Autor: Simone Schwarzer

  • Produktivität und Teilhabe am Arbeitsleben

    Idstein: Schulz-Kirchner Verlag 2015, 416 S., ISBN 978-3-8248-1193-9, EUR 66,99, DVE-Mitglieder erhalten dieses Buch zum reduzierten Mitgliedspreis

    Höhl_Produktivität und TeilhabeIn kaum einem ergotherapeutischen Arbeitsfeld haben sich die Rahmenbedingungen, Anforderungen und die gesellschaftliche Bewertung so stark verändert wie im Bereich Arbeit und berufliche Teilhabe. Waren arbeitsbezogene Angebote früher meist nur in Form klinischer Arbeitstherapie verfügbar, sind sie inzwischen in der Mitte einer sich schnell wandelnden Gesellschaft und Arbeitswelt angekommen. Menschen mit unterschiedlichsten Voraussetzungen individuell an die bunte Palette produktiver Betätigungen heranzuführen, sie darin professionell zu unterstützen und sie zu begleiten – das genau ist ein hoch professionalisiertes und differenziertes Arbeitsfeld der Ergotherapie. Das Buch beschränkt sich deshalb nicht auf eine Darstellung der Grundlagen der Arbeitstherapie oder der aktuellen ergotherapeutischen Methodik. Vielmehr soll das Feld „Arbeit und Produktivität“ in seiner gesamten Breite betrachtet werden.

    Themen sind: die ergotherapeutischen Handlungsfelder und ihre Klienten im Bereich Produktivität und Teilhabe, aktuelle diagnostische und therapeutische Methoden und Modelle, Forschung, Entwicklung und Theoriebildung, praktische Fragen der Organisation und Durchführung innovativer Arbeitsformen, die zunehmende Bedeutung des Arbeitsfeldes Betrieb inklusive präventiver Arbeitsformen, Aspekte aus Sicht der Gesellschaft, Politik und der Kostenträger sowie die persönlichen Erfahrungen Betroffener. Dazu bietet das Buch viele Tipps und Hinweise, eine umfangreiche Literaturliste sowie zahlreiche www-Adressen.

    Für praktisch tätige Kollegen wird erkennbar, worauf es künftig verstärkt ankommen wird. Der Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis soll Mut zur Veränderung machen und Hilfestellung zur fachlichen Fundierung oder auch konzeptuellen Neuausrichtung geben. Schülern und Studierenden bietet dieser Band einen gut verständlichen Einstieg in das Fachgebiet auf der Grundlage eines aktuellen Wissens- und Entwicklungsstandes.

  • Handbuch Arbeit

    Köln: Psychiatrie Verlag, 3. vollständig überarbeitete Auflage 2015, 438 S., ISBN 978-3-88414-593-7, EUR 39,95

    Storck_Handbuch ArbeitMenschen mit Psychiatrie-Erfahrung stoßen auf vielfältige Barrieren bei der Teilhabe am Arbeitsleben. Dabei ist der Zugang zu bezahlter, sinnstiftender, stabilisierender Arbeit für sie von besonderer Bedeutung. Wie also können passende Arbeitsverhältnisse vorbereitet, geplant, gefunden und erhalten werden? Das „Handbuch Arbeit“ stellt umfassend die Möglichkeiten der beruflichen Rehabilitation und Integration psychiatrieerfahrener Menschen vor. Das vollständig überarbeitete und neu strukturierte Standardwerk führt sicher durch die unübersichtliche Rehabilitationslandschaft und beschreibt praxisnah die Anforderungen an professionelle Unterstützende. Das Buch stellt aktuelle Studienergebnisse vor und gibt einen ausführlichen Überblick über Instrumente und Methoden zur Rehabilitation und Inklusion sowie der sozialrechtlichen Rahmenbedingungen. Sichtweisen und Möglichkeiten der Nutzer, Arbeitgeber, Leistungserbringer und Kostenträger werden umfangreich dargestellt. Bei der Teilhabeplanung helfen das Downloadmaterial und ein ausführliches Stichwortverzeichnis. Das Buch ist ein Wegweiser für Neueinsteiger und erfahrene Fachkräfte in der beruflichen Rehabilitation, für Betriebsärzte und Personalabteilungen. Für Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung zeigt es, was möglich ist und wie gute Rehabilitation aussehen kann.

