Autor: Simone Schwarzer

  • Bundesregierung beschließt Wohnungslosenbericht 2024

    Das Bundeskabinett hat am 8. Januar den vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen vorgelegten Wohnungslosenbericht 2024 beschlossen. Mit diesem wird nach 2022 zum zweiten Mal ein gesamtdeutscher Überblick über die Situation wohnungsloser Menschen vorgelegt. Der Bericht enthält Informationen und Analysen über Umfang und Struktur von Wohnungslosigkeit im Bundesgebiet.

    Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen: „Der Bericht zeigt, dass die Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland unterschiedliche Formen und Ursachen hat und bei weitem kein rein städtisches Problem darstellt. Mit dem Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit hat der Bund daher den Weg geebnet, abgestimmt mit den Ländern, Kommunen und der Zivilgesellschaft, die Herausforderung der Bekämpfung der Obdachlosigkeit langfristig anzugehen. Hierfür haben wir im letzten Jahr eine Kompetenzstelle des Bundes beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) eingerichtet. Derzeit werden dort Maßnahmen erarbeitet, um zum Beispiel Frauen und Kinder in Obdachlosenunterkünften durch bessere Standards zu schützen.

    Um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und damit auch Menschen, die gegenwärtig wohnungs- und obdachlos sind, eine Wohnung zu ermöglichen, investiert der Bund bis 2028 mehr als 20 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau. Auch die neue Wohngemeinnützigkeit, die am 1. Januar 2025 gestartet ist, kann hierbei helfen. Und mit der Erhöhung des Wohngeldes zu Jahresbeginn um durchschnittlich 15 Prozent unterstützt der Bund präventiv Menschen, die durch hohe Miet- und Energiekosten stark belastet werden.“

    Im Mittelpunkt des Berichtes stehen drei Gruppen von wohnungslosen Personen:

    • untergebrachte wohnungslose Personen, über die das Statistische Bundesamt Daten erhebt und jährlich eine Statistik erstellt,
    • die Gruppen der verdeckt wohnungslosen Personen
    • und die der wohnungslosen Menschen ohne Unterkunft, zu denen das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen einen empirischen Forschungsauftrag vergeben hat, um mittels einer hochgerechneten Stichprobe entsprechende Informationen zu gewinnen.

    Laut der Statistik und der empirischen Erhebung waren Ende Januar/Anfang Februar 2024 rund 439.500 Personen im System der Wohnungsnotfallhilfe untergebracht, weitere rund 60.400 Personen waren bei Angehörigen, Freunden oder Bekannten untergekommen (verdeckt wohnungslose Personen). Rund 47.300 Personen lebten auf der Straße oder in Behelfsunterkünften. Berücksichtigt man rund 15.600 Doppelerfassungen, leben in Deutschland damit insgesamt rund 531.600 wohnungslose Menschen.

    Dabei umfasst die Statistik untergebrachter wohnungsloser Menschen gemäß gesetzlicher Definition von Wohnungslosigkeit auch in Unterkünften für Geflüchtete untergebrachte Personen, wenn ihr Asylverfahren positiv abgeschlossen wurde (z. B. Asylberechtigung, Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz) und sie zur Vermeidung von ansonsten eintretender Wohnungslosigkeit in der Unterkunft verbleiben. Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis über das Chancen-Aufenthaltsrecht erhalten haben, und Geflüchtete aus der Ukraine, die im Rahmen einer Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz nach § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) aufgenommen wurden, sind ebenfalls in der Statistik berücksichtigt, wenn sie untergebracht sind und nicht über einen Mietvertrag oder Ähnliches verfügen. All dies sowie die Ausweitung der Gemeindestichprobe in der aktuellen empirischen Erhebung in Verbindung mit der Verringerung von Untererfassungen in der Statistik führt dazu, dass im Vergleich zu 2022 ein Anstieg der Wohnungslosenzahlen zu verzeichnen ist.

