Autor: Simone Schwarzer

  • 100 Jahre Verhaltenstherapie

    Die Verhaltenstherapie ist heute eine der am häufigsten angewandten Formen der Psychotherapie. Ihren Ursprung verdankt sie der amerikanischen Psychologin Mary Cover Jones, die 1924 eine wegweisende Fallstudie zur Behandlung von Ängsten veröffentlichte. Doch obwohl ihr Artikel die Grundlagen für ein heute global verbreitetes Therapieverfahren legte, blieb dieses Jubiläum 2024 fast unbeachtet, wie der Mannheimer Psychologe Prof. Dr. Georg. W. Alpers in seiner jüngsten Veröffentlichung darlegt.

    In ihrem allerersten Fall behandelte Mary Cover Jones vollkommen unkonventionell einen dreijährigen Jungen, der Angst vor Kaninchen und anderen pelzigen Tieren hatte. Mit ihrer innovativen Methode, die Sie aus Erkenntnissen der Lernpsychologie ableitete, gelang es ihr, das Kind Schritt für Schritt an den Umgang mit den Tieren zu gewöhnen und positive Assoziationen zu schaffen. 1924 veröffentlichte die US-amerikanische Psychologin die gut dokumentierte Fallstudie. Die Gewöhnung an Angst auslösende Reize – der Kern ihrer Methode – ist bis heute bei der Behandlung von Angst- und Zwangsstörungen sowie Suchterkrankungen und Essstörungen im Einsatz. Obwohl Mary Cover Jones ihrem Ansatz damals keinen Namen verlieh, kann sie als „Mutter“ der Verhaltenstherapie angesehen werden. An diese oft vergessene Pionierin erinnert Prof. Dr. Georg Alpers in seinem Aufsatz „Happy 100th Anniversary, Behavior Therapy!“, der im Oktober in der Zeitschrift „Behaviour Research and Therapy“ erschienen ist.

    „Mit ihrem Wissen aus der experimentellen Psychologie testete Mary Cover Jones gründlich die Vor- und Nachteile ihrer Behandlungsmethoden – Prinzipien, die bis heute gelten“, so der Autor. Verhaltenstherapie baut auf Erkenntnissen der Grundlagenwissenschaften auf und evaluiert wissenschaftlich ihre Ergebnisse. Neben der ersten dokumentierten Fallstudie des kleinen Peter führte Jones auch den ersten systematischen Vergleich verschiedener Verhaltensinterventionen an 70 Kindern durch, die in einer Anstalt lebten und zum Teil unter starken Ängsten litten. „Bei der Behandlung der Kinder agierte sie weise und mit methodischer Strenge“, so Alpers. Seit diesen Anfängen hat sich die Verhaltenstherapie weltweit etabliert: Fachzeitschriften wurden gegründet, Handbücher geschrieben und die Methode zum festen Bestandteil der universitären Ausbildung gemacht.

    In seinem Aufsatz geht Alpers auch der Frage nach, warum Mary Cover Jones heute kaum bekannt ist und das große Jubiläum fast übersehen wurde. Ein Grund dafür könnte sein, dass sie ihrer Methode keinen Namen gab und stattdessen auf die Verdienste ihrer Vorgänger verwies. Im Gegensatz zu Vertretern anderer psychotherapeutischer Ansätze, die oft die Verdienste der Begründer betonen, seien Verhaltenstherapeut:innen zudem weniger darauf bedacht, den Ruhm der Gründungsfiguren in den Vordergrund zu stellen. „Nichtdestotrotz sind wir dankbar für die intellektuelle Anregung, die uns die Arbeit von Mary Cover Jones bereitet hat. Wir sind zudem beeindruckt, wie viele verschiedene Richtungen die Reise der Verhaltenstherapie in den letzten 100 Jahren eingeschlagen hat“, stellt der Autor abschließend fest.

    Originalpublikation:
    Alpers, G.W. (2024). Happy 100th Anniversary, Behavior Therapy! Behaviour Research and Therapy: doi.org/10.1016/j.brat.2024.104642 

    Pressestelle der Universität Mannheim, 12.11.2024

  • 5. Bundesweiter Aktionstag Suchtberatung am 14. November 2024

    Rund 57 Milliarden Euro volkswirtschaftliche Kosten entstehen in Deutschland jährlich durch die Folgen von Alkoholkonsum. Der Tabakkonsum schlägt sogar mit rund 97 Milliarden Euro zu Buche. Belastet werden nicht nur das Gesundheitswesen und die Sozialkassen, sondern auch private Haushalte, Arbeitgeber, Familien und Sozialräume. Trotz der extremen gesellschaftlichen Kosten, die aus dem Abhängigkeits- und Schädigungspotenzial von alkoholischen Getränken und Tabakerzeugnissen erwachsen, werden Hersteller und Händler nicht an den enormen Kosten beteiligt, die durch den Gebrauch ihrer Produkte entstehen. Daher fordert die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) anlässlich des bundesweiten Aktionstags Suchtberatung, der am 14. November stattfindet, eine zweckgebundene Abgabe auf alle legalen Suchtmittel und Glücksspielangebote. Die Abgabe soll uneingeschränkt für die Vorbeugung, Behandlung und Erforschung von Abhängigkeitserkrankungen und anderen Konsumfolgen zur Verfügung stehen.

