Autor: Simone Schwarzer

  • Recoveryorientierte Pflege bei Suchterkrankungen

    Köln: Psychiatrie Verlag 2016, 144 S., mit Downloadmaterial, ISBN 978-3-88414-643-9, EUR 24,95

    9783884146439Langwierige Krankheitsverläufe, Rückschläge, Folgeerkrankungen und Stigmatisierungserfahrungen machen Zuversicht und Hoffnung zu wichtigen Ressourcen im Genesungsprozess von Menschen mit Suchterkrankungen. Pflegefachpersonen können Suchtkranke auf ihrem individuellen Genesungsweg ressourcen- und handlungsorientiert begleiten und unterstützen. Dieser praxisnahe Leitfaden fasst das Grundlagenwissen zu Suchterkrankungen und die spezifische Bedeutung des Recoveryansatzes für die stationäre und ambulante Pflege zusammen. Mithilfe des Gezeiten-Modells als Kompass stellt Esther Indermaur die einzelnen Schritte des Pflegeprozesses wie Informationssammlung, Anamnese, Zielfindung, Planung und Evaluation in übersichtlichen Kapiteln dar. Sie stellt hilfreiche Interventionen in Krisensituationen und spezielle Konzepte vor und weist auf die Rolle von Angehörigen und den Einsatz von Genesungsbegleitern hin. Ein strukturierter Aufbau, klare Botschaften und alltagsnahe Beispiele helfen Pflegefachpersonen, ihre Berührungsängste abzulegen und ihre eigenständige Rolle als Begleiterinnen und Begleiter wahrzunehmen.

  • ‚Handy-Diät‘ und Null-Promille-Grenze im Straßenverkehr

    Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V. (DGOU) sieht die am 12. Juli 2016 vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Verkehrsunfallstatistik 2015 mit Sorge: 3.459 Menschen wurden im vergangenen Jahr auf deutschen Straßen getötet. Im Vergleich zum Vorjahr (3.377) ist das ein Anstieg um 2,4 Prozent. Damit ist die Anzahl der Unfalltoten zum zweiten Mal in Folge gestiegen. Zuvor war die Zahl der tödlich verunglückten Verkehrsteilnehmer mit wenigen Ausnahmen über drei Jahrzehnte kontinuierlich gesunken.

    „Diese Bilanz zeigt, dass sinkende Unfallzahlen kein Selbstläufer sind und sämtliche Anstrengungen zur Unfallprävention nicht nachlassen dürfen“, sagt DGOU-Generalsekretär Professor Dr. Reinhard Hoffmann. Viele Unfälle gehen laut Unfallexperten auf Handy-Nutzung und Alkohol am Steuer zurück. Hier sieht die DGOU Handlungsbedarf und rät zu einer konsequenten ‚Handy-Diät‘ im Straßenverkehr sowie Einhaltung der Null-Promille-Grenze.

    „Wer bei Tempo 50 nur fünf Sekunden mit dem Handy beschäftigt ist, befindet sich mit seinem Auto 70 Meter im Blindflug“, warnt Hoffmann. Der Griff zum Handy steigert die Unfallgefahr etwa um das Fünffache, das Lesen und Schreiben von Nachrichten sogar um das Zehnfache. „Es ist lebensgefährlich, während der Fahrt mit dem Smartphone zu hantieren. Das muss jedem Autofahrer bewusst sein“, betont Hoffmann. Angesichts des hohen Unfallrisikos zeige die aktuelle Bußgeldhöhe von 60 Euro für Autofahrer inklusive einem Punkteeintrag im Fahreignungsregister (FAER) in Flensburg beziehungsweise 25 Euro für Fahrradfahrer offensichtlich keine ausreichende Abschreckungswirkung.

    Zu den Hauptursachen schwerer und tödlicher Verkehrsunfälle gehört laut der Experten nach wie vor das Fahren unter Alkoholeinfluss. 256 Menschen sind im vergangenen Jahr bei Alkoholunfällen ums Leben gekommen. In Deutschland begehen Autofahrer erst ab 0,5 Promille eine Ordnungswidrigkeit, ab 1,1 Promille eine Straftat. Für Fahrradfahrer gilt im Straßenverkehr ein Alkoholgrenzwert von 1,6 Promille. Dabei können bereits geringste Promillewerte das Seh- und Reaktionsvermögen sowie die Fahrtüchtigkeit gravierend einschränken, sagen Unfallchirurgen. „Ausfallerscheinungen können bereits bei niedrigeren Blutalkoholwerten auftreten. Autofahrer können Entfernungen anderer Verkehrsteilnehmer und Geschwindigkeiten oft gar nicht mehr realistisch einschätzen“, erklärt Dr. Christopher Spering, Sektionsleiter Prävention der DGOU. Aus seiner täglichen Arbeit am Traumazentrum des Universitätsklinikums Göttingen weiß der Unfallchirurg, dass die Rettung und Behandlung schwerverletzter Unfallopfer oftmals ein Wettlauf gegen die Zeit ist. „Im Sinne der Vision Zero ist angesichts der hohen Zahl der Unfallopfer die Einführung eines konsequenten Alkoholverbots sowohl am Steuer als auch auf dem Rad daher nur logisch“, unterstreicht Hoffmann die Notwendigkeit einer unmissverständlichen Null-Promille-Grenze in Deutschland.

