Autor: Simone Schwarzer

  • Stationäre Rehabilitation bei Pathologischem Glücksspiel erfolgreich

    CoverDer Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe (buss) und die Grüsser-Sinopoli-Ambulanz für Spielsucht der Universitätsmedizin Mainz haben mit Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit das Forschungsprojekt „Katamnese-Erhebung zur stationären Rehabilitation bei Pathologischem Glücksspiel“ durchgeführt, um Effekte der stationären Behandlung von Patienten mit der Diagnose Pathologisches Glücksspiel genauer zu untersuchen.

    Die Wirksamkeit der stationären Reha bei Pathologischem Glücksspiel konnte in Deutschland bislang nur in eingeschränktem Umfang vertieft untersucht werden. Die hierzu verfügbaren Studien unterliegen häufig methodischen Schwächen, wie etwa einer eingeschränkten Operationalisierung von Behandlungszielkriterien (Endpunkten) oder Selektionseffekten auf Grund geringer Rückläuferquoten. Eine routinemäßige Wirksamkeitsüberprüfung im Rahmen der Standardkatamnese gemäß KDS (Deutscher Kerndatensatz) gestaltet sich zudem oft als schwierig, da die hierzu verfügbaren Fragen vor allem für den Bereich der Substanzabhängigkeit formuliert sind. Ziel des gemeinsamen Forschungsprojekts war die Entwicklung und Durchführung einer spezifischen Katamnese für Patienten mit der Diagnose Pathologisches Glücksspiel. Unter sorgfältiger Definition relevanter und gleichzeitig störungsspezifischer Endpunkte sollte eine möglichst objektive Quantifizierung der Effekte einer stationären Rehabilitation evaluiert werden. Zu diesem Zweck wurden innerhalb eines Jahres mittels eines multizentrischen Messwiederholungsdesigns mit drei Wellen (vor und nach der Therapie sowie ein Jahr nach Therapieende) Daten von 402 Patienten mit der Erstdiagnose Pathologisches Glücksspiel erhoben. Die erzielte Rücklaufquote zum Follow-up belief sich auf 67,7 Prozent.

    Die Ergebnisse verdeutlichen, dass 69 Prozent der Patienten im Follow-up nicht mehr die diagnostischen Kriterien des Pathologischen Glücksspiels erfüllen, obgleich die Abstinenzquoten (nach DGSS 1) mit 40,7 Prozent deutlich unter diesem Wert liegen. Hinsichtlich der sekundären Endpunkte erwies sich, dass bei allen Patienten nach der Therapie eine signifikante Verminderung der psychopathologischen Symptombelastung und des Cravings zu verzeichnen war. Sehr hohe Effektstärken im Follow-up waren hinsichtlich der Erhöhung des psychosozialen Funktionsniveaus zu beobachten. Die vor Therapieantritt erlebte psychosoziale Symptombelastung sagte teilweise den zu erwartenden Therapieerfolg voraus, ebenso wie der Persönlichkeitsfaktor Extraversion. Innerhalb der Gruppe der erfolgreich austherapierten Patienten zeigte sich zudem eine Nachreifung in den erhobenen Persönlichkeitsmerkmalen. Die Ergebnisse deuten auf eine insgesamt gute Therapierbarkeit des Pathologischen Glücksspiels durch die suchtspezifischen Therapiekonzepte der partizipierenden Kliniken hin. Vor dem Hintergrund, dass ca. ein Drittel der Patienten nach zwölf Monaten noch die Kriterien des Pathologischen Glücksspiels erfüllt, erscheint eine tiefergehende Charakterisierung dieser Klientel notwendig, um eine spezifische Adaption der bestehenden Therapiestrukturen im Indikationsfall realisieren und Rückfälle vermeiden zu können.

    Im Rahmen der nächsten Wissenschaftlichen Jahrestagung des buss  (16./17. März 2016) werden die Ergebnisse im Einzelnen vorgestellt und im Hinblick auf ihren Nutzen für die Weiterentwicklung der klinikinternen Therapiekonzepte diskutiert. Der Abschlussbericht zur Studie steht hier zum Download bereit.

    buss, 15.10.2015

  • Die Mitarbeitenden mitnehmen

    Die Mitarbeitenden mitnehmen

    Hildegard Winkler
    Hildegard Winkler

    Viele Krankenhäuser haben sich in den letzten Jahren nach KTQ (Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen, www.ktq.de) zertifizieren lassen, so auch alle Kliniken in Trägerschaft des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), ausgenommen die Einrichtungen der Suchtrehabilitation, die nach dem DIN-ISO-basierten deQus-Modell zertifiziert sind. Nun hat das LWL-Klinikum Gütersloh für den Krankenhausbereich – als Pilot im LWL – zur DIN EN ISO 9001:2008 gewechselt. Das LWL-Klinikum umfasst die Kliniken für Allgemeine Psychiatrie, Gerontopsychiatrie, Psychosomatische Medizin, Suchtmedizin sowie die Kliniken für Innere Medizin und Neurologie. Insgesamt handelt es sich um 449 Betten/Tagesklinik-Plätze, drei Ambulanzen und ca. 500 Stellen.

    Ziel der Zertifizierung nach DIN ISO war es, Qualitätsmanagement (QM) als effektives Managementinstrument auszubauen, die Mitarbeitenden einzubeziehen und dabei ressourcensparend vorzugehen.

    Warum DIN ISO?

    Ein QM-System zu implementieren, macht Arbeit, unabhängig davon, an welchen Vorgaben eine Einrichtung sich orientiert. Aufbau- und Ablauforganisation müssen geklärt sein, regelmäßige Überprüfungen und Verbesserungen im Sinne des PDCA-Zyklus nach Deming (Plan – Do – Check – Act) sind nachzuweisen. Im LWL-Klinikum Gütersloh haben wir die DIN ISO gewählt, weil sich deren Anforderungen konkret auf diejenigen Prozesse richten, die tatsächlich in der Einrichtung ablaufen. Kernaufgabe ist es, in einem QM-Handbuch die wesentlichen Arbeitsabläufe und die sicherheitsrelevanten Prozesse darzustellen. Geregelt werden die Prozesse mit dem Ziel, ein reibungsloses Ineinandergreifen und Funktionieren zu gewährleisten, möglichen Risiken vorzubeugen und Schnittstellen zu optimieren.

    Wir haben bei der Beschreibung der Prozesse die Sichtweisen der mit den Abläufen vertrauten Mitarbeitenden einbezogen, um die Regelungen wirklich an der Arbeitsrealität auszurichten. Ein solches Vorgehen erleichtert es zugleich, die Mitarbeitenden für das QM zu gewinnen, denn i. d. R. empfinden es Mitarbeitende als Wertschätzung, wenn sie gefragt werden, was ihre Arbeit ausmacht. In jährlichen internen Audits wird dann geprüft, ob die realen Arbeitsabläufe den Regelungen des Handbuchs entsprechen und ob die Regelungen geeignet sind, die Qualitätsziele der Einrichtung zu erfüllen. Gleichzeitig dienen die Audits dem Austausch zwischen der/dem Qualitätsmanagementbeauftragten (QMB) und den Mitarbeitenden, Hinweise auf Verbesserungsbedarf gelangen dem Qualitätsmanagement zur Kenntnis, Maßnahmen werden mit den Mitarbeitenden vereinbart. Unmittelbare Praxisrelevanz erhält das QM-Handbuch aber erst dann so richtig, wenn Mitarbeitende sich damit aktiv auseinandersetzen und z. B. selbst darauf hinweisen, dass ein Arbeitsablauf zu Unsicherheiten, Konflikten oder Doppelarbeiten führt und deshalb geregelt werden sollte. Dann stehen wirklich diejenigen Prozesse im Fokus, bei denen Handlungsbedarf besteht, und die Kernfragen der QM-Arbeit sind „Was brauchen wir?“, „Was nützt unserer Einrichtung?“.