    Am Aktionstag Suchtberatung beteiligen sich Suchtberatungsstellen in ganz Deutschland mit Veranstaltungen. Sie machen auf aktuelle Problemlagen vor Ort aufmerksam und informieren unter dem diesjährigen thematischen Schwerpunkt „Suchtberatung stärken – Gesundheit schützen“ über ihre vielfältigen Angebote und ihren gesellschaftlichen Stellenwert.

    Zweckgebundene Abgabe auf legale Suchtmittel zugunsten von Prävention, Behandlung und Erforschung von Suchterkrankungen

    Zahlreichen Suchtberatungsstellen in Deutschland fällt es zunehmend schwerer, ihre Angebote, die auch der Vorbeugung dienen, aufrechtzuerhalten. „Kern des Problems ist, dass die kommunal finanzierte Suchtberatung keine verbindliche und gesetzlich gesicherte Leistung ist. Daher brauchen wir die zweckgebundene Abgabe auf legale Suchtmittel wie Alkohol und Tabak. Das Aufkommen der Verbrauchsteuern – die von den Konsumierenden entrichtet werden – ist nicht geeignet, um für die gesellschaftlichen Folgekosten aufzukommen. Beispiel Alkohol: Hier stehen Einnahmen von rund 3 Milliarden Euro Verbrauchsteuern für alkoholische Getränke volkswirtschaftliche Folgekosten in Höhe von 57 Milliarden gegenüber. Diese Schieflage dürfen wir nicht länger hinnehmen. Die wirtschaftlichen Profiteure müssen in die Pflicht genommen werden!“, sagt Dr. Peter Raiser, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen.

    Im internationalen Vergleich sind die Steuern für Alkohol- und Nikotinprodukte in Deutschland besonders niedrig. Insbesondere Alkoholprodukte sind in den vergangenen Jahren preiswerter geworden. Zur Stärkung der Prävention hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) angemahnt, die Preise für Alkohol anzuheben.

    Christina Rummel, DHS Geschäftsführerin und Autorin des DHS Berichts zur Finanzierung der Suchtberatungsstellen in Deutschland: „Es ist eine Minute vor zwölf! Die Politik muss endlich handeln, und zwar kurzfristig. Die zweckgebundene Abgabe auf legale Suchtmittel brauchen wir besonders dringend zur finanziellen Unterstützung von Suchtberatungsstellen. Angesichts leerer Kassen kommt es aktuell zu Einschränkungen bei den Beratungsangeboten. Schließungen von Suchtberatungsstellen sind bereits erfolgt. Weitere Schließungen stehen bevor, wie eine aktuelle Umfrage der DHS zeigt. Das ist dramatisch. Nicht nur für Menschen mit Suchtproblemen, sondern für uns alle. Denn: Suchtberatungsstellen leisten einen wertvollen gesamtgesellschaftlichen Beitrag, unter anderem auch, indem sie die öffentlichen Kassen entlasten. Für jeden eingesetzten Euro spart die Suchtberatung rund 17 Euro an Folgekosten ein.“

    Burkhard Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, ist der Schirmherr des Aktionstags Suchtberatung: „Mindestens 8 Millionen suchtkranke Menschen, hinter dieser Zahl stehen Millionen individuelle Erfahrungen. Diese sind vielfach verknüpft mit Einsamkeit, Armut, Wohnungslosigkeit. Dazu sind es Millionen Angehörige und insbesondere die Kinder, die mitbetroffen sind. Hinzu kommen erhebliche neue Herausforderungen, etwa durch Kokain, Crack, synthetische Opioide und immer riskantere digitale Angebote. Daher müssen wir die Themen Sucht und Drogen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sehen und die Anstrengungen zur Sicherung von Prävention und Suchtberatung verstärken. Wir brauchen dringend einen politischen und gesellschaftlichen Konsens, der Prävention, Suchtberatung und Suchthilfe dauerhaft sicher- und nicht infrage stellt. Unverzichtbar sind neben der Arbeit in den Suchtberatungsstellen auch die niedrigschwelligen Hilfen wie Drogenkonsumräume, Kontakt- und Übernachtungsstellen. Über neue Wege der Finanzierung nachzudenken, ist dringend geboten. Ein Weiter-So geht einfach nicht. Wer jetzt bei Suchtberatung und den niedrigschwelligen Hilfen spart, der spielt ein unverantwortliches Spiel. Oder anders: der riskiert unnötig das Leben vieler Menschen.“

    Weitere Informationen zum Aktionstag Suchtberatung:
    www.aktionstag-suchtberatung.de
    #aktionstagsuchtberatung

    Download des kompletten DHS-Berichts zur Finanzierung der Suchtberatungsstellen in Deutschland auf der Website DHS.