    Neue Herausforderungen für die Verkehrssicherheitsarbeit sieht die DGOU in der Zukunft auch im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel und dem zunehmenden Wunsch nach Mobilität im Alter. Denn: Kommt es zu einem Verkehrsunfall, erleiden ältere Menschen häufig deutlich schwerere Unfallfolgen, so die Erfahrung der Orthopäden und Unfallchirurgen. Zahlen aus dem TraumaRegister DGU® zum demografischen Wandel zeigen: Drei Prozent aller schwerverletzten Motorradfahrer sind älter als 70 Jahre. Auch wenn sie lebend die Klinik erreichen, steigt das Risiko, an den Unfallfolgen zu versterben, mit zunehmendem Alter bis auf das Vierfache bei älteren schwerverletzten Motorradfahrern.

    Laut Bundesagentur für Straßenwesen waren zehn Prozent der verunglückten Pkw-Insassen in den vergangenen beiden Jahren mindestens 65 Jahre alt – knapp 30 Prozent dieser Altersgruppe erlitt bei Unfällen tödliche Verletzungen. Allerdings wurden nur zehn Prozent aller Unfälle durch Pkw-Fahrer in dieser Altersgruppe auch tatsächlich verursacht. Gemeinsames Ziel müsse es sein, die Zahl der Unfallopfer über alle Altersgruppen hinweg deutlich zu reduzieren, so der Appell der DGOU. Auf dem Gebiet der Verkehrsunfallprävention engagiert sich die Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) bereits mit dem Aufklärungsprogramm P.A.R.T.Y , das sich speziell an jugendliche Verkehrsteilnehmer im Alter von 15 bis 18 Jahren richtet. Einen wichtigen Beitrag zur Unfallverhütung können nach Meinung der DGOU ebenso praxisorientierte Beratung und Aufklärung über altersbedingte Risiken im Straßenverkehr, medizinische Angebote zu freiwilligen Gesundheits-Checks für ältere Verkehrsteilnehmer sowie innovative Pkw-Ausstattungen mit modernen Fahrer-Assistenzsystemen leisten.

    Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, 12.07.2016

  • Cannabinoid-Rezeptor beeinflusst Signalverarbeitung des Gehirns

    Im Gehirn herrscht ein sensibles Zusammenspiel von Signalstoffen und zellulärer Aktivität. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben in diesem Orchester einen weiteren Akteur identifiziert: In einer Laborstudie stellten sie fest, dass der so genannte Cannabinoid-Rezeptor Typ 2 die Informationsverarbeitung innerhalb des Hippocampus beeinflusst. Dieses Hirnareal ist maßgeblich an der Bildung von Langzeit-Erinnerungen beteiligt. Die Erkenntnisse könnten zu einem besseren Verständnis der Krankheitsmechanismen von Schizophrenie und Alzheimer beitragen, sie sind im aktuellen Fachjournal „Neuron“ veröffentlicht.

    Der Cannabinoid-Rezeptor Typ 2, auch CB2-Rezeptor genannt, ist ein spezielles Membranprotein, über das eine Zelle chemische Signale empfangen kann. Dadurch wird ihre Aktivität gesteuert. „Dieser Rezeptor galt bisher vor allem als Teil des Immunsystems, ohne Funktion in Nervenzellen. Unsere Studie zeigt nun, dass er auch für die Signalverarbeitung des Gehirns eine wichtige Rolle spielt“, erläutert Prof. Dr. Dietmar Schmitz, Berliner Standortsprecher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen und Direktor des Neurowissenschaftlichen Forschungszentrums an der Charité (NWFZ/NeuroCure). Neben Berliner Fachkollegen haben sich an der aktuellen Studie auch Wissenschaftler der Universität Bonn und des US-amerikanischen National Institute on Drug Abuse beteiligt.

    Wie die Forscher im Tiermodell nachweisen konnten, hebt der CB2-Rezeptor die Erregungsschwelle von Nervenzellen des Hippocampus. „Die Arbeitsweise des Gehirns beruht darauf, dass Nervenimpulse auf nachgeschaltete Zellen in manchen Situationen erregend, in anderen Fällen unterdrückend wirken“, sagt Dr. Vanessa Stempel, Erstautorin der aktuellen Veröffentlichung. „Der CB2-Rezeptor wirkt wie eine Stellschraube, mit der solche Kommunikationsprozesse justiert werden“, so die Wissenschaftlerin weiter, die inzwischen im britischen Cambridge forscht.

