Das SGB IX als übergeordnetes Gesetz für die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen führt auch Jahre nach seiner Inkraftsetzung 2001 noch immer zu Problemen bei der Rechtsanwendung. Um hier eine Hilfestellung zu geben, hat die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation e.V. (DVfR) das „Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht“ auf www.reha-recht.de eingerichtet. Dieses soll zum einen noch nicht hinreichend bekannte Rechtsnormen und die aktuelle Rechtsprechung samt ihrer Auslegung verbreiten. Zum anderen soll es in der juristischen Fachöffentlichkeit und bei den Akteuren in Betrieben und Institutionen zur Diskussion von Rechtsfragen anregen bzw. diese öffentlich ermöglichen. Bisher wurden innerhalb von vier verschiedenen thematischen Kategorien Diskussionsbeiträge veröffentlicht (Foren A bis D).
Seit September 2014 steht ein weiteres Forum zur Verfügung (Forum E), in dem es um das „Recht der Dienste und Einrichtungen“ geht. Ziel dieses Forums E ist es, offene Fragen in den Rechtsbeziehungen zwischen den Erbringern, Empfängern und Kostenträgern von Reha-Leistungen zu beleuchten und zu diskutieren, denn obwohl das SGB IX verschiedene Vorschriften und Regeln zur Koordinierung der Leistungserbringung enthält, ergeben sich in der Praxis regelmäßig Streitfragen, die nicht immer gerichtlich geklärt werden. Unter anderem werden folgende Themen im Forum E verstärkt aufgegriffen: Schiedsstellenverfahren bei Vertragsverhandlungen, Abrechnung von Leistungen, Auswirkungen von Qualitätsanforderungen, Fragen des Verbraucherschutzes, Fragen der Bedarfsplanung sowie Heim- und Einrichtungsrecht (z. B. Heimbegriff und Folgen, Aufsichtsrecht). Die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation lädt alle Interessierten dazu ein, die Diskussionen zu verfolgen und insbesondere auch eigene Fragen einzubringen. Kontakt: Steffen Heidt, s.heidt@dvfr.de
In der Rehabilitationslandschaft Deutschlands ist Harry Fuchs als Verfechter eines konsequent auf die Förderung von Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe behinderter Menschen ausgerichteten Sozialwesens bekannt und anerkannt. Als unabhängiger Sachverständiger in den Bereichen Gesundheitswesen (Versorgungsstrukturentwicklung), Rehabilitation, Pflegeversicherung, aber auch Alterssicherung und Finanzierung von Sozialleistungssystemen wirkt Harry Fuchs seit 1996 beratend an der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben mit. Maßgeblich war er an der Entwicklung und Weiterentwicklung des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) sowie der Pflegeversicherung (SGB XI) beteiligt. Auch aktuell meldet er sich mit konkreten Lösungsvorschlägen zur Vorbereitung eines Bundesteilhabegesetzes zu Wort und ist bis heute in der Lehre und Forschung tätig.
Gegründet auf breite berufliche Erfahrungen, unter anderem durch Tätigkeiten bei der Rentenversicherung und bei verschiedenen Sozialverwaltungen auf Länderebene, und genaue Analyse der Rechtswirklichkeit hat er in den letzten Jahrzehnten zu nahezu allen Fragen von Gesundheit, Pflege und Rehabilitation kritisch Stellung bezogen und damit Gesetzgebung und Rechtsanwendung beeinflusst. Mit seinen Publikationen, Stellungnahmen und Diskussionsbeiträgen auf Podien und bei Veranstaltungen macht Harry Fuchs deutlich, dass Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe der Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen die zentralen Ziele aller Sozialleistungen sind. Er polarisiert dabei häufig, indem er deutlich Stellung bezieht und eine Interpretation des Rechts vorstellt, die vom Verständnis mancher Verantwortlicher abweicht. So stellt er den im SGB IX kodifizierten Reformwillen der Bundesregierung in den Vordergrund, der durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) neuen Auftrieb erfahren hat, und nicht die Eigenlogik der jeweiligen Sozialleistungsbereiche.
Für Harry Fuchs sind Transparenz und Diskurs notwendige Voraussetzung für Veränderungen im System der sozialen Sicherung, und in diesem Sinne befindet er sich stetig und zielgerichtet im Austausch mit anderen Akteuren. Harry Fuchs ist ehrenamtlich in verschiedenen Verbänden als Vorstand tätig, unter anderem auch in der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR), und er arbeitet im Beirat des Diskussionsforums Rehabilitations- und Teilhaberecht (www.reha-recht.de) mit.