  • Synthetische Drogen auf dem Vormarsch

    BKA-Präsident Holger Münch und Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung
    BKA-Präsident Holger Münch und Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung

    Die Zahl der polizeilich erfassten Fälle von Rauschgiftkriminalität ist im Jahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr um fast zehn Prozent gestiegen und hat mit 276.734 Fällen wieder das Niveau des Jahres 2005 erreicht. Die Anzahl der erstauffälligen Konsumenten harter Drogen (EKhD) nahm um rund fünf Prozent zu (20.120 Konsumenten), die der Tatverdächtigen um knapp zehn Prozent (228.110 Tatverdächtige). Ebenso stieg die Zahl der Drogentoten um drei Prozent auf 1.032 Personen leicht an.

    Während die Anzahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Konsum von Heroin, Kokain und Crack seit Jahren zurückgeht, steigt die Anzahl der Todesfälle nach dem Konsum von Amphetaminen und Metamphetaminen. Auffällig ist die um das Fünffache gestiegene Anzahl der Todesfälle nach dem Konsum Neuer Psychoaktiver Stoffe (NPS), so genannter „Legal Highs“. Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung: „Der zuletzt leichte Anstieg der Drogentodeszahlen trübt den Blick auf die langfristig positive Entwicklung. Denn die Anzahl der Drogentoten hat sich seit 2000 halbiert. Das ist ein Erfolg der Drogen- und Suchtpolitik der Bundesregierung. Dennoch ist jeder Todesfall ein Todesfall zu viel. Ich habe in diesem Jahr verschiedene Initiativen auf den Weg gebracht. Wir haben nunmehr zusätzliche finanzielle Mittel für die Prävention im Bereich ‚Crystal Meth‘ zur Verfügung, und wir erarbeiten neue gesetzliche Regelungen, um den Handel mit Neuen Psychoaktiven Substanzen besser zu unterbinden. Außerdem sollen die Bedingungen der Substitutionsbehandlung für Ärzte verbessert werden. Denn eine gelungene Substitution ist der beste Schutz vor einem Drogentod bei einer Opiatabhängigkeit.“

    Der Anstieg der Todesfälle zeigt, dass die Bundesregierung in ihren Aktivitäten gegen Drogen und Sucht nicht nachlassen darf. Um die Gründe für den Anstieg herauszufinden, werden aktuelle Trends analysiert. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Gründe vielschichtig sind. Dies gilt auch für die regionalen Unterschiede. Auffällig ist neben dem Anstieg der Todesfälle durch Crystal Meth und NPS der Anstieg der Suizide von Drogenabhängigen. Hinzu kommen Todesfälle durch Langzeitschäden des Drogenkonsums, etwa auf Grund einer Leberschädigung durch eine Hepatitis-Infektion. Letztere liegt oft über 30 Jahre zurück und führt erst viele Jahre später zum Tod.

    In enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Landesbehörden erzielte das Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2014 besondere Ermittlungserfolge: Im September 2014 konnten 330 Kilogramm Heroin mit einem geschätzten Straßenhandelspreis von mehr als 50 Millionen Euro sichergestellt werden. Anfang November 2014 beschlagnahmten Ermittler des BKA 2,9 Tonnen Chlorephedrin, geeignet zur Herstellung von rund 2,3 Tonnen Crystal mit einem geschätzten Straßenverkaufswert von 184 Millionen Euro. „Die großen Sicherstellungsmengen dieser beiden Substanzen sind einmalig in Deutschland“, sagt BKA-Präsident Holger Münch. „Die Sicherstellungen verdeutlichen die wichtige Rolle Deutschlands als Transitland und als Absatzmarkt für Rauschgift. Der Drogenhandel gehört nach wie vor zum Kerngeschäft Organisierter Kriminalität.“

    Trotz des weiterhin hohen Zufuhrdrucks von Heroin und Kokain aus dem Ausland ist eine sukzessive Veränderung des Rauschgiftmarktes festzustellen: Die Zahlen der EKhD von Heroin und Crack sowie etwas schwächer ausgeprägt auch von Kokain gehen seit zehn Jahren zurück. Während im Jahr 2004 noch 5.324 EKhD von Heroin registriert wurden, waren es im vergangenen Jahr 1.648. Heroin spielt heute in Europa eine geringere Rolle als noch vor zehn Jahren, wohingegen Stimulanzien, synthetische Drogen, Cannabis und Arzneimittel immer mehr an Bedeutung gewinnen. „Synthetische Drogen werden bei Rauschgiftkonsumenten immer beliebter. Die Verfügbarkeit von Amphetaminen und Metamphetaminen ist ungebrochen hoch“, sagt BKA-Präsident Holger Münch.