    Pressemitteilung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 12.11.2024

  • Filmstart: THE OUTRUN

    Ronas Heimat sind die entlegenen Orkney-Inseln. Nach einem ausschweifenden Jahrzehnt in London, das geprägt war von Eskapismus und Alkohol, kehrt die junge Frau zurück. Es vermischen sich Kindheitserinnerungen und Erlebnisse aus der letzten, von Sucht geprägten Zeit. In der rauen Schönheit der Landschaft und der Begegnung mit der Natur erfährt Rona die Chance auf einen Neuanfang und auf Selbstermächtigung. Sie kämpft gegen ihr Verlangen nach Alkohol und um innere Freiheit. Der Film beschönigt nicht, verurteilt aber auch nicht – Ronas Geschichte ist ein Plädoyer für das Leben, die Suche nach sich selbst und den Mut, sich den eigenen Dämonen zu stellen.

    Grundlage des Films ist Amy Liptrots Buch „Nachtlichter“ (erschienen 2016), in dem sie ihre eigene Geschichte verarbeitet. In Deutschland wurde „Nachtlichter“ 2017 im btb Verlag veröffentlicht. Bei der Verfilmung führte Nora Fingscheidt Regie, die mit ihrem mehrfach ausgezeichneten Kinofilm SYSTEMSPRENGER (2019) bekannt geworden ist. Die Hauptrolle der Rona wird gespielt von Saoirse Ronan.

    THE OUTRUN feierte seine Weltpremiere auf dem Sundance Film Festival in Utah 2024 und der diesjährigen Berlinale. Am 5. Dezember startet THE OUTRUN bundesweit in den deutschen Kinos!

    Quelle: Deutsches Presseheft zum Filmstart

  • Depressionen fallen nicht vom Himmel

    Hirzel Verlag, Stuttgart 2024, 207 Seiten, 22,00 €, ISBN 978-3-7776-3027-4

    Depressionen erkennen und wirksam gegenarbeiten – Impulse zur Selbsthilfe: Eine Phase der Niedergeschlagenheit, ein paar schlechte Tage oder ein seelisches Tief sind keine psychischen Erkrankungen. Was aber, wenn die Phase sich zum neuen Normalzustand wandelt, wenn einfachste Handlungen plötzlich zu viel werden? Ärztin und Psychotherapeutin Dr. Barbara Günther-Haug zeigt anhand einer Reihe fiktiver Patient:innen-Gespräche typische Fallbeispiele einer Depression. Sie zeigt Wege auf, um Depressionen zu überwinden und die negative Gedankenspirale zu durchbrechen.

    Einblicke in eine komplexe Krankheit: Depressionen verstehen und behandeln: Stress bei der Arbeit, Todesfälle im Familienkreis oder unglückliche Liebe – diese und sieben weitere Auslöser dienen im Buch als illustrierende Fallbeispiele. Sie stehen stellvertretend für die vielen Risikofaktoren, die Depressionen auslösen können. Dr. Günther-Haug teilt ihre Erfahrungen aus der Praxis und gibt Tipps, wie Ängste und psychische Krisen nicht die Oberhand gewinnen. Ein wertvolles Buch über Depressionen für Betroffene und Angehörige, die auf der Suche nach praxisnahen Informationen zu Symptomatik und Behandlung sind!

  • Neue BZgA-Daten zum Alkoholkonsum 12- bis 25-Jähriger

    Der regelmäßige Alkoholkonsum unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist im Jahr 2023 zwar deutlich geringer als noch vor 20 Jahren, stagniert aber seit einigen Jahren auf einem ähnlichen Niveau. Das zeigen die aktuellen Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aus der Studie „Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2023“. Besonders besorgniserregend ist, dass das sogenannte Rauschtrinken – nach einem vorübergehenden Rückgang während der Corona-Pandemie – wieder deutlich zugenommen hat und inzwischen das Vor-Corona-Niveau erreicht. Gemeinsam mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen warnt die BZgA vor den gesundheitlichen Folgen des Alkoholkonsums.

    Die aktuellen Daten aus 2023 im Überblick

    • 65,1 Prozent der männlichen und 60,8 Prozent der weiblichen 12- bis 17-Jährigen haben schon einmal im Leben Alkohol getrunken. Damit liegen die Daten des Jahres 2023 nur wenig unter denen von 2016 (männlich: 65,6 Prozent; weiblich: 63,4 Prozent).
    • Von den 18- bis 25-Jährigen haben über 90 Prozent schon einmal im Leben Alkohol konsumiert. Diese Zahl ist seit 2001 nahezu unverändert.
    • Aktuell trinken 6,9 Prozent der weiblichen und 12,4 der männlichen 12- bis 17-Jährigen regelmäßig, also mindestens einmal wöchentlich, Alkohol. Im Vergleich zu 2004 haben sich die Werte hier mehr als halbiert.
    • Von den 18- bis 25-jährigen Frauen trinken 18,2 Prozent regelmäßig, von den 18- bis 25-jährigen Männern 38,8 Prozent. Diese Werte erreichen zwar den niedrigsten Stand seit Beginn der Beobachtung, gehen aber seit etwa 2016 nur noch leicht zurück.
    • Das Rauschtrinken (30-Tage-Prävalenz) ging in den Jahren 2019 und 2021 in beiden Altersgruppen deutlich zurück, was vermutlich auf die eingeschränkten Möglichkeiten des Alkoholkonsums während der Corona-Pandemie zurückzuführen ist. Im Jahr 2023 stiegen die Zahlen wieder auf das Vor-Corona-Niveau – mit 17,1 Prozent bei den männlichen Jugendlichen und 13,1 Prozent bei den weiblichen Jugendlichen sowie 46,2 Prozent bei den jungen Männern und 32,0 Prozent bei den jungen Frauen.
    • Das erste Glas Alkohol tranken 12- bis 25-Jährige in der aktuellen Befragung im Schnitt mit 15,1 Jahren, also weiterhin unter der Altersgrenze von 16 Jahren, ab der Jugendliche Bier und Wein kaufen dürfen – und damit ein Jahr später als in der Befragung von 2004.