    Zentral werden diese Fragen jährlich im Management-Review der obersten Führungsebene gestellt. Im Rahmen dieses strategischen Management-Instruments wird das gesamte QM-System überprüft und bewertet. Die Ergebnisse der Audits fließen ebenso mit ein wie die des Beschwerde-, Fehler- und Risikomanagements, und auf der Grundlage der Bewertung werden Qualitätsziele festgelegt und zukünftige Entwicklungsschwerpunkte definiert.

    Zertifizierung als ‚Sahnehäubchen‘?

    Die Mitarbeitenden in die Erarbeitung von Prozessbeschreibungen einbeziehen, sich in internen Audits regelmäßig über die Vorgaben austauschen, gemeinsam Verbesserungen erarbeiten – das sind wichtige Bausteine eines lebendigen Qualitätsmanagements. Die Zertifizierung selbst sollte dann einen weiteren Motivationsschub geben und keinesfalls als übermäßige Belastung erlebt werden.

    Bei einer DIN-ISO-Zertifizierung werden alle Bereiche einer Einrichtung einbezogen. Uns besuchten zwei Auditoren vier Tage lang. Im Anschluss an ein dreistündiges Audit des Direktoriums und der Personalleitung auditierten sie nahezu alle Stationen sowie die Tageskliniken und Ambulanzen aller Klinken. Insgesamt waren 109 Mitarbeitende beteiligt. Sie alle haben eine direkte Rückmeldung über ihre Arbeit bekommen, da die Auditoren zum Abschluss eines jeden Audits die Stärken und die Verbesserungshinweise detailliert benannten.

    Im Mittelpunkt des Zertifizierungsaudits stand die Patientin/der Patient im Krankenhaus, d. h. die beiden Auditoren haben versucht, den ‚Weg des Patienten‘ in seiner individuellen Behandlung nachzuvollziehen. Darüber hinaus stand das Sicherheits- und Risikomanagement im besonderen Fokus. Die Bewertungsperspektive der Auditoren war einerseits auf das Risikomanagement der Prozesse ausgerichtet, mit dem Ziel, uns Hinweise auf mögliche ‚blinde Flecken‘ zu geben und auf Gefahren hinzuweisen: ein nicht abschließbarer Medikamentenschrank, Risiken bei der Medikamentenvergabe, fehlende CE-Zeichen auf den älteren Geräten der Physiotherapie – durchaus wertvolle Hinweise, die unsere eigenen Ziele unterstützen, Risiken zu verringern und Qualität weiterzuentwickeln. Gleichzeitig fokussierten die Auditoren immer wieder die Ergebnisqualität und gaben Denkanstöße, wie die Qualität der Behandlung besser gemessen werden könnte. Dies ist bekanntermaßen gerade auch im Hinblick auf das neue Vergütungssystem PEPP ein sehr wichtiger Aspekt. Immer wieder ging die Reflexion dahin, wie Ergebnisse noch stärker in das Qualitätsmanagement einfließen können.

    Im Audit der Leitung stand das Management von Qualität im Mittelpunkt der Betrachtung. Das Direktorium erhielt Hinweise darauf, wie Qualitätsmanagement noch konsistenter als Führungsinstrument zur strategischen Planung genutzt werden kann.

    Wie erlebten die Mitarbeitenden das Audit?

    Nach Abschluss des Zertifizierungsprozesses haben wir die beteiligten Mitarbeitenden gebeten, das Audit anhand eines Fragebogens zu bewerten. 65 Bögen wurden zurückgegeben, die Rücklaufquote beträgt 60 Prozent. An der Befragung beteiligten sich alle Berufsgruppen, Antworten aus Pflege, Medizin und Therapie sind in nahezu gleicher Anzahl vertreten.

    Etwa drei Viertel der Antwortenden bewerteten den Auditprozess als „sehr gut“ oder „gut“ und hatten den Eindruck, dass die Auditoren das Arbeitsfeld gut verstanden haben.

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    Weitere Fragen an die Mitarbeitenden waren:

    Was hat Ihnen in dem Audit besonders gut gefallen?

    Mitglieder der obersten Führungsebenen bewerteten positiv, dass nahezu alle Organisationseinheiten begangen wurden, dass das Audit einerseits keinen Prüfungscharakter hatte, andererseits aber Schwachstellen aufdeckte, und dass ein besonderer Fokus auf messbare Ergebnisqualität gelegt wurde.

    Die Mitarbeitenden hoben die wertschätzende Haltung der Auditoren und ein authentisches Interesse für das jeweilige Arbeitsfeld durchweg als positiv hervor. Sie berichteten, dass ein direkter Praxisbezug hergestellt wurde, die Fragen am ‚Weg des Patienten‘ orientiert waren, Arbeitsabläufe kritisch hinterfragt wurden und verbesserungsbedürftige Prozesse zielgerichtet aufgedeckt wurden. Es sei ein offener und kommunikativer Austausch mit den Auditoren entstanden. Die Auditoren hätten positive Rückmeldungen gegeben, die Verbesserungsvorschläge seien konstruktiv und gut annehmbar gewesen.

    Was hat Ihnen nicht gefallen?

    Einzelne kritische Stimmen waren auch zu vernehmen: Der Auditor habe das Leistungsspektrum der Abteilung nicht genau gekannt. Der Ablauf des Audits sei etwas unübersichtlich gewesen. Drei ärztlich-therapeutischen Mitarbeitenden genügten die Psychiatriekenntnisse des Auditors nicht. Einem Antwortenden hat es nicht gefallen, dass sein Bereich keine Verbesserungsvorschläge erhalten hat.

    Probleme mit dem Zeitmanagement wurden öfter genannt: Einigen war die Zeit zu knapp, anderen hat das Audit zu lange gedauert, in einem Fall wurde der geplante Zeitrahmen erheblich überzogen, in anderen Fällen begann das Audit mit Verspätung und es entstanden Wartezeiten für die Mitarbeitenden.

    Haben Sie Verbesserungshinweise bekommen?

    Mehr als drei Viertel der Antwortenden waren mit den Verbesserungshinweisen zufrieden. Ein Viertel bewertete die Verbesserungshinweise als „wenig nützlich“. Als Beispiele wurden angeführt: eine hohe Anspruchshaltung in Bezug auf die Visitenführung, Kritik an Fluchtwegen, obwohl diese feuerbehördlich abgenommen worden sind, die Fokussierung auf den Medikamentenschrank.

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    Welche Anregungen haben Sie bekommen?

