Autor: Simone Schwarzer

  • Drogenabhängige zwischen Therapie und Strafe

    Seit über 45 Jahren gibt es ‚Drogenhilfe‘ in Deutschland. Eine der ersten Drogenberatungsstellen wurde 1972 in München eröffnet. Federführend dabei: Alexander Eberth, damals Vereins-, heute Aufsichtsratsvorsitzender von Condrobs e. V., einem der größten deutschen Suchthilfeträger. Im Hauptberuf ist er seit 1972 Rechtsanwalt und hat sich als Experte für Betäubungsmittelrecht einen Namen gemacht. Ein ‚Betäubungsmittelgesetz‘ gibt es in Deutschland seit 1971. 1981 wurde es um die heftig umstrittenen Therapiebestimmungen für betäubungsmittelabhängige Straftäter ergänzt.

    In einem KONTUREN-Interview gab Alexander Eberth Anfang November Auskunft darüber, was in den vergangenen 35 Jahren aus den „Therapie statt Strafe“-Regelungen im Betäubungsmittelgesetz geworden ist. Angesichts der Doppelbelastung, die drogenabhängige Menschen durch ihre Abhängigkeitserkrankung und die Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes erleben, erläuterte er, was Fachkräfte bei der Beratung und Behandlung Drogenabhängiger unbedingt berücksichtigen müssen. Schließlich formulierte er seine Wünsche an die Zukunft der Rechtsprechung im Bereich Betäubungsmittelkriminalität.

    Es bleibt ein desillusionierendes Fazit: Das Betäubungsmittelgesetz mit seinen Therapiebestimmungen hat sich in den vergangenen 35 Jahren zu einem Strafverfolgungsrecht verdichtet. Die Interessen der Drogenabhängigen – Verbesserung und Schutz ihrer Gesundheit – verlieren sich heute in einer rigorosen Verfolgung und dem (Irr)Glauben, durch Verknappung und verschärftes Recht das Drogenproblem in den Griff bekommen zu können. Alle Maßnahmen, die bisher eingeleitet wurden, sind kontraproduktiv, weil sie Drogenabhängige daran hindern, Hilfeangebot anzunehmen, denn sie müssen bei einer Offenlegung ihrer Abhängigkeit immer damit rechnen, dass strafrechtliche Konsequenzen gezogen werden. Das Interview führte Jost Leune vom Fachverband Drogen- und Suchthilfe e. V.

    Jost Leune

  • Das Drogentaschenbuch

    Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2016, 244 Seiten, ISBN 978-3-13-118035-3, 39,99 €, auch als E-Book erhältlich

    9783131180353_cover_rJeder kennt Cannabis, Heroin und Kokain. Die Wirkung sowie die Folgen dieser Drogen sind im Großen und Ganzen auch bekannt. Weitgehend unbekannt dagegen sind die inzwischen durch Head Shops und das Internet verfügbaren psychotropen Substanzen. In diesem Buch sind sämtliche in Europa gängigen Drogen und deren Substanzen aufgelistet, mit den jeweils relevanten Informationen zur Anwendung – Schlucken, Rauchen, Injektion – und zur Wirkungsweise – berauschend, beruhigend oder bewusstseinserweiternd. Ideal, um einen fundierten Überblick zu gewinnen und im Notfall schnell reagieren zu können. Das Buch enthält:

    • eine ausführliche Darstellung der in Europa gängigen psychoaktiven Substanzen und illegalen Drogen,
    • eine Beschreibung der akut und chronischen psychischen Wirkung sowie der akut und chronisch körperlichen Wirkung,
    • Hilfestellungen zu Sofortmaßnahmen bei Intoxikationen und anderen Notfällen,
    • wichtige Informationen und Hintergründe zum deutschen Betäubungsmittelgesetz,
    • alles über Drogenscreenings und andere übliche Untersuchungsmethoden.
  • Arbeit und Beschäftigung für Menschen mit Suchterkrankungen

    beschlussfassg-ag_teilhabe-zentrale_empfehlungen-1Am 26. September stimmte der Drogen- und Suchtrat den Empfehlungen „Arbeit, Beschäftigung und gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Suchterkrankungen“ zu, die von der Unterarbeitsgruppe „Teilhabe am Arbeitsleben“ des Drogen- und Suchtrats der Bundesregierung unter Leitung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) erarbeitet wurden. Die Empfehlungen beschäftigen sich ausführlich mit folgenden Bereichen:

    • Ausgangssituation
    • Spezifische Gruppen und erforderliche Angebote
    • Förderung von Netzwerken und Kooperationen
    • Anforderungen an wesentliche Akteure und Kooperationspartner (Drogenbeauftragte, Kommunen, Agenturen für Arbeit/Jobcenter/Integrationsämter, Arbeitgeber)

    Zu Beginn des Papiers betonen die Verfasser, „dass diese Empfehlungen zur Teilhabe von Menschen mit Suchterkrankungen nicht zu Lasten anderer Personengruppen gehen sollen.“ In diesem Zusammenhang sehen sie einige aktuelle Empfehlungen als besonders vordringlich an, die im Folgenden wiedergegeben werden:

    1. Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation beginnen und anschließende Förderung der beruflichen (Re-)Integration sicherstellen

    • Beratung arbeitsloser Suchtkranker durch Agenturen für Arbeit/Jobcenter sowie die Reha-Fachberater der Rentenversicherung im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit bereits während einer medizinischen Rehabilitationsleistung im Hinblick auf die (Wieder-) Eingliederung in das Erwerbsleben.
    • Sicherstellung der nahtlosen Einleitung von erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen sowie weiterer arbeitsmarktpolitischer Instrumente im Anschluss an eine Entwöhnungsbehandlung.
    • Abschluss einer Vereinbarung der Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit und der kommunalen Spitzenverbände hinsichtlich einer strukturierten und verbindlichen Zusammenarbeit der Jobcenter/Agenturen für Arbeit mit dem Rehabilitationsträger DRV und den Rehabilitationseinrichtungen bei arbeitssuchenden Abhängigkeitskranken in der Entwöhnungsbehandlung.

    2. Suchtspezifische Fachkompetenzen weiterentwickeln

    • Empfehlung, dass jede Agentur für Arbeit bzw. jedes Jobcenter über ein Fachkonzept „Sucht“ mit verbindlichen Regelungen für Arbeitsabläufe, Verfahrensweisen, Qualitätsstandards, Kooperation mit externen Partnern verfügt.
    • Förderung einer fallbezogenen örtlichen Kooperation zwischen den Dienststellen der Leistungsträger gem. SGB II und SGB III und den Suchtberatungsstellen/-einrichtungen gem. § 16a SGB II.

    3. Geeignete arbeitsmarktpolitische Instrumente vorhalten

    • Zurverfügungstellung passgenauer Leistungen zur Förderung der beruflichen Integration in Arbeit und gezielter Vermittlungsaktivitäten für arbeitslose suchtkranke Menschen, die potenziell in den ersten Arbeitsmarkt integrierbar sind, dazu aber eine gezielte Unterstützung und Förderung benötigen.
    • Vorhalten von geeigneten arbeitsmarktpolitischen Instrumenten für langzeitarbeitslose suchtkranke Menschen ohne eine realistische kurz- bzw. mittelfristige Perspektive, im ersten Arbeitsmarkt unterzukommen. Hierzu gehören u. a. passgenaue Arbeitsmarktinstrumente wie die verstärkte Nutzung von z. B. Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, öffentlich geförderte Beschäftigung oder freie Eingliederungsleistungen.
    • Schaffung geförderter Beschäftigungsmöglichkeiten mit individuell gestaltbarem Förderrahmen, in Bezug auf Inhalt und Dauer orientiert am individuellen Bedarf.

    4. Begleitende Aktivitäten sicherstellen

    • Bereitstellung begleitender Aktivitäten – wie z. B. Unterstützung zur Wiedergewinnung einer Tagesstruktur, zur Förderung der Grundfertigkeiten und Eigenverantwortung, zur Aktivierung und Gesundheitsförderung, zur Bewältigung psychosozialer Probleme – als wichtige Bausteine einer Integrationsstrategie, welche sich passgenau an den jeweiligen Bedarfen der verschiedenen Zielgruppen mit entsprechenden Vermittlungshemmnissen ausrichtet.

    5. Integrationsprojekte für Suchtkranke öffnen

    • Öffnung von Integrationsprojekten gem. § 132 SGB IX für Menschen mit Suchterkrankungen, welche langzeitarbeitslos bzw. mehrfach beeinträchtigt sind.

    6. Kooperation und Netzwerke verbindlich gestalten

    • Vernetzung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente mit sozialintegrativen (kommunalen) Angeboten im Rahmen einer ganzheitlich ausgerichteten Integrationsstrategie für arbeitslose suchtkranke Menschen. Diese Vernetzung umfasst neben der Suchtberatung auch den bedarfsgerechten Einbezug weiterer kommunaler Eingliederungsleistungen, z. B. Kinderbetreuung, Schuldnerberatung, psychosoziale Betreuung, Angebote der Gesundheitsförderung, Angebote von Bildungsträgern etc.