    Burkhard Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen: „Alkohol gibt es rund um die Uhr und überall. Durch die Werbung propagiert, greifen viele Menschen viel zu selbstverständlich zum Feierabendbier, zum Wein auf der Familienfeier und zum Sekt in der Geburtstagsrunde. Dabei wissen wir: Alkohol ist ein Zellgift. Egal, wie viel und was man trinkt, jeder Schluck ist schädlich, kann Krebs auslösen und regelmäßiger Konsum kann abhängig machen. Am schädlichsten ist Alkohol für Jugendliche. Alkohol gehört deshalb nicht in die Hände von Jugendlichen! Das dürfen nicht mehr nur Schlagworte bleiben – wir müssen auch so handeln. Deshalb müssen wir in einem ersten Schritt endlich Schluss machen mit dem sogenannten begleiteten Trinken ab 14. Alkohol wird nicht gesünder, weil die Eltern daneben sitzen. Darum fordere ich ein striktes Alkoholverbot bis 16. Aber 18 wäre aus medizinischen Gründen die notwendige Grenze.“

    Dr. Johannes Nießen, Errichtungsbeauftragter des Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) und Kommissarischer Leiter der BZgA: „Alkoholkonsum schädigt das Gehirn, besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, denn ihr Gehirn befindet sich noch in der Entwicklung und reagiert deshalb empfindlicher auf das Zellgift Alkohol. Insbesondere Rauschtrinken kann zu dauerhaften Schäden führen. Je früher Jugendliche Alkohol trinken, desto größer sind die gesundheitlichen Risiken und die Wahrscheinlichkeit, dass sie dieses Verhalten ins Erwachsenenalter mitnehmen. Die BZgA klärt Jugendliche über die Gefahren auf und gibt ihnen konkrete Tipps zum Umgang mit Alkohol. Gleichzeitig richtet sie sich direkt an Eltern, denn sie sind wichtige Vorbilder.“

    BZgA-Studie „Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2023“

    Die BZgA untersucht mit wiederholt durchgeführten Repräsentativbefragungen den Substanzkonsum sowie die Computerspiel- und Internetnutzung Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland. Für die Drogenaffinitätsstudie 2023 wurden 7.001 junge Menschen im Alter von 12 bis 25 Jahren im Zeitraum April bis Juni 2023 befragt.

    Ein Infoblatt mit ausgewählten Ergebnissen der Drogenaffinitätsstudie zum Alkoholkonsum der 12- bis 25-Jährigen in Deutschland steht zum Download unter: www.bzga.de/presse/daten-und-fakten/suchtpraevention

    Gemeinsame Pressemitteilung der BZgA und des Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, 4.11.2024

  • COA-Aktionswoche 2025

    Die nächste Aktionswoche für Kinder aus suchtbelasteten Familien findet vom 16. bis 22. Februar 2025 statt. NACOA Deutschland ruft zum Mitmachen auf:

    Jedes fünfte bis sechste Kind in Deutschland wächst mit einem suchtkranken Elternteil auf. Das sind insgesamt drei Millionen Kinder und Jugendliche. Viele von ihnen erleben Vernachlässigung und Gewalt, leiden oft ein Leben lang unter diesen Erfahrungen. Doch nur selten können sie ihre Stimme erheben. In den betroffenen Familien herrscht ein Schweigegebot, das den Kranken und die Familie vor Stigmatisierung und Ausgrenzung schützen soll. Mit der COA-Aktionswoche 2025 wollen wir den vergessenen Kindern eine laute Stimme geben. Denn diesmal drehen wir auf! #ICHWERDELAUT – das ist in diesem Jahr unser Hashtag.

    Wir wollen gehört werden!

    Diesmal besonders von den betroffenen Kindern und Jugendlichen. Wir wollen sie erreichen über TikTok und andere Medien, die sie nutzen. Und mit Aktionen an möglichst vielen Orten. Wir wollen Ihnen Mut machen, das Schweigegebot zu brechen. Denn sie sind nicht schuld an der Sucht der Eltern. Aber sie leiden unter ihren Folgen. Es hilft, darüber zu reden. Mit Vertrauenspersonen und Fachleuten vor Ort oder online, etwa unter www.hilfenimnetz.de oder mittels anderer professioneller Angebote. Hilfe suchen ist kein Verrat. Es ist der erste, der wichtige Schritt aus dem Schatten der elterlichen Sucht.

    Wir wollen gehört werden in der Politik!