    Der CB2-Rezeptor zählt zum endogenen Cannabinoid-Systems (ECS). Diese Familie aus Rezeptoren und Botenstoffen kommt bei vielen Lebewesen vor, so auch beim Menschen. Es handelt sich um ein biochemisches Regelsystem, das an der Steuerung zahlreicher physiologischer Vorgänge beteiligt ist. Sein Name basiert auf der bereits länger bekannten Tatsache, dass Wirkstoffe der Cannabispflanze an Rezeptoren des ECS ankoppeln. Bislang sind zwei Sorten solcher Rezeptoren bekannt. Der CB2-Rezeptor hat keine psychoaktive Wirkung. Die durch Einnahme von Cannabis ausgelösten Rauscheffekte werden daher dem Cannabinoid-Rezeptor Typ 1 zugeschrieben.

    Die Ergebnisse der aktuellen Studie könnten zum besseren Verständnis von Krankheitsmechanismen beitragen und einen Ansatzpunkt für neuartige Medikamente aufzeigen. „Bei Schizophrenie, Depression, Alzheimer und anderen neuropsychiatrischen Erkrankungen ist die Hirnaktivität gestört. Pharmaka, die an den CB2-Rezeptor binden, könnten die Aktivität der Hirnzellen möglicherweise beeinflussen und somit Bestandteil einer Therapie sein“, resümiert Prof. Schmitz.

    Originalveröffentlichung:
    „Cannabinoid type 2 receptors mediate a cell type-specific plasticity in the hippocampus“, A. Vanessa Stempel, Alexander Stumpf, Hai-Ying Zhang, Tugba Özdogan, Ulrike Pannasch, Anne-Kathrin Theis, David-Marian Otte, Alexandra Wojtalla, Ildikó Rácz, Alexey Ponomarenko, Zheng-Xiong Xi, Andreas Zimmer, Dietmar Schmitz, Neuron. (DOI: 10.1016/j.neuron.2016.03.034)

    Pressestelle des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen, 02.05.2016

  • Zeit der Berichte

    Zeit der Berichte

    Prolog

    Jost Leune
    Jost Leune

    Das Jahr 2016 ist für die Suchthilfe bislang kein gutes. Es setzt sich fort, was wir schon in den Vorjahren beobachten mussten: Die Prävention hangelt sich von Projekt zu Projekt, die ambulante Suchthilfe verhungert wegen ihrer immer kleineren Budgets, in der medizinischen Rehabilitation fallen die Fallzahlen, die Teilhabe für langzeitarbeitslose Suchtkranke ist kompliziert, ineffektiv und bürokratisch, und die Sorgen mit der Nachsorge bleiben. Das Frühjahr 2016 ist die Zeit der Berichte. Die Jahresberichte der Suchthilfeträger beschreiben diese wachsenden Schwierigkeiten eindrucksvoll und beschreiben dennoch eindrucksvolle Leistungen. Auch die Institutionen berichten.

    Jahrbuch Sucht 2016: 278 Seiten geballte Information

    Den Reigen eröffnete am 3. Mai die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen mit dem Jahrbuch Sucht 2016. Im Rahmen einer Pressekonferenz wurde das seit über einem halben Jahrhundert bewährte Nachschlagewerk präsentiert. Es liefert 25 Seiten „Daten, Zahlen und Fakten“ und ausführliche Beiträge zu Suchtstoffen, Suchtformen und ihren Auswirkungen, zum Beispiel im Straßenverkehr. 278 Seiten geballte Information, und dennoch bleibt ein schales Gefühl zurück: Im Jahr 2016 fehlt das Kapitel über die „Versorgung Suchtkranker“. Das ist irritierend, da doch die DHS als Zusammenschluss der Suchtkranke versorgenden Träger Herausgeberin des Jahrbuchs ist und die bemerkenswerte Analyse „Suchthilfe und Versorgungssituation in Deutschland“ erst im vergangenen Jahr online gestellt wurde.

    Europäischer Drogenbericht 2016: Grafik satt und voller Fakten

    Am 31. Mai hatte die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) ihren Auftritt. Sie stellte den Europäischen Drogenbericht vor. Er ist, nach Aussage von Dimitris Avramopoulos, Europäischer Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, für europäische Entscheidungsträger ein hilfreiches Instrument für die Gestaltung von politischen Strategien und Maßnahmen zur Drogenbekämpfung. Nach einer vorangestellten Zusammenfassung beschreibt der Bericht in drei Kapiteln Drogenangebot und Markt, Prävalenz und Trends des Drogenkonsums sowie drogenbedingte Schädigungen und diesbezügliche Maßnahmen. Zehn Seiten mit Tabellen über Länderdaten runden das Angebot ab. Eine überwältigende Vielfalt von bunten Karten, Grafiken und Schmuckelementen lassen den Text fast schon in den Hintergrund treten, obwohl man ihn nicht unterschätzen sollte: Da steckt richtig viel Wissen drin! Wer sich die Zeit nicht nehmen will, den Bericht durchzuarbeiten, kann auch die Presseinformation zum Drogenbericht lesen.