    Die in Deutschland am häufigsten festgestellte synthetische Droge bleibt Amphetamin. Ecstasy weist nach Jahren rückgängiger Fall- und Sicherstellungszahlen wieder deutlich steigende Tendenzen auf. Mitverantwortlich hierfür ist die große Zahl der illegalen Amphetamin- und Ecstasy-Laboratorien mit ihren hohen Produktionskapazitäten in den Niederlanden und in Belgien. Darüber hinaus gewinnt auch die Droge Crystal weiter an Bedeutung. Die hohe Verfügbarkeit aufgrund zunehmender Produktionskapazitäten überwiegend in der Tschechischen Republik führt zur weiteren Ausbreitung von Crystal in Deutschland.

    In Deutschland sind mittlerweile über 1.500 verschiedene Produkte mit rund 160 unterschiedlichen NPS festgestellt worden. Allein im vergangenen Jahr wurden 58 neue Wirkstoffe erstmals auf dem deutschen Markt festgestellt. Problematisch ist, dass der Handel mit neuen Stoffen nicht unmittelbar unter Strafe gestellt ist, dies erfolgt erst durch die zeitaufwendige Aufnahme jedes einzelnen Stoffes in die Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz. „Ich spreche mich klar für eine andere Verfahrensweise aus. Es müssen ganze Stoffgruppen unter Strafe gestellt werden“, betont Holger Münch.

    Auf dem europäischen Markt ist Cannabis das am häufigsten sichergestellte Betäubungsmittel. Dies bestätigt sich 2014 auch in Deutschland. Bei knapp der Hälfte aller Sicherstellungsfälle (63.519) wurde Marihuana beschlagnahmt. Dass Marihuana bei den Konsumenten beliebter ist als Haschisch, dürfte auch auf den seit zehn Jahren zu beobachtenden Zuwachs von Indoorplantagen in Deutschland zurückzuführen sein.

    Eine zusätzliche Herausforderung für die Strafverfolgung ist der Handel und Vertrieb von Drogen über das Internet. Hersteller, Lieferanten, Einzelhändler, Website-Hoster und Zahlungsabwicklungsdienste sind häufig in verschiedenen Ländern ansässig. Dadurch sowie durch die zunehmende Nutzung von Anonymisierungsdiensten werden die Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten erheblich erschwert. Ergänzende Zahlen und Informationen zur Rauschgiftlage können über die Homepage des BKA unter www.bka.de und auf der Internetseite der Drogenbeauftragten der Bundesregierung unter www.drogenbeauftragte.de abgerufen werden.

    Pressestellen des BKA und der Bundesdrogenbeauftragten, 21.04.2015

  • proJugend 3/14 – Herausforderung Crystal Meth

    proJugend CrystalMünchen: Aktion Jugendschutz Bayern e. V., 39 S., ISSN 0949-0647, EUR 3,40 zzgl. Versandkosten. Alle Einzelhefte der Zeitschrift proJugend und das Abonnement (EUR 12,00 zzgl.Versandkosten für drei Ausgaben im Jahr) können im Internet hier bestellt werden.

    Die Autoren dieser Ausgabe von proJugend informieren über Verbreitung, Wirkung und die Gefahren von Crystal-Meth. Sie beschreiben, welche zielgruppenspezifischen Kriterien für präventive Botschaften zu beachten sind, und wie mit Crystal-Konsumenten in der ambulanten Beratung umgegangen werden kann. Des Weiteren werden verschiedene Präventionskampagnen vorgestellt, und eine Autorin berichtet über die Situation in der Tschechischen Republik.

