Autor: Simone Schwarzer

  • Weitblick und Visionen in mehr als 20 Jahren Suchtarbeit

    Dr. Martin Beutel (re.) mit Ehefrau Barbara Beutel (Mitte) nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes durch Oberbürgermeister Martin Wolff (li.)
    Dr. Martin Beutel (re.) mit Ehefrau Barbara Beutel nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes durch Oberbürgermeister Martin Wolff (li.)

    Rund 100 Vorstandssitzungen und 20 Mitgliederversammlungen hat Dr. Martin Beutel geleitet. Im März 2016 wurde dem langjährigen Vorsitzenden des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V. (buss) und Chefarzt der Kraichtal-Kliniken das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

    Von 1993 bis 2015 war Dr. Martin Beutel durchgängig ehrenamtlich im Vorstand des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe tätig, zunächst als stellvertretender Vorsitzender und seit 1997 als Vorsitzender. Im Jahr 2000 initiierte er die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Suchttherapie e. V. (deQus – eine ‚Tochter‘ des buss), war deren erster Vorsitzender und ist seitdem auch dort als Vorstandsmitglied aktiv. Die beiden Fachverbände buss und deQus vertreten bundesweit rund 160 stationäre Einrichtungen aus der Suchtkrankenhilfe. Aufgabe der beiden Verbände ist die Unterstützung der Mitgliedseinrichtungen bei ihrer fachlichen, konzeptionellen und organisatorischen Weiterentwicklung sowie die Vertretung gegenüber Leistungsträgern und Politik. Der buss wurde 1903 gegründet, die Mitglieder gehören überwiegend zu Trägern der freien Wohlfahrt oder öffentlichen Trägern.

    In einem Zeitraum von über 20 Jahren hat Dr. Martin Beutel mit hohem persönlichen Einsatz nicht nur die erfolgreiche Entwicklung der beiden Verbände buss und deQus maßgeblich bestimmt, sondern durch seine Fachkompetenz und seinen strategischen Weitblick die Entwicklung des gesamten deutschen Suchthilfesystems positiv beeinflusst. Zu seinen wichtigsten Verdiensten gehören:

    • die Entwicklung eines Qualitätsmanagementsystems für die Suchttherapie und die Gründung der deQus als ‚Tochter‘ des buss lange vor der Einführung einer gesetzlichen Zertifizierungspflicht für Reha-Einrichtungen,
    • die Weiterentwicklung des Qualitätssicherungssystems der Deutschen Rentenversicherung, insbesondere durch Einbringen der Perspektive der therapeutisch-medizinischen Praxis und der betroffenen Patient/innen,
    • die intensive Mitarbeit an der Entwicklung der Behandlungsleitlinien für den Indikationsbereich Abhängigkeitserkrankungen nach den Vorgaben der AWMF. Die neuen S3-Leitlinien wurden 2014 abgeschlossen, womit nun auch für Suchterkrankungen Behandlungsstandards auf höchstem wissenschaftlichen und evidenzbasierten Niveau vorliegen;
    • Pionierarbeit bei der Entwicklung von Behandlungskonzepten für stoffungebundene Suchtformen (Pathologisches Glücksspiel, Internetabhängigkeit),
    • die fachliche Verantwortung für die wissenschaftlichen Jahrestagungen des buss und in diesem Zusammenhang auch die Initiierung von Fachdiskussionen zu aktuellen Trends und deren Umsetzung im Suchthilfesystem (bspw. Vergleich der Suchtkrankenversorgung in Europa, aktuelle neurobiologische Erkenntnisse, Evidenzbasierung in der Psychotherapie),
    • die Weiterentwicklung der Suchthilfe in Europa durch Partnerschaften und Austauschprogramme.
    • Und nicht zuletzt geht die Etablierung von „KONTUREN online – Fachportal zu Sucht und sozialen Fragen“, der ersten Internetzeitschrift in der deutschsprachigen Sucht- und Rehaszene, auf seine Initiative zurück.