    Dort geht es viel um Wirtschaftskrisen, Kriege und den Umgang mit Populisten. Doch die täglichen Krisen, die Kinder suchtkranker Eltern zu Hause bewältigen müssen, die ständige Gefahr für Leib und Leben und die daraus resultierenden Schäden für die Gesellschaft sind kein Thema. Ausnahme: Ein fraktionsübergreifender Antrag, der im Sommer 2024 eingebracht wurde. Darin stellen Fachpolitiker:innen der Regierungskoalition und der Unionsfraktion konkrete Verbesserungen für Kinder psychisch kranker und suchtkranker Eltern in Aussicht. Ein großer Erfolg, an dem auch NACOA Deutschland mitwirken konnte. Aber: Die Umsetzung aller Maßnahmen steht unter Finanzierungsvorbehalt. Doch die Gesundheit von Kindern darf nicht zum Spielball der Haushaltspolitik werden. Eine Regelfinanzierung von Prävention und Gesundheitsförderung bleibt unverzichtbar. Das gilt für den Bund, aber auch für Länder und Kommunen, die endlich ein flächendeckendes Netz der Hilfe knüpfen müssen.

    Wir wollen gehört werden in den Medien!

    Wir wollen sie für das Thema und die betroffenen Menschen sensibilisieren. Wir brauchen Berichte über das Aufwachsen in suchtbelasteten Familien, gerade auch von erwachsenen Kindern, auf möglichst vielen Kanälen. Macht wieder mit bei unserer Social-Media-Kampagne, teilt Bilder, Videos, Plakate und Texte zum Thema. Werdet laut! Alle sind aufgefordert, zuzuhören und Hilfe anzubieten. Das gilt besonders für pädagogische Fachkräfte in Kitas, Schulen und Freizeiteinrichtungen.

    Die bundesweite Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien soll unsere Forderungen erneut mit zahlreichen Aktionen unterstreichen. Wir haben uns in den vergangenen Jahren sehr über Eure Kreativität und die Vielfalt der Veranstaltungen gefreut. Wir sind gespannt auf Eure Aktionen zur COA-Aktionswoche 2025. Alle Einrichtungen, Initiativen, Projekte aus Jugend- und Suchthilfe bzw. der Sucht-Selbsthilfe und ihre Verbände sind eingeladen mitzumachen. Tragt Eure Veranstaltung ein auf www.coa-aktionswoche.de. Auf dieser zentralen Website der Aktionswoche findet Ihr die Aktionen aus den vergangenen Jahren, aktuelle Pressemitteilungen zum Thema sowie Vorlagen für Social-Media-Aktionen, Plakate und Informationsmaterial zum Bestellen und Herunterladen.

    Die Aktionswoche für Kinder aus suchtbelasteten Familien wird im Rahmen der Selbsthilfeförderung nach § 20h Sozialgesetzbuch V finanziert durch die KKH und die GKV.

    Mitteilung von NACOA Deutschland e. V., 30.10.2024

  • Chronische Depressionen

    Misshandlungen in der Kindheit sind ein Hauptrisikofaktor für viele psychische und körperliche Erkrankungen. Trotz ihrer Relevanz werden diese Erfahrungen in der Medizin bislang nicht systematisch erfasst – nicht einmal im Vorfeld psychotherapeutischer Behandlungen. In der Regel treten verschiedene Formen von Kindesmisshandlungen in Kombination auf, wobei diese Komplexität in Studien oft vernachlässigt wird. Forschende der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des LMU Klinikums haben jetzt zusammen mit einer Forschergruppe des Universitätsklinikums Freiburg eine neue Form der Analyse dieser komplexen Belastungsmuster entwickelt, mit deren Hilfe das Ansprechen auf ein spezifisches Therapieverfahren vorhersagt werden kann. Bei dem Therapieverfahren handelt es sich um das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) für Menschen mit chronischen Depressionen.

    „Menschen mit chronischer Depression und Beginn vor dem 21. Lebensjahr, die in ihrer Kindheit bestimmte Muster von Missbrauch erleben mussten, profitieren besonders von CBASP im Vergleich zu einer nicht-spezifischen Psychotherapie“, sagt Prof. Dr. Frank Padberg, einer der Hauptautoren der Studie. Damit sind Grundlagen gelegt für eine personalisierte Therapie der Betroffenen. Weitere Hauptautoren der neuen Studie sind unter anderem Prof. Dr. phil. Elisabeth Schramm und M.Sc. Moritz Elsaeßer von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg. Die Ergebnisse wurden in „The Lancet Psychiatry“ veröffentlicht. Begleitend zur Studie ist ein Gespräch mit den Autoren im offiziellen Podcast des Journals erschienen.

    Allein in Deutschland sind fünf bis sechs Millionen Menschen an einer Depression erkrankt. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen bleibt die Erkrankung über Jahre oder Jahrzehnte bestehen. CBASP wurde von dem US-amerikanischen Psychologen James P. McCullough speziell für Patienten mit chronischer Depression entwickelt und von Prof. Dr. Elisabeth Schramm seit 2007 in Deutschland eingeführt. „CBASP ist mittlerweile eine wertvolle Behandlungsoption“, erklärt Prof. Dr. Stephan Goerigk, einer der Erstautoren der neuen Studie. Viele Menschen mit chronischen Depressionen haben in ihrer Kindheit Misshandlungserfahrungen gemacht. Da CBASP speziell die frühen Beziehungserfahrungen im therapeutischen Kontext adressiert, bestand seit langem die Hypothese, dass diese Therapieform Menschen mit Misshandlungserfahrungen besonders helfen könnte.