    3. Alternativer Drogen- und Suchtbericht 2016: Das Forum der Forderungen

    Wieder eine Pressekonferenz, diesmal am 6. Juni: Der 3. Alternative Drogen- und Suchtbericht 2016 wird vorgestellt. Kernforderung: Eine andere Drogenpolitik und ein anderer Umgang mit Drogen. Das ist bei den Herausgebern akzept e. V. Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik, Deutsche AIDS-Hilfe e. V. und JES Bundesverband e. V. keine besondere Überraschung. Die Forderungen werden untermauert auf 280 Seiten Text in vier Kapiteln: Es geht um alternative Drogenpolitik, um Risikokonstruktionen in Drogenforschung und -politik, um Verbraucher*innenschutz und Prävention und um die weitere Entwicklung der Drogenhilfe. In 37 Beiträgen entwerfen 55 Autoren*innen ihre Visionen einer anderen Drogenpolitik in Deutschland, die auch schon mal verwirren können – Seite 29: Kritik an Repräsentativbefragungen, Seite 78: Interpretation von Repräsentativbefragungen. Mindestens die Hälfte der Autoren*innen stammt aus dem akademischen Bereich, andere sind Journalisten*innen, und eine deutliche Minderheit stammt aus der Praxis der akzeptierenden Drogenarbeit, also der Suchthilfe. Das ist kein Zufall, denn die Herausgeber haben vor der Veröffentlichung einen Aufruf zur Einreichung von Beiträgen gemacht. Da kann es leicht passieren, dass Mitteilungsbedürfnis über Praxisbezug dominiert. Anregungen, politisch anders zu handeln, bietet der Bericht in Hülle und Fülle und auch einige sehr bemerkenswerte Beiträge, wie zum Beispiel den über „Hochglanz und Elend der Tabakkontrolle in Deutschland“ (zählt man alle Maßnahmen zur Verhaltens- und Verhältnisprävention zusammen, landet Deutschland auf dem vorletzten Platz bei der Tabakkontrolle in Europa), über „Synthetische Cannabinoide“ (ein praxisorientierter Erfahrungsbericht!) oder über „11 Jahre SGB II/Hartz IV – Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation suchtmittelabhängiger Menschen“ (der trotz guter statistischer Daten leider kaum Hinweise gibt, wie das Problem „Teilhabe an Arbeit“ für Suchtkranke zu lösen sei).

    Drogen- und Suchtbericht 2016 der Drogenbeauftragten: Vor allem bunt

    Die Drogenbeauftragte folgte am 9. Juni. Unter dem Motto „Mehr Achtsamkeit für unsere Gesundheit schaffen!“ wandte sie sich an die Presse, um ihren Drogen- und Suchtbericht 2016 zu präsentieren. Und es sind sogar zwei Berichte geworden. Der eine heißt „Drogen- und Suchtbericht“ und der andere ganz prosaisch „Anhang“. Im ersten finden sich fünf Kapitel zu den Themen „Suchtstoffe und Suchtformen“, „Schwerpunktthemen der Drogenbeauftragten“, „Suchtstoffübergreifende Prävention, Beratung und Behandlung“, „Gesetzliche Regelungen und Rahmenbedingungen“ und „Internationales“. Der Anhang zeigt, nach Mortlers Anmerkungen im Vorwort, „wie vielfältig die Drogen- und Suchtpolitik insgesamt ist“, indem er „eine Auswahl aktueller Projekte aus den Bundesländern, aus Vereinen und Verbänden“ enthält. Im Vorwort bemerkt die Drogenbeauftragte ferner, sie sei stolz darauf, den „Bericht in moderner, komprimierter und kurzweiliger Form präsentieren zu können“. Modern? Ja. Komprimiert? Und wie. Aber kurzweilig? Sucht- und Drogenprobleme sind nicht kurzweilig. Sie sind langwierig, dramatisch und existenzbedrohend.

    Dieser Bericht ist eine bunte Aneinanderreihung von Fakten und Projektberichten und bietet eine unübersehbare Vielfalt. „Managing Diversity“ ist das Gebot der Stunde, aber hier wird die Vielfalt nicht organisiert, sondern willkürlich aneinandergereiht. Es ist und bleibt nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die eingereichten Beiträge zur Veröffentlichung ausgewählt wurden. Während die Verfasser*innen 22 Seiten mit dem Kapitel „Prävention“ füllen, umfasst das Kapitel zu Beratung und Behandlung zwei (!) Seiten Text. Darin fehlen Alkoholabhängige fast komplett, in Details werden stets die Konsumenten*innen illegaler Drogen, und davon vor allem Cannabiskonsumenten*innen, genannt.