Vorstand und Geschäftsführung der DVfR Heidelberg gratulieren Harry Fuchs sehr herzlich zum 70. Geburtstag und danken ihm für sein stringentes Plädoyer für ein modernes, am Menschen orientiertes Teilhaberecht nach den Zielen des SGB IX und der UN-BRK, sein hohes Engagement und die vielfältige Unterstützung auch der DVfR. Für die kommenden Jahre wünschen wir ihm ein möglichst hohes Maß an Gesundheit!
Vorstand und Geschäftsführung der DVfR Heidelberg, 02.04.2015
Eines der Ziele des 2007 eingeführten Elterngelds war es, Vätern den Weg vom Arbeitsplatz an den Wickeltisch zu ebnen. Inwieweit das funktioniert und welche Hindernisse es noch gibt, haben Svenja Pfahl, Stefan Reuyß, Dietmar Hobler und Sonja Weeber vom Berliner Institut für Sozialwissenschaftlichen Transfer (SowiTra) untersucht. Für ihre Studie, die von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde, haben die Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler ausführliche Interviews mit 43 Elterngeldvätern sowie eine Online-Umfrage mit mehr als 600 Teilnehmern durchgeführt. Der Analyse zufolge wirkt es sich positiv auf die Beziehung zum Nachwuchs und auf die Partnerschaft aus, wenn Väter eine Auszeit vom Erwerbsleben nehmen. Als hinderlich erweisen sich vor allem skeptische Vorgesetzte, fehlende Vertretung und ungünstige berufliche Perspektiven der Mütter.
Die befragten Väter machten von den gesetzlichen Möglichkeiten einen variantenreichen Gebrauch, schreiben die Forscher. 71 Prozent beziehen für maximal zwei Monate Elterngeld, fünf Prozent setzen zwölf oder mehr Monate aus, die übrigen Befragten liegen dazwischen. Ein Viertel der Väter arbeitet während der Elterngeldphase in Teilzeit, einige Paare sind in Teilzeit-Teilzeit-Kombination erwerbstätig. Es könne davon ausgegangen werden, dass für viele von ihnen das ElterngeldPlus ein „willkommenes Angebot“ wäre, das ab Juli 2015 bis zu 28 Elterngeldmonate ermöglicht, wenn beide Partner ihre Arbeitszeit reduzieren.
Ob Väter sich überhaupt für Elternmonate entscheiden, hängt der Studie zufolge vor allem davon ab, wie sicher der Arbeitsplatz und wie familienorientiert der Arbeitgeber ist. Für die Dauer der Nutzung sei unter anderem maßgeblich, ob es zwischen den Partnern Unterschiede bei Qualifikation und Einkommen gibt und wie groß diese sind. Auf betrieblicher Ebene hätten die Vertretungsmöglichkeiten großen Einfluss, zudem spielten die direkten Vorgesetzten eine Schlüsselrolle: Insbesondere bei Vätern, die sich ihrer Entscheidung noch nicht sicher sind, führe ablehnendes Verhalten oft zu einer Verkürzung der Elterngeldphase oder zum völligen Verzicht. Auf partnerschaftlicher Ebene wirken sich ein egalitäres Leitbild des Paares und eine starke Berufsorientierung der Partnerin besonders positiv auf eine längere Elterngeldphase der Väter aus. Daher müsse neben der Lebens- und Arbeitssituation des Vaters in gleichem Maße die der Partnerin in den Blick genommen werden.
Als wichtigsten Effekt der Elternmonate nennen die befragten Väter eine stärkere Beziehung zu ihrem Kind. Darüber hinaus bessere sich durch die partnerschaftliche Arbeitsteilung die Qualität der Paarbeziehung. „Hier wird noch einmal deutlich, dass die Elterngeldmonate für das Gros der Väter keineswegs nur eine Art Urlaub darstellen“, urteilen die Autoren. Vielmehr sei das Bemühen um eine partnerschaftliche Beziehung deutlich zu erkennen, das auf eine egalitäre Verteilung von Erwerbs-, Familien- und Hausarbeit abzielt. Dadurch eröffnen sich den Frauen neue berufliche Spielräume: Fast zwei Drittel der Befragten mit mindestens drei Elternmonaten geben an, dass ihre Elterngeldzeit der Partnerin den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtert hat. Von den anderen Vätern mit maximal zwei Monaten bestätigt das immerhin noch ein Drittel.