    Auch die intensive Auseinandersetzung mit Politikern und Vertretern der Leistungsträger über normative und fachliche Rahmenbedingungen in der medizinischen Rehabilitation und in der Suchtkrankenhilfe war ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit von Dr. Martin Beutel als Vorsitzendem des buss. Er hat sich dabei nicht gescheut, kritische Positionen zu vertreten, auch wenn das im Spannungsfeld zu der fachlichen und wirtschaftlichen Verantwortung für seine eigenen Einrichtungen stand. Gleichzeitig ist es ihm gelungen, in der Kommunikation nach innen und außen eine Kultur der Partnerschaftlichkeit und Transparenz zu prägen und zu erhalten.

    Am 2. März 2016 wurde Dr. Martin Beutel in seiner Heimatgemeinde Bretten im Rahmen eines Festaktes mit Freunden und Mitstreitern das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. In seiner Laudatio betonte Oberbürgermeister Martin Wolff auch Dr. Beutels regionales Engagement in allen Bereichen der Suchthilfe wie Präventionsprojekte in der Schule oder die Zusammenarbeit im Suchthilfenetzwerk. Die Grußworte sprachen: Joachim Kößler, MdL, Mitglied im Beirat der Kraichtal-Kliniken; Prof. Dr Andreas Koch, Geschäftsführer des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V.; Dr. Maria Klose, Leiterin des Sozialmedizinischen Zentrums der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg; Uwe Egner, Fachbereichsleiter Zentrale und Grundsatzaufgaben, Abt. Rehabilitation, Deutsche Rentenversicherung Bund; Prof. Dr. Uwe Ikinger, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Stadtmission Heidelberg e. V.

    Zum Abschluss setzten die anwesenden Vertreter/innen des buss eine eher jüngere Tradition des Verbandes um: Sie schenkten Dr. Martin Beutel eine Torte, so wie jede Mitgliedseinrichtung eine zu ihrer Erstzertifizierung geschenkt bekam. Mit dieser Torte gratuliert der buss seinem ehemaligen Vorsitzenden und dankt ihm für alles, was er für den Verband in den vergangenen Jahren getan hat.

    buss, 25.04.2016

  • Alkoholische Leberfibrose früher erkennen

    Das Forschungskonsortium GALAXY entwickelt neuartige Diagnose- und Therapiemethoden, mit denen Lebererkrankungen deutlich früher erkannt und therapiert werden sollen. Das Projekt wird von der Europäischen Union mit rund 6,3 Millionen Euro gefördert. Die Federführung hat die University of Southern Denmark, das Bonner Universitätsklinikum ist beteiligt.

    Leberzirrhosen sind für 170.000 Todesfälle jährlich in Europa verantwortlich. Der Kontinent ist hinsichtlich des Alkoholkonsums im weltweiten Vergleich führend. Alkohol wiederum ist die Hauptursache von Lebererkrankungen – insbesondere der Leberzirrhose als Endstadium. Während die Überlebensraten bei der Behandlung vieler Erkrankungen in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen sind, stagnieren die Therapieerfolge bei Lebererkrankungen. Das Forschungskonsortium GALAXY, das vom Odense-Universitätsklinikum in Dänemark geleitet wird, will nun in die Offensive gehen. Aleksander Krag, Koordinator der Forschergruppe und Professor an der University of Southern Denmark sowie am Odense University Hospital, setzt große Hoffnungen in dieses Projekt.

    Die Anfälligkeit für Erkrankungen, die durch Alkohol ausgelöst werden, variiert von Mensch zu Mensch. Rund fünf bis zehn Prozent der starken Alkoholiker erkranken an einer Leberzirrhose. Allerdings kann eine solche Lebererkrankung auch bereits durch weitaus geringeren Alkoholkonsum ausgelöst werden. Da es bislang keine verlässliche Vorhersage gibt, erfolgt bei vielen Patienten die Diagnose erst zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits irreparable Schäden der Leber vorliegen.