    Die Mitglieder der obersten Führungsebenen hoben die stärkere Nutzung des Qualitätsmanagements als Führungsinstrument, die weitergehende Adaptierung von Expertenstandards und Hinweise zum Risikomanagement als wertvolle Anstöße hervor. In den Bewertungen der Teammitglieder lassen sich folgende Schwerpunkte erkennen:

    • Schnittstellenmanagement: Verbesserung der Zusammenarbeit mit anderen Bereichen und Berufsgruppen, Abstimmung von Abläufen, Überprüfung von Kommunikationsstrukturen
    • Dokumentation: rechtssichere Dokumentation in den Ambulanzen, stärkere Strukturierung der Dokumentation im Krankenhausinformationssystem (KIS)
    • Risikomanagement: Hygiene und Desinfektion, Medikamentenvergabe, Aufklärungspflicht, Sicherheit auf der Station
    • Nachweis von Ergebnisqualität: Evaluierung der Arbeit, Erarbeitung von Soll- und Ist- Kriterien, Erarbeitung von Leistungskennziffern

    Was halten Sie von den jährlichen Überwachungsaudits?

    In den beiden Jahren bis zur Rezertifizierung kommen die Auditoren ebenfalls ins Haus, um Überwachungsaudits durchzuführen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass begonnene Entwicklungen kontinuierlich weitergeführt und die vereinbarten Maßnahmen verbindlich umgesetzt werden. Qualitätsmanagement kann so nachhaltig alle Organisationsbereiche einer Einrichtung durchdringen und die Entwicklung eines Qualitätsbewusstseins bei den Mitarbeitenden fördern.

    Mehr als drei Viertel der Antwortenden finden es „sehr gut“ und „gut“, wenn die Auditoren jährlich ins Haus kommen. Wer die Verbesserungshinweise als nützlich bewertet, hofft, dass die jährliche Auditierung die Kontinuität der Qualitätsentwicklung unterstützt.

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    Es wurde der Wunsch geäußert, Qualitätsmanagement möge tatsächlich gelebt werden und ein authentischer Prozess mit einer fruchtbaren, berufsgruppenübergreifenden Diskussion möge entstehen.

    Wir empfehlen: DIN ISO!

    Unsere KTQ-Zertifizierung vor drei Jahren war erfolgreich – wir erreichten eine hohe Punktzahl und bekamen viel Lob von den Visitoren (so heißen die Auditoren bei der KTQ). Aber zusätzlich zum ganz normalen Aufbau eines QM-Systems hatten wir rund 250 Arbeitstage für das Verfassen von Berichten aufgewandt und etwa 800 Dokumente (sechs übervolle Aktenordner) kopiert und zur Einsichtnahme für die Visitoren zusammengestellt (und nach der Zertifizierung wieder entsorgt). Unsere Mitarbeitenden hatten wir mit Probevisitationen nervös gemacht, sodass sie versuchten, Prozessbeschreibungen und Berichte auswendig zu lernen. Visitiert wurden letztlich aber nur drei (!) Stationen (von 19). Nach der Zertifizierung war dann die Luft raus, und mit QM wollte keiner mehr etwas zu tun haben.

    Unsere Befragungsergebnisse zeigen nun deutlich, dass die Mitarbeitenden an der Weiterentwicklung von Qualität in ihrem Arbeitsfeld interessiert sind und die Instrumente des Qualitätsmanagements akzeptieren, wenn sie den Nutzen für ihre Arbeit erkennen. Geregelte Abläufe und nachvollziehbare Risikostandards geben Mitarbeitenden Sicherheit. Die Begehung nahezu aller Organisationseinheiten bei der Zertifizierung, die direkten und wertschätzenden Rückmeldungen und Anregungen der Auditoren und im Ergebnis eine überschaubare Anzahl relevanter Verbesserungshinweise motivieren zur Bearbeitung und lassen Qualitätsmanagement in der gesamten Einrichtung erlebbar und lebendig werden.

    Die Bernhard-Salzmann-Klinik (Suchtrehabilitation) ist seit 2003 nach dem deQus-Verfahren zertifiziert, daher waren wir von den Stärken einer DIN-ISO-Zertifizierung überzeugt. Überrascht und erfreut hat uns jedoch die positive Einschätzung der Mitarbeitenden auch im Krankenhausbereich.

    Kontakt:

    Hildegard Winkler
    LWL-Klinikum Gütersloh
    Buxelstraße 50
    33334 Gütersloh
    Hildegard.Winkler@lwl.org

    Angaben zur Autorin:

    Hildegard Winkler ist Qualitätsmanagerin im LWL-Klinikum Gütersloh und in der Bernhard-Salzmann-Klinik.

  • Suchtgefährdete Erwachsene mit Fetalen Alkoholspektrumstörungen

    Berlin: de Gruyter 2015, 194 S., ISBN 978-3-11-042511-6, EUR 49,95, auch als E-Book erhältlich

    FASD CoverFast jeder zweite Erwachsene mit einer Fetalen Alkoholspektrumstörung (FASD) entwickelt zusätzlich zur bestehenden Beeinträchtigung eine Suchtstörung. Dieses Buch gibt eine Einführung in die Diagnostik bei Erwachsenen mit FASD, zeigt Screening- und Interventionsansätze auf und ermöglicht so einen umfassenden Einblick in diese komplexe, schwer zu behandelnde Beeinträchtigung. Individualisierte, (prä)therapeutische Bausteine für ein ambulantes Beratungs- und Unterstützungsangebot werden dargestellt, die sowohl für Menschen mit FASD als auch für Menschen mit vergleichbaren Beeinträchtigungen konzipiert wurden. Die in komprimierter Form beschriebenen Module sollen vorhandene Betreuungskonzepte um die besonderen Bedürfnisse dieser Personengruppe erweitern und damit zur Verbesserung der gesellschaftlichen Eingliederung und Teilhabe dieser Menschen beitragen. Die Module basieren auf verschiedenen Vorlagen aus der Suchtkrankenhilfe und aus der Behindertenhilfe. Sie bieten umfassende Anregungen für den diagnostischen, therapeutischen und pädagogischen Umgang mit dieser Klientel.

  • Bewusst verzichten: Alkoholfrei in der Schwangerschaft

    Cover Alkoholfrei_rKöln: BZgA 2015, 93 S. und zusätzliches Infomaterial, Best.-Nr. 320 400 00, kostenlos. Bestellung über: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 50819 Köln, E-Mail: order@bzga.de, oder über das Online-Bestellsystem. Die Praxismodule stehen auch als PDF zum Download zur Verfügung.

    Für viele Betroffene sind bereits Alltäglichkeiten eine große Herausforderung: Anziehen und Zähneputzen müssen jeden Tag aufs Neue gelernt werden. Oder es fehlt das angemessene Maß für Nähe und Distanz zu den Mitmenschen. Dies sind nur zwei Beispiele aus dem Leben der Kinder mit dem Vollbild einer fetalen alkoholbedingten Störung (FAS). Aber selbst die weniger auffälligen fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) führen dazu, dass Betroffene unter vielfältigen körperlichen, kognitiven und sozialen Einschränkungen leiden. Sie sind meist ein Leben lang auf Hilfe angewiesen. In Deutschland werden schätzungsweise mindestens 2.000 Kinder pro Jahr mit fetalem Alkoholsyndrom geboren, mindestens 10.000 Kinder weisen fetale Alkoholspektrumstörungen auf.