Ein Zusammenhang zwischen der Nutzung von Elterngeld und der Rollenverteilung in der Partnerschaft ist laut Svenja Pfahl und ihren KollegInnen auch langfristig feststellbar. Der Befragung zufolge reduziert etwa jeder vierte Vater unmittelbar im Anschluss an die Elternmonate seine Arbeitszeitdauer im Vergleich zu der Zeit vor der Geburt. Von denjenigen, die mindestens drei Monate eine berufliche Auszeit nehmen, sind es 40 Prozent, von den anderen 22 Prozent. Jeder Fünfte arbeitet längerfristig kürzer, von den Vätern mit längerem Elterngeldbezug fast jeder Dritte.
Langfristige berufliche Nachteile für die Elterngeldväter sind laut der Studie kaum nachweisbar. Mit vorübergehenden Beeinträchtigungen sei allerdings durchaus zu rechnen. Jeder zehnte Befragte berichtet von temporären Auswirkungen auf den Karriereverlauf, wobei die Gefahr mit der Dauer der Elterngeldnutzung ansteigt. Nach der Elterngeldphase erweise sich insbesondere Teilzeit als Karrierehindernis für Väter – die hier dieselben negativen Erfahrungen wie Frauen machten. Ein beruflicher Aufstieg sei mit Teilzeit anscheinend nach wie vor in den wenigsten Betrieben vereinbar.
Um das Potenzial des Elterngelds noch besser auszuschöpfen, empfehlen die Wissenschaftler, auf eine „vätersensible“ und gleichstellungsorientierte Betriebskultur hinzuwirken. Dass männliche Beschäftigte familiengerechte Maßnahmen in Anspruch nehmen, müsse zur Selbstverständlichkeit werden. Handlungsbedarf bestehe auch bei den Vertretungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz: Ein effizientes, vorausschauendes Vertretungsmanagement scheine in der betrieblichen Praxis eher noch die Ausnahme als die Regel zu sein, was oft auch mit Personalknappheit zusammenhänge. Darüber hinaus seien Angebote zur vorübergehenden Reduzierung und familienorientierten Gestaltung der Arbeitszeit nötig. Denkbar wäre etwa, dass Unternehmen die ElterngeldPlus-Regelung durch eine Aufstockung der Zahlungen noch attraktiver machen. Nicht zuletzt gelte es, geschlechtsspezifische Unterschiede am Arbeitsmarkt abzubauen: „Partnerschaftliche Arbeitsteilung wird nur gelingen, wenn auch Partnerinnen Zugang zu qualitativ guten Arbeits- und Einkommensbedingungen haben.“
Knapp drei Millionen Deutsche haben verschreibungspflichtige Medikamente genutzt, um am Arbeitsplatz leistungsfähiger zu sein oder um Stress abzubauen. Das geht aus dem aktuellen DAK-Gesundheitsreport „Update: Doping am Arbeitsplatz“ hervor. Ein zentrales Ergebnis: Die Anzahl der Arbeitnehmer, die entsprechende Substanzen schon zum Doping missbraucht haben, ist in den vergangenen sechs Jahren stark gestiegen – von 4,7 auf 6,7 Prozent. Vor allem Beschäftigte mit einfachen Tätigkeiten oder unsicheren Jobs gehören zu den Risikogruppen für den Medikamentenmissbrauch.