  • Neue psychoaktive Substanzen in der Schweiz

    Sucht Schweiz Im Fokus 2015 NPS_cover_rahEine rasch wachsende Zahl neuer psychoaktiver Substanzen wird heute als Alternative zu den gängigen illegalen Drogen gehandelt, vermehrt via Internet. Zusammensetzung, Wirkung und Risiken sind oft unbekannt. Konsumierende werden zu Versuchskaninchen. Sucht Schweiz fasst Wissenswertes über neue psychoaktive Substanzen erstmals in einer Publikation aus der Reihe „Im Fokus“ zusammen und rät zur Vorsicht.

    Jamaican Gold, 25-I, MXE oder AH-7921 – ihre Namen klingen exotisch und die Bezeichnungen „legal highs“, „research chemicals“ oder „Badesalz“, unter denen sie an Verboten vorbei in den Handel gelangen, tragen zur Verwirrung bei. Das Angebot an psychoaktiven Substanzen wird laufend unübersichtlicher und größer. Die meisten dieser Substanzen wirken ähnlich wie illegale Drogen. Fachkreise sprechen von „Neuen Psychoaktiven Substanzen“ (NPS), die eine aufputschende Wirkung haben, dämpfend oder halluzinogen auf das Zentralnervensystem einwirken.

    NPS stehen für einen wachsenden Markt. Das EU-Frühwarnsystem für neue Drogen vermeldet laufend neue Substanzen, welche oft attraktiv verpackt in Smart- oder Headshops, auf der Gasse oder via Internet angeboten werden. In Europa wurden unlängst 650 Sites ausgemacht, die NPS anbieten, zweifellos nur ein Bruchteil des Online-Markts. Offizielle, meist in Asien niedergelassene Firmen stellen die NPS im Auftrag europäischer Online-Händler her.

    Nach den vorhandenen Daten bleibt der Konsum der bekanntesten NPS in der Schweiz bis heute begrenzt. Suchtfachleute beobachten die Situation mit wachsamem Auge, zumal in anderen Ländern der Konsum mancher dieser Substanzen ein viel höheres Niveau erreicht hat.

    Die NPS mit dem größten Kreis an Konsumierenden sind die synthetischen Cannabinoide, die Räuchermischungen beigefügt werden und ähnlich wirken wie Cannabis. Das Rauchen von Produkten wie Spice oder Yucatan Fire kann Bluthochdruck, Krämpfe oder Übelkeit hervorrufen. Aber auch Herz-Kreislauf- und Magen-Darm-Störungen oder Psychosen können resultieren oder mitverursacht werden. Der Konsum von synthetischen Cannabinoiden erhöht auch das Unfallrisiko im Straßenverkehr, und wer regelmäßig konsumiert, riskiert eine Abhängigkeit. Die zweite gut bekannte NPS-Familie sind die synthetischen Cathinone wie Mephedron oder 4-MEC. Sie wirken stimulierend, wobei als unerwünschte Wirkungen Angstzustände, Kreislaufprobleme und Übelkeit bekannt sind.

    Konsumierende sollten wissen, dass sie Produkte einnehmen, deren Inhalt und Wirkung oft unbekannt sind und gefährlich sein können. Über die Gefahren dieser Substanzen zu informieren, ist deshalb ein wichtiges Anliegen der Prävention. Wer sich trotz Risiken für den Konsum entscheidet, sollte die schadensmindernden Regeln beachten. Dazu zählt:Erst kleine Mengen konsumieren, um die Wirkung im Griff zu behalten, nicht alleine konsumieren, Drogen nicht mischen und viel (Alkoholfreies) trinken.

    Bis Ende 2014 belief sich die Zahl der in der Schweiz verbotenen NPS auf etwa 150. Vom Zoll oder von der Polizei beschlagnahmte NPS werden laufend verboten, sofern sie keine legitime Verwendung in der Medizin oder der Industrie finden. Wer eine NPS besitzt, hält somit mit großer Wahrscheinlichkeit eine Substanz in der Hand, deren Verkauf und Besitz im Prinzip illegal sind, auch wenn sie als „legal high“ verkauft wurde.