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung wird gebeten, sich an die Bundesagentur für Arbeit, die kommunalen Spitzenverbände, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften zu wenden, um diese für die besonderen Belange suchtkranker Menschen zu sensibilisieren und entsprechende Integrationsansätze zu befördern.

    Empfohlen wird darüber hinaus, dass sie einen bundesweiten Kongress ausrichtet, der dem Austausch von Kommunen und anderen Trägern mit bereits bestehenden vielfältigen Beschäftigungsprojekten für schwer vermittelbare Suchtkranke sowie der Förderung und Verbreitung entsprechender Ansätze dient.

    Ferner wird die Drogenbeauftragte gebeten, die Umsetzung dieser Empfehlungen zu überprüfen und den Drogen- und Suchtrat entsprechend darüber zu informieren.

    Quelle: Beschluss des Drogen- und Suchtrates „Teilhabe am Arbeitsleben“ vom 26.09.2016, S. 1–3

  • Suchthilfe in Hamburg

    cover_bado-2015Der Hamburger BADO e. V. ist ein Zusammenschluss der Freien Träger der Suchthilfe in Hamburg und der zuständigen Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz zum Zweck der Dokumentation und Evaluation in der Hamburger Suchthilfe. Er legt aktuell seinen 19. BADO-Bericht vor. Dieser bildet das gesamte ambulante, zuwendungsgeförderte sowie über SGB XII finanzierte Hamburger Suchthilfesystem im Jahr 2015 ab.

    Alkohol ist weiterhin das am meisten konsumierte Suchtmittel in Hamburg. Zu diesem Ergebnis führt die Auswertung der Daten aus 59 Suchthilfeprojekten in Hamburg. Zu beobachten ist aber auch, dass in den letzten fünf Jahren immer mehr Personen die Suchthilfeeinrichtungen wegen des Konsums von Cannabis, Kokain und Amphetaminen aufgesucht haben. Die Statistik für das Jahr 2015 zeigt, dass 54 Prozent der Hilfesuchenden mehr als nur eine Substanz konsumieren. Die Beratung und Betreuung dieser Menschen mit multiplem Substanzgebrauch stellt eine besondere Herausforderung dar.

    Die Studie zeigt, dass Suchtmittelabhängige deutlich von wiederholter Nutzung der Suchthilfeeinrichtungen profitieren. Insgesamt wurden im Jahr 2015 über 15.500 Personen beraten. Über 9.000 Personen, die im Hilfesystem Unterstützung und Hilfe suchten, konsumieren Alkohol, fast 6.400 geben Cannabiskonsums an, und ca. 4.500 kommen aufgrund eines Kokainmissbrauchs. In 4.400 Fällen ist der Konsum von Opiaten dokumentiert.

    Ein weiterer Trend zeigt, dass der Altersdurchschnitt der Klientel steigt. 61 Prozent der Alkoholabhängigen und 45 Prozent der Opiatabhängigen waren älter als 45 Jahre, 15 bzw. 4 Prozent älter als 60 Jahre. Die Suchthilfeeinrichtungen werden in wachsendem Maße Menschen betreuen, die neben den typischen komorbiden Erkrankungen der Sucht zusätzlich altersbedingte Probleme mitbringen.

    Spezialauswertung

    Da ein erheblicher Teil der Suchtmittelabhängigen im Laufe der Jahre wiederholt die Suchthilfeeinrichtungen aufsuchen, wurde in einer Zusatzstudie den Fragen nachgegangen, welche Klientinnen und Klienten längere und erneute Betreuungszeiten in Anspruch nehmen und zu welchen Ergebnissen diese weiteren Betreuungen führen. Als Ergebnis kann festgehalten werden:

    Klientinnen und Klienten mit stärkeren biographischen Vorbelastungen – so z. B. mit schwerer körperlicher Gewalterfahrung, sexueller Gewalterfahrung, Vorstrafen, Haftaufenthalten, Hepatitis C, Arbeitslosigkeit, Suchtmittelabhängigkeit des Partners – hatten im untersuchten Sechs-Jahreszeitraum deutlich längere Betreuungszeiten. Bei einem größeren Anteil der stärker vorbelasteten Personen besteht offensichtlich größerer Hilfebedarf. Eine nachhaltige Stabilisierung erfordert oftmals wiederholte und längere Betreuungszeiten. Als Erfolg muss gewertet werden, dass diese einhergehen mit Reduzierungen der psychischen oder gesundheitlichen Belastungen. Die Betreuten lebten häufiger abstinent hinsichtlich ihrer Hauptdrogen Alkohol, Opiate oder Cannabis. Sie fanden etwas häufiger den Einstieg in die Arbeitswelt und sie lösten etwas häufiger justizielle Probleme. Diese Ergebnisse unterstreichen, dass die Suchthilfeeinrichtungen bei nachfolgenden erneuten längeren Betreuungen zur Stabilisierung von Erreichtem bzw. zu weiteren Verbesserungen sinnvoll genutzt werden.

    Der Statusbericht 2015 kann unter www.bado.de heruntergeladen oder als Printversion bestellt werden: barre.hgst@jugendhilfe.de, Tel. 040 8517350

    Pressestelle des BADO e. V., 31.10.2016

  • Suchtfachverbände besorgt über Prozess zur Überprüfung der Weiterbildungscurricula von Suchttherapeut/innen

    Seit nahezu zwei Jahren befinden sich die Weiterbildungscurricula für Gruppen- und Einzeltherapeut/innen in der Suchtreha im Prüfverfahren für eine erneute Empfehlung zur Anerkennung bei der DRV. Dauer sowie Art und Weise der Überprüfung rufen bei Leistungserbringern und Suchtfachverbänden Besorgnis hervor. In einem Brief an die Deutsche Rentenversicherung hat die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) als Vertreterin der Leistungserbringer im Suchthilfesystem diese Besorgnis zum Ausdruck gebracht. Der Brief wird hier in vollem Umfang wiedergegeben und steht auch als PDF zum Download bereit.

    1r_seiten-aus-2016-10-20-brief-drv-bund-weiterbildung

    2r_seiten-aus-2016-10-20-brief-drv-bund-weiterbildung-2

    3r_seiten-aus-2016-10-20-brief-drv-bund-weiterbildung-3

    Redaktion KONTUREN online, 04.11.2016

  • Tabakprävention in Deutschland: Was hilft wirklich?

    APOLLON University Press, Bremen 2016, 108 Seiten, 24,90 €, ISBN 978-3-943001-26-6

    buchcover_godehardtDer 11. Band der APOLLON Schriftenreihe zur Gesundheitswirtschaft liefert wichtige Erkenntnisse über Präventionsmaßnahmen zur Reduktion des Tabakkonsums und gibt praxisorientierte Handlungsempfehlungen.

    Rund 80 Prozent aller Raucher greifen bereits vor der Volljährigkeit zur Zigarette. Ein vermeidbares Gesundheitsrisiko, das durch eine nachhaltige Verringerung des Konsums oder die Verhinderung des Einstiegs bei Jugendlichen gesenkt werden kann. In dieser Arbeit werden verhältnispräventive Maßnahmen zur Senkung des Raucheranteils unter Jugendlichen miteinander verglichen und bewertet. Im Fokus stehen Zielgruppenansprache, Wirksamkeit und Effizienz der präventiven Handlungen.

    Einleitend beschreibt der Autor Epidemiologie, Kosten und Gesundheitsschäden durch den Tabakkonsum. Im zweiten Kapitel erklärt er den methodischen Hintergrund der Arbeit. Es folgt ein Überblick über die bisherigen präventiven Maßnahmen der Tabakprävention, die anschließend in Hinblick auf die Zielgruppenansprache, Wirksamkeit und Effizienz kritisch beleuchtet werden. Abgerundet durch das Fazit schließt das Buch mit der Ableitung von praktischen Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche Tabakprävention zur Reduktion des Tabakkonsums.

  • Drohender Substanzverlust in der medizinischen Rehabilitation

    cover_investitionsbedarf_reha_2016_rRehabilitationseinrichtungen müssen sämtliche Kosten aus dem Vergütungssatz refinanzieren. Nur wenn auch – neben den Personal- und Sachkosten – die Investitionen in den Erhalt, die Entwicklung und die Modernisierung der Strukturen Berücksichtigung finden, können die Rehabilitationskliniken langfristig ihre Aufgaben erfüllen. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass der Investitionsbedarf in den Rehabilitationskliniken in den nächsten fünf Jahren sehr hoch, die Finanzierung hingegen nicht gesichert ist. Es bedarf deshalb leistungsgerechter Vergütungssätze, fordern die Verbände der Arbeitsgemeinschaft Medizinische Rehabilitation (AG MedReha). Die Umfrage zum Investitionsbedarf in der medizinischen Rehabilitation kann auf der Website der AG MedReha kostenlos heruntergeladen werden.