    Die Bundesregierung sieht sich in der Verantwortung, zum Ziel der Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit beizutragen, und hat deshalb in Übereinstimmung mit den Initiativen der Europäischen Union, das Ziel bekräftigt, die Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030 in Deutschland zu überwinden. Hierfür wurde am 24. April 2024 der Nationale Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit beschlossen, der als bundesweiter Handlungsleitfaden erstmals die gemeinschaftlichen Anstrengungen aller Ebenen zur Überwindung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Deutschland abbildet. Er identifiziert Rahmenbedingungen und Herausforderungen. Mit seinen inhaltlichen Leitlinien und den Leitlinien zum Verfahren gibt es einen von allen beteiligten Akteuren akzeptierten und abgestimmten Handlungsrahmen.

    Zum Bericht

    Pressestelle des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, 8.1.2025

  • Resilienz bei Jugendlichen mit psychisch kranken Eltern

    Beltz Verlag, Weinheim 2024, 120 Seiten mit Online-Material, 42,00 €, ISBN 978-3-621-28954-2

    Wachsen Kinder bzw. Jugendliche mit psychisch erkrankten Eltern auf, kann dies vielfältige Folgen haben, wie z. B. ein geringerer Bildungsabschluss oder schlechtere Entwicklungschancen. Vor allem besteht das Risiko, selbst zu erkranken. Das fünf Module umfassende Präventionsprogramm für Jugendliche (ab 12 Jahren) ist ambulant und stationär durchführbar. In Familien- und Einzelsitzungen werden psychoedukative Inhalte vermittelt, die Sitzungen mit den Jugendlichen fokussieren Themen wie Krankheitsverständnis, Rechte und Pflichten in der Familie, Selbstfürsorge und soziale Aktivitäten. Eine Auffrischungssitzung sowie eine Analyse der erfolgten Veränderungen runden das Programm ab. Das Buch bietet:

    • Altersgerechte Arbeitsmaterialien
    • Informationen zu verschiedenen Erkrankungen, u. a. Depression, Borderline-Persönlichkeitsstörung, Ängste, Zwänge, Substanzabhängigkeit
    • Zusätzliche Arbeitsmaterialien zu den Themen Emotionen, Verlust eines Elternteils, Suizid, Notfallplan
    • Informationen über Besonderheiten bei jüngeren Kindern
  • Try Dry – Mehr als nur ein Monat Alkoholverzicht

    Aus Dry January wird Try Dry! Mit tatkräftiger Unterstützung und in Zusammenarbeit mit der BARMER im Bereich „Soziale Medien“, startete im Oktober 2024 „Try Dry“ als gesundheitsfördernde und suchtpräventive Aktion des Blauen Kreuzes Deutschland. „Try Dry  ist mehr als nur eine temporäre Aktion im Januar. Ganzjährig möchten wir Menschen die Möglichkeit geben, sich eine alkoholfreie Zeit zu gönnen – wann immer sie möchten. Den Zeitraum bestimmt jeder selbst, und wir bieten eine Community, um Erfahrungen auszutauschen, Anregungen zu erhalten und Freundschaften zu schließen“, so Airi Voss, Projektmanagerin von Try Dry.

    Ganzjährig Gesundheit fördern und Sucht vorbeugen

    Try Dry ist eine gute Gelegenheit, seinem Körper und seiner Persönlichkeit einen Monat ohne das Zellgift Alkohol zu gönnen. Wer an Try Dry teilnimmt, fördert nachweislich seine Gesundheit. Jürgen Naundorff, Mitglied der Geschäftsleitung des Blauen Kreuzes Deutschland und des Vorstands der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, erläutert: „Mit der Kampagne Try Dry möchten wir Menschen ermutigen, sowohl am Anfang des Jahres als auch unterjährig für einen selbst gewählten Zeitraum ohne Alkohol zu leben. Try Dry – Probier‘s trocken, alkoholfrei. Um dabei überraschende Erfahrungen zu machen. Ich fühl mich besser, bin fitter. Meine Gesichtshaut sieht frischer aus, und ich empfinde weniger Stress. Kurzum: Ich fördere meine Gesundheit, lebe bewusster und beuge einer Sucht vor. Wäre das nicht etwas? Zu welcher Zeit im Jahr auch immer. Am besten jetzt!“

    Verschiedene Challenges innerhalb der Meilensteine Dry January, Dry July und Sober October beinhalten einen bunten Mix an Angeboten, um teilnehmende Personen so umfangreich wie möglich zu begleiten – immer passend zu den jeweiligen Schwerpunktthemen. Dies geschieht in Form von Interviews, Freizeit-, Buch- und Podcast-Tipps, Vorstellung von Personen, dem Recherchieren und Teilen echter Geschichten, Event-Vorstellungen, Gesundheitsstudien u.v.m. Über Social Media werden Teilnehmende umfassend und mit inspirierenden Inhalten begleitet.

