Autor: Simone Schwarzer

  • EMDR

    Hogrefe Verlag, Göttingen 2024, VI/86 Seiten, 19,95 €, ISBN 9783801731731

    Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) stellt eines der effektivsten Psychotherapieverfahren dar, um Traumafolgestörungen zu behandeln. Zahlreiche internationale Behandlungsleitlinien empfehlen EMDR zur Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Der Band beschreibt praxisorientiert die acht Phasen der EMDR-Therapie und veranschaulicht das Vorgehen anhand von Fallbeispielen. Dabei wird auch auf die Unterschiede in der Behandlungsplanung von PTBS und Komplexer PTBS eingegangen.

    Die EMDR-Therapie greift Elemente der Verhaltenstherapie, der psychodynamischen und der kognitiven Therapie auf und ergänzt sie mit bilateraler Stimulation mittels Augenbewegungen. Das Vorgehen wird meist als angenehm und zielführend wahrgenommen. Dadurch kommt es zu wenigen Therapieabbrüchen und Motivationsproblemen.

    Fokus der EMDR-Therapie sind pathogene Erinnerungen an ein belastendes Ereignis, die als Ausgangspunkt dysfunktionaler Verarbeitungs- und Copingstrategien gesehen werden. Diese Erinnerungen werden gesucht und mithilfe freier Assoziation bearbeitet. Die Verarbeitung der Erinnerungen geschieht mit unterschiedlichen Modalitäten – gedanklich, emotional, körperlich und sensumotorisch. Die aktuelle Belastung durch die pathogenen Erinnerungen soll so reduziert oder beseitigt werden. Um Suggestionen im Verarbeitungsprozess der Patientinnen und Patienten zu minimieren, wird ein bis ins Detail operationalisiertes therapeutisches Vorgehen genutzt, das in diesem Band ausführlich beschrieben wird.

  • Chronologie der jüngeren Entwicklung in der Cannabisregulierung

    Prof. Dr. Heino Stöver ©Bieber Frankfurt UAS
    Dr. Ingo Ilja Michels

    Überfällig: Zum verabschiedeten Cannabisgesetz (CanG)

    Im Koalitionsvertrag von 2021 verabredete die gegenwärtige Regierungskoalition, die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in lizenzierten Fachgeschäften einzuführen. Im Verlauf der Umsetzung dieser Vereinbarung entstand eine heftige Auseinandersetzung über das Warum und Wie. Der Kern dieses Konflikts war, dass mit Cannabis zum ersten Mal eine Substanz aus dem Verbot im Betäubungsmittelgesetz herausgelöst und als Freizeitdroge legalisiert wird. Zwar gibt es Cannabis bereits seit 2017 als verschreibungspflichtiges und erstattungsfähiges Therapeutikum (ebenso wie Diacetylmorphin, d. h. Heroin, seit 2010), aber eben nicht als Droge zum Genuss, sondern als Medikament gegen Schmerzen und andere Störungsbilder.

    Dieser Paradigmenwechsel hat vielfache Ängste und Befürchtungen in Fachkreisen und in der Allgemeinbevölkerung ausgelöst: Die Zahl der Cannabiskonsumierenden könne insgesamt steigen, v. a. unter Jugendlichen, ebenso die Zahl der Beratungs- und Behandlungssuchenden, die Wirkung der Droge werde verharmlost etc. Das Bundesgesundheitsministerium hat viele dieser Ängste im Sommer 2022 aufgegriffen und in Fachdebatten versucht, Antworten zu finden – nur die Allgemeinbevölkerung ließ man in einem Gewirr von Behauptungen, Zahlen und Argumenten allein und desorientiert zurück.

    Angesichts europarechtlicher Bedenken gegenüber der ursprünglich intendierten legalen Abgabe von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ist nun ein Zwei-Säulen-Modell entstanden. Die Koalitionsfraktionen haben sich Ende November 2023 auf eine abschließende Fassung des Gesetzes über die Legalisierung von Cannabis verständigt. Das Gesetz ist am 01.04.2024 in Kraft getreten.

    Der ursprüngliche Plan, Cannabis auch in lizenzierten Fachgeschäften zum Verkauf anzubieten (Säule 2), wird zunächst nicht umgesetzt. Zum 01.07