    Dem Versorgungssystem, das nach dem Jahresbericht der Deutschen Suchthilfestatistik für das Jahr 2014 341.963 ambulante Betreuungen und 49.297 stationäre Behandlungen in 837 ambulanten und 206 stationären Einrichtungen durchgeführt hat, gebührt mehr Platz. Zur Erinnerung: Insgesamt gibt es in Deutschland über 1.400 Suchtberatungsstellen, 13.000 stationäre Suchttherapie-Plätze und fast 25.000 Plätze in Wohnheimen der Sozialhilfe. Das sind zumindest halbwegs regelhaft finanzierte Angebote für Suchtkranke. Der Drogen- und Suchtbericht bezieht sich zum überwiegenden Teil auf kurzfristig finanzierte Präventionsprojekte, die nach der Modellphase häufig wieder eingestellt werden (müssen). Von einem regelhaften, bedarfsorientiert finanzierten Angebot der Suchtprävention und Gesundheitsförderung ist Deutschland weit entfernt. Auch wenn Gesundheitspolitik Ländersache ist – die Herstellung gleicher Lebensbedingungen ist Sache der Bundesregierung. Das steht sogar im Grundgesetz.

    Es geht doch besser

    Es gibt auch einen Bericht, der alle unsere Fragen beantwortet und sogar noch die, von denen wir gar nicht wussten, dass wir sie haben: Im November erscheint jährlich der Reitox-Bericht der deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD). Da ist nun aber wirklich alles drin, was es an Fakten, Hintergrundinformationen, Zusammenhängen und Fragen rund um das Thema „illegale Drogen“ gibt. Na also, geht doch!

    Epilog

    „Das Jahr 2016 ist kein gutes für die Suchthilfe“, schrieb ich eingangs. Während das im Alternativen Drogen- und Suchtbericht zumindest anklingt und aus dem Reitox-Bericht heraus interpretiert werden kann, erfährt man bei den anderen berichterstattenden Institutionen nichts davon. Sucht- und Drogenprobleme zu beschreiben, heißt nicht, bei den Phänomenen zu verweilen und staatliche Ausgaben zu legitimieren. Sucht- und Drogenprobleme treffen den einzelnen Menschen in seiner Existenz, in seinem Lebensumfeld und in seinen Perspektiven. Das (immer noch) sehr gut ausgebaute Verbundsystem der Suchthilfe hilft, Abhängigkeitserkrankungen zu überwinden, gibt Menschen Hoffnung und Familien Rückhalt. Zehn Millionen von Suchterkrankungen betroffene und bedrohte Menschen und weitere zehn Millionen mitbetroffene Angehörige machen die Abhängigkeit zur Volkskrankheit. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die Behandlung von Suchterkrankungen unter Rechtfertigungsdruck steht und in der Realität nur nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel erfolgen kann. Das soll an dieser Stelle auch berichtet werden.

    Kontakt:

    Jost Leune
    Fachverband Drogen- und Suchthilfe e. V (fdr)
    Gierkezeile 39
    10585 Berlin
    leune@fdr-online.info

    Angaben zum Autor:

    Jost Leune ist Geschäftsführer des Fachverbands Drogen- und Suchthilfe e. V. (fdr) und Mitglied im Fachbeirat von KONTUREN online.

  • Aufstellungsarbeit mit dem Inneren Team

    Stuttgart: Klett-Cotta 2016, 191 S., ISBN 978-3-608-89176-8, EUR 24,95, auch als E-Book erhältlich

    9783608891768Aufstellungen geben Anstöße, die nicht selten tief sitzende Blockaden beim Patienten lösen können. Nach einer gelungenen Aufstellungsarbeit hat der Patient ein konkretes Bild vor Augen und eine Landkarte für die nächsten Schritte vor sich. Dagmar Kumbier zeigt in diesem Buch, wie fruchtbar die Aufstellung des „Inneren Teams“ für den therapeutischen Prozess genutzt werden kann. In mehrfacher Hinsicht betritt sie dabei Neuland und bereichert die traditionell systemische Methode durch die psychodynamische Fragestellung: Welche unbewusste innere Dynamik ist am Werk? Die Aufstellung des Inneren Teams führt Patientinnen und Patienten an verdrängte Teile ihrer Biographie heran und legt so die Basis für Veränderung und Wachstum. Mit vielen Beispielen aus der Praxis, Weiterentwicklung des Ansatzes von Friedemann Schulz von Thun für die Psychotherapie.

  • Salutogenese

    München: Ernst Reinhardt Verlag, 3. Auflage 2016, 208 S., ISBN 978-3-497-02599-2, EUR 29,90, auch als E-Book erhältlich

    Lorenz_Salutogenese_3A_4cWeshalb bleiben manche Menschen gesund, wenn andere krank werden? Auf der Suche nach einer Antwort auf diese Frage entwickelte Aaron Antonovsky das Konzept der „Salutogenese“. Lange Zeit hatte sich die Medizin vorwiegend mit der „Pathogenese“, also dem, was krank macht, beschäftigt. Antonovsky untersuchte stattdessen, was den Menschen selbst unter widrigen Bedingungen gesund hält — mit weitreichenden Konsequenzen für die medizinische Forschung und Praxis. Anschaulich stellt der Autor die theoretischen Bausteine des Salutogenese-Konzeptes dar und ordnet sie kritisch ein. Er gibt einen Überblick über den Stand der Forschung und zeigt, welche Bedeutung das Konzept für andere aktuelle Forschungsgebiete (Säuglingsforschung, Entwicklungspsychologie, Emotionsregulation) hat. Als Konzept der Gesundheitsförderung und Prävention ist Salutogenese vor allem für die Praxis relevant, insbesondere für die Psychotherapie. Zahlreiche Fallbeispiele illustrieren, wie man das Salutogenese-Konzept in der Psychotherapie fruchtbar machen, Ressourcen nutzen und Selbstheilungskräfte fördern kann. Mit einem Geleitwort von Hilarion G. Petzold.

  • Verhaltenssüchte

    Cover DGPPN PositionspapierSozialer Rückzug, Probleme am Arbeitsplatz, Depressionen und andere psychische Folgeerkrankungen: Verhaltenssüchte wie der exzessive Computer- und Internetgebrauch oder die Glücksspielsucht wirken sich oft schwerwiegend auf das Leben der Betroffenen aus. Renommierte Suchtexperten der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) haben deshalb den aktuellen Wissensstand zu Prävention, Diagnostik und Therapie von Verhaltenssüchten in einem Eckpunktepapier neu bewertet und leiten daraus Handlungsempfehlungen für die Suchtpolitik ab.

    Eine Abhängigkeit muss nicht zwangsläufig an Substanzen wie Alkohol, Zigaretten oder Drogen geknüpft sein. Auch Verhaltensweisen können Menschen abhängig machen, zum Beispiel die exzessive Nutzung von Computer und Internet oder Glücksspielen. „Die betroffenen Menschen sind auf bestimmte Verhaltensweisen fixiert, sie verspüren den starken Drang, dem jeweiligen Reiz immer wieder zu folgen. Nach und nach nimmt die Verhaltenssucht so viel Raum in Anspruch, dass sie mit dem sozialen und beruflichen Leben kollidiert“, erklärt Prof. Karl Mann, Suchtexperte bei der DGPPN.

    In den vergangenen Jahren hat die Forschung Belege gefunden, welche für eine enge Verwandtschaft von Substanz- und Verhaltensabhängigkeiten sprechen. „Neue Bildgebungsstudien konnten nachweisen, dass beim pathologischen Glücksspiel ebenfalls funktionelle Veränderungen im Belohnungssystem des Gehirns zu beobachten sind. Gleichzeitig ließ sich auch eine erhöhte Reaktivität auf die mit dem Glücksspiel verbundenen positiven Reize zeigen – die gleichen Reaktionen sind auch bei einer Substanzabhängigkeit zu finden“, stellt Prof. Mann fest.

    Im Bereich der Computer- und Internetabhängigkeit ist die neurobiologische Befundlage noch weniger umfangreich. Allerdings deuten neue Studien auf eine große Ähnlichkeit zum pathologischen Glücksspiel in Hinblick auf Hirnfunktionen und Verhaltensänderungen hin. Die Betroffenen verhalten sich impulsiver, ihr Belohnungslernen ist verändert, und sie reagieren zum Beispiel weniger stark auf monetäre Verluste. Dabei sind beim exzessiven Computer- und Internetgebrauch verschiedene Nutzungsformen zu unterscheiden. Manche Betroffene geben sich suchthaft Computerspielen hin, andere sind übermäßig mit Internetaktivitäten wie Surfen oder Chatten beschäftigt.

    Die Suchtforschung konzentrierte sich über viele Jahre hinweg überwiegend auf die stoffgebundene Abhängigkeit. Aus Sicht der DGPPN ist nun eine verstärkte fachliche Beschäftigung mit Verhaltenssüchten unverzichtbar. „Auf Computerspiele und Internet können wir heute überall und rund um die Uhr zugreifen. Auch Glücksspiele sind durch die modernen Kommunikationsmittel so einfach zugänglich wie nie zuvor. Deshalb müssen Verhaltenssüchte stärker in den Fokus der Suchtpolitik rücken. Wir benötigen in Deutschland eine flächendeckende qualifizierte Beratungsstruktur mit nachhaltigen Angeboten für Forschung, Praxis und Prävention. Ohne gezielte öffentliche Förderung wird dies nicht möglich sein“, sagt Prof. Karl Mann.