    Motivierendes Begleitmaterial und Try-Dry-App

    Zur Unterstützung in den Try-Dry-Monaten wird es ein Milestone-Heft geben, Armbänder sowie einen Flyer und Plakate, um für Try Dry zu werben. Im Laufe des Projektes, das mit finanzieller Unterstützung der BARMER zunächst von 2024 bis April 2026 läuft, ist eine Try-Dry-App geplant, mit der Menschen, die eine Zeitlang alkoholfrei leben wollen, noch besser unterstützt und motiviert werden können. Menschen, die innerhalb des Dry January bzw. unterjährig eine Aktion planen möchten, kommen gerne auf das Blaue Kreuz Deutschland zu (trydry@blaues-kreuz.de). Wir unterstützen gern und freuen uns, wenn viele mithelfen, dass Try Dry bekannter wird. Try-Dry-Armbänder, Flyer und Plakate sind bestellbar über unsere Website oder über bk-bestellung@blaues-kreuz.de. Das Milestoneheft folgt zu einem späteren Zeitpunkt.

    Mitmachen und Teil der Challenge werden

    Mitmachen kann jeder und jede, der/die eine Zeitlang alkoholfrei leben möchte. Über Social Media, die Webseite www.blaues-kreuz.de/try-dry, Markenbotschafter und weitere Medien gibt es Impulse für die alkoholfreie Zeit. Los geht‘s!

    Social Media:
    www.instagram.com/dryjanuaryde
    www.facebook.com/dryjanuaryde

    Pressemitteilung von Blaues Kreuz Deutschland, 7.1.2025

  • Romantische Beziehungen sind für Männer wichtiger als für Frauen

    Die meisten von uns gehen vermutlich davon aus, dass romantische Beziehungen für Frauen wichtiger sind als für Männer. Jedenfalls werden Single-Frauen in Filmen eher als bemitleidenswert dargestellt, und sie scheinen stärker motiviert zu sein, sich neu zu verlieben, als Single-Männer. Aber ist das in Wirklichkeit so? Sind feste Beziehungen tatsächlich wichtiger für Frauen?

    Studienauswertung widerlegt einige Genderstereotype

    Iris Wahring, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität (HU), Jeffry Simpson von der University of Minnesota und Paul van Lange von der Vrije Universiteit Amsterdam haben Befunde aus mehr als 50 wissenschaftlichen Studien zu Geschlechterunterschieden in heterosexuellen Beziehungen zusammengeführt und analysiert. Durch diese Kombination konnten sie einige überraschende und unerwartete Einsichten gewinnen.

    „Männer sind offenbar tendenziell stärker darauf fokussiert, feste Beziehungen einzugehen. Außerdem wirken sich diese Beziehungen bei Männern positiver auf Wohlbefinden und Gesundheit aus als bei Frauen. Selbst die Lebenserwartung von Männern hängt stärker davon ab, ob sie in einer festen Beziehung leben, als das bei Frauen der Fall ist“, sagt Iris Wahring, Hauptautorin der Untersuchung. Darüber hinaus stellen die Autor:innen fest, dass Männer bei einer festen Beziehung seltener als Frauen die Trennung initiieren, dass sie nach einer Trennung eher Einsamkeit empfinden und weniger dazu neigen, die positiven Seiten der Trennung zu sehen.

    Für ihre Untersuchung, die kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „Behavioral and Brain Sciences“ erschienen ist, haben die Forschenden die Befunde aus mehr als 50 psychologischen und soziologischen Studien – die meisten davon aus den letzten 20 Jahren – ausgewertet und in einem Modell zusammengeführt, das Geschlechterunterschiede in verschiedene Phasen von Beziehungen berücksichtigt. Bisher fehlte ein solches Modell, obwohl beispielsweise der geschlechterspezifische Zusammenhang zwischen Beziehungen und Gesundheit für sich genommen gut dokumentiert ist.