    Umfassende Informationen und sensible Gesprächsangebote für Schwangere und ihre Partner zum Thema Alkoholverzicht in der Schwangerschaft sind notwendig. Deshalb hat die BZgA mit Unterstützung des Berufsverbandes der Frauenärzte e. V., der Gesellschaft für psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe e. V. und des Deutschen Hebammenverbandes Praxismodule für die Schwangerenvorsorge entwickelt. Denn Vorsorgeuntersuchungen und Schwangerschaftsbetreuung bieten einen vertraulichen Rahmen, in dem das sensible Thema Alkohol und Schwangerschaft angesprochen werden kann.

    Die neuen Praxismodule „Bewusst verzichten: Alkoholfrei in der Schwangerschaft“ bieten neben konkreten Hilfestellungen für die Beratungssituation auch umfangreiche Hintergrundinformationen zu den medizinischen Grundlagen der alkoholbedingten fetalen Störungen. Praxisbeispiele und Gesprächsanregungen sorgen dafür, dass die Informationen direkt in das eigene berufliche Handeln integriert werden können. So kann Alkoholverzicht zu einem festen Thema in der Schwangerenvorsorge werden, um die Zahl der Babys mit fetalen Alkoholspektrumstörungen zu reduzieren.

    Weitere Informationen zu den FASD-Projekten der Bundesdrogenbeauftragten finden Sie unter: http://www.drogenbeauftragte.de/drogen-und-sucht/alkohol/alkohol-und-schwangerschaft.html

    Weitere Informationen zum Thema Alkohol und Schwangerschaft:
    https://www.kenn-dein-limit.de/alkohol/schwangerschaft-und-stillzeit/

    Pressestellen der Bundesdrogenbeauftragten und der BZgA, 07.09.2015

  • Haaranalyse kein eindeutiger Beweis für Cannabiskonsum

    Foto©pe3check – Fotolia.com
    Foto©pe3check – Fotolia.com

    Bisher galt es als gesichert, dass zumindest der Nachweis spezifischer Abbauprodukte des Cannabis-Hauptwirkstoffs THC im Haar einen Konsum zweifelsfrei beweise. Forscher am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg um den Toxikologen Prof. Dr. Volker Auwärter zeigten nun durch experimentelle Arbeiten, dass dieser Schluss so nicht zulässig ist. Die Ergebnisse der Arbeit sind im renommierten Fachmagazin Scientific Reports der Nature Publishing Group erschienen.

    In der Freiburger Studie wurde nun gezeigt, dass eine Einlagerung von THC, das unter anderem für Abstinenzkontrollen im Rahmen von Fahreignungsüberprüfungen im Haar gemessen wird, bei Einnahme von THC nicht über den Blutkreislauf stattfindet. Auch ein Abbauprodukt von THC, das in Zweifelsfällen bisher zum eindeutigen Nachweis eines Konsums herangezogen wurde, kann über Schweiß und Hauttalg eines Konsumenten auf andere Personen übertragen werden. Um den experimentellen Beweis hierfür zu erbringen, führten zwei der Autoren einen einmonatigen Selbstversuch mit regelmäßiger Einnahme von Dronabinol (halbsynthetisch hergestelltem THC) und umfangreiche Messungen durch.

    „Die neuen Erkenntnisse sind insbesondere bei Analysen von Kinderhaarproben im Rahmen von Sorgerechtsfragen von Bedeutung, da eine Cannabinoid-Übertragung bei engem Körperkontakt besonders wahrscheinlich ist und zu völlig falschen Rückschlüssen führen kann“, sagt Prof. Auwärter. In Ländern, in denen bei Arbeitnehmern oder Bewerbern Drogenkontrollen durchgeführt werden, könne die Fehlinterpretation der Ergebnisse einer Haaranalyse zum Verlust des Arbeitsplatzes oder zum Ausschluss vom Bewerbungsverfahren führen, so der Experte.

    Bereits in früheren Studien konnten die Freiburger Forscher nachweisen, dass es zu einer von außen herbeigeführten THC-Kontamination der Haare durch Cannabisrauch von anderen Personen kommen kann, die auch nach zahlreichen Haarwäschen erhalten bleibt. Außerdem werden bereits durch das bloße Hantieren mit Cannabis relevante Mengen Cannabinoide auf das Haar übertragen. Die Originalarbeit „Finding cannabinoids in hair does not prove cannabis consumption“ (DOI: 10.1038/srep14906) finden Sie hier: http://www.nature.com/articles/srep14906 

    Pressestelle des Universitätsklinikums Freiburg, 07.10.2015

  • Alkoholwerbung verführt Jugendliche zum Komasaufen

    Foto©DAK
    Foto©DAK

    Alkoholwerbung im Fernsehen steigert das so genannte Komasaufen bei Kindern und Jugendlichen. Durch häufiges Sehen von TV-Werbespots über Bier oder Schnaps erhöht sich das Risiko für regelmäßiges Rauschtrinken bei Minderjährigen bis zu viermal. Das zeigt eine neue Studie der Krankenkasse DAK-Gesundheit und des Kieler Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) über die Wirkung von Alkoholwerbung.

    Für die repräsentative Langzeit-Untersuchung wurden 1.500 Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 16 Jahren über 30 Monate begleitet. Bei Studienbeginn hatten alle Schüler in ihrem Leben noch nie fünf oder mehr alkoholische Getränke bei einer Gelegenheit getrunken. Dieser Konsum gilt unter Fachleuten als Kriterium für „Binge Drinking“ (Rauschtrinken). Bei den Jugendlichen wurde untersucht, ob sie Alkoholwerbung wahrnehmen, und wie sich dies auf das Trinkverhalten auswirkt. Hauptergebnis der DAK-Studie: Die Wahrscheinlichkeit für riskanten Alkoholkonsum steigt mit dem Kontakt zu Alkoholwerbung deutlich an. Im Durchschnitt hatten die befragten Jugendlichen mehr als die Hälfte der präsentierten TV-Spots für Bier oder Schnaps schon einmal gesehen. „Bei den Schülern mit dem niedrigsten Alkoholwerbekontakt hatten 6,2 Prozent der Befragten mehr als fünf Rauscherlebnisse im Beobachtungszeitraum“, erklärt Professor Reiner Hanewinkel als Studienleiter des IFT-Nord. „Bei den Teilnehmern mit dem höchsten Werbekontakt lag die Rauschquote bei 24 Prozent und damit viermal so hoch.“

    Die Langzeituntersuchung bestätigt, dass riskanter Alkoholkonsum bei Jugendlichen in Deutschland ein weit verbreitetes Phänomen ist. Die Hälfte der teilnehmenden 1.500 Schüler berichtete über erstmaliges Rauschtrinken innerhalb der 30 Monate. Elf Prozent der weiblichen und 18 Prozent der männlichen Befragten berichteten über häufiges Rauschtrinken (mehr als fünfmal). Im Vergleich mit anderen Studien zum Thema Alkoholmissbrauch wurde mit dem 30-monatigen Untersuchungszeitraum eine relativ lange Beobachtungsphase gewählt. Ferner wurde als zentraler Ergebnisparameter das – klinisch wie gesellschaftlich besonders bedeutsame – häufige Rauschtrinken im Jugendalter gewählt.