    Mit der zweiten bundesweiten Befragung zum Investitionsbedarf in der medizinischen Rehabilitation konnte die Validität der ersten Untersuchung bestätigt werden. Die errechneten Beträge zeigen einen erheblichen zusätzlichen Investitionsbedarf zwischen 885 bis 1.029 Millionen Euro pro Jahr für die nächsten fünf Jahre. Es müssen Wege gefunden werden, um den drohenden Substanzverlust aufzuhalten.

    Das monistisch ausgestaltete Vergütungssystem in der Rehabilitation verlangt neben einer ausreichenden Finanzierung der Betriebskosten auch eine entsprechende Finanzierung der Investitionen. Die Vergütung muss den Leistungserbringern bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, ihre Aufwendungen zu finanzieren und ihren Versorgungsvertrag zu erfüllen. Bedarfsgerechte Investitionen in die Rehabilitation sind allein schon im Hinblick auf den volkswirtschaftlichen Mehrwert (Verhinderung von Erwerbsunfähigkeit und Pflegebedürftigkeit) sinnvoll.

    Bisher gibt es jedoch keine entsprechende Grundlage für die Kalkulation und Verhandlung von leistungsgerechten Vergütungssätzen für Rehabilitationsleistungen, welche diese erheblichen Investitionskosten entsprechend berücksichtigt. Die Befragung zeigt die negativen Folgen des intensiven Preiswettbewerbs im Reha-Markt. Viele Rehabilitationseinrichtungen leben von der Substanz und verzichten auf notwendige Investitionen. Dies führt mittel- und langfristig zwangsläufig zu Qualitätsverlusten und Strukturabbau. Neben den Leistungsträgern ist hier vor allem der Gesetzgeber gefordert, entsprechende Grundlagen zu schaffen, indem beispielsweise die Deckelung des Reha-Budgets im Bereich der Rentenversicherung beseitigt wird und die Vereinbarung von Grundsätzen der Vergütung zwischen Leistungsträgern und den Spitzenverbänden der Leistungserbringer verbindlich eingefordert wird.

    Über die AG MedReha
    Die Arbeitsgemeinschaft Medizinische Rehabilitation SGB IX (AG MedReha SGB IX) ist ein Zusammenschluss von maßgeblichen, bundesweit tätigen Spitzenverbänden der Leistungserbringer in der medizinischen Rehabilitation. Die Mitglieder der AG MedReha vertreten die Interessen von rund 800 Rehabilitations-Einrichtungen mit mehr als 80 000 Betten/Behandlungsplätzen.

    Pressestelle der Arbeitsgemeinschaft Medizinische Rehabilitation (AG MedReha), 26.10.2016

  • Neues aktiva-Gutachten zur Kostenentwicklung in der Reha

    cover-aktiva-gutachten-161025Das „Gutachten zur aktuellen und perspektivischen Situation der Einrichtungen im Bereich der medizinischen Rehabilitation“ ist in der Neuauflage 2016 erschienen. Erstellt wurde es von der aktiva Beratung im Gesundheitswesen GmbH in Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Medizinische Rehabilitation (AG MedReha). Das vollständige Gutachten kann auf der Website der AG MedReha kostenlos heruntergeladen werden.

    Im Rahmen dieses Gutachtens wurden Kostensteigerungen untersucht, die sich direkt auf die Leistungserbringung in den Kliniken, d. h. deren Betrieb auswirken und die sich auch in den Steigerungen der Vergütungssätze wiederfinden müssen. Dabei wurden im Gutachten nur absehbare Kostensteigerungen anhand von statistischen Daten und möglichst belastbaren Prognosen in der Modellrechnung verwendet. Der errechnete Prognosekorridor der Kostensteigerungen für das Jahr 2017 zeigt im Vergleich zu 2016 Steigerungsraten von rund 2,2 bis 2,5 Prozent.

    Viele Rehabilitationseinrichtungen können ihre notwendigen Investitionen nicht finanzieren und leben von ihrer Substanz. Dies bestätigt auch die im Auftrag der AG MedReha durchgeführte zweite bundesweite Befragung der Einrichtungen zum Thema Investitionsbedarf in der medizinischen Rehabilitation.