Für die repräsentative Studie wurde untersucht, ob und wie Erwerbstätige ohne medizinische Notwendigkeit zu verschreibungspflichtigen Medikamenten greifen. Experten nennen dies pharmakologisches Neuro-Enhancement. Hierfür hat die DAK-Gesundheit Arzneimitteldaten von 2,6 Millionen erwerbstätigen Versicherten analysiert und zusätzlich mehr als 5.000 Berufstätige im Alter von 20 bis 50 Jahren befragt. Demnach haben 6,7 Prozent der Berufstätigen, also knapp drei Millionen Menschen, das so genannte Hirndoping wenigstens schon einmal praktiziert. Bei einem vergleichbaren DAK-Report 2008 waren es noch 4,7 Prozent. Nach den Ergebnissen des DAK-Gesundheitsreports 2015 gibt es zudem eine hohe Dunkelziffer von bis zu zwölf Prozent. Hochgerechnet auf die Bevölkerung haben damit fünf Millionen Erwerbstätige schon einmal leistungssteigernde oder stimmungsaufhellende Medikamente zum Hirndoping eingenommen. Und: Unter den übrigen Erwerbstätigen ist jeder Zehnte für diese Form des Hirndopings prinzipiell aufgeschlossen. Regelmäßig dopen sich laut Studie knapp eine Millionen Berufstätige (1,9 Prozent). „Auch wenn Doping im Job in Deutschland noch kein Massenphänomen ist, sind diese Ergebnisse ein Alarmsignal“, warnt DAK-Vorstandschef Herbert Rebscher. „Suchtgefahren und Nebenwirkungen des Hirndopings sind nicht zu unterschätzen. Deshalb müssen wir auch beim Thema Gesundheit vorausschauen und über unsere Wertvorstellungen und Lebensstilfragen diskutieren.“
Männer wollen mehr Leistung, Frauen emotionale Stabilität
Auslöser für den Griff zur Pille sind meist hoher Leistungsdruck sowie Stress und Überlastung. Vier von zehn Dopern gaben an, bei konkreten Anlässen wie anstehenden Präsentationen oder wichtigen Verhandlungen Medikamente einzunehmen. Männer versuchen so vor allem, berufliche Ziele noch besser zu erreichen. Und sie wollen auch nach der Arbeit noch Energie für Freizeit und Privates haben. Frauen nehmen eher Medikamente, damit ihnen die Arbeit leichter von der Hand geht und sie emotional stabil genug sind. Menschen, die an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit arbeiten oder bei denen Fehler schwerwiegende Konsequenzen haben können, greifen eher zu leistungssteigenden Medikamenten, zeigt die DAK-Analyse. Beschäftigte, die viel mit Kunden zu tun haben, nehmen hingegen überwiegend Tabletten zur Stimmungsverbesserung: Fast jede fünfte Frau nennt viele Kontakte mit Menschen als Grund für den Medikamentenmissbrauch. Vor allem Frauen zwischen 40 und 50 Jahren helfen nach. „Frauen nehmen eher bestimmte Mittel gegen Depressionen, um die Stimmung zu verbessern und Ängste und Nervosität abzubauen“, erläutert Rebscher die Motive. „Bei Männern sind es meist anregende Mittel. Sie wollen wach bleiben, stark und leistungsfähig sein.“
Führungskräfte dopen kaum
Entgegen der landläufigen Meinung sind es nicht primär Top-Manager oder Kreative, die sich mit Medikamenten zu Höchstleistungen pushen wollen. Die Ergebnisse des DAK-Gesundheitsreports zeigen sogar den umgekehrten Zusammengang: Je unsicherer der Arbeitsplatz und je einfacher die Arbeit selbst, desto höher ist das Risiko für Hirndoping. Eine Rolle spielt das Tätigkeitsniveau der Arbeit: Beschäftigte mit einer einfachen Tätigkeit haben zu 8,5 Prozent bereits Medikamente zur Leistungssteigerung oder Stimmungsverbesserung eingenommen. Bei Gelernten oder Qualifizierten sind es nur 6,7 Prozent. Bei den hochqualifizierten Beschäftigten waren es 5,1 Prozent.
Wunderpillen gibt es nicht
Insgesamt werden zum Hirndoping am häufigsten Medikamente gegen Angst, Nervosität und Unruhe (60,6 Prozent) sowie Medikamente gegen Depressionen (34 Prozent) eingenommen. Etwa jeder achte Doper schluckt Tabletten gegen starke Tagesmüdigkeit. 11,1 Prozent nehmen Betablocker. Mehr als jeder Zweite bekommt für die entsprechenden Medikamente ein Rezept vom Arzt. Jeder Siebte erhält Tabletten von Freunden, Bekannten oder Familienangehörigen, jeder Zwölfte bestellt sie ohne Rezept im Internet. Professor Dr. Klaus Lieb, Facharzt und Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz, warnt: „Der Bezug aus dem World Wide Web ist riskant. Dort gibt es viele Medikamentenfälschungen, die ohne Rezept abgegeben werden und der Gesundheit erheblich schaden können.“ Der Doping-Experte dämpft zudem Erwartungen an das pharmakologische Neuro-Enhancement: „Eine Wunderpille gibt es nicht. Oft zeigen die Medikamente nur kurzfristige und minimale Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Demgegenüber stehen hohe gesundheitliche Risiken, wie körperliche Nebenwirkungen bis hin zur Persönlichkeitsveränderung und Abhängigkeit.“ Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Nervosität und Schlafstörungen seien nicht selten – und mögliche Langzeitfolgen dagegen noch völlig unklar.