    „Unsere Studie zeigt, dass Alkoholwerbung von Jugendlichen nicht nur wahrgenommen wird“, betont Ralf Kremer, Suchtexperte der DAK-Gesundheit. „Die Werbung kann vielmehr als unabhängiger Risikofaktor für die Initiierung des häufigen Rauschtrinkens im Jugendalter angesehen werden.“ Als Reaktion auf die Studienergebnisse plädieren DAK-Gesundheit und IFT-Nord für eine kombinierte Präventionsstrategie. Zum einen könnten Kinder, Jugendliche und deren Eltern bei einem kritischen Umgang mit Medien und Werbung unterstützt werden. Ferner sollten bestimmte Werbeverbote angestrebt werden. Vermutlich werde nur ein so genannter Policy-Mix aus beiden Ansätzen dazu führen, das Problem des häufigen jugendlichen Rauschtrinkens nachhaltig zu beeinflussen.

    Die Krankenkasse und das Kieler Institut betreiben unter dem Motto „bunt statt blau – Kunst gegen Komasaufen“ seit sechs Jahren eine Aufklärungskampagne zum Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen. An dem mehrfach ausgezeichneten Plakatwettbewerb unter Schirmherrschaft der Drogenbeauftragten der Bundesregierung haben sich bislang mehr als 72.500 Schüler im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren beteiligt. Weitere Informationen über die Kampagne unter www.dak.de/buntstattblau.

    Pressestelle der DAK, 06.10.2015

  • Mangelnde Empathie kann Internetsucht begünstigen

    Professor Christian Montag, Foto©Eberhardt/Uni Ulm
    Professor Christian Montag, Foto©Eberhardt/Uni Ulm

    Um sie herum stapeln sich Pizzakartons und Berge schmutziger Wäsche: Menschen, die abhängig vom Internet sind, vernachlässigen oft ihre Arbeit und Gesundheit oder ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück. Häufig sind es Jugendliche, die Facebook, Twitter und Youtube verfallen – und das weltweit. Besonders betroffen scheinen asiatische Länder zu sein. Psychologen aus Ulm und Bonn haben jetzt in Deutschland und China untersucht, ob Persönlichkeitseigenschaften wie mangelnde Empathie eine Internetabhängigkeit begünstigen können und ob dieser Effekt kulturell bedingt ist. Ihre Erkenntnisse veröffentlichen sie jetzt im „Asian Journal of Psychiatry“.

    Bei immer mehr Menschen stellen Wissenschaftler einen problematischen Umgang mit dem Internet, auch Internetsucht genannt, fest. Betroffene schieben zu erledigende Aufgaben aus Beruf und Privatleben auf, gefährden durch schlechte Ernährung und Bewegungsmangel ihre Gesundheit oder meiden zwischenmenschliche Kontakte, um in sozialen Netzwerken oder Online-Spielen aktiv zu sein. „Mir sind Fälle bekannt, bei denen Jugendliche ihre Ausbildung wegen des Internets ‚verdaddelt‘ haben“, berichtet Professor Christian Montag, Leiter der Abteilung für Molekulare Psychologie an der Uni Ulm und Senior-Autor der Studie. Es ist nach wie vor nicht endgültig geklärt, warum manche Menschen und besonders Jugendliche anfälliger für die Onlineabhängigkeit sind als andere. Zudem lässt sich das Phänomen weltweit beobachten: „Problematische Internetnutzung tritt vor allem in asiatischen Ländern auf. In Südkorea sind sogar Menschen gestorben, nachdem sie beispielsweise mehrfach 50 Stunden ohne Unterbrechung online ‚gezockt‘ haben“, sagt Heisenberg-Professor Montag. „Aber auch in westlichen Kulturkreisen nimmt das Problem zu.“ Gemeinsam mit Psychologen der Uni Bonn hat der Ulmer Molekularpsychologe deshalb in Deutschland und China 640 Studierende zu ihren Internetgewohnheiten und Empathie befragt.

    „Mitgefühl empfinden zu können, ist eine wichtige Fähigkeit, um erfolgreich mit anderen Menschen zu interagieren“, erläutert Erstautor und Empathie-Forscher Martin Melchers, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Differentielle und Biologische Psychologie an der Uni Bonn. „Jemandem, der lieber im Internet unterwegs ist, als sich in einem Café mit anderen zu treffen, fällt es wahrscheinlich auch schwerer, sich in andere hineinzuversetzen.“ Mit ihrer Studie verknüpfen die Wissenschaftler Internetsucht- und Empathieforschung, Themen, die – in einer Fragestellung zusammengefasst – bislang kaum untersucht worden sind. Auch der kulturelle Aspekt habe bisher wenig Beachtung gefunden, so die Autoren.

    Die Studierenden wurden unter anderem danach gefragt, wie gut sie Gemütszustände ihrer Mitmenschen einschätzen und deren Reaktionen vorhersagen können. Im Internetsucht-Fragebogen machten die Teilnehmer Angaben dazu, ob sie beispielsweise verheimlichen, wie lange sie im Internet sind oder was sie online machen. Die Selbstauskünfte der Studierenden zeigten dabei eines deutlich: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Fähigkeit zum Mitgefühl und problematischer Internetnutzung. Erstaunt hat die Forscher, wie robust die Ergebnisse sind: „Der Zusammenhang zwischen geringer Empathie und übermäßiger Onlineaktivität tritt unabhängig von Alter, Kultur und Geschlecht auf. Denn obwohl sich die Stichproben hinsichtlich Alter und Geschlechtsverteilung signifikant unterscheiden, ist der Effekt auch nach Bereinigung der Ausgangsunterschiede durchgängig vorhanden“, sagt Melchers. Dies sei allerdings ein Henne-Ei-Problem, ergänzt Montag. „Senkt übermäßige Nutzung von Online-Medien die Empathiefähigkeit oder führt andersherum mangelndes Mitgefühl zu Internetsucht?“ Die aktuelle Studie kann diese Frage nicht final beantworten. Sie liefert allerdings Hinweise, dass Persönlichkeitseigenschaften wie mangelnde Empathie die Triebfeder für Internetsucht sein könnten. Diese formen sich über Jahre hinweg und ändern sich nicht kurzfristig.

    Angesichts negativer Auswirkungen von Onlineübernutzung wie soziale Isolation, gesundheitliche Risiken und mögliche Arbeitsplatzverluste sehen die Forscher die dringende Notwendigkeit, dass die generalisierte Internetsucht als zunehmendes Problem und in Zukunft möglicherweise sogar als eigenständige Diagnose anerkannt wird. Generalisiert bedeutet, so die Autoren, dass Betroffene sich mit Inhalten beschäftigen, die wie Facebook und Twitter nur online möglich sind. Bisher ist nur die spezifische Onlinespielsucht als „Emerging Disorder“ klassifiziert worden. Das heißt, dass das Problem als sich neu abzeichnendes Störungsbild bereits akzeptiert ist, es aber die Kriterien für eine anerkannte Diagnose noch nicht erfüllt. Spezifische Abhängigkeiten beziehen sich auf Onlineaktivitäten, die auch ohne Internet auftreten können. Dazu zählen Glücksspiel- oder Pornografiesucht. Die Einstufung als offizielle Diagnose ist wichtig, weil Psychiater und Psychologen nur dann entsprechende Behandlungen und Therapien der Krankenkasse als Leistungen in Rechnung stellen können.