    Das Ziel des sechs Jahre lang geförderten Forschungsprojektes ist es, auf eine möglichst einfache Weise die Menschen zu erkennen, die von einer schleichenden Lebererkrankung betroffen sind. Das könnte zum Beispiel ein einfacher Bluttest sein, der anzeigt, wenn Menschen besonders schnell eine Leberzirrhose entwickeln und deshalb besonders rasch eine Therapie benötigen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass im Darm lebende Bakterien hierfür ein vielversprechender Ansatz sind. Die Hypothese lautet, dass diese Bakterien mit der Leber zusammenwirken – sie können das Organ entweder schützen oder die Ausbildung von schädlichem Narbengewebe begünstigen.

    Während in Dänemark hierzu Untersuchungen an Patienten durchgeführt werden, prüfen Wissenschaftler um Prof. Dr. Jonel Trebicka, Oberarzt an der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des Universitätsklinikums Bonn, die so gewonnenen Ergebnisse modellhaft an Tieren. „Wir werden versuchen, für diese Pathomechanismen Behandlungsmöglichkeiten zu testen“, sagt Prof. Trebicka. Der Wissenschaftler geht von einer sehr hohen Dunkelziffer bei Leberzirrhosen aus, weil dieser Erkrankung aufgrund des zugrundeliegenden Alkoholkonsums ein Stigma anhaftet. „Das Ausmaß, vor allem bei jungen Menschen, ist erschreckend.“ Das Projekt werde helfen, Patienten mit einem hohen Risiko früher zu erkennen und mögliche Therapien zu entwickeln.

    An GALAXY sind das Center for Basic Metabolic Research der Universität Kopenhagen (Dänemark), das Steno Diabetes Center in Gentofte (Dänemark), die Universität Oslo (Norwegen), das Europäische Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg, das Universitätsklinikum Bonn, die Akademie für Biomedizinische Forschung (Griechenland), Nordic Bioscience (Dänemark) und Nordic Rebalance (Dänemark) beteiligt.

    Pressestelle der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 18.04.2016

  • Lass mich – mir fehlt nichts!

    Stuttgart: Thieme Verlag 2015, übers. v. Frank-Gerald Pajonk, 312 S., ISBN 978-3-13-180211-8,
    EUR 19,99, auch als E-Book erhältlich

    Amador_Lass michWie spricht man mit Menschen, die glauben, psychisch gesund zu sein, obwohl alle anderen vom Gegenteil überzeugt sind? Wie vermittelt man ihnen die Einsicht, dass eine Therapie das Beste für sie ist? Angehörige und Therapeuten wissen, wie schwierig dies sein kann. Denn die „mangelnde Einsicht“, psychisch erkrankt zu sein, ist keine bewusste Entscheidung des Betroffenen, sondern ein Symptom seiner Erkrankung. Entsprechend überfordert sind Angehörige und Freunde, wenn das stetige Leugnen der Krankheit eine Behandlung unmöglich macht. Konflikte sind unausweichlich, nicht selten kommt es zum völligen Abbruch der Kommunikation. Doch gerade das Gegenteil ist wichtig.

    Angehörige, Ärzte, Therapeuten und alle anderen Beteiligten möchten mit ihren Patienten dauerhaft eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen, die von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt geprägt ist. Nur dann können sie wirkungsvoll unterstützen. Hierbei hilft das LEAP-Konzept des amerikanischen Psychologen Xavier Amador, das sich in der Praxis vielfach bewährt hat. Mit seiner Hilfe lässt sich die Kommunikation spürbar verbessern und ein Miteinander finden, das allen guttut. Das Konzept basiert auf den Bausteinen „Listen“ (zuhören), „Empathize“ (Empathie zeigen), „Agree“ (zustimmen) und „Partner“ (partnerschaftlich handeln). Es richtet sich vor allem an Angehörige und Freunde, aber auch an alle Berufsgruppen, die sich professionell mit den Erkrankten beschäftigen: Ärzte, psychologische Psychotherapeuten, Pflegepersonal, Sozialarbeiter und Betreuer. Dieses Buch stellt das LEAP-Konzept anschaulich, verständlich und mit konkreten Handlungsanleitungen vor.