    „Feste Beziehungen sind psychologisch wichtiger für Männer als für Frauen.“

    In ihrem theoretischen Modell legen die Forschenden außerdem verschiedene Erklärungsansätze für ihre Gesamtbefunde dar. Am bedeutendsten als Erklärung sind aus ihrer Sicht emotionale Bedürfnisse: „Aus zahlreichen Studien wissen wir, dass Frauen typischerweise mehr emotionale Unterstützung von ihrem sozialen Umfeld erhalten als Männer. Daher sind heterosexuelle Männer stärker von ihrer festen Partnerin abhängig, um ihre emotionalen Bedürfnisse zu erfüllen, als heterosexuelle Frauen. Kurz gesagt, feste Beziehungen sind psychologisch wichtiger für Männer als für Frauen“, erklärt Iris Wahring.

    Freundschaften spielen eine Schlüsselrolle für Gesundheit und Wohlbefinden

    Die Forschungsergebnisse sind bedeutend für unser Verständnis von Gesundheit und der Schlüsselrolle, die Beziehungen und Freundschaften dafür spielen. „Soziale Normen haben einen Einfluss darauf, dass Frauen häufiger Emotionen mit anderen teilen und sich gegenseitig stärker unterstützen, als Männer das tun. Schon kleine Kinder erleben diese Normen, denen zufolge es für Mädchen viel üblicher und angemessener ist als für Jungen, Emotionen und Verletzlichkeiten zu teilen“, sagt Ko-Autor Paul van Lange. Ohne eine Partnerin fehle es Männern daher oft an sozialen Kontakten, also Menschen, denen gegenüber sie sich öffnen können und die sie emotional unterstützen. Das könne weitreichende Konsequenzen für Gesundheit und Wohlbefinden haben.

    Die Studie beruht ausschließlich auf Befunden zu heterosexuellen Beziehungen, zumeist in westlichen Industrieländern. „Welche geschlechterspezifischen Unterschiede es bei Männern und Frauen in homosexuellen Beziehungen oder in anderen Kulturen gibt, diese Fragen müssen zukünftige Studien beantworten“, so van Lange.

    Originalpublikation:
    Wahring, I. V., Simpson, J. A., & van Lange, P. A. M. (in press). Romantic Relationships Matter More to Men than to Women. Behavioral and Brain Sciences. Link zur Studie

    Pressestelle der Humboldt-Universität zu Berlin, 6.1.2025

  • Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen durch globale Krisen belastet

    Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist auch Jahre nach der Corona-Pandemie noch deutlich schlechter als vor der Pandemie. Das zeigen die Ergebnisse der sechsten und siebten Befragungsrunde der COPSY-Studie (COrona und PSYche) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Hatte sich das psychische Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen nach der Pandemie zunächst verbessert, setzte sich dieser Trend im Herbst 2024 nicht weiter fort – insgesamt berichten etwa fünf Prozent mehr Kinder und Jugendliche über eine schlechtere psychische Gesundheit als vor der Pandemie.

    21 Prozent der jungen Menschen berichten von einer anhaltenden Beeinträchtigung der Lebensqualität, 22 Prozent leiden weiterhin unter psychischen Auffälligkeiten. Vor allem die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, wirtschaftliche Unsicherheiten und der Klimawandel bereiten den Kindern und Jugendlichen Sorgen.

    „Unsere COPSY-Studie zeigt eine signifikante Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu Beginn der Pandemie und eine langsame Verbesserung in den Folgejahren. Doch jetzt stellen wir fest, dass diese Zahlen stagnieren und im Vergleich zu präpandemischen Daten immer noch hoch sind. Inzwischen wird das Wohlbefinden nicht mehr durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt. Jetzt beeinflussen Ängste, insbesondere im Zusammenhang mit globalen Konflikten und der Klimakrise, die Lebensqualität und das Wohlbefinden. Wir konnten feststellen, dass Risikofaktoren wie sozioökonomische Benachteiligung die Wahrscheinlichkeit für psychische Probleme erhöhen, während Kinder und Jugendliche, die optimistisch und zuversichtlich in die Zukunft schauen und sich von ihrem sozialen Umfeld gut unterstützt fühlen, besser geschützt sind“, fasst Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der COPSY-Studie und Direktorin der Forschungssektion Child Public Health der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE die aktuellen Studienergebnisse zusammen.