    Pressestelle von Sucht Schweiz, 15. April 2015

  • Zuhause im eigenen Körper

    Weinheim: Beltz Verlag 2015, 197 S. mit Online-Material, ISBN 978-3-621-28220-8, EUR 22,95

    9783621282208Körperliches und seelisches Wohlbefinden hängen eng zusammen und bedingen sich gegenseitig. Wer den Kontakt zu seinem eigenen Körper verbessern und sich in seiner Haut wohlfühlen möchte, findet hier eine Vielzahl praktischer Tipps und Übungen zur Körperwahrnehmung, z. B. zu den Bereichen Atmung, Körperhaltung, Regulation von Anspannung und Entspannung, Umgang mit Gefühlen, liebevolle Zuwendung zum eigenen Körper, chronischer Schmerz sowie Sexualität. Nützliche Hintergrundinformationen helfen außerdem, den eigenen Körper und seine Signale besser zu verstehen. Alle Übungen stehen auch online zum Download bereit.

  • Suchthilfe und Versorgungssituation in Deutschland

    Suchthilfe und Versorgungssituation in Deutschland

    Dr. Andreas Koch
    Dr. Andreas Koch

    Das Verständnis von Suchthilfe muss im Kontext vergangener und aktueller Entwicklungen wie z. B. der Einführung des Neunten Sozialgesetzbuches, der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) und der 2006 von den Vereinten Nationen verabschiedeten UN‐Behindertenrechtskonvention (UN‐BRK) immer wieder neu definiert werden. Die Auffassungen davon, was hilfreich, wirksam, logisch und effizient ist, prallen auf die harten Bedingungen der Machbarkeit und Finanzierbarkeit in einem sozial‐ und leistungsrechtlich stark gegliederten Versorgungssystem. Statt einer volkswirtschaftlich orientierten Optimierung des Gesamtsystems befürchten viele Experten für die Zukunft eine zunehmend betriebswirtschaftlich orientierte, ineffiziente Optimierung von Teilsystemen mit beliebig anmutender Ressourcenverschiebung auf Kosten jeweils anderer Segmente. Finanziell begründete Restriktionen in komplementären Versorgungsfeldern führen möglicherweise dazu, dass Patienten mit ‚schlechten‘ Prognosen zunehmend weniger erreicht werden.

    Aktuelle Entwicklungen machen eine Bestandsaufnahme erforderlich!

    Um die wesentlichen Meilensteine der Entwicklung des deutschen Suchthilfesystems identifizieren und daraus Handlungsempfehlungen für die Zukunft ableiten zu können, wurde von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) 2012 ein Ausschuss eingesetzt, der mit Experten aus unterschiedlichen Leistungsbereichen und Verbänden besetzt war. Dieser Ausschuss hat sich intensiv mit den sozial- und leistungsrechtlichen Grundlagen der verschiedenen Bereiche des Suchthilfesystems auseinandergesetzt, eine umfassende Analyse der Funktionsfähigkeit des Systems erarbeitet und Perspektiven für die zukünftige Entwicklung aufgezeigt. Dem Ausschuss gehörten an: Gabriele Bartsch (Stv. Geschäftsführerin DHS), Renate Walter-Hamann (Deutscher Caritasverband), Hans Böhl (Jugendberatung und Jugendhilfe Frankfurt/Caritas Suchthilfe), Eberhard Ewers (Der Paritätische Gesamtverband), Dr. Heribert Fleischmann (Bezirkskrankenhaus Wöllershof/Vorsitzender DHS), Dr. Andreas Koch (Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe), Jost Leune (Fachverband Drogen- und Suchthilfe), Dr. Theo Wessel (Gesamtverband für Suchtkrankenhilfe/Stv. Vorsitzender DHS).

    Die von dem Expertenausschuss erstellte Strukturanalyse mit dem Titel „Suchthilfe und Versorgungssituation in Deutschland“ wurde von der DHS im Februar 2014 veröffentlicht und stand bislang nur als pdf-Dokument zur Verfügung. Nun wird sie auch ‚internetgerecht‘ dargestellt. Sie ist auf der Internetseite der DHS unter DHS Stellungnahmen > Versorgungsstrukturen freigeschaltet. Alle Interessierten sind herzlich dazu eingeladen, sich mit den Ergebnissen der Analyse kritisch auseinanderzusetzen und in eine Diskussion mit der DHS einzutreten. Im Folgenden werden die wesentlichen Inhalte und Ergebnisse kurz zusammengefasst.