    Die vollständige Studie wurde hier veröffentlicht: Melchers, M., Li, M., Chen, Y., Zhang, W., Montag, C., Low empathy is associated with problematic use of the Internet: Empirical evidence from China and Germany. Asian J. Psychiatry (2015), DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.ajp.2015.06.019

    Pressestelle der Universität Ulm, 29.09.2015

  • Verbreitung des Cannabiskonsums

    Verbreitung des Cannabiskonsums

    Dr. Tim Pfeiffer-Gerschel
    Dr. Tim Pfeiffer-Gerschel

    Cannabis ist sowohl unter Erwachsenen als auch unter Jugendlichen nach wie vor die mit Abstand am häufigsten konsumierte illegale Droge in Deutschland, Europa und vielen weiteren Ländern der Welt. Zum Konsum illegaler Substanzen unter Erwachsenen (18 bis 64 Jahre) in Deutschland wurden zuletzt 2013 repräsentative bundesweite Ergebnisse aus dem Epidemiologischen Suchtsurvey (ESA) vorgelegt (Kraus et al. 2013; Pabst et al. 2013), der seit 1980 wiederkehrend vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert und gegenwärtig vom IFT Institut für Therapieforschung durchgeführt wird. Dem ESA 2012 zufolge hat etwa jeder zwanzigste Erwachsene (4,5 Prozent der Studienteilnehmer des ESA) in Deutschland in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung Cannabis konsumiert. Mit Prävalenzwerten von unter einem Prozent war der Konsum aller anderen untersuchten illegalen Drogen weit weniger verbreitet. Etwa ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung hat irgendwann einmal im Laufe des Lebens Konsumerfahrungen mit Cannabis gemacht (23,2 Prozent), die aber u. U. schon sehr lange zurückliegen können. Beim weit überwiegenden Teil der Konsumenten mit Konsumerfahrungen bleibt es beim vorübergehenden, so genannten passageren oder experimentellen Konsum innerhalb umschriebener Lebensphasen. Unterschiede zwischen Männern und Frauen betreffen in erster Linie die geringeren Anteile von weiblichen Cannabiskonsumenten in allen Altersgruppen – dies gilt auch für Jugendliche und junge Erwachsene.

    Die jüngsten Zahlen der BZgA

    In der Drogenaffinitätsstudie (DAS, Erhebung 2011) und im ergänzend dazu vorgelegten Alkoholsurvey 2012 – beide durchgeführt von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) – wurden bzw. werden Daten zum Cannabisgebrauch unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von zwölf bis 25 Jahren erhoben. In der DAS, die bereits seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wiederholt durchgeführt wird, ergab sich zuletzt für die 12- bis 17-Jährigen eine 12-Monats-Prävalenz von 4,6 Prozent, im Alkoholsurvey 2012 von 5,6 Prozent. Im Sommer 2015 wurden von der BZgA aktuelle Daten aus dem Alkoholsurvey 2014 vorgestellt. Demnach ist der Anteil der Jugendlichen, die innerhalb der letzten zwölf Monate Cannabis konsumiert haben, weiter gestiegen und liegt aktuell bei 8,3 Prozent (Orth, B., Töppich, J. 2015). 2014 hat jeder zehnte Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren (10,0 Prozent) mindestens einmal im Leben Cannabis konsumiert. 2012 gaben im Rahmen des Alkoholsurveys 1,3 Prozent der 12- bis 17-Jährigen „regelmäßigen“, d. h. mehr als zehnmaligen Konsum in den letzten zwölf Monaten an, auch dieser Wert ist bis 2014 gestiegen und liegt mittlerweile bei 2,2 Prozent (ebd.).

    Bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren ist der Cannabiskonsum deutlich weiter verbreitet mit einer Lebenszeitprävalenz von 37,2 Prozent (2012: 34,8 Prozent), einer 12-Monats-Prävalenz von 17,6 Prozent (2012: 15,8 Prozent) und einem regelmäßigen Konsum von 5,1 Prozent (2012: 3,9 Prozent) (Orth, B., Töppich, J. 2015). Bei den jungen Erwachsenen zeigen sich differenziert nach sozialen Merkmalen keine Unterschiede in der Lebenszeitprävalenz. Die 12-Monats-Prävalenz sowie die 30-Tage-Prävalenz liegen bei Arbeitslosen über dem Durchschnitt, diese Gruppe zeigt zudem den mit Abstand höchsten Wert für regelmäßigen Konsum (9,3 Prozent) (BZgA 2014).

    Regionale Daten und weitere Studien

    Einige Bundesländer nahmen 2011 nach den Jahren 2003 und 2007 zum dritten Mal an der ESPAD-Studie (European School Survey Project on Alcohol and Other Drugs; espad.org) teil. Insgesamt sank die Lebenszeitprävalenz des Cannabiskonsums unter den befragten 15- bis 16-jährigen Jugendlichen zwischen 2003 und 2011 von 30,8 Prozent auf 22,2 Prozent, die 12-Monats-Prävalenz von 24,6 Prozent auf 17,4 Prozent und die 30-Tage-Prävalenz von 13,5 Prozent auf 8,1 Prozent. Der Anteil cannabiserfahrener Mädchen ging dabei stärker zurück als der Anteil männlicher Konsumenten. Die zeitliche Entwicklung des problematischen Cannabiskonsums (erhoben über den Cannabis Abuse Screening Test; CAST) kann nur für den Zeitraum 2007 bis 2011 betrachtet werden, da die entsprechenden Indikatoren 2003 nicht erhoben wurden. Demnach hat es sowohl für die Gruppe der 12-Monats-Konsumenten als auch für die Gesamtstichprobe keine signifikante Veränderung des Anteils riskanten Konsums gegeben. Auch in der geschlechtsspezifischen Analyse finden sich keine statistisch bedeutsamen Effekte.

    Die Lebenszeitprävalenz des Cannabiskonsums unter Frankfurter Schülern, die jährlich im Rahmen des Frankfurter Monitoring Systems Drogen (MoSyD) erhoben wird, ist nach einem deutlichen Anstieg von 2011 bis 2013 im Jahr 2014 um einen Prozentpunkt auf 41 Prozent zurückgegangen. Gleiches gilt für die 12-Monats-Prävalenz, die von 34 Prozent im Jahr 2013 auf 33 Prozent in 2014 fiel. Damit lässt sich die Stagnation des Probierkonsums von Cannabis, die in den letzten Jahren zu beobachten war, nun auch bei den Frankfurter Schülern feststellen. Die 30-Tage-Prävalenz ist hingegen auf 21 Prozent gestiegen. Auch der Wert für „häufigen Konsum“ (mindestens zehnmal im Vormonat und damit ein deutlich höherschwelliges Kriterium als in den Studien der BZgA) ist angestiegen und erreichte mit neun Prozent einen neuen Höchststand, ebenso erreicht der Anteil der täglich Konsumierenden mit vier Prozent den höchsten Wert seit 2003. Das Einstiegsalter ist mit durchschnittlich 15 Jahren seit mehreren Jahren unverändert geblieben (Werse et al. 2015).