Stress aktiv angehen
Nach Ansicht von Experten ist neben dem äußeren Druck am Arbeitsplatz auch die innere Haltung entscheidend, wenn es um die Anfälligkeit für das Dopen geht. So seien übertriebene Ansprüche an die eigene Leistungsfähigkeit häufig ein Problem. Anstatt zur Pille zu greifen, sei es deshalb wichtig zu erkennen, dass Stress-Situationen am Arbeitsplatz nicht völlig vermeidbar sind. Laut DAK-Report ist der Großteil der Arbeitnehmer hier schon auf dem richtigen Weg: Demnach setzt mehr als jeder Zweite auf eine gute Organisation bei der Arbeit. 44 Prozent der Beschäftigten achten darauf, ihre Freizeit möglichst sinnvoll zu verbringen. Sechs von Zehn schlafen ausreichend, um besonders leistungsfähig zu sein.
Krankenstand sinkt leicht
Der DAK-Gesundheitsreport wertet auch die Krankenstandsdaten der Arbeitnehmer umfassend aus. 2014 lag für etwas weniger als jeden zweiten Arbeitnehmer eine Krankschreibung vor (48 Prozent, 2013: 51 Prozent). Fast ein Viertel der Ausfalltage (22,7 Prozent) wurden von Muskel-Skelett-Erkrankungen verursacht, 17 Prozent gingen zu Lasten psychischer Krankheiten und 14 Prozent entfielen auf Erkrankungen des Atmungssystems wie beispielsweise Erkältungen. Die Branchen mit dem höchsten Krankenstand waren 2014 das Gesundheitswesen, die Öffentliche Verwaltung sowie Verkehr, Lagerei und Kurierdienste mit jeweils 4,5 Prozent.
Radebeul: Diakonie Sachsen 2015, Broschüre mit 31 S., einzelne Exemplare können kostenlos angefordert werden unter Helmut.Bunde@diakonie-sachsen.de
Das Thema Crystal Meth ist in aller Munde. Die aktuelle suchtpolitische Diskussion wird vor allem durch eine rasant steigende Anzahl von Crystal-Meth-Konsumenten in den Grenzregionen zur Tschechischen Republik – in Bayern und Sachsen – angeregt. Zieht man die Deutsche Suchthilfestatistik und die Polizeiliche Kriminalstatistik heran, wird die Problemlage auch in anderen Bundesländern zunehmend deutlich. Crystal-Konsumenten stellen Gesellschaft und Suchthilfe vor neue Herausforderungen. Das Thema verlangt eine veränderte Betrachtung und stärkere Zusammenarbeit der Bereiche Gesundheit, Soziales, Jugend und Arbeit. Die Autoren der Broschüre „Crystal Meth. Eine Herausforderung für die Hilfesysteme“ gehen in ihren Beiträgen auf folgende Aspekte ein: Einführung in das Thema von Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Suchtverlauf und Ausstieg aus der Sucht aus Sicht einer Betroffenen, neue medizinische Herausforderungen, pharmakologische Einordnung, Methamphetamin-Konsum in Geschichte und Gegenwart, aktuelle Situation in Sachsen, Situation der Beratungsstellen, „Konsumententypen“, psychiatrische Regelbehandlung bei Crystal-Abhängigkeit, Möglichkeiten und Rolle der Prävention, Crystal-Konsum im Gefängnis, Crystal-Konsum und Schwangerschaft. Die Broschüre (ohne die beiden Artikel zu Crystal-Konsum und Schwangerschaft) ist auch als Ausgabe von PARTNERschaftlich, Nummer 02-14, erschienen und steht hier zum kostenlosen Download bereit.
Suchtpatienten und Patienten in psychosomatischen Kliniken zeichnen sich häufig dadurch aus, dass sie in ihrem Leben zu selten die Erfahrung von Sicherheit und Vertrauen gemacht haben. Sie haben in der Regel nicht das Gefühl, dass sie im Leben und in der Gesellschaft einen Platz haben, dass der Boden unter den Füßen trägt und sie das eigene Leben in die Hand nehmen und gestalten können. Jahrelange therapeutische Erfahrung hat gezeigt, dass für Menschen, die das Grundgefühl des Nicht-Dazu-Gehörens in sich tragen, die so genannte TaKeTiNa-Rhythmustherapie sehr hilfreich sein kann und zur Genesung beiträgt.
Die Grundidee: Sich vom Rhythmus tragen lassen
TaKeTiNa ist der Name einer Methode, die es Menschen ermöglicht, Rhythmus mit dem Körper ganzheitlich zu erleben. Der Lehrer bedient sich dabei einer ausgefeilten Rhythmussprache bestehend aus Rhythmussilben. Er spricht dem Kursteilnehmer vor, was dieser auf dem Instrument spielen soll. Die Silben „ta“, „ke“, „ti“ und „na“ haben sich dazu als besonders geeignet erwiesen.