    Warum ist das deutsche Suchthilfesystem so, wie es ist?

    Um zu verstehen, wie das deutsche Suchthilfesystem funktioniert und warum es sich so entwickelt hat, ist es notwendig, einen Blick auf die Entwicklung der letzten 50 Jahre zu werfen. Beginnend mit dem Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) von 1968 zur grundsätzlichen Anerkennung von ‚Trunksucht‘ als Krankheit und den folgenden Urteilen zur leistungsrechtlichen Zuständigkeit von Kranken‐ und Rentenversicherung werden die unterschiedlichen Entwicklungslinien aufgezeigt. Mit Hilfe eines Zeitstrahls, in dem die wesentlichen Meilensteine (BSG‐Urteile, Modellprojekte, Rahmenkonzepte etc.) verzeichnet sind, lässt sich nicht nur die chronologische Entwicklung des Suchthilfesystems in Deutschland nachzeichnen, sondern es werden auch die Kausalzusammenhänge deutlich, die zu der teilweise sehr komplexen Struktur des Suchthilfesystems bis heute geführt haben. Die historische Entwicklung hat einerseits zu einem sehr breiten und differenzierten Angebot von Hilfen und Interventionen geführt, andererseits aber auch zu einem teilweise unübersichtlichen Geflecht von Rechtsgrundlagen, Zuständigkeiten und Finanzierungsformen.

    Was funktioniert im Suchthilfesystem und was nicht?

    Bei der Analyse und Bewertung der Funktionsfähigkeit des Suchthilfesystems gilt es, eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen: die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die unterschiedlichen Zielgruppen, die vielfältigen Finanzierungsgrundlagen, die Anforderungen der Leistungsträger, die verschiedenartigen Leistungserbringer mit ihren sehr unterschiedlichen und teilweise stark voneinander abgegrenzten Angeboten. Im Suchthilfesystem und zwischen den darüber hinaus involvierten Systemen gibt es eine Vielzahl von Schnittstellen, deren Funktionieren erheblich über Erfolg oder Misserfolg personenzentrierter Suchthilfe entscheidet. Zur Analyse und Bewertung der Funktionsfähigkeit des Suchthilfesystems wurden in einem ersten Schritt die relevanten Interventionen im Hilfesystem identifiziert und in einer Matrix die leistungsrechtlichen Grundlagen (SGB’s, weitere Gesetze, freiwillige Leistungen) dargestellt. Weiterhin wurden zur Darstellung der Funktionsfähigkeit des Hilfesystems an konkreten Beispielen exemplarische Zielgruppen (typische/häufige Personengruppen oder Menschen mit besonderem Hilfebedarf) beschrieben. In einem zweiten Schritt wurde in verschiedenen Expertendiskussionen analysiert, wie bedarfsgerecht diese Zielgruppen beraten bzw. behandelt werden und wie gut die unterschiedlichen Interventionen ineinandergreifen. Auf dieser Grundlage wurden in einer weiteren Matrix die Ergebnisse der Analyse der aktuellen Versorgungsrealität dargestellt. Die einzelnen Bewertungen sind mit Begründungen hinterlegt.

    Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es für jeden (auch sehr spezifischen) Hilfebedarf von betroffenen Menschen passende Angebote im deutschen Suchthilfesystem gibt. Problematisch ist allerdings, dass die Zuständigkeiten und Finanzierungsmöglichkeiten extrem kompliziert geregelt sind und ein nahtloses Ineinandergreifen sinnvoll kombinierter Interventionen daher nicht immer möglich ist.

    Wie soll sich das Hilfesystem zukünftig entwickeln?