  • Der totale Rausch

    Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch 2015, 363 S., ISBN 978-3-462-31517-2, EUR 17,99, auch als E-Book erhältlich

    9783462315172_5Über Drogen im Dritten Reich ist bislang wenig bekannt. Norman Ohler geht den Tätern von damals buchstäblich unter die Haut und schaut direkt in ihre Blutbahnen hinein. Arisch rein ging es darin nicht zu, sondern deutsch chemisch – und ziemlich toxisch. Wo die Ideologie für Fanatismus und „Endsieg“ nicht mehr ausreichte, wurde hemmungslos nachgeholfen, während man offiziell eine strikte Politik der „Rauschgiftbekämpfung“ betrieb. Als Deutschland 1940 Frankreich überfiel, standen die Soldaten der Wehrmacht unter 35 Millionen Dosierungen Pervitin. Das Präparat – heute als Crystal Meth bekannt – war damals in jeder Apotheke erhältlich, machte den Blitzkrieg erst möglich und wurde zur Volksdroge im NS-Staat. Auch der vermeintliche Abstinenzler Hitler griff gerne zur pharmakologischen Stimulanz: Als er im Winter 1944 seine letzte Offensive befehligte, kannte er längst keine nüchternen Tage mehr. Schier pausenlos erhielt er von seinem Leibarzt Theo Morell verschiedenste Dopingmittel, dubiose Hormonpräparate und auch harte Drogen gespritzt. Nur so konnte der Diktator seinen Wahn bis zum Schluss aufrechterhalten.

    Norman Ohler hat bislang gesperrte Materialien ausgewertet, mit Zeitzeugen, Militärhistorikern und Medizinern gesprochen. Entstanden ist ein erschütterndes, faktengenaues Buch. Der totale Rausch wurde von dem bedeutenden Historiker Hans Mommsen begleitet, der das Nachwort beisteuert. Sein Fazit: „Dieses Buch ändert das Gesamtbild.“

  • Umgang mit komorbiden Suchtproblemen

    Praxisempfehlungen_LangversionProblematischer Suchtmittelkonsum (riskanter Konsum, schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit) macht vor somatischen und psychosomatischen Rehabilitationseinrichtungen nicht Halt. Er fällt dort aber eher selten auf, und es bestehen Unsicherheiten, wie damit umgegangen werden soll. Dabei bietet die Rehabilitation gute Voraussetzungen für die Diagnostik möglicher Suchtprobleme sowie für Beratung und ggf. Vorbereitung einer weiterführenden Behandlung. Konkrete Empfehlungen für das Vorgehen in der Praxis liegen nun vor. Sie beschreiben einen mehrstufigen Prozess für Screening und Diagnostik, der gut in die Klinikabläufe integriert werden kann, und zielen auch auf die Sensibilisierung der Mitarbeiter/innen ab.

    Entwickelt wurden die Empfehlungen von einer multiprofessionellen Expertengruppe im Rahmen des Projektes „Praxisempfehlungen zum Umgang mit komorbiden Suchtproblemen in der somatischen und psychosomatischen Rehabilitation“ am Institut für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin (AQMS) des Universitätsklinikums Freiburg. Das Projekt wurde von der Deutschen Rentenversicherung Bund in den Jahren 2014 bis 2015 gefördert und ist nun mit der Vorlage der Ergebnisse abgeschlossenen. Die Praxisempfehlungen liegen als Kurz- und Langfassung vor und werden durch einen Materialband ergänzt. Alle Dokumente stehen als PDF-Dateien auf der Homepage des AQMS (www.aqms.de > Praxisempfehlungen) zum Download bereit.

    Die Praxisempfehlungen richten sich an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in somatischen und psychosomatischen Rehabilitationseinrichtungen, die nicht auf Abhängigkeitserkrankungen spezialisiert sind, und sollen dazu beitragen, die Handlungssicherheit zu erhöhen. Dies steht auch im Einklang mit der aktuellen S3-Leitlinie „Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen“, die eine systematische Erhöhung des Problembewusstseins in allen Versorgungsbereichen, den Ausbau von Konsil- und Liasondiensten sowie die Intensivierung von Maßnahmen zur Früherkennung fordert.

    Die Praxisempfehlungen beziehen sich auf alle stoffgebundenen Suchtprobleme (Alkohol, Medikamente und illegale Drogen) mit Ausnahme von Tabak. Sie wurden in mehreren Schritten entwickelt. Neben einer umfassenden, systematischen Recherche nach relevanten Übersichtsarbeiten und Leitlinien wurden bundesweit stationäre Reha-Einrichtungen aller Indikationsbereiche (mit Ausnahme von Fachkliniken für Abhängigkeitserkrankungen) zur gegenwärtigen Praxis ihres Umgangs mit dem Thema befragt. Auf Basis dieser Ergebnisse wurde im Rahmen eines Expertenworkshops eine Konsultationsfassung der Praxisempfehlungen formuliert, die schließlich mit der Bitte um Kommentierung an die ärztlichen Leitungen von stationären und ambulanten Reha-Einrichtungen (mit Ausnahme von Fachkliniken für Abhängigkeitserkrankungen und reinen Kinder- und Jugendlicheneinrichtungen) verschickt wurde. Außerdem wurde im Rahmen von Fokusgruppen mit Rehabilitanden über zentrale Aspekte der Praxisempfehlungen diskutiert. Die Anmerkungen und Kommentare wurden ausgewertet und bei der abschließenden Konsentierung der Praxisempfehlungen durch die Experten berücksichtigt.

    Bibliografische Angabe:
    Schlöffel, M., Mittag, O., Funke, W., Pollmann, H., Köhler, J., Blahs, A., Buschmann, H., Konitzer, M., Mariolakou, A., Muschalla, B., Orlicek, M., Peter-Höhner, S., Rösler, N., Rumpf, H.-J., Sarrazin, D., Schneider, W., Schöneck, D., Widera, T., Wiehn, T. & Worringen, U. (2016). Praxisempfehlungen zum Umgang mit komorbiden Suchtproblemen in der somatischen und psychosomatischen Rehabilitation (Langfassung bzw. Kurzfassung).

    Quelle: Website des AQMS https://www.uniklinik-freiburg.de/severa/praxisempfehlungen.html

  • EU-Drogenmarktbericht 2016

    Cover_Ueberblick_rCover_Analysis_rDie aktuelle Ausgabe des EU-Drogenmarktberichtes, der jährlich vom European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA) und Europol herausgegeben wird, ist erschienen. Der Bericht mit dem Titel „EU Drug Market Report: In-depth Analysis“ ist in englischer Sprache verfasst und kann auf der Website der EMCDDA heruntergeladen werden. Eine Zusammenfassung in deutscher Sprache mit dem Titel „EU-Drogenmarktbericht 2016. Ein strategischer Überblick“ steht dort ebenfalls zum Download bereit. Der folgende Auszug aus der Zusammenfassung gibt die wichtigsten Punkte wieder:

    „Nach wie vor gehören die Drogenmärkte zu den lukrativsten Betätigungsfeldern für Gruppierungen der organisierten Kriminalität. Schätzungen zufolge geben Bürger in der Europäischen Union (EU) jedes Jahr mehr als 24 Milliarden Euro (Spanne: 21 bis 31 Milliarden Euro) für illegale Drogen aus. Die gesellschaftlichen Auswirkungen der Drogenmärkte sind entsprechend groß und gehen über die durch Drogenkonsum verursachten Schäden hinaus. Hierzu zählen beispielsweise die Beteiligung an anderen Formen krimineller Handlungen und am Terrorismus, Auswirkungen auf legale Unternehmen und die Wirtschaft insgesamt, Belastungen für staatliche Einrichtungen und Korruption in diesen Institutionen sowie Auswirkungen auf die Gesamtgesellschaft. […]