Der TaKeTiNa-Prozess vermittelt Rhythmus so, wie ihn der Mensch von Natur aus am besten erfassen und lernen kann. Er führt den Teilnehmer direkt zur körperlichen Erfahrung rhythmischer Urbewegungen und damit zu jenen Grundbausteinen, aus denen sich die Rhythmik jeder Musik zusammensetzt. Der Körper selbst wird zum Musikinstrument, die Begegnung mit Rhythmus ist daher entsprechend direkt und intensiv. Mit Stimme, Klatschen und Schrittbewegungen werden gleichzeitig drei unterschiedliche Rhythmusebenen aufgebaut. Das damit verbundene „Aus dem Rhythmus fallen“ und wieder „In den Rhythmus zurückfinden“ ist das Prinzip, mit dem die Teilnehmer lernen, sich immer tiefer vom Rhythmus tragen zu lassen. Intention und Hingabe, Machen und Geschehen-Lassen, Aktiv- und Passivsein verbinden sich spielerisch miteinander, sodass die Teilnehmer immer mehr den Zustand im „Hier und Jetzt“ erleben können. Die Heiligenfeld Kliniken in Bad Kissingen setzen TaKeTiNa als Rhythmustherapie seit 25 Jahren erfolgreich ein. „Die Erfahrung, von den Grundstrukturen des Rhythmus in der Gruppe getragen zu sein, sich zu verlieren, sich wiederzufinden und sich sicherer in sich selbst zu verankern, sind fundamentale und enorm bereichernde Komponenten im Rahmen einer psychosomatischen stationären Behandlung“, erklärt Dr. Joachim Galuska, leitender ärztlicher Direktor, Geschäftsführer und Mitbegründer der Heiligenfeld Kliniken.
TaKeTiNa in der Psychotherapie
Viele Patienten fühlen sich in Folge von Traumatisierung oder Bindungsstörungen immer wieder oder ständig bedroht. Wenn sie die Augen schließen, fühlen sie sich, als würden sie in eine dunkle, unendliche Tiefe fallen, ohne jeglichen Halt und ohne die Chance einer Stabilisierung. Häufig leiden diese Patienten unter Depersonalisation oder Derealisation und nehmen sich selbst, ihre Umwelt und andere Menschen als unwirklich wahr. Für diese Patienten kann der TaKeTiNa-Prozess sehr hilfreich sein, indem er zu einer verbesserten Körperwahrnehmung führt und zwanghaft kreisende Gedanken unterbricht. Viele Patienten fühlen sich durch die körperliche Erfahrung des Rhythmus seit langer Zeit zum ersten Mal wieder sicher und geborgen, und die sonst so belastende Trennung zwischen ihnen und ihrer Umwelt weicht für Momente dem Gefühl der Verbundenheit. TaKeTiNa arbeitet mit der elementarsten Kraft des Lebens – mit Rhythmus. Dieser ist in TaKeTiNa Spiegel und zugleich die Kraft, mit der behindernde Verhaltensweisen aufgelöst und Qualitäten entwickelt werden können, die die Essenz menschlichen Lebens ausmachen: Intuition und Kreativität, innere Stille und mentale Stärke, Angstlosigkeit und das Vertrauen, in komplexen Situationen die Übersicht zu behalten.
Frank Rihm mit TaKeTiNa-Schülern
TaKeTiNa wurde von dem Wiener Musiker, Komponist, Autor und weltweit agierenden Seminarleiter Reinhard Flatischler begründet und gilt als einer der effektivsten Lernprozesse unserer Zeit. In den Heiligenfeld Kliniken wurde TaKeTiNa so modifiziert, dass auch Patienten mit Persönlichkeitsstörungen oder mit neurotischen Problemen das Verfahren sehr erfolgreich nutzen können. TaKeTiNa wird ganz besonders dazu genutzt, Menschen, die schwerwiegende und durch verbale Interventionen nur bedingt erreichbare Probleme haben, in eine positive Entwicklung zu bringen. Die Patienten verstehen das Verfahren intuitiv sehr schnell und nehmen das Angebot deshalb auch sehr gerne wahr. Sie erfahren, dass TaKeTiNa ein effektiver Weg sein kann, ihnen tiefe Entwicklungs- und Veränderungsprozesse zu ermöglichen. Ein Weg, der sie einerseits mit Episoden aus ihrer Vergangenheit in Berührung bringt, der sie andererseits aber auch in die Gegenwart und zu einer besseren Selbsteinschätzung führt. Sie können die im Rhythmus innewohnende Kraft und das Zusammenspiel in der Gruppe nutzen, um vermisste Qualitäten und Fähigkeiten nachreifen zu lassen. Gleichzeitig konfrontiert sie die Arbeit mit dem Rhythmus mit den ihr Leben behindernden Mustern und Verhaltensweisen. Mit TaKeTiNa erfahren die Patienten, wie sie inmitten von persönlichen Krisen wieder Lebensfreude, Humor, Hoffnung und Lust am Leben verspüren.