    Gerade für die Prävention bietet das Suchtmodell dieser Störungen nach Einschätzung der DGPPN besonders aussichtsreiche Möglichkeiten, beispielsweise durch die Einführung von effizienten Kontrollmechanismen. So werden in Bezug auf das pathologische Glücksspiel der Ausbau der Sperr- und Selbstlimitierungssysteme oder ein Verbot von Glücksspielwerbung bei Sportveranstaltungen diskutiert. Bei Computerspielen mit Suchtpotenzial ist zum Beispiel eine Alterseinstufung zu prüfen.

    Pressestelle der DGPPN, 16.03.2016

    Cover Memorandum DG_SuchtZu einer ähnlichen Einschätzung von Computer- und Internetabhängigkeit kommt die Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht). In ihrem im Dezember 2015 veröffentlichten „Memorandum Internetbezogene Störungen“ legt sie ihre Auffassung zu folgenden Punkten dar: Definition und Klassifikation, Prävalenz, Risikofaktoren, Prävention und Behandlung. Des Weiteren formuliert sie Ziele für verschiedene Handlungsbereiche: Ziele für die Versorgung und Behandlung, Ziele für die zukünftige Forschung sowie Ziele für politische Maßnahmen.

    Redaktion KONTUREN online, 12.07.2016

  • Wirksamkeit von Gruppenpsychotherapie für Suchtpatienten

    Das Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Jena untersucht gemeinsam mit Wissenschaftlern der Università degli Studi di Palermo die Wirksamkeit von Gruppenpsychotherapien. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unterstützt diese Kooperation im Rahmen seines Programms „Hochschuldialog mit Südeuropa“. Dieses Programm ist auf Projekte mit Bezug zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragestellungen ausgerichtet, um den gesellschaftspolitischen Dialog zwischen den von der Wirtschaftskrise besonders stark betroffenen südeuropäischen Ländern und Deutschland zu fördern.

    Inhalt der auf etwa ein Jahr angelegten thüringisch-sizilianischen Kooperation sind systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen zur Wirkung von Gruppenpsychotherapie bei substanzinduzierten Störungen. „Wir wissen, dass Substanzmissbrauch und Suchtverhalten sehr häufig als Reflexion prekärer Lebensverhältnisse auftreten. Unter welchen Bedingungen hier Psychotherapie in der Gruppe als vergleichsweise kostengünstige Therapieform erfolgreich eingesetzt werden kann, ist in diesem Zusammenhang eine Frage mit hoher Relevanz“, so Institutsdirektor Prof. Dr. Bernhard Strauß zum Projektansatz. Im Mai weilten die Kooperationspartner aus Palermo zu einem ersten Arbeitstreffen in Jena. Dabei vermittelten die Jenaer Psychologinnen PD Dr. Jenny Rosendahl und Dominique Schwartze in einem mehrtägigen Workshop die methodischen Grundlagen für die Erstellung und Durchführung einer Metaanalyse.

    Prof. Strauß: „Nach einer ersten Sichtung gehen wir von 50 bis 100 Studien von ausreichender Qualität zu diesem Thema aus, die in die Analyse einzubeziehen sind.“ Mit der Erfassung und Bewertung der vorhandenen Studien wird die Projektarbeit an den Reviews in den kommenden Monaten in den beiden Orten fortgesetzt, ehe im Herbst ein weiteres Arbeitstreffen in Palermo erfolgen wird.

    Pressestelle des Universitätsklinikums Jena, 31.05.2016

  • Frühe traumatische Erlebnisse

    Verhaltensweisen, die durch frühe traumatische Erlebnisse verursacht werden, sind reversibel. Bild: Lukas von Ziegler, UZH
    Verhaltensweisen, die durch frühe traumatische Erlebnisse verursacht werden, sind reversibel. Bild: Lukas von Ziegler, UZH

    Verhaltensweisen, die durch frühe traumatische Erlebnisse verursacht werden, sind reversibel. Forschende der Universität Zürich und ETH Zürich konnten zeigen, dass bei Mäusen eine anregende Umgebung traumabedingte Symptome rückgängig machen kann. Damit gelang erstmals der Nachweis, dass positive Umweltfaktoren Verhaltensänderungen korrigieren können, die sonst an die Nachkommen vererbt würden. Verantwortlich dafür ist die epigenetische Steuerung des Glucocorticoid-Rezeptors.

    Traumatische Erlebnisse in der Kindheit erhöhen das Risiko, später im Leben Verhaltensauffälligkeiten oder psychische Krankheiten zu entwickeln. Ebenso bekannt ist, dass negative Folgen eines Traumas auch bei den Kindern von Betroffenen auftreten können, auch wenn diese selbst keinen solchen Stress erfahren haben. Frühkindlicher Stress kann aber auch dazu führen, dass Betroffene später mit schwierigen Situationen besser umgehen können. Auch diese Fähigkeit wird auf die Nachfolgegenerationen vererbt. Dies hat Isabelle Mansuy, Professorin für Neuroepigenetik der Universität und der ETH Zürich, an Untersuchungen mit Mäusen unlängst herausgefunden.

    Mansuys Forscherteam zeigt erstmals, dass stressbedingte Verhaltensänderungen bei Mäusen reversibel sind. Leben männliche Mäuse, die während ihrer frühen Kindheit Stress ausgesetzt waren, im Erwachsenenalter unter angenehmen Bedingungen, normalisiert sich sowohl ihr Verhalten wie auch das ihrer Nachkommen. „Lange nach den eigentlichen traumatischen Erlebnissen führt die Haltung in einer abwechslungsreichen Umgebung dazu, dass die Verhaltenssymptome bei erwachsenen Tieren rückgängig gemacht und nicht mehr an den Nachwuchs vererbt werden“, fasst Isabelle Mansuy die neuen Erkenntnisse zusammen.

    Indem sie die Jungtiere in unregelmäßigen Abständen von ihren Müttern trennten, setzten die Erstautorin Katharina Gapp und ihre Kollegen neugeborene Mäusemännchen traumatischem Stress aus. In der Folge verhielten sich die Männchen sowie ihre männlichen Nachkommen in Stresssituationen deutlich anders als die Kontrolltiere, beispielsweise hinsichtlich ihrer natürlichen Scheu vor hellem Licht oder bei komplexen, sich dauernd ändernden Aufgaben, etwa um bei Durst eine Ration Wasser zu erhalten.

    Auf molekularer Ebene äußern sich diese Verhaltensänderungen in einem erhöhten Level des Glucocorticoid-Rezeptors im Hippocampus – einer für kognitive Prozesse essenziellen Hirnregion, die mitverantwortlich ist, um Stressreaktionen stillzulegen. Grund dafür ist eine veränderte epigenetische Regulierung des Gens für den Rezeptor, der Stresshormone wie Cortison bindet. Die Aktivität dieses Gens wird normalerweise durch kleine chemische Verbindungen (Methylgruppen), die an bestimmten Stellen der DNA-Sequenz angeheftet sind, herabgesetzt. Traumatische Erlebnisse führen dazu, dass mehrere der „dämpfenden“ Methylgruppen von den genetischen Steuersequenzen entfernt werden. Dadurch erhöht sich die Genaktivität und der Glucocorticoid-Rezeptor wird vermehrt produziert.

    Diese modifizierte epigenetische Steuerung zeigt sich nicht nur in den Zellen des Hippocampus traumatisierter Jungtiere, sondern auch in den Keimzellen ihrer Väter. Die Wissenschaftler gehen daher davon aus, dass veränderte DNA-Methylgruppenmuster via Spermien an die Jungen weitergegeben werden. Isabelle Mansuy und ihr Team konnten nun nachweisen, dass die Auswirkungen frühkindlicher Traumata durch eine stressarme, abwechslungsreiche Umwelt im Erwachsenenalter korrigiert werden können. Zugleich verhindert das korrigierte Methylierungsmuster, dass die Symptome an den Nachwuchs vererbt werden.

    „Bisher war einzig bei pharmakologischen Medikamenten bekannt, dass sie epigenetische Veränderungen, die das Verhalten beeinflussen, korrigieren können. Nun wissen wir, dass dies auch durch Umweltanpassungen wie abwechslungsreiche Lebensbedingungen möglich ist“, unterstreicht Isabelle Mansuy. Die Forscher vermuten, dass es sich bei dieser reversiblen epigenetischen Vererbung um einen universellen Mechanismus handelt, der auch für die Übertragung anderer Eigenschaften auf die Nachkommen mitverantwortlich ist, beispielsweise Stoffwechselstörungen aufgrund von Mangelernährung oder durch hormonaktive Substanzen ausgelöste Krankheiten.

    Literatur:
    Katharina Gapp, Johannes Bohacek, Jonas Grossmann, Andrea M. Brunner, Francesca Manuella, Paolo Nanni, Isabelle M. Mansuy. Potential of Environmental Enrichment to Prevent Transgenerational Effects of Paternal Trauma. Neuropsychopharmacology. June 9, 2016. DOI: 10.1038/npp.2016.87

    Pressestelle der Universität Zürich, 23.06.2016