    Lebensqualität und psychische Gesundheit im Verlauf

    Die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen verschlechterte sich zu Beginn der Pandemie im Vergleich zu den präpandemischen Daten (der BELLA-Studie im Zeitraum von 2014 bis 2017) deutlich. Insbesondere im Winter 2020/21, während des zweiten bundesweiten Lockdowns, berichtete fast die Hälfte der Kinder und Jugendlichen (48 Prozent) über eine geminderte Lebensqualität. In den Jahren 2022 und 2023 verbesserte sich die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen dann wieder. Dieser Trend setzte sich jedoch im Herbst 2024 (siebte Befragungsrunde) nicht fort. 21 Prozent der jungen Menschen gaben weiterhin eine geminderte Lebensqualität an. Damit liegt die Prävalenz immer noch etwa fünf Prozent über den Werten vor der Corona-Pandemie.

    Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den psychischen Auffälligkeiten. Sie haben im Pandemieverlauf zunächst deutlich auf 30 Prozent zugenommen und gingen dann in den Jahren 2022/23 wieder zurück. Heute leiden immer noch 22 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter psychischen Auffälligkeiten, das sind ebenfalls etwa fünf Prozent mehr als vor der Pandemie.

    „Neben der Lebensqualität und allgemeinen psychischen Auffälligkeiten haben wir auch spezifische psychische Belastungen wie Angstsymptome und depressive Symptome untersucht und dabei einen sehr ähnlichen Verlauf festgestellt. Ein weiteres zentrales Thema ist die Einsamkeit bei Kindern und Jugendlichen: 21 Prozent der Befragten gaben an, sich einsam zu fühlen – vor der Pandemie waren es lediglich 14 Prozent“, erklärt Dr. Anne Kaman, stellvertretende Leiterin der Forschungssektion Child Public Health der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE.

    Deutliche Zunahme der Besorgnis über globale Themen wie Kriege und Klimawandel

    Im Herbst 2023, in der sechsten Befragungsrunde, gab etwa die Hälfte der Kinder und Jugendlichen an, sich in unterschiedlichem Maße Sorgen über verschiedene Krisen zu machen, insbesondere über globale Konflikte wie Kriege, Terrorismus, die Wirtschafts- und die Klimakrise. Ein Jahr später ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die sich diesbezüglich Sorgen machen, signifikant gestiegen. 72 Prozent der Befragten gaben an, sich wegen der aktuellen Kriege und Terrorismus zu sorgen, 62 Prozent wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit und 57 Prozent wegen der Klimakrise. Diese krisenbezogenen Ängste stehen im engen Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für psychische Belastungen.

    Im Gegensatz zu diesen neuen globalen Sorgen sind die Bedenken über die COVID-19-Pandemie in diesem Zeitraum deutlich zurückgegangen. Im Herbst 2024 gaben nur noch 15 Prozent der Befragten an, sich deshalb zu sorgen.

    Intaktes soziales Umfeld schützt vor psychischen Beeinträchtigungen

    Kinder mit starken sozialen und familiären Ressourcen haben eine bessere psychische Gesundheit und sind weniger von Ängsten und depressiven Symptomen betroffen. Dagegen sind Kinder, die aus Familien mit geringem Bildungsniveau stammen, die in beengten Wohnverhältnissen aufwachsen und deren Eltern psychisch belastet sind, im Hinblick auf ihre psychische Gesundheit besonders gefährdet.

    Einfluss sozialer Medien

    Die COPSY-Studie zeigt auch, dass ein Drittel (32 Prozent) der Kinder und Jugendlichen in sozialen Medien regelmäßig mit belastenden Inhalten wie ungefilterte Nachrichten über Krisen konfrontiert wird. Ein Fünftel fühlt sich durch Ausgrenzung und Abwertung in sozialen Medien zusätzlich belastet. Die Erfahrungen, die Kinder und Jugendliche in den sozialen Medien machen, können ebenfalls dazu beitragen, dass sie sich psychisch belastet fühlen.