Wissenschaftliche Evaluation
Ein Team von Ärzten und Wissenschaftlern untersucht und bestätigt diese positiven klinischen Resultate seit mehr als zehn Jahren. Herzratenvariabilitätsmessungen belegen beispielsweise, dass TaKeTiNa vorhersehbar und wiederholbar ideale Bedingungen für die Regeneration des Nervensystems herstellt und daher die Grundlage dafür schafft, die Gesundheit auf psychischer Ebene zu fördern. Im Forschungsrahmen gemachte EEG-Messungen zeigen, dass die regelmäßige Anwendung von TaKeTiNa das Gehirn effektiver arbeiten lässt. Laut Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie, wirke TaKeTiNa heilend, gerade bei chronisch kranken Menschen. Im Göppinger Projekt mit Hochschmerzpatienten sei TaKeTiNa für die Patienten eine essentielle Hilfe gewesen, die ihnen ermöglichte, ihre Medikation zu reduzieren und den Umgang mit Schmerz zu verbessern. Derzeit läuft in den Heiligenfeld Kliniken eine Untersuchung zur Therapie mit komplex-traumatisierten Patienten. Die ersten Ergebnisse dieser gerade angelaufenen Untersuchung sind vielversprechend und zeigen schon jetzt, dass diese Patienten ihre Heilungserfolge während der stationären Therapie besonders auch auf die in der Rhythmustherapie gemachten Erfahrungen zurückführen.
Ausbildung zum TaKeTiNa-Rhythmustherapeuten
TaKeTiNa wird mittlerweile als begleitende Maßnahme in unterschiedlichen Therapiebereichen in Kliniken und Praxen erfolgreich eingesetzt. Die Arbeit, die in den Heiligenfeld Kliniken mit der TaKeTiNa-Rhythmustherapie seit mehr als zwei Jahrzehnten geleistet wird, zählt zu den langjährigsten Projekten. Die psychotherapeutischen Resultate sind so überzeugend, dass über die Akademie Heiligenfeld nun erstmals eine eigenständige Ausbildung zum TaKeTiNa-Rhythmustherapeuten angeboten wird. Diese soll die Teilnehmer dazu befähigen, Rhythmus im therapeutischen Kontext kompetent und effektiv einzusetzen. Geleitet wird diese Ausbildung von Frank Rihm (leitender Kreativtherapeut der Fachklinik Heiligenfeld), Reinhard Flatischler (Begründer von TaKeTiNa) und Bettina Berger (HAKOMI-Lehrtherapeutin und Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie). Die Dozenten verfügen über große praktische Erfahrung in der Integration von Rhythmus in die Psychotherapie und werden den Teilnehmern zeigen, wie effektiv dieser Weg sein kann. Voraussetzung zur Teilnahme ist die Ausübung eines Grundberufes, der dazu berechtigt und befähigt, mit Menschen heilend bzw. therapeutisch zu arbeiten.
Ein Einführungsworkshop mit Reinhard Flatischler und Frank Rihm findet vom 24. bis 26. April 2015 in Bad Kissingen statt. Weitere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit finden Sie im Internet unter www.akademie-heiligenfeld.de.
Frank Rihm ist leitender Kreativtherapeut in der Fachklinik Heiligenfeld. Der Dipl.-Musiktherapeut, TaKeTiNa-Rhythmuspädagoge (Advanced Level) und Gestalttherapeut hat darüber hinaus Weiterbildungen in Somatic Experiencing (Traumatherapie nach Peter Levine) und verschiedenen Verfahren der Humanistischen Psychotherapie absolviert.