    Aus den Analyseschritten (historische Entwicklung und kritische Bestandsaufnahme zur aktuellen Situation) wurden Handlungsempfehlungen abgeleitet. Damit das Suchtversorgungssystem auch in Zukunft in seiner Wirksamkeit und Leistungsfähigkeit erhalten werden kann, sind Weiterentwicklungen auf der Ebene der Rahmenbedingungen und der Institutionen notwendig. Im Hinblick auf die Rahmenbedingungen (strategische Ebene) sollten beispielsweise die konsequente Umsetzung des SGB IX und seine zielgerichtete Weiterentwicklung zu einem wirksamen Leistungsgesetz ebenso im Fokus der zukünftigen Entwicklung stehen wie die Aufrechterhaltung der Koordinationsfunktion der Bundesländer. Im Hinblick auf die Institutionen (operative Ebene) sollte die Etablierung von verbindlichen Kooperationsstrukturen (Suchthilfenetzwerke, Case Management) im Mittelpunkt der Entwicklung stehen. Und schließlich müssen Dokumentation, Statistik und Forschung stärker als bisher die Wirksamkeit einzelner Interventionen und des gesamten Systems in den Blick nehmen. Staat und Gesellschaft werden die Leistungsfähigkeit des Suchthilfesystems in Deutschland zukünftig kritischer bewerten und dabei verstärkt die Frage nach dem ‚Social Return on Investment‘ stellen. Daher sind Maßnahmen zur verbesserten Koordination der einzelnen Segmente und zur transparenteren Darstellung der Wirksamkeit der Leistungen erforderlich.

    Kontakt:

    Dr. Andreas Koch
    Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V.
    Wilhelmshöher Allee 273
    34131 Kassel
    andreas.koch@suchthilfe.de
    www.suchthilfe.de

    Angaben zum Autor:

    Dr. Andreas Koch ist Geschäftsführer des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V., Kassel, Vorstandsmitglied der DHS und Mitherausgeber von KONTUREN online.

  • Zu viel Internet macht Jugendliche einsam

    Isoliert, unkommunikativ oder gereizt – laut einer aktuellen Studie der Klinik für Psychosomatische Medizin der Universitätsmedizin Mainz beeinflusst intensiver Konsum von Onlinespielen und Online-Sexangeboten die Bindungsfähigkeit von Jugendlichen. Sind sie über sechs Stunden täglich online, egal ob über Mobiltelefon oder Computer, fällt es Jugendlichen schwerer, Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen.

    Allein im abgedunkelten Zimmer, Tag und Nacht vor dem Computer, keine Freunde in der wirklichen Welt – viele Eltern machen sich Sorgen, dass ihr Kind in einem Teufelskreis aus Internetsucht und Einsamkeit landet. Gehen echte Beziehungen neben sozialen Netzwerken wie Facebook und Onlinespielen wie World of Warcraft verloren, wo doch der Aufbau von Freundschaften zu den wichtigsten Entwicklungsaufgaben des Jugendalters gehört? Dieser Frage ist jüngst ein Forscherteam um Professor Dr. med. Manfred Beutel, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin der Universitätsmedizin Mainz, mit einer Befragung von rund 2.400 Jugendlichen zwischen zwölf und 18 Jahren in Rheinland-Pfalz nachgegangen.

    Eines der zentralen Ergebnisse lautet: „Jugendliche, die häufig Angebote von Onlinespielen und Online-Sexportalen nutzen, haben eine schlechtere Bindung zu ihren Freunden. Das heißt, sie kommunizieren weniger, vertrauen ihren Freunden nicht so sehr und fühlen sich von anderen stärker entfremdet. All diese Faktoren begünstigen letztlich die soziale Ausgrenzung“, sagt Prof. Beutel. Digitale soziale Netzwerke seien hingegen förderlich für die Beziehung und Bindung zu Gleichaltrigen. Allerdings könnten sie zu einem suchtartigen Gebrauch führen, welcher wiederum die Bindung zu Gleichaltrigen negativ beeinflusst.

    3,4 Prozent der befragten Jugendlichen nutzen das Internet suchtartig. Das bedeutet: Sie sind mehr als sechs Stunden täglich online, haben keine Kontrolle mehr über Onlinezeiten, geben ihre Interessen auf und erleiden schädliche persönliche, familiäre oder schulische Konsequenzen aufgrund der vielen Zeit vor dem Computer oder am Handy. 13,8 Prozent zeigen zwar keinen suchtartigen, aber dennoch einen exzessiven und ‚ausufernden‘ Gebrauch. Mädchen und Jungen sind davon gleichermaßen betroffen.