    Über die Studie

    In der COPSY-Studie untersuchen die UKE-Forschenden die Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie und globaler Krisen auf die seelische Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Insgesamt haben 2.865 Familien mit Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 22 Jahren an mindestens einer Befragungswelle der COPSY-Studie von Mai 2020 bis Oktober 2024 teilgenommen. Die 11- bis 22-Jährigen füllten ihre Online-Fragebögen selbst aus. Für die 7- bis 10-Jährigen antworteten die Eltern. Die Mehrheit der Eltern hatte einen mittleren Bildungsabschluss. Etwa ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen hatte einen Migrationshintergrund und ein Fünftel der Eltern war alleinerziehend.

    Originalpublikation:
    Kaman, A, Ravens-Sieberer, U, et. al. Youth Mental Health in Times of Global Crises: Evidence form the Longitudinal COPSY Study, Preprint, 2024.
    Kaman, A, Ravens-Sieberer, U, et. al. Mental Health of Children and Adolescents in Times of Global Crises: Findings form the Longitudinal COPSY Study from 2020 to 2024, Preprint, 2024.

    Pressestelle des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, 4.12.2024

  • Motivierende Gesprächsführung in der Praxis Sozialer Arbeit

    Deutsch von Monika Finck
    Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau 2024, 264 Seiten, € 39,00 €, ISBN 978-3-7841-3597-7

    Das Buch zeigt detailliert auf, wie sich das Konzept der Motivierenden Gesprächsführung (MI) auf verschiedene Bereiche der Sozialen Arbeit übertragen lässt. Die Autorin beschreibt, wie MI im konkreten Fall aussieht, wie das Konzept Gespräche mit Klient:innen positiv beeinflusst und wie Praktiker:innen es in zahlreichen Situationen und Bereichen der Sozialen Arbeit anwenden können.

    Die Übersetzung der aktualisierten 2. Auflage aus dem Amerikanischen enthält ausführliche neue Fallbeispiele und kommentierte Dialoge, um Praktiker:innen der Sozialen Arbeit den Einstieg in MI zu erleichtern und sie dabei zu unterstützen, ihre eigenen Fähigkeiten auszubauen. Das Buch fasst zudem den Forschungsstand zusammen und enthält zahlreiche Tipps für Lehre, Training und professionelle Entwicklung. Es nimmt auch Bezug zur Critical Race Theory, Traumaarbeit, Ernährungssicherheit sowie Klimagerechtigkeit.

  • Jeder siebte Schüler hat schon Nikotinbeutel probiert

    Neuer Rauschmittel-Trend bei Jugendlichen: Jeder siebte Schüler im Alter von 16 und 17 Jahren hat schon einmal Nikotinbeutel probiert. Bei Jungen ist der Konsum stärker ausgeprägt als bei Mädchen, obwohl das Rauschmittel in Deutschland nicht legal verfügbar ist. Das ist das Ergebnis des DAK-Präventionsradars. Die Daten zeigen, dass Jugendliche mit einem niedrigen sozialen Status eher zum Beutel greifen als Teenager aus höheren sozialen Schichten. Experten warnen vor Gesundheitsrisiken und einer frühen Nikotinabhängigkeit junger Menschen. DAK-Chef Storm fordert mehr Kontrollen von Online-Shops zum Schutz der Kinder und Jugendlichen.

    Nikotinbeutel sind kleine tabakfreie Päckchen aus Pflanzenfasern mit meist weißem Pulver, die Nikotinsalz enthalten. Sie werden unter die Oberlippe geschoben, so dass das Nikotin über die Mundschleimhaut aufgenommen wird. Die Nikotindosis kann variieren und hoch sein. Weil kein Rauch oder Dampf entsteht, können Nikotin-Pouches unauffällig und überall konsumiert werden. Seit 2021 fallen Nikotinbeutel in Deutschland unter das Lebensmittelgesetz und dürfen aufgrund des hohen Nikotingehalts nicht mehr legal verkauft werden. Trotzdem werden Nikotinbeutel in Online-Shops zum Verkauf angeboten.