Rund 1,2 Millionen Menschen in Deutschland sind von Schlaf- und Beruhigungsmitteln abhängig. Betroffen sind vor allem ältere Menschen, darunter zwei Drittel Frauen. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) startete gemeinsam mit der BARMER GEK und der Bundesärztekammer eine Kampagne, um Apotheker, Ärzte und Patienten stärker auf die Risiken von Benzodiazepinen aufmerksam zu machen. Bei vielen Menschen, die unter Schlafstörungen, Ängsten oder Spannungszuständen leiden, besteht der Wunsch nach einer medikamentösen Behandlung. Benzodiazepine (Wirkstoffe Lorazepam, Diazepam, Bromazepam etc.) oder auch verwandte Substanzen wie Zolpidem und Zopiclon sind bewährte Mittel, die kurzfristig Linderung verschaffen können. „Doch vielen Patienten und auch manchen Ärzten und Apothekern ist nicht bewusst, dass sich bereits nach vier- bis sechswöchiger Einnahme eine Abhängigkeit entwickeln kann“, berichtet Dr. Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der DHS.
Die so genannte 4-K-Regel soll Patienten – aber auch Ärzte und Apotheker – dabei unterstützen, Schlaf- und Beruhigungsmittel richtig anzuwenden:
Klare Indikation: Nehmen Sie das Medikament nur ein, wenn eine eindeutige medizinische Notwendigkeit besteht. Diese sollten Sie in einem Gespräch mit Ihrer Ärztin, Ihrem Arzt abklären und auch andere Behandlungsmöglichkeiten in Erwägung ziehen.
Kleinste notwendige Dosis: Nehmen Sie nur so viel wie nötig ein – und unbedingt so wenig wie möglich. Besprechen Sie die kleinste notwendige Dosis mit Ihrer Ärztin, Ihrem Arzt.
Kurze Anwendung: Nehmen Sie das Medikament nur überbrückend ein für kurze Zeit.
Kein schlagartiges Absetzen: Hören Sie nicht einfach mit der Einnahme auf, sondern verringern Sie langsam die Dosis – mit ärztlicher Begleitung.
Die Patienten merken von einer Abhängigkeit zunächst kaum etwas, weil sie häufig mit einer Tablette am Tag auskommen und die Dosis nicht steigern müssen. Dieses Phänomen wird Niedrigdosisabhängigkeit genannt. Bei Absetzversuchen aber treten als Entzugserscheinungen die ursprünglichen Beschwerden verstärkt wieder auf – wie zum Bespiel Schlafstörungen oder Angstattacken – und die Patienten nehmen das Medikament weiterhin ein. Es besteht die Gefahr, dass durch die Dauereinnahme ihr Gefühlsleben verarmt, bis hin zur Abstumpfung. Die Betroffenen fühlen sich abgeschlagen und haben keine Energie.
Schlaf- und Beruhigungsmittel können in einer akuten Krise nützlich sein, lösen aber nicht die Ursache der Probleme. „Das können nur die Patienten selber, indem sie ihr Leben bewusst verändern“, sagt Suchtexperte Gaßmann. „Ehe- und Schuldnerberatung, familiäre Entlastung und das bewusste Setzen von Grenzen im Beruf helfen dabei ebenso wie Stressbewältigung und Entspannungstechniken.“ Eine Psychotherapie kann ebenfalls dazu beitragen, Auslösern und Ursachen der Beschwerden auf die Spur zu kommen.
Die DHS hat zusammen mit der BARMER GEK ein Informationsblatt für Patienten erarbeitet. Weitere Informationen zur diesem Thema finden Sie hier. Auf www.suchthilfeverzeichnis.de finden sich auch die Adressen der bundesweit über 1.400 Beratungsstellen und 800 Suchthilfeeinrichtungen.
Weinheim: Beltz Verlag 2015, 330 Seiten, ISBN 978-3-621-28221-5, EUR 39,95
Selbsterfahrung ist ein wichtiger Bestandteil sowohl der Ausbildung als auch des weiteren Berufslebens eines Psychotherapeuten. Erst die fundierte Selbsteinschätzung und Kenntnis der eigenen Persönlichkeit ermöglichen eine erfolgreiche und zufriedenstellende therapeutische Arbeit. Ein nachhaltiger Prozess der Selbsterfahrung für Personen aus (psycho-)therapeutischen Berufsgruppen umfasst viele einzelne Puzzleteile, die hier in sechs inhaltlichen Modulen erarbeitet werden können. Diese folgen primär dem verhaltenstherapeutischen Ansatz und beziehen dabei auch Elemente der 3. Welle sowie nahestehender Methoden mit ein, z. B. Schematherapie, CBASP, ACT oder systemische Interventionen. Mit 40 Übungen und 140 Arbeitsblättern zu den Themen: