Autor: Simone Schwarzer

  • Erkennen – Prognostizieren – Warnen

    Dr. Wibke Voigt, Vorstandsvorsitzende des buss, die Preisträger Prof. Dr. Ulrich Zimmermann und Heidi Kuttler (der dritte Preisträger Cornelius Groß war nicht anwesend), Dr. Bernd Wessel, stellvertretender Vorsitzender des buss
    Dr. Wibke Voigt, Vorstandsvorsitzende des buss, die Preisträger Prof. Dr. Ulrich Zimmermann und Heidi Kuttler (der dritte Preisträger Cornelius Groß war nicht anwesend), Dr. Bernd Wessel, stellvertretender Vorsitzender des buss

    Von den Jugendlichen, die mit Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert werden, ist vor allem die Anzahl bekannt. Aber welche persönlichen Merkmale weisen sie auf? Und was könnten diese über den Entwicklungsverlauf aussagen? Diese Fragen bearbeiteten Prof. Dr. Ulrich Zimmermann, Cornelius Groß und Heidi Kuttler in ihrer Studie „Prognostizieren und Erkennen mittel- und langfristiger Entwicklungsgefährdungen nach jugendlichen Alkoholvergiftungen“, für die sie mit dem diesjährigen Wolfram-Keup-Förderpreis ausgezeichnet wurden. Der Wolfram-Keup-Förderpreis wird alle zwei Jahre vom Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe (buss) für eine wegweisende wissenschaftliche oder praxisorientierte Arbeit aus der Suchthilfe vergeben und ist mit einem Preisgeld von 2.000 Euro ausgestattet. Er wurde dieses Jahr zum vierten Mal verliehen, und die vielen eingereichten Arbeiten von durchgängig hoher Qualität zeugen davon, dass er in der Suchtszene weitläufig bekannt geworden ist. Die Verleihung fand im Rahmen der 102. Wissenschaftlichen Jahrestagung des buss am 16. März 2016 in Berlin statt.

    Die Preisträger Prof. Dr. Ulrich Zimmermann, Cornelius Groß (beide Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden) und Heidi Kuttler (Pädagogische Hochschule Freiburg) untergliederten ihre Studie in zwei Teile: In einem retrospektiven Teil wurden von über 1.600 Jugendlichen, die mit Alkoholvergiftung in einer Klinik aufgenommen wurden, nach mehr als acht Jahren 277 Jugendliche nachuntersucht und deren Gefährdungspotential mit einer Kontrollgruppe verglichen. In einem prospektiven Teil wurden fast 350 Jugendliche mit Alkoholvergiftung am Krankenbett befragt, davon wurden über 200 nach sechs bis acht Monaten erneut untersucht. Dabei wurde der „RiScA“-Fragebogen als Erhebungsinstrument zu Risiko- und Schutzfaktoren bei Alkoholvergiftungen im Kindes- und Jugendalter entwickelt.

    Im retrospektiven Teil der Studie zeigte sich, dass die Teilnehmer/innen der Intoxikationsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant mehr Alkohol tranken, mehr Anzeichen von Alkoholgebrauchsstörungen aufwiesen und häufiger bereits als alkoholabhängig einzuschätzen waren. Zudem berichteten sie häufiger vom Gebrauch illegaler Drogen sowie von delinquentem Verhalten. Die große Mehrheit von 80 Prozent innerhalb dieser Gruppe war jedoch nicht alkoholabhängig im Sinne von DSM-IV, betrieb auch keinen Alkoholmissbrauch, nahm nicht häufiger psychiatrische/psychotherapeutische Behandlungen in Anspruch und war auch nicht unzufriedener mit ihrer Lebensgestaltung. Der prospektive Teil der Studie ergab, dass beim ersten Befragungszeitpunkt im Krankenhaus 45,2 Prozent der Teilnehmer/innen mindestens zwei Entwicklungsgefährdungen (z. B. Misshandlungen in der Familie, schulische Probleme, Konsum illegaler Drogen etc.) angaben. Zum zweiten Befragungszeitpunkt rund ein halbes Jahr später gaben dies 22,4 Prozent der Teilnehmer/innen an. Jugendliche, die schon bei der ersten Befragung mindestens zwei Entwicklungsgefährdungen aufweisen, haben eine um das Fünffache erhöhte Wahrscheinlichkeit, sechs Monate später ebenfalls stark gefährdet zu sein.

    Bei Jugendlichen aus der Hochrisikogruppe (zwei oder mehr Entwicklungsgefährdungen), die über den RiScA-Fragebogen identifiziert werden konnten, liegt der Hauptproblembereich meist gar nicht im Alkoholkonsum, sondern im sozialen Umfeld, in Verhaltensauffälligkeiten oder Symptomen affektiver Erkrankungen. Diese Gruppe benötigt eine Nachsorge, die deutlich über den Fokus auf Alkoholkonsum hinausgehen muss.

    Die Ergebnisse und bereits die Aufgabenstellung der prämierten Studie unterstreichen den hohen Stellenwert von Prävention und Früherkennung – ganz im Sinne des Förderpreis-Stifters, Prof. Dr. Wolfram Keup. „Wolfram Keup war ein beharrlicher Beobachter der ‚Suchtlandschaft‘ und Mahner bei neu auftretenden Gefährdungen, was sich in seinem seinerzeit viel beachteten ‚Frühwarnsystem zur Erfassung von Veränderungen der Missbrauchsmuster chemischer Substanzen in der Bundesrepublik Deutschland‘ niederschlug. ‚Erkennen – Prognostizieren – Warnen‘ mag diese Strategie in Kurzform beschreiben, und diese Sichtweise auf das Suchtphänomen spiegelt auch die hier gekürte Arbeit“, so Dr. Bernd Wessel, stellvertretender Vorsitzender des buss, in seiner Laudatio.

    Eine Zusammenfassung der vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Studie steht auf www.suchthilfe.de > Förderpreis zum Download zur Verfügung. Der vollständige Abschlussbericht inkl. Entwicklung des RiScA-Fragebogens ist auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums publiziert unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/dateien/Publikationen/Drogen_Sucht/Abschlussbericht/Sachbericht_RiScA.pdf

    Zur Jury des Wolfram-Keup-Förderpreises 2016 gehörten die Vorstandsvorsitzende des buss, Dr. Wibke Voigt, die Vorstandsmitglieder Christian Heise, Gotthard Lehner und Olaf Szakinnis und folgende externe Gutachter:

    • Prof. Dr. Ulrich W. Preuß, Kreiskrankenhaus Prignitz, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Herborn
    • Dr. Theo Wessel, Gesamtverband für Suchthilfe e. V., Fachverband der Diakonie Deutschland, Berlin
    • Prof. Dr. Norbert Wodarz, Medizinische Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz GmbH (medbo), Regensburg

    Der nächste Wolfram-Keup-Förderpreis wird 2018 verliehen. Die Ausschreibung hierfür wird im April 2017 bekannt gegeben.

    buss, 07.04.2016

  • Neuer Leitfaden Sozialrecht online

    Lenski_Leitfaden SozialrechtSeit einigen Jahren bearbeitet Rüdiger Lenski, Mitglied im Beirat des fdr (Fachverband Drogen- und Suchthilfe e. V.), seinen „Leitfaden Sozialrecht“, der alle Informationen zur Anwendung des Sozialrechts auf 245 Seiten bündelt. Eine vergleichbare Darstellung ist auf dem Buchmarkt oder im Internet schwer zu finden. Der Leitfaden kann zu Aus- und Fortbildungszwecken (mit Quellenangabe) unentgeltlich kopiert und vervielfältigt werden und steht hier zum Herunterladen bereit (pdf, 618 KB):
    http://fdr-online.info/media/pdf-Dateien/Arbeitsmaterialien/Reader+Sozialrecht+2016.pdf

    Quelle: fdr-online.info #41

  • E-Shishas und E-Zigaretten

    Das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) vorgelegte Gesetz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Konsums von elektronischen Zigaretten und elektronischen Shishas ist am 1. April 2016 in Kraft getreten. Damit werden die Abgabe- und Konsumverbote des Jugendschutzgesetzes und des Jugendarbeitsschutzgesetzes für Tabakwaren auf E-Zigaretten und E-Shishas ausgedehnt. Zudem wird sichergestellt, dass die Abgabeverbote von Tabakwaren, E-Zigaretten und E-Shishas an Kinder und Jugendliche auch im Wege des Versandhandels gelten.

    „Auch nikotinfreie E-Zigaretten und E-Shishas schaden der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Selbst wenn sie nach Schokolade oder Himbeere schmecken, sind sie nicht harmlos, denn sie senken die Reizschwelle, auf normale Zigaretten umzusteigen“, so die Parlamentarische Staatssekretärin im BMFSFJ, Caren Marks.

    Es gibt nikotinhaltige und nikotinfreie Lösungen. Die Produkte haben oftmals den Ruf, eine gesündere Alternative zum Tabakrauchen zu sein, und wirken aufgrund von Geschmacksrichtungen wie Schokolade und diversen Fruchtsorten harmlos und auf Kinder und Jugendliche attraktiv. Mit den elektronischen Inhalationsprodukten werden Flüssigkeiten, so genannte Liquids, verdampft. Der dabei entstehende Nebel wird inhaliert. Aromastoffe verleihen dem Dampf den jeweiligen Geschmack.

    Nachdem die gesundheitlichen Risiken des Suchtstoffs und Nervengifts Nikotin wie physische Abhängigkeit und Herz-Kreislauferkrankungen seit längerem bekannt sind, haben Studien des Bundesinstituts für Risikobewertung und des Deutschen Krebsforschungszentrums auch die gesundheitlichen Risiken des Konsums von nikotinfreien E-Shishas und E-Zigaretten belegt.

    Pressestelle des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 01.04.2016