    „Nikotinbeutel sind gefährlich und können abhängig machen. Wir brauchen mehr Kontrollen von Online-Shops, damit Nikotinbeutel nicht im Internet frei verfügbar sind“, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm. „Wichtig ist auch die Aufklärung der Eltern und Lehrkräfte über die gesundheitlichen Risiken von Nikotinprodukten. Wir brauchen einen Schulterschluss zwischen Eltern, Schulen und Beratungsstellen.“

    Der DAK-Präventionsradar belegt, dass jeder siebte Schüler und jede zehnte Schülerin im Alter von 16 oder 17 Jahren schon mindestens einmal Nikotinbeutel konsumiert hat. So machten 15 Prozent der Schüler und zehn Prozent der Schülerinnen diese Angabe im Fragebogen des Präventionsradars. Für den DAK-Präventionsradar wurden 2022 und 2023 rund 12.700 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen neun und 17 Jahren zu ihrem Gesundheitsverhalten befragt. Die Umfrage wurde von Lehrkräften an 83 Schulen und 927 Klassen mithilfe von Fragebögen in 14 Bundesländern durchgeführt.

    „Das Abhängigkeitspotenzial von Nikotin ist grundsätzlich extrem hoch. Für Heranwachsende ist die suchtauslösende Wirkung von hochdosierten Nikotinbeuteln brandgefährlich: Je früher eine Nikotinsucht entsteht, desto eher verfestigt sie sich in späteren Lebensjahren – mit allen gravierenden negativen gesundheitlichen Folgen“, so Professor Reiner Hanewinkel, Leiter des IFT-Nord, das den DAK-Präventionsradar wissenschaftlich realisiert.

    Nikotinbeutel können, wie andere Nikotinprodukte, vielfältige Nebenwirkungen verursachen, zum Beispiel Kopfschmerzen, Benommenheit, Herzpochen, Schwindel und Übelkeit. „Das Vorhandensein von krebserregenden Stoffen in Nikotinbeuteln ist sehr problematisch. Zudem sind gesundheitliche Probleme in Mund, Rachen und Hals wahrscheinlich“, so Hanewinkel. „Es ist zu hoffen, dass Nikotinbeutel auch in Zukunft nicht im Handel frei erhältlich sind, damit kein weiteres gesundheitsschädliches und für Kinder und Jugendliche attraktives Nikotinprodukt legal auf den deutschen Markt kommt.“

    Die Auswertung der Daten zeigt, dass Schülerinnen und Schüler mit einem niedrigen Sozialstatus häufiger Nikotinbeutel konsumieren als Jugendliche mit einem hohen Status. So sind Nikotinbeutel an Gymnasien weniger verbreitet als in anderen Schulformen. Neben dem Status und der Schulform begünstigt eine hohe individuelle Risikobereitschaft den Griff zum Beutel. Die Studie legt außerdem offen, dass fast alle Kinder und Jugendliche, die schon einmal Nikotinbeutel konsumiert hatten, auch mit anderen nikotinhaltigen Produkten wie Zigaretten, E-Zigaretten oder Wasserpfeifen experimentiert hatten. Ab einem Alter von 13 Jahren nimmt dieser Mischkonsum deutlich zu.

    Weitere Informationen: dak.de/nikotinbeutel

    Pressestelle der DAK Gesundheit, 18.12.2024

  • Healthismus

    Psychosozial-Verlag, Gießen 2024, 161 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-8379-3353-6

    Wer heute gesund leben will, ist dafür selbst verantwortlich. Ob als Teil einer Fitness- und Diätkultur, durch regelmäßige Wellness-Auszeiten oder als Nutznießer:in pharmazeutischer Arzneien – im Zentrum steht das von gesellschaftlichen Erwartungen bedrängte Individuum. Verschleiert werden dabei die Hürden und Zugangsbeschränkungen eines strukturell ungleichen Systems, das fortwährend ausschließt und stigmatisiert.

    Friedrich Schorb legt die Schwachstellen eines schrankenlosen Gesundheitsdenkens in der Gesellschaft offen und zeigt, auf welche Weise die obsessive Beschäftigung mit Gesundheit selbst pathologisch geworden ist. Kritisch beleuchtet er dazu die kommerziell motivierten und letztlich technokratischen Heilsversprechen der Pharmaindustrie ebenso wie Gesundheitsreformen, die allein die Stärkung der Eigenverantwortung propagieren. Der Versuch, Menschen immer resilienter gegen eine im Wortsinn toxische Umwelt zu machen, führt in eine Sackgasse. Bleibt so am Ende nur die Hoffnung auf eine neue Form von solidarischer Gesundheit?