    Im Hinblick darauf, mit welchen Inhalten sie sich online beschäftigen, unterschieden sich Mädchen und Jungen allerdings: Mädchen nutzen das Internet häufiger für den sozialen Austausch, zur Recherche und zum Online-Shopping, Jungen verbringen mehr Zeit mit Onlinespielen. Prof. Beutel, der in seiner Klinik in der Ambulanz für Spielsucht auch betroffene Jugendliche und Eltern behandelt, stellt zudem fest: „Sozial unsichere oder gehemmte Jugendliche wenden sich eher Online-Aktivitäten zu, die weniger Kontakt und Austausch erfordern.“ Seine Empfehlung lautet deswegen: „Eltern und Lehrer haben die Aufgabe, Jugendliche sowohl in der Entwicklung ihrer Mediennutzung zu begleiten als auch ihren sozialen Umgang zu beachten.“

    Wetzstein Medizinkommunikation, 03.03.2015

  • Eltern setzen auf stärkeren Kinder- und Jugendmedienschutz

    Cover DJI-Studie Medienerziehung_rahmen2Eltern benötigen Informationen zur altersgerechten Internetnutzung ihrer Kinder bereits ab dem frühen Kindesalter, dies zeigt die Studie „Digitale Medien: Beratungs-, Handlungs- und Regulierungsbedarf aus Elternperspektive“ des Deutschen Jugendinstitutes in München (DJI). Da Kinder im Schulalter das Internet aufgrund mobiler Zugänge und eigener Geräte zunehmend selbstständig und damit außerhalb der elterlichen Kontrolle nutzen, legen Eltern besonderen Wert auf eine verbindliche altersgerechte Kennzeichnung von Internetinhalten sowie auf einen stärkeren Kinder- und Jugendschutz im Internet.

    Im Grundschulalter steigt die Zahl der Internetnutzer/-innen sprunghaft an: Mit neun Jahren sind 80 Prozent der Kinder online, mit zwölf Jahren nahezu alle. 72 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe sind mit einem Smartphone online – zu 97 Prozent handelt es sich dabei um das eigene Gerät. Ein Tablet kommt unabhängig vom Alter bei mehr als einem Drittel zum Einsatz. Mit zunehmendem Alter der Kinder steigt auch die Bandbreite der wahrgenommenen Jugendschutzprobleme im Netz – insbesondere im Kontext der Sozialen Medien. Mehr als ein Viertel der Mütter von Klein-, Vor- und Grundschulkindern gibt an, auf jugendschutzrelevante Probleme während des Internetbesuchs ihres Kindes gestoßen zu sein. Bei den Sekundarschüler/-innen ist der Anteil der Mütter, die davon berichten, doppelt so hoch. Probleme mit Onlinespielen und Online-Werbung werden dabei am häufigsten benannt.

    In Fragen der Interneterziehung ihres Kindes schätzen sich ein gutes Drittel der Mütter und mehr als die Hälfte der Väter als „sehr kompetent“ oder „kompetent“ ein. Doch trotz eigenem Kompetenzempfinden sind Eltern auf aktuelle und verlässliche Informationen angewiesen, um ihrer Erziehungsverantwortung gerecht werden zu können. Hinweise zu Kinderschutzeinstellungen der Geräte sind deshalb für 64 Prozent der Mütter und 50 Prozent der Väter „sehr wichtig“; Informationen zu Jugendschutzsoftware für 60 Prozent bzw. 46 Prozent und zu Risiken im Netz für 67 Prozent bzw. 55Prozent. Jeweils 55 Prozent der Mütter bzw. 40 Prozent der Väter finden Hinweise zu kindgerechten Internetseiten und Apps und zur altersgerechten Internetnutzung „sehr wichtig“. Dabei sind Eltern für viele Informationswege offen: Neben Printmaterialien zur Medienerziehung werden Elternabende, das Internet, Beratungsstellen vor Ort und der persönliche Austausch geschätzt.

    Eltern übernehmen Verantwortung für die Medienerziehung ihrer Kinder. Sie sehen sich dabei aber nicht allein in der Pflicht, sondern auch Medienanbieter, Gesetzgeber, Schulen und andere öffentliche Institutionen. 89 Prozent der Mütter und 78 Prozent der Väter meinen, dass der Kinder- und Jugendschutz im Internet verschärft werden sollte.

    Weitere Informationen und die Studie zum Download finden Sie hier.

    Pressestelle des DJI, 16.04.2015