    Um zu illustrieren, wie unterschiedlich Konsumerfahrungen in Abhängigkeit von der betrachteten Region sein können, sei noch auf die Brandenburger Schülerbefragung 2012/2013 verwiesen. Demnach hat etwas mehr als jeder fünfte Zehntklässler in Brandenburg Haschisch zumindest schon einmal in seinem Leben probiert (vgl. dazu die Ergebnisse aus Frankfurt). Dagegen ist ein regelmäßiger, d. h. täglicher oder wöchentlicher Haschischkonsum in Brandenburg selten (2,0 Prozent der Mädchen, 4,5 Prozent der Jungen) (Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg 2014).

    In spezifischen Szenen kann die Verbreitung des Cannabiskonsums hingegen z. B. deutlich höher ausfallen: Aktuelle Ergebnisse einer Erhebung des IFT München in Kooperation mit mehreren Partyprojekten zu neuen Trends beim Substanzmissbrauch in der Partyszene zeigen, dass unter den Partygängern der Cannabiskonsum extrem weit verbreitet ist (12-Monats-Prävalenz von Cannabis 74,4 Prozent) (Hannemann & Piontek 2015, persönliche Mitteilung).

    Tabelle 1 bietet einen Überblick über die in verschiedenen Studien unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland erhoben Daten zum Cannabiskonsum.

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    Längerfristige Entwicklungen

    Die 12-Monats-Prävalenz des Cannabiskonsums bei den 18- bis 24-jährigen jungen Männern und Frauen ging nach einem Anstieg bis Anfang der 2000er Jahre wieder deutlich zurück (Kraus et al. 2013). Das Maximum war bei beiden Geschlechtern fast viermal höher als im Jahr 1980 (Abbildungen 1 und 2). Eine ähnliche Entwicklung findet sich bei den 25- bis 39-jährigen Erwachsenen, wobei die Prävalenz weit niedriger war als die der jungen Erwachsenen und der Rückgang nach dem Maximum geringer ausfiel. Ein deutlich geringeres Prävalenzniveau und ein flacherer Verlauf der Kurven sind bei den 40- bis 59-Jährigen und bei den 60- bis 64-Jährigen zu beobachten. Im Vergleich zum jeweiligen Ausgangsniveau sind die 12-Monats-Prävalenzwerte im Jahr 2012 bei beiden Geschlechtern mit Ausnahme der 60- bis 64-Jährigen in allen Altersgruppen signifikant höher. Der Rückgang ab Mitte der 2000er Jahre ist lediglich in der jüngsten Altersgruppe statistisch bedeutsam.

    Für die Darstellung der zeitlichen Trends wurde eine in allen Jahren identische Gewichtungsvariable verwendet, sodass ein direkter Vergleich der Zahlen möglich ist (Kraus et al. 2013). Abbildung 1: Männer: Trends der 12-Monats-Prävalenz des Cannabiskonsums, * p < .05
    Abbildung 1: Männer: Trends der 12-Monats-Prävalenz des Cannabiskonsums, * p < .05
    Für die Darstellung der zeitlichen Trends wurde eine in allen Jahren identische Gewichtungsvariable verwendet, sodass ein direkter Vergleich der Zahlen möglich ist (Kraus et al. 2013).
    Für die Darstellung der zeitlichen Trends wurde eine in allen Jahren identische Gewichtungsvariable verwendet, sodass ein direkter Vergleich der Zahlen möglich ist (Kraus et al. 2013). Abbildung 2: Frauen: Trends der 12-Monats-Prävalenz des Cannabiskonsums, * p < .05
    Abbildung 2: Frauen: Trends der 12-Monats-Prävalenz des Cannabiskonsums, * p < .05
    Für die Darstellung der zeitlichen Trends wurde eine in allen Jahren identische Gewichtungsvariable verwendet, sodass ein direkter Vergleich der Zahlen möglich ist (Kraus et al. 2013).

    Betrachtet man den Trend des Cannabiskonsums in den verschiedenen Befragungen der letzten zehn bis 15 Jahre, so zeigt sich nach dem übereinstimmend berichteten Anstieg des passageren Konsums in den 1990er Jahren zunächst ein Rückgang etwa seit 2005. Dieser Rückgang scheint in den letzten Jahren bei Jugendlichen sowie (jungen) Erwachsenen zu stagnieren, es gibt sogar vereinzelt Hinweise auf einen erneuten Anstieg. Daten regionaler Monitoringsysteme aus Frankfurt und Hamburg, die Ergebnisse des ESA 2012 sowie die aktuellen Daten der BZgA weisen aktuell übereinstimmend auf eine Stagnation oder sogar Umkehr des über mehrere Jahre beobachteten kontinuierlichen Rückgangs des Konsums illegaler Substanzen (primär: Cannabis) unter Jugendlichen hin. Zu dieser Entwicklung passt auch, dass im Rahmen der qualitativen Erhebungen des Trendscout Panels des Frankfurter Monitoring Systems Drogen (MoSyD) bereits 2013 und 2014 von der Wahrnehmung einer deutlichen Image-Verbesserung von Cannabis berichtet wurde (zur Beschreibung der einzelnen Studien und Elemente der bundesweiten und regionalen Monitoringsysteme vgl. die REITOX-Berichte der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht – DBBD unter www.dbdd.de).

    Anlass zur Sorge bereitet auch die Tatsache, dass sich die Verbreitung des regelmäßigen Konsums insbesondere unter jungen Erwachsenen über die Jahre praktisch kaum verändert hat. Diese Beobachtungen unterstützen die Vermutung, dass Veränderungen im Probierkonsum der Allgemeinbevölkerung keinen Rückschluss auf die Konsumgewohnheiten der erfahrenen Konsumenten erlauben und diese auch von den zahlreichen Maßnahmen nach wie vor nur ungenügend erreicht werden. Die Zahl der wegen Problemen im Umgang mit Cannabis in Behandlung befindlichen Personen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, was einerseits ein Beleg für die Akzeptanz der angebotenen Interventionen ist. Andererseits verdeutlicht diese Entwicklung auch, dass intensiver Cannabiskonsum zu schwerwiegenden Folgen führen kann bzw. in Kombination mit anderen Faktoren auftreten kann, die eine insgesamt erhebliche Problemlast für das Individuum ausmachen und eine professionelle Unterstützung erfordern.

    Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum im Vergleich

    Gomes de Matos und Kollegen (2014) haben untersucht, ob auf Bundesebene und im Zeitverlauf Unterschiede im Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum Jugendlicher bestehen. Über verschiedene Bundesländer hinweg zeigen sich für alle drei Substanzen sinkende Konsumwerte über die Zeit. Cannabiskonsum ist also nicht als isoliertes Phänomen zu betrachten. Für den Cannabiskonsum ist der rückläufige Trend nur bis 2007 zu beobachten. Im Gesamtverlauf sind die beobachteten Konsumparameter, die sich im europäischen Vergleich auf hohem bis mittlerem Niveau befinden, rückläufig. Der Urbanisierungseffekt – höherer Konsum in größeren Städten – wird auf die erhöhte Verfügbarkeit zurückgeführt (Tretter & Kraus 2004). Ähnliche Konsumprofile in den untersuchten Bundesländern deuten darauf hin, dass Substanzkonsum in Deutschland innerhalb eines gemeinsamen kulturellen Rahmens stattfindet. So kann man davon ausgehen, dass sich Personen in allen deutschen Bundesländern grundlegende Normen und Einstellungen zum Substanzkonsum teilen und bundesweiten Regulierungen gleichermaßen unterliegen.

    Eine Studie von Legleye und Kollegen (2014) analysiert die Dynamik der Verbreitung des experimentellen Cannabiskonsums in den Ländern Frankreich, Deutschland und USA. Drei Generationen von Männern und Frauen wurden untersucht, um die Hypothese zu prüfen, dass sich ein positiver Zusammenhang in älteren Kohorten – je höher das Bildungsniveau, desto höher der experimentelle Konsum – zu einem negativen Zusammenhang in jüngeren Kohorten – je höher das Bildungsniveau, desto geringer der experimentelle Konsum – wandelt. Die Hypothese basiert auf der Dynamik der Verbreitung von Tabak, die diesem Muster gefolgt ist. Die Ergebnisse für Deutschland zeigen zunächst das erwartete Entwicklungsmuster, in der letzten untersuchten Generation nivelliert sich die Entwicklung jedoch, sodass der Cannabiskonsum gleichmäßig über alle Bildungsniveaus verteilt ist. Insgesamt steigt die Prävalenz des experimentellen Konsums über die Altersgruppen hinweg deutlich an.

    Hochrisikophasen in der zweiten Lebensdekade

    Mittlerweile ist die Tatsache, dass intensiver Cannabiskonsum insbesondere im Jugendalter mit Risiken für die psychische und körperliche Gesundheit einhergehen kann, weitgehend akzeptiert. Die Hochrisikophasen für den ersten Substanzkonsum sowie den Beginn von regelmäßigem Konsum und Substanzstörungen (Substanzmissbrauch und -abhängigkeit) liegen in der zweiten Lebensdekade. Es ist bemerkenswert, dass sich relativ große Anteile aller Übergänge vom Erstkonsum zum regelmäßigen Konsum und vom Erstkonsum zur Substanzstörung in den ersten wenigen Jahren nach dem Erstkonsum vollziehen. Dabei wurde die kürzeste Übergangsdauer für Cannabis und Nikotin beobachtet (im Vergleich zu Alkohol). Die Altersstufen 15 bis 18 sind nach dem Erstkonsum die entscheidenden Jahre, in denen sich der Übergang zur Substanzstörung vollzieht (Wittchen et al. 2008).

    Behrendt und Kollegen (2009) konnten neben Cannabis auch für Alkohol und Nikotin zeigen, dass ein früherer Beginn des Substanzkonsums in der Adoleszenz im Vergleich zu einem späteren Beginn des Substanzkonsums in der Adoleszenz mit einem erhöhten Risiko der Entwicklung von Substanzmissbrauch und -abhängigkeit verbunden ist. Dabei ist der Konsum von Cannabis kein notwendigerweise vorübergehendes Jugendphänomen: Bei Personen mit erhöhter Konsumfrequenz in der Adoleszenz bleibt der Cannabiskonsum häufig bis in das dritte und vierte Lebensjahrzehnt bestehen. Auch Alkoholabhängigkeit und belastende Lebensereignisse sind Risikofaktoren für die Stabilität des Cannabiskonsums bis in das dritte und vierte Lebensjahrzehnt (Perkonigg et al. 2008). Bezogen auf die Gesamtstichprobe des ESA 2012 erfüllten jeweils 0,5 Prozent der befragten Erwachsenen die DSM-IV Kriterien für Cannabismissbrauch und ‑abhängigkeit (ca. 250.000 Personen) (Pabst et al. 2013).

    Cannabismissbrauch und -abhängigkeit

    Zwischen 2000 und 2012 stieg der Anteil cannabisabhängiger Männer von 0,5 Prozent auf 0,8 Prozent. Keine Hinweise auf bedeutsame zeitliche Veränderungen gibt es bezüglich des Missbrauchs sowie der Abhängigkeit von Cannabis bei Frauen (Kraus et al. 2013). Bei einer insgesamt hohen Prävalenz des Cannabiskonsums unter Jugendlichen muss sorgfältig zwischen alterstypischem Probierkonsum und regelmäßigem bzw. problematischem Cannabiskonsum unterschieden werden. Nach aktuellen epidemiologischen Befunden (aus den Studien Hamburger SCHULBUS, Frankfurter MoSyD, DAS und ESA) zeigen 1,4 Prozent bis 7,1 Prozent der befragten deutschen Jugendlichen einen Cannabiskonsum, der als problematisch einzuschätzen ist (Wartberg et al. 2014).

    Die fachliche Beratung und die Behandlung cannabisbezogener Folgeschäden erfolgt in Deutschland größtenteils ambulant. Eine stationäre Aufnahme und Behandlung ist nur bei schweren gesundheitlichen Störungen oder bei einem hohen Rückfallrisiko vorgesehen (Hoch et al. 2015). In Deutschland erhalten gemäß einer Studie der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) ca. zehn Prozent der behandlungsbedürftigen Cannabiskonsumenten (täglicher oder fast täglicher Konsum) eine Behandlung. Im gesamteuropäischen Vergleich gehört Deutschland zusammen mit Norwegen zu den Ländern mit der höchsten Abdeckungsrate (Schettino et al. 2015).

    Im Rahmen der Frankfurter Schülerbefragung des MoSyD werden die Schüler seit 2008 auch nach dem Konsum so genannter Räuchermischungen und seit 2010 auch nach dem Konsum anderer ‚Legal Highs‘ befragt. In der aktuellen Erhebung haben sechs Prozent der 15- bis 18-Jährigen mindestens einmal in ihrem Leben eine ‚Räuchermischung‘ mit synthetischen Cannabinoiden konsumiert, ein Prozent auch in den letzten 30 Tagen. Andere Produkte, die neue psychoaktive Substanzen enthalten, spielen quantitativ keine Rolle. Die Lebenszeitprävalenz von Räuchermischungen liegt aktuell bei sechs Prozent und damit unter den Werten von 2009 bis 2012 (sieben bis neun Prozent). Die 30-Tages-Prävalenz verharrt auf dem Vorjahresniveau bei einem Prozent, und der mehr als fünfmalige Konsum (Lebenszeit) steigt geringfügig auf 0,8 Prozent. Insgesamt hat sich die rückläufige Tendenz beim Konsum cannabinoidhaltiger Kräutermischungen weitgehend bestätigt (Werse et al. 2015).

    Kontakt:

    Dr. Tim Pfeiffer-Gerschel
    IFT Institut für Therapieforschung
    Parzivalstraße 25
    80804 München
    Pfeiffer-Gerschel@ift.de
    ift.de

    Angaben zum Autor:

    Dr. Tim Pfeiffer-Gerschel ist Geschäftsführer des IFT Institut für Therapieforschung München, Leiter der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) und in eigener Praxis als Psychotherapeut tätig.

    Literatur:

    Weitere Literatur beim Verfasser