstherapeutische Einzelsitzungen mit Therapeuten, die andere Hälfte im Selbsthilfeprogramm Kontakt per E-Mail. Das Ergebnis: Bei allen Teilnehmern verringerten sich die Essanfälle deutlich. Auch weitere Schwierigkeiten wie beispielsweise depressive Verstimmungen, Ängstlichkeit und die Sorge um das Gewicht nahmen ab.

    Die persönliche Therapie wirkte schneller. Direkt nach der Behandlung und sechs Monate später hatten diese Patienten deutlich weniger Essanfälle als die anderen. Doch nach 18 Monaten hatten sich die Effekte angeglichen. Insgesamt hatten sich bei allen Patienten die Essanfälle verringert. „Diese nicht-anonyme Internet-basierte Therapie stellt somit eine gute Alternative dar. Sie kann auch genutzt werden, um die Zeit bis zum Beginn einer persönlichen Therapie zu überbrücken. Deshalb sollte sie ins Gesundheitssystem integriert werden“, sagt Professorin de Zwaan. Allerdings müsse beachtet werden, dass Suizidalität und andere schwere psychische Leiden, die auch bei Personen mit dieser Essstörung vorkommen, in persönlichen Gesprächen besser behandelt werden können.

    Originalpublikation: http://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/2646394

    Pressestelle der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), 14.08.2017

  • Maßnahmen gegen schädlichen Alkoholkonsum

    Europa hat den höchsten Alkoholkonsum und die höchste damit zusammenhängende Krankheitslast in der Welt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen Bericht über die Anstrengungen der europäischen Staaten zur Reduzierung des schädlichen Alkoholkonsums vorgelegt. Deutschland schneidet dabei in vielen Bereichen nur mittelmäßig, häufig sogar als Schlusslicht ab. „Der Bericht macht deutlich, dass die deutsche Politik dringend Maßnahmen gegen den hohen Alkoholkonsum ergreifen muss“, erklärte Dr. Dietrich Garlichs, Sprecher der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK).

    Im Jahr 2011 hatten alle 53 Mitgliedsstaaten der europäischen WHO-Region dem „European action plan to reduce the harmful use of alcohol 2012–2020“ (EAPA) zugestimmt. Ziel des Aktionsplans ist es, mithilfe verschiedener Maßnahmen wie Preispolitik, Prävention am Arbeitsplatz, Promillegrenzen für Autofahrer, Altersbeschränkungen bei der Abgabe sowie Einschränkungen von Marketing und Werbung alkoholassoziierte Probleme zu reduzieren. Jetzt hat die WHO überprüft, inwiefern die Mitgliedsstaaten die empfohlenen Maßnahmen umgesetzt haben – und legt den Bericht „Policy in action. A tool for measuring alcohol policy implementation“ vor.

    Betrachtet man die Staaten im Detail, zeigt die Auswertung: Deutschland liegt im Bereich Politik/Aufklärung von 29 Ländern auf dem 23. Platz, im Bereich Prävention am Arbeitsplatz/in der Kommune von 29 Ländern zusammen mit Österreich auf dem vorletzten Rang, bei Maßnahmen gegen Alkohol am Steuer von 30 Ländern auf dem 26. Platz und bei den Maßnahmen gegen illegalen Handel und Herstellung von Alkohol auf der vorletzten Position von 53 Staaten. „Was die Einschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol angeht, bilden wir unter 30 Ländern sogar das Schlusslicht“, erläutert Dr. Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg. Lediglich bei Marketingbeschränkungen und Maßnahmen zur Verringerung der negativen Auswirkungen des schädlichen Alkoholkonsums belegt Deutschland mittlere Plätze, das heißt Rang zwölf von 30 bzw. 15 von 31.

    „Der WHO-Bericht macht deutlich, dass in Deutschland noch Handlungsbedarf besteht, was die Verringerung des schädlichen Alkoholkonsums betrifft“, resümiert Mons. „Hier sind die politisch Verantwortlichen gefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Alkoholsteuern und Erhebung nach Alkoholgehalt sowie eine einheitliche Altersgrenze von 18 Jahren für die Abgabe von Alkohol und den Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit.“

    Download „Policy in action: A tool for measuring alcohol policy implementation (2017)”
    Die Ergebnisse für einzelne Länder finden Sie hier.

    Pressestelle der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), 28.07.2017

  • Deutschland, die Raucherecke Europas?

    Jeder vierte Erwachsene in Deutschland greift regelmäßig zur Zigarette. Damit liegt die Zahl der Raucher hierzulande höher als in den meisten anderen Industrieländern. In einem aktuellen Report der Weltgesundheitsorganisation (WHO) schneidet die Bundesrepublik in Sachen Tabakkontrolle im Vergleich zu anderen Ländern schlecht ab. Seit Einführung der ‚Schockbilder‘ habe die Bundesregierung keine weiteren Maßnahmen mehr eingeleitet, kritisiert die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Die Fachgesellschaft fordert unter anderem ein komplettes Werbeverbot für Tabakwaren sowie professionelle Entwöhnungsprogramme auf Rezept.

    Nur Österreich schneidet im europäischen Vergleich noch schlechter ab als Deutschland, wenn es darum geht, Maßnahmen gegen das Rauchen einzuführen. Nur hierzulande dürfen Tabakkonzerne noch auf Plakaten oder Großveranstaltungen wie etwa Musikfestivals für ihre Produkte werben. „Ein umfassendes Werbeverbot wäre wichtig, damit junge Leute gar nicht erst mit dem Rauchen anfangen“, sagt Professor Dr. med. Berthold Jany, Pastpräsident der DGP. Ein solches Verbot ist im Bundestag auf absehbare Zeit jedoch nicht geplant. Von den Empfehlungen der WHO zur Tabakkontrolle hat die deutsche Regierung zuletzt die Schockbilder auf Zigarettenpackungen und das Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und Gaststätten umgesetzt.

    Auch das Gesundheitssystem berücksichtige die Folgen des Rauchens und der Abhängigkeit noch zu wenig, fügt Jany hinzu. „Rauchen ist kein Lifestyle-Problem, sondern eine Sucht – deshalb scheitern die meisten Raucher, wenn sie ohne professionelle Hilfe versuchen aufzuhören“, erklärt der Chefarzt der Abteilung Innere Medizin im Klinikum Würzburg Mitte. Wirksame Hilfen bieten Medikamente, die den Drang zu rauchen unterdrücken, medizinische Beratung und verhaltenstherapeutische Programme. Eine Entwöhnung auf Rezept gibt es in Deutschland aber nicht: Die meisten Kurse und wirksame Medikamente muss der Raucher aus eigener Tasche bezahlen.

    Rauchen schadet fast jedem Organ im menschlichen Körper und ist der wichtigste vermeidbare Risikofaktor für Krebs, Herz-Kreislauf-Schäden und chronische Lungenerkrankungen. Über 13 Prozent aller Todesfälle in Deutschland gehen auf den Konsum von Zigaretten zurück. Trotz der gesundheitlichen Gefahren fehlt es in Deutschland jedoch an effektiven Aufklärungskampagnen, die vor den Folgen des Rauchens warnen. In Ländern wie Kanada, Indien, Großbritannien oder die Türkei, die in den vergangenen zehn Jahren umfassende Rauchverbote eingeführt und nationale Programme zum Rauchstopp gestartet haben, ging der Anteil der Raucher hingegen deutlich zurück. „Die Maßnahmen der WHO haben sich in Untersuchungen als wirksam erwiesen und sind auch für Länder mit kleinem Budget umsetzbar“, betont Jany. „Es wird Zeit, dass Deutschland dem guten Beispiel anderer Industrienationen folgt.“

    Publikation:
    World Health Organization: WHO-report on the global tobacco epidemic, 2017 – Monitoring tobacco use and prevention policies. http://www.who.int/mediacentre/news/releases/2017/tobacco-report/en/

    Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), 02.08.2017

  • Verhaltenstherapie in der Praxis

    Beltz Verlag, Weinheim 2017, 1.009 Seiten, ISBN 978-3-621-28447-9, € 89,00, auch als E-Book erhältlich

    Die Verhaltenstherapie ist im Fluss, sie entwickelt sich stetig weiter und behält doch ihre Identität. Das umfassende Lehrbuch vermittelt Psychotherapeuten in Ausbildung, zu Beginn der Berufstätigkeit, aber auch nach langjähriger Berufserfahrung das Handwerkszeug moderner Verhaltenstherapie und stellt aktuelle Weiterentwicklungen dar.

    Die Herausgeber Eva-Lotta Brakemeier und Frank Jacobi verfolgen das Leitbild, wissenschaftlich fundierte Methoden in die Praxis umzusetzen. Gemeinsam mit zahlreichen renommierten Autoren stellen sie verhaltenstherapeutische Strategien, Techniken und Haltungen mithilfe anschaulicher Fallbeispiele und Therapiedialoge vor. Zudem werden besondere Herausforderungen aus der professionellen Praxis behandelt wie etwa Nebenwirkungen von Psychotherapie, interkulturelle Aspekte und schwierige Situationen zu Therapiebeginn.

    Zu den Inhalten des Buches liegt auch das Beltz Video-Learning „Verhaltenstherapie in der Praxis“ vor, das zeitgleich erschienen ist: 3 DVDs mit 625 Minuten Laufzeit, ISBN 978-3-621-28348-9,
    € 129,00.

    Um psychotherapeutische Expertise zu erwerben, ist das Zuschauen – also der unmittelbare Einblick in den Psychotherapieraum – eines der wichtigsten didaktischen Mittel. Die vorliegenden DVDs zeigen einen Querschnitt wichtiger Strategien und Techniken der klassischen und modernen Verhaltenstherapie – sowohl im einzel- als auch im gruppentherapeutischen Setting. Inhalt:

    • DVD 1: Störungsorientierte Verhaltenstherapie: Fallbeispiele
    • DVD 2: Die »dritte Welle« der Verhaltenstherapie
    • DVD 3: Transdiagnostische Techniken, besondere Probleme und Settings

    Buch und DVDs gibt es auch im Set zum Sonderpreis.

  • 19. Deutscher Bundestag

    Rechtzeitig vor der Bundestagswahl am 24. September veröffentlicht der Fachverband Sucht e.V. (FVS) als Vorabdruck von SuchtAktuell „Fragen und Antworten zur Drogen- und Suchtpolitik der Parteien“. Befragt wurden hierfür ausschließlich die aktuell im Bundestag vertretenen Bundesparteien. Der FVS dankt insbesondere folgenden Personen, welche für ihre jeweilige Partei/en geantwortet haben

    • Emmi Zeulner, CDU/CSU
    • Burkhard Blienert, SPD
    • Dr. Harald Terpe, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
    • Frank Tempel, DIE LINKE

    Es zeigen sich hinsichtlich der Ausrichtung der bundesweit tätigen Parteien Gemeinsamkeiten (z. B. Bedeutung der Prävention), aber auch deutliche Unterschiede. So befürworten die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE – im Unterschied zur CDU/CSU – beispielsweise eine grundsätzliche Wende in der Drogenpolitik (s. Frage 1). Die SPD spricht sich für kommunale Modellprojekte zur regulierten Abgabe von Cannabis aus.

    Der FVS will an dieser Stelle die Ausführungen nicht kommentieren, sondern es den Leser/innen überlassen, diese zu bewerten. Wir können auf die Wahlen am 24. September 2017 gespannt sein, es wird sich danach zeigen, welche der dargelegten Positionen zur Drogen- und Suchtpolitik sich – auch im Rahmen der danach anstehenden Koalitionsvereinbarung – durchsetzen werden.

    Unabhängig von der zukünftigen politischen Konstellation befürwortet es der Fachverband Sucht e.V. (FVS) aber, wenn auch in der 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags ein Nationaler Drogen- und Suchtrat eingerichtet wird, in dem Experten und Sachverständige aus den Bereichen Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Selbsthilfe, Verbände und Einrichtungen der Suchthilfe/-behandlung und des Gesundheitswesens zusammenkommen. Dessen Arbeit hat sich in der Vergangenheit bereits als wertvolle Unterstützung der Arbeit der bisherigen Drogenbeauftragten der Bundesregierung erwiesen. Der FVS ist seinerseits gerne dazu bereit, auch in der 19. Legislaturperiode seine Expertise dort einzubringen und die Arbeit des/der zukünftigen Drogenbeauftragten entsprechend zu unterstützen.

    Der Vorabdruck von SuchtAktuell steht hier zum Download zur Verfügung.

    Dr. Volker Weissinger, Geschäftsführer Fachverband Sucht e.V., im August 2017

  • Medizinisches Cannabis – eine praxisbezogene Hilfestellung

    Die Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen (BAS) ist eine interdisziplinäre Fachgesellschaft, die auf klinisch wie wissenschaftlich erfahrene Suchtmediziner zurückgreifen kann. Auf diese Weise versucht die BAS für Fragen aus der Praxis der Suchtherapie und Suchtprävention wissenschaftliche Antworten zu liefern und gegebenenfalls auch diese Fragen als Anregung für die Forschung zu vermitteln.

    Durch das Gesetz „Cannabis als Medizin“ vom 10.03.2017 und die damit einhergehenden Änderungen des Sozialgesetzbuches (SGB V) wie auch die Novellierung des BtMG wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, um Cannabis im Rahmen einer ärztlichen Therapie zu verordnen. Bereits zugelassene Fertigarzneimittel auf Cannabisbasis (Canemes® und Sativex®) bleiben verschreibungsfähig, ebenso wie zugelassene Ausgangsstoffe (Dronabinol) zur Herstellung von Rezepturen.

    Die Novellierung wurde begleitet durch viele Presseberichte, die Heilserwartungen weckten, die nicht gut gesichert sind. Die Ärzteschaft sieht sich einerseits intensiven Patientenwünschen gegenübergestellt und kann auf der anderen Seite nur auf eine begrenzte Datenlage zu Wirksamkeit und Risiken von Cannabis im Sinne von evidenzbasierten Forschungsergebnissen zurückgreifen. Nicht zuletzt ist auch hier, wie bei vielen Betäubungsmitteln, das Risiko einer iatrogenen Suchtentwicklung gegen den zu erwartenden Nutzen abzuwägen.

    Die BAS stellt deshalb – ergänzend zu den im Anhang aufgeführten Publikationen – die Handreichung „Medizinisches Cannabis – eine praxisbezogene Hilfestellung“ vor, in der die wichtigsten Fragen zur Verschreibung von medizinischem Cannabis unter Berücksichtigung suchtmedizinischer Erfahrung zusammengefasst werden sollen.

    Die Handreichung informiert über folgende Themenbereiche: gesetzlicher Rahmen, Hauptwirkstoffe des Cannabis und davon abgeleiteter Stoffe, Indikationen und Dosierung, Nutzen-Risiko-Abwägung, Kostenerstattung sowie Dokumentationsaufwand und Aufklärungspflicht.

    Quelle: Pogarell O., Fahrmbacher-Lutz C., Tretter F. & Erbas B.: Medizinisches Cannabis – eine praxisbezogene Hilfestellung. Informationspapier der Bayerischen Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen, 2017, Präambel S. 1.

  • Die SEEWOLF-Studie

    Lambertus Verlag, Freiburg im Breisgau 2017, 324 Seiten, € 26,00, ISBN 978-3-7841-2910-5

    Die SEEWOLF-Studie untersucht den psychischen und körperlichen Gesundheitszustand wohnungsloser Menschen im Großraum München. Neben Häufigkeit, Art und Ausmaß psychischer und körperlicher Erkrankungen wird erstmals in Deutschland auch die kognitive Leistungsfähigkeit wohnungsloser Menschen untersucht. Ziel der Studie ist es, auf Grundlage dieser Erhebungen zu analysieren, inwieweit die aktuellen Versorgungsstrukturen den Bedürfnissen der Wohnungslosen entsprechen.

  • Lungenkrebs durch Passivrauchen

    Passivraucher haben genau wie Raucher ein erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Doch die Zahl der auf Passivrauchen zurückzuführenden Todesfälle an Lungenkrebs ist in den vergangenen 20 Jahren trotz einer allgemein alternden Bevölkerung gesunken. Das haben Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) in einer Studie ermittelt, die sie im International Journal of Public Health veröffentlicht haben. Als Vergleich diente eine Studie, die UKE-Studienleiter Prof. Dr. Heiko Becher bereits 1994 mit den damals aktuellen Zahlen durchgeführt hatte. Die Forscher gehen davon aus, dass der Rückgang auf den seitdem gestiegenen Schutz der Nichtraucher zurückzuführen ist.

    Im Jahr 2012 sind rund 47.000 Menschen an Lungenkrebs gestorben. Darunter waren etwa 41.000 Raucher und damit rund 6.000 Nichtraucher. Basierend auf diesen Zahlen haben die Wissenschaftler errechnet, dass 7,6 Prozent der männlichen und 4,7 Prozent der weiblichen Lungenkrebstodesfälle bei den Nichtrauchern auf Passivrauch zurückzuführen sind.

    „Nach unseren Schätzungen sind pro Jahr 167 Lungenkrebstodesfälle auf Passivrauchen zurückzuführen. Diese Zahl ist im Vergleich zum Jahr 1994 deutlich gesunken, damals waren es 400. Trotz der Alterung der Bevölkerung und einem daraus folgenden Anstieg der Krebstodesfälle insgesamt sind damit deutlich weniger Todesfälle an Lungenkrebs durch Passivrauchen als vor 20 Jahren zu beklagen. Dieser positive Trend sollte durch weitere Maßnahmen im Bereich des Nichtraucherschutzes gestärkt werden“, sagt Prof. Dr. Heiko Becher, Studienleiter und Direktor des Instituts für Medizinische Biometrie und Epidemiologie des UKE.

    Insgesamt waren im Jahr 2012 ein Viertel der nichtrauchenden Frauen und etwa 40 Prozent der nichtrauchenden Männer Passivrauch ausgesetzt. 1994, als in Deutschland zuletzt eine Risikobewertung von Passivrauchen durchgeführt wurde, waren noch etwa 60 Prozent der Männer und 70 Prozent der Frauen passivrauchexponiert, das heißt, sie waren durch den rauchenden Partner, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit Zigarettenrauch ausgesetzt.

    Literatur:
    Becher H, Behlau M, Winkler V, Aigner A. Estimating lung cancer mortality attributable to second hand smoke exposure in Germany. International Journal of Public Health, 2017. http://rdcu.be/uAWl

    Pressestelle des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), 31.07.2017