    In den letzten Jahren erfolgten keine wesentlichen gesetzlichen Initiativen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Rehabilitationseinrichtungen. Es konnte in einem Sonderpunkt des aktuellen Gutachtens gezeigt werden, dass im Vergleich der akutstationäre Krankenhausbereich durch zahlreiche Sonderprogramme und gesetzliche Maßnahmen strukturell gefördert wird. Der Gesetzgeber ist gefordert, sich auch mit der medizinischen Rehabilitation als wichtigem Bestandteil des Gesundheitssystems mehr zu befassen. Es gibt zum Beispiel bisher keine gesetzliche Grundlage, nach welchen Kriterien die Vergütungssätze inhaltlich kalkuliert werden sollen. Damit ist eine leistungsgerechte Vergütung auf Grundlage einer gesetzlichen Regelung nicht gewährleistet und unterliegt einer zufälligen Machtverteilung bei den Verhandlungen vor Ort. Möglich wäre eine verbindliche gesetzliche Regelung zur Vereinbarung von Vergütungsgrundsätzen zwischen Leistungsträgern und den Verbänden der Leistungserbringer. Auch eine Art Investitionsfonds für Rehabilitationseinrichtungen könnte ein geeignetes Instrument dafür sein, die Strukturen in der medizinischen Rehabilitation sinnvoll zu gestalten, ohne das Wirtschaftlichkeitsgebot zu verletzten. […]

    Rehabilitationseinrichtungen mit einer hohen Leistungsqualität und einer wirtschaftlichen Betriebsführung sollte es möglich sein, kostendeckend zu arbeiten und notwendige Investitionen zu tätigen. Aufgrund des Finanzierungsdefizits sind die Rehabilitationseinrichtungen seit Jahren gezwungen, Wirtschaftlichkeitsreserven, beispielsweise durch die Unterlassung notwendiger Investitionstätigkeiten, zu heben.

    Die Ergebnisse zeigen, dass die Rehabilitationseinrichtungen auch für das Jahr 2017 in vielen wichtigen Bereichen mit Kostensteigerungen rechnen müssen, wodurch die notwendigen Vergütungssatzsteigerungen zwischen 2,2 und 2,5 Prozent prognostiziert werden. Die Prognosesicherheit für das kommende Jahr ist aufgrund der geopolitischen Entwicklungen eingeschränkt, so dass Abweichungen der Prognosen insbesondere im Bereich der Sachmittel möglich sind.

    Bei den berechneten Kostensteigerungen fehlen Berechnungen für klinikindividuelle Kostensteigerungen aufgrund höherer Personalkosten einschließlich zusätzlichen Hygienepersonals, Zinsaufwendungen, Investitionskosten sowie der zusätzlichen Kosten für das Entlassmanagement. Die Steigerung der Vergütungssätze sollte daher für das Jahr 2017 bei mindestens 2,5 Prozetn liegen. Dies entspricht auch dem Vorgehen im Krankenhausbereich, wo auch aktuell die Veränderungsrate gilt, sobald sie den Orientierungswert überschreitet.

    Quelle: aktiva-Gutachten zur Kostenentwicklung in der Reha, Neuauflage 2016, S. 23 ff.

  • Achtsam werden

    TRIAS Verlag, Stuttgart 2016, 94 Seiten, 12,99 €, ISBN 978-3-432-10299-3, auch als E-Book erhältlich

    67a9279a57743bcfd8ca2f8b01887322Viele Menschen haben den Eindruck, dass ihr Tag randvoll mit Verpflichtungen und Aktivitäten ist. Sie fühlen sich am Abend geschafft, aber nicht erfüllt. Matthias Ennenbach lädt dazu ein, das Hamsterrad des Alltags immer mal wieder zu verlassen, um zur Ruhe zu kommen. Er stellt Achtsamkeitsübungen und Meditationen vor, die dabei helfen, bewusst zu entspannen und bei sich selbst zu sein. Tests, Übungen und Worksheets helfen Lesern beim Nachdenken und Umsetzen. „Genauso wie Sport unsere Muskeln stärkt, verändern wir mit Achtsamkeitsübungen unser Nervensystem. Gelassenheit lässt sich trainieren“, so Ennenbach. „Wir verfügen über ein inneres Potenzial, das es ermöglicht, bewusster zu leben und nicht mehr nur automatisiert zu funktionieren. Durch Achtsamkeit nehmen wir bewusst Abstand zu unseren unbewussten Routinen.“