    Außerdem werden in dem Bericht die Märkte für die wichtigsten Drogenarten näher beleuchtet. Die wesentlichen Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

    Cannabis ist die am häufigsten konsumierte Droge in Europa. Der Anteil von Cannabis am illegalen Endverbrauchermarkt wird auf rund 38 Prozent geschätzt, was einem Marktwert von mehr als 9,3 Milliarden Euro jährlich entspricht (Spanne: 8,4 bis 12,9 Milliarden Euro). In der EU haben etwa 22 Millionen Erwachsene die Droge im letzten Jahr konsumiert, und rund 1 Prozent der erwachsenen Europäer konsumiert sie nahezu täglich, was das Risiko gesundheitlicher und gesellschaftlicher Folgeschäden erhöht. Gruppierungen der organisierten Kriminalität sind stark beteiligt und machen sich das gesamte Potenzial technologischer Neuerungen zunutze, um in Europa selbst die Produktionsmengen zu steigern und den Wirkstoffgehalt der Drogen zu erhöhen. Zwar nimmt innerhalb der EU angebautes Cannabiskraut auf dem Markt eine vorherrschende Stellung ein, doch das Cannabisharz aus Marokko, dessen Wirkstoffgehalt steigt, wird bisweilen zusammen mit anderen illegalen Waren und Menschen in die EU geschmuggelt; ein Trend, der durch die instabile Lage in Nordafrika und dem Nahen Osten verstärkt werden dürfte.

    Der Markt für Heroin ist der zweitgrößte illegale Drogenmarkt in der EU. Sein Volumen wird auf 6,8 Milliarden Euro jährlich geschätzt (Spanne: 6,0 bis 7,8 Milliarden Euro), und auf ihn entfällt ein erheblicher Anteil der drogenbedingten Todesfälle und gesellschaftlichen Kosten. Nachdem die Beschaffbarkeit eine Zeit lang zurückgegangen war, sind seit kurzem Anzeichen für ihre Zunahme erkennbar, welche womöglich auf erhöhte Schäden schließen lassen. Die Opiumherstellung in Afghanistan bleibt auf einem insgesamt hohen Niveau. Die vermehrte Sicherstellung sehr großer Heroinmengen lässt auf eine zunehmende Flexibilität und Dynamik im Hinblick auf Produktionstechniken, Produktionsorte, Handelsrouten und Vorgehensweisen schließen. Dies spiegelt sich in der Verlagerung des Schmuggels auf Seecontainer und auf neue Handelsrouten durch Afrika, den Südkaukasus, Syrien und Irak wider. Ungeachtet dessen ist die Balkanroute nach wie vor der Hauptkorridor, über den Heroin in die EU gelangt. Des Weiteren zeichnet sich eine Diversifizierung des Markts ab, die mit dem zunehmenden Missbrauch verschreibungspflichtiger Medikamente und neuer synthetischer Opioide einhergeht.