    Fünf Dimensionen von Misshandlungserfahrungen in der Kindheit

    Erfahrungen von Kindesmisshandlung umfassen ein großes Spektrum negativer zwischenmenschlicher Erfahrungen bis hin zu schwersten traumatisierenden Erlebnissen. Hierbei werden oft fünf Dimensionen unterschieden: emotionale Vernachlässigung, emotionaler Missbrauch, körperliche Vernachlässigung, körperlicher Missbrauch und sexueller Missbrauch. Hinzu kommt: Im Alltag treten diese Dimensionen in verschiedenen Kombinationen auf. Zum Beispiel kann ein emotional vernachlässigtes Kind gleichzeitig auch emotionalen und körperlichen Missbrauch erleben. Die Komplexität des Zusammentreffens verschiedener Erfahrungen wird in den üblichen Analysen nicht berücksichtigt und klinisch praktisch nicht erfasst. Die Frage: Lässt die Art und die Kombination der fünf Belastungsdimensionen Rückschlüsse darauf zu, welche Patienten besonders von einer spezifischen Psychotherapie profitieren?

    Neuer Ansatz basiert auf Clusteranalyse

    Auf der Suche nach Antworten nahmen die Münchner Forschenden Kontakt zu Prof. Dr. Elisabeth Schramm auf, die 2017 eine wegweisende Therapie-Studie zu CBASP veröffentlicht hatte. In diese Studie wurden chronisch depressive Patienten mit einem Krankheitsbeginn vor dem 21. Lebensjahr eingeschlossen. Mit 75 Prozent wiesen die meisten von ihnen Erfahrungen von Kindheitsmisshandlung auf, und die Studienteilnehmer hatten vor Behandlungsbeginn einen standardisierten Fragenbogen (Childhood Trauma Questionnaire) beantwortet, mit dem Art und Schweregrad der Misshandlung in der Kindheit erfasst werden können. Die Autoren haben nun einen neuen, auf einer sogenannten Clusteranalyse basierten Ansatz entwickelt, mit dem sich die erinnerten biografischen Erfahrungen auch in Kombination auswerten lassen.

    „Wir haben bei Menschen mit chronischer Depression sieben Belastungskonstellationen gefunden, die sich in Stärke und Muster der fünf Dimensionen von Misshandlungserfahrungen deutlich unterscheiden und mit denen sich der spätere Therapieerfolg vorhersagen lässt“, sagt Stephan Goerigk. Je komplexer die Dimensionen kombiniert sind und je schwerer die Patienten belastet sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie eher von CBASP als von einer unspezifischen Psychotherapie profitieren. Diese Ergebnisse waren selbst über einen Zeitraum von zwei Jahren nach Therapieende robust.

    Bedeutung für die klinische Praxis

    Für die klinische Praxis könnte der neue Analyseansatz sehr hilfreich sein, so Frank Padberg: „Eine einfach anwendbare Erhebung von Misshandlungserfahrungen in der Kindheit bietet die Grundlage für eine individuelle Therapieentscheidung, die die Aussicht auf ein Therapieansprechen bei Menschen mit chronischen Depressionen verbessert.“ Es ergeben sich hieraus zudem weitere Fragen, denen die Münchner und Freiburger Forschenden weiter nachgehen, unter anderem, ob dieser Ansatz auch für andere Psychotherapieformen relevant ist und welche Informationen zu Belastungsmustern am aussagekräftigsten sind.

    In den aktuellen Leitlinien zur Therapie der Depression werden Empfehlungen für unterschiedliche Psychotherapieformen wenig differenziert behandelt. Die neue Studie wäre jedoch ein Indiz für eine spezifische Wirksamkeit von CBASP bei Patienten mit Erfahrungen von Kindesmisshandlung. Die Kosten für CBASP übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen und die Therapie kann ambulant, tagesklinisch oder stationär erfolgen.

    Die Psychiatrische Klinik des LMU Klinikums sowie die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg haben bereits vor über zehn Jahren stationäre CBASP-Programme für Menschen mit chronischer Depression etabliert. „Denn der Versorgungsbedarf“, so Frank Padberg, „ist erheblich, und es gibt bisher noch zu wenige in CBASP-qualifizierte Therapeuten.“

    Originalpublikation:
    Childhood Trauma Questionnaire-based child maltreatment profiles to predict efficacy of the Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy versus non-specific psychotherapy in adults with early-onset chronic depression: cluster analysis of data from a randomised controlled trial
    Goerigk S, Elsaesser M, Reinhard MA, Kriston L, Härter M, Hautzinger M, Klein JP, McCullough JP Jr, Schramm E, Padberg F.
    Lancet Psychiatry, 2024 Sep;11(9):709-719
    DOI: https://doi.org/10.1016/S2215-0366(24)00209-8

    Pressestelle des Klinikums der Universität München, 29.8.2024

  • Hohe Nikotindosen in tabakfreien Nikotinbeuteln

    Tabakrauchen ist nach wie vor die führende vermeidbare Todesursache weltweit. Allein in Deutschland sterben jährlich etwa 127.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Die Hauptursache für die Suchterkrankung Tabakabhängigkeit ist dabei der Substanz Nikotin zuzuschreiben. Neuere Konsumformen von Nikotin wie E-Zigaretten, Tabakerhitzer oder tabakfreie Nikotinbeutel (Pouches) überschwemmen zusätzlich den Markt. Forschende des LMU Klinikums München haben in Kooperation mit dem Bundesamt für Risikobewertung (BfR) aktuell diese neuen Produkte hinsichtlich ihrer Nikotinabgabe, ihres Suchtpotenzials und den Auswirkungen auf den Organismus untersucht.