    Kokain ist das am häufigsten konsumierte illegale Stimulans in Europa; der Endkonsumentenmarkt wird auf mindestens 5,7 Milliarden Euro jährlich geschätzt (Spanne: 4,5 bis 7,0 Milliarden Euro). Der größte Teil des Konsums entfällt auf West- und Südeuropa und hat sich, obwohl die Verfügbarkeit offenbar zunimmt, in den letzten Jahren kaum verändert. Nachdem der Anbau von Kokasträuchern eine Zeit lang zurückgegangen war, scheint er nun wieder zuzunehmen. Allerdings ist nicht genau erkennbar, in welchen Mengen und an welchen Orten Kokain hergestellt wird. Kokain wird auf dem See- und dem Luftweg nach Europa geschmuggelt, Ausgangspunkte sind in erster Linie Kolumbien, Brasilien und Venezuela. Die Karibik und Westafrika bilden weiterhin wichtige Transitzonen, Zentralamerika ist auf dem Vormarsch. Ein anhaltendes Problem ist die Verwendung von Seecontainern, die große europäische Häfen anlaufen. Dabei kommt eine Vielzahl unterschiedlicher Versteckmethoden zum Einsatz, beispielsweise wird Kokain „Trägermaterialien“ (z. B. Kunststoffen) beigemischt und nach der Ankunft in Europa chemisch extrahiert. Die Belieferung des Großhandelsmarkts für Kokain in Europa wird nach wie vor von kolumbianischen und italienischen Gruppierungen dominiert, die mit anderen Gruppierungen (z. B. niederländischen, britischen und spanischen) zusammenarbeiten. Auch Gruppierungen aus Westafrika, insbesondere Nigeria, transportieren Kokain nach Europa; daneben beginnen sich Gruppierungen der organisierten Kriminalität aus dem Balkan zu etablieren.

    Der Markt für die wichtigsten synthetischen Stimulanzien Amphetamin, Methamphetamin und MDMA wird für Amphetamine (einschließlich Methamphetamin) auf mindestens 1,8 Milliarden Euro (Spanne: 1,2 bis 2,5 Milliarden Euro) und für MDMA/Ecstasy auf 0,67 Milliarden Euro jährlich geschätzt. Amphetamine werden bevorzugt von Freizeit- wie auch von ausgegrenzten Drogenkonsumenten konsumiert, und ihr Markt überschneidet sich mit dem für Kokain und einige neue psychoaktive Substanzen. Besorgniserregend sind im Moment insbesondere die Beschaffbarkeit hoch dosierter MDMA-Produkte und der zunehmende Methamphetaminkonsum. Innerhalb der EU stellen die Niederlande und Belgien Hauptproduktionsländer für MDMA und Amphetamin dar, während Methamphetamin offenbar größtenteils in der Tschechischen Republik hergestellt wird. Die Verfeinerung und Diversifizierung der Produktion sowie die Verwendung neuer Vorläufersubstanzen und Vorstoffe der Vorläufersubstanzen für die Gewinnung von Drogengrundstoffen könnten die Gesundheitsrisiken erhöhen. Auch giftige Produktionsabfälle führen zu Gesundheitsrisiken und Umweltschäden. Auf dem Ecstasy-Markt ist eine aggressive Produktvermarktung zu beobachten, die auf Wettbewerb unter den Lieferanten und eine aktivere Ansteuerung bestimmter Zielgruppen von Konsumenten schließen lässt.

    Neue psychoaktive Substanzen (NPS) werden als ‚legaler‘ Ersatz für illegale Drogen in großer Zahl offen verkauft. Bei diesen Substanzen gibt es keine Anzeichen für eine rückläufige Entwicklung. Im Jahr 2015 wurden 100 neue Substanzen erstmalig gemeldet, und mit dem EU-Frühwarnsystem werden mehr als 560 solcher Substanzen überwacht. Der Markt beliefert sowohl Freizeit- als auch in wachsendem Maße ausgegrenzte Konsumenten. Durch die Entwicklung neuer Substanzen sind die Produzenten den gesetzlichen Kontrollen einen Schritt voraus. Mit Hilfe globalisierter Lieferketten können NPS in großen Mengen online bestellt und nach Europa transportiert werden, wo sie verpackt und auf dem offenen oder illegalen Drogenmarkt verkauft werden. Dieses wenig riskante und höchst gewinnträchtige Geschäft zieht die organisierte Kriminalität an, und es gibt Anzeichen für eine Produktion innerhalb Europas. So sind gesonderte, aber sich überschneidende Märkte entstanden, auf denen beispielsweise ‚Legal Highs‘, ‚Forschungschemikalien‘ und ‚Nahrungsergänzungsmittel‘ über den stationären und den Online-Handel vertrieben werden. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit nehmen auch die Schäden zu, beispielsweise akute, bisweilen tödliche Vergiftungen und negative Konsequenzen des Injizierens von Cathinonen.“

    Quelle: „EU-Drogenmarktbericht 2016. Ein strategischer Überblick“, hrsg. v. EMCDDA und Europol, Lissabon/Den Haag 2016, S. 7-9.

  • Professionalisierung von Praxisfeldern der Sozialarbeit

    Opladen/Berlin/Toronto: Verlag Barbara Budrich 2016, 296 S., ISBN 978-3-8474-0784-3, EUR 36,00

    Mueller_SozialarbeitSozialpädagog/innen und Sozialarbeiter/innen müssen plausibilisieren, dass ihre Arbeit nicht genauso gut von Nicht-Professionellen geleistet werden kann, sondern dass sie eine besondere theoretische und praktische Ausbildung erfordert. Die Soziale Arbeit übernimmt in Deutschland ganz unterschiedliche Aufgaben und ist in unterschiedlich strukturierten Praxisfeldern tätig. Nur wenige dieser Praxisfelder wurden bisher empirisch untersucht. Dieser Band stellt einen Diskussionsbeitrag zur Weiterentwicklung der Profession Sozialer Arbeit dar.

    In der bisherigen professionstheoretischen Diskussion zur Sozialarbeit wurden die Praxisfelder als wichtige Grundlage einer Professionalisierung nicht genügend betrachtet. Eine Professionalisierung, die nur auf wenigen Praxisfeldern wie z. B. der Hilfeplanung beruht, hat geringe Erfolgsaussichten. In diesem Band werden daher verschiedene Praxisfelder unter der Fragestellung untersucht, ob und wie professionelle Arbeit möglich ist und welche Bedingungen professionelles Handeln befördern oder behindern. Die Übernahme helfender und kontrollierender Aufgaben („Doppeltes Mandat“) ist dabei kein prinzipielles Hindernis, zumal auch Segmente der klassischen Professionen wie die psychiatrische Behandlung zwangsweise eingewiesener Patienten („Therapie vor Strafe“ nach dem BtMG) nicht dem Modell der professionellen Reinheit entsprechen. Zu den untersuchten Praxisfeldern gehören u. a. die Arbeit mit Obdachlosen, Übergangswohnheime für psychisch Kranke, die stationäre Suchttherapie, Jobcenter im Bereich U25, die Arbeit mit Älteren, die Gefängnissozialarbeit oder die Hilfeplanung nach dem SGB VIII. Es geht unter anderem um Sozialarbeit in totalen Institutionen oder im ambulanten Bereich, um professionelle Paradoxien wie z. B. Normanpassung vs. Respektierung autonomer Lebensführung sowie um die Diskussion günstiger Bedingungen für professionelle Arbeit und die Praxisausbildung von Novizen.

  • Engagiert und gesund bleiben

    Köln: Balance buch + medien verlag 2015, 200 S., mit Downloadmaterial, ISBN 978-3-86739-145-0, EUR 19,95, auch als E-Book erhältlich

    9783867391450Vor dem Hintergrund von Arbeitsverdichtung und permanenten Strukturanpassungen fällt es Helfenden immer schwerer, ein dynamisches Gleichgewicht aller Lebensbereiche zu wahren. Die Fachleute für die Gesundheit haben das Wohl der Klienten fest im Blick, nicht aber immer das eigene. Kluge Selbstvorsorge ist aber die Voraussetzung, um helfen zu können, und vermeidet das Burnout. Die vom Autor vorgestellten Präventionsstrategien enthalten Anleitungen zum Innehalten, Übungen zur Achtsamkeit und praktische Tipps für den eigenverantwortlichen Umgang mit Gesundheit. Das Buch stellt eine praktische Anti-Burnout-Hilfe für alle psychosozialen Berufe dar, mit Konzepten aus Salutogenese, Resilienzförderung und Logotherapie.