    Nachdem viele Jahre die Raucherquoten in Deutschland kontinuierlich gesunken sind, steigen sie aktuell wieder. Neben den klassischen Zigaretten werden viele neue nikotinhaltige Produkte wie E-Zigaretten, Tabakerhitzer und tabakfreie Nikotinbeutel, sogenannte Pouches, angeboten. Letztere sind als tabakfreie, mit Nikotin getränkte Pflanzenfaserbeutel – trotz ihres Verbotes in Deutschland – beim Konsumenten angekommen und sind aufgrund ihrer Applikation (unter der Lippe) unauffällig und überall einsetzbar. Beworben durch soziale Medien finden sie vor allem bei Jugendlichen große Verbreitung.

    Ein Forscherteam des LMU Klinikums unter Leitung von Privat-Dozent Dr. Tobias Rüther und Dr. Andrea Rabenstein hat in Zusammenarbeit mit Nadja Mallock und Elke Pieper vom Bundesamt für Risikobewertung (BfR) aktuell eine Studie zu den Auswirkungen von tabakfreien Nikotinbeuteln veröffentlicht: Die Untersuchung zeigt, dass diese neuen, für den oralen Konsum gedachten Produkte hohe Nikotinmengen abgeben können – bei einigen untersuchten Produkten sogar höhere Dosen als bei Tabakzigaretten. In vielen europäischen Ländern sind diese Nikotinbeutel bereits legal erhältlich und auch in Deutschland, vor allem bei Jugendlichen, weit verbreitet.

    Studienablauf

    In einer einarmigen, fünfteiligen Cross-Over-Studie mit 15 regelmäßigen Zigarettenrauchern wurden tabakfreie Nikotinbeutel verschiedener Marken mit deklarierten Nikotingehalten von 6, 20 und 30 Milligramm für jeweils 20 Minuten getestet. Vergleichsprodukte waren nikotinfreie Beutel und Tabakzigaretten. Über einen Zeitraum von 240 Minuten wurden zu festgelegten Zeitpunkten die Plasmanikotinkonzentrationen, die Auswirkungen auf das Verlangen nach Zigaretten und Nebenwirkungen bewertet. Zusätzlich wurden kardiovaskuläre Parameter, einschließlich der arteriellen Gefäßsteifigkeit, gemessen.

    Teils höhere Nikotinaufnahme bei tabakfreien Nikotinbeuteln als bei einer Zigarette

    Die Ergebnisse zeigen, dass der Konsum von 30 Milligramm-Nikotinbeuteln zu einer höheren Nikotinaufnahme im Vergleich zur Zigarette führte (Cmax: 29,4 vs. 15,2 ng/mL; AUC: 45,7 vs. 22,1 ng/mL × h). Die Nikotinaufnahme in der akuten Phase erfolgte sowohl bei der Verwendung des 30 Milligramm-Beutels als auch bei der Zigarette sehr schnell. Die Extraktionsrate des Nikotins variierte zwischen den Beuteln. Alle getesteten Produkte reduzierten das akute Verlangen nach Zigaretten, sogar die nikotinfreien Beutel. Während des Konsums der Zigarette und der Beutel mit 20 und 30 Milligramm Nikotin stieg die Herzfrequenz um etwa 27 bzw. 25 Schläge pro Minute an. Auch die Parameter für die arterielle Gefäßsteifigkeit waren erhöht, und alle Beutel führten zu Mundreizungen.

    „Wir waren überrascht, dass der Konsum einiger Produkte sogar zu einer höheren Nikotinaufnahme im Vergleich zur Zigarette führte“, betont PD Dr. Rüther, Leiter der Tabakambulanz am LMU Klinikum München. Insgesamt zeigen fast alle untersuchten Produkte eine der Zigarette sehr ähnliche Nikotinanflutung und -abgabe. Von einem hohem Suchtpotenzial der untersuchten Nikotinbeutel muss deshalb ausgegangen werden.

    „Wenn man bedenkt, dass wir aus unseren Nachbarländern wie z. B. Österreich hören, dass die dort legal erhältlichen Nikotinbeutel bereits massiv in den Schulen angekommen sind, kann das ein ernsthaftes Problem werden“, befürchtet Suchtforscherin Dr. Andrea Rabenstein von der Tabakambulanz am LMU Klinikum München. „Neben der Entwicklung einer Abhängigkeit von Nikotin ist natürlich dadurch der Einstieg in das Konsumieren weiterer Nikotinprodukte oder Tabakzigaretten stark zu befürchten“, fügt Dr. Rabenstein hinzu.

    Originalpublikation:
    Small pouches, but high nicotine doses – nicotine delivery and acute effects after use of tobacco-free nicotine pouches. Mallock-Ohnesorg Nadja, Rabenstein Andrea, Stoll Yvonne, Gertzen Marcus, Rieder Benedikt, Malke Sebastian, Burgmann Nestor, Laux Peter, Pieper Elke, Schulz Thomas, Franzen Klaas, Luch Andreas, Rüther Tobias; Frontiers in Pharmacology, Mai 2024. DOI=10.3389/fphar.2024.1392027

    Pressestelle des Klinikums der Universität München, 28.05.2024

  • Drogenpraxis – Drogenpolitik – Drogenrecht

    Fachhochschulverlag, Idstein, 6., vollständig überarbeitete Auflage 2024, 1.032 Seiten, 52,00 €, ISBN 978-3-8248-1334-6

    Vor 20 Jahren erschien die 5. Auflage des Buches „Drogenpraxis – Drogenrecht – Drogenpolitik“, herausgegeben von Lorenz Böllinger und Heino Stöver. Es ist zu einem Standardwerk der Drogenhilfe geworden.

    Das Buch wurde mit der Unterstützung von 69 fachkundigen Autor:innen neu bearbeitet. Entgegen den ursprünglichen Auflagen behandelt es nicht mehr ausschließlich illegalisierte Drogen, sondern auch Alkohol- und Tabakkonsum und nicht substanzbezogene Abhängigkeitsformen. Das Handbuch bietet einen grundlegenden Überblick über die verschiedenen Themenfelder des Suchtkrankenhilfesystems, gesundheitsfördernde und behandelnde Angebote für Konsumierende verschiedener Altersgruppen, Geschlechter und kultureller Hintergründe sowie zu Drogenpolitik und Drogenrecht.

  • Raus aus der Internetsucht

    Als die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des LWL-Universitätsklinikums Bochum im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) vor fünf Jahren mit ihrem Forschungsprojekt „OMPRIS – Onlinebasiertes Motivationsprogramm zur Förderung der Veränderungsmotivation bei Menschen mit Computerspielabhängigkeit und Internetsucht“ startete, war primäres Ziel, Menschen mit einer Internetsucht ein schnell zugängliches und damit niedrigschwelliges Therapieangebot zu machen – digital vor dem Bildschirm. Spezialisiert auf telemedizinische Online-Beratungsprogramme konnte die LWL-Klinik in den Folgejahren unter Forschungsleitung von Dr. Jan Dieris-Hirche, Oberarzt und Leiter der LWL-Medienambulanz, ein neues Webcam-basiertes Angebot entwickeln und erfolgreich erproben.

    Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat jetzt die Empfehlung ausgesprochen, dieses Bochumer Angebot für die Regelversorgung vorzubereiten. Der Ausschuss ist ein Organ der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen mit Mitgliedern u. a. aus Ärzteschaft, Krankenkassen und Krankenhäusern. Eine Aufgabe des GBA ist es zu entscheiden, welche Leistungen von der Gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt werden.

    Geplant ist, OMPRIS künftig als LWL-Interventionsangebot umzusetzen und zu verstetigen. Ende 2025 soll es an den Start gehen. Über die Fortsetzung von OMPRIS und eine Umsetzung beim LWL zeigt sich vor allem Jan Dieris-Hirche erfreut: „Wir wollen damit künftig sicherstellen, dass Menschen mit einem problematischen Internetgebrauch schnell und wohnortnah eine geeignete Therapie erhalten, damit sie nicht noch weiter in die Anonymität und Isolation des Internets verschwinden.“ Gerade in den zurückliegenden Jahren hat die Internet- und Computerspielsucht vor allem bei jungen Menschen stark zugenommen. Seit 2018 ist sie seitens der WHO auch international als Krankheit („Online Gaming Disorder“), die mit psychischen Begleiterkrankungen und psychosozialen Belastungen einhergeht, anerkannt. Mit OMPRIS soll einer chronischen Suchtentwicklung entgegengewirkt werden. Neben der Behandlung hat OMPRIS vor allem das Potenzial der Früherkennung und Prävention. „Hilfe durch Selbsthilfe“, so Dieris-Hirche. „Mit dem Programm können wir die Betroffenen durch Beraterinnen und Berater frühzeitig motivieren, ihr Verhalten zu verändern, und Suchtsymptome reduzieren.“

    Am Forschungsprojekt waren sieben deutsche Projektpartner beteiligt gewesen, die ein Beratungsprogramm mit verschiedenen psychologischen und medienpädagogischen Elementen konzipiert, angewendet und evaluiert hatten. Finanziert wurde das Projekt durch Mittel des Innovationsfonds Deutschland.

    Die Ergebnisse von OMPRIS sind online abrufbar.

    Konsortialpartner: Psychosomatische Klinik Kloster Dießen, Technische Universität München, Klinikum rechts der Isar, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Ambulanz für Spielsucht/Kompetenzzentrum, Universität Duisburg-Essen, Medizinmanagement, ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH

    Pressestelle des LWL-Universitätsklinikums Bochum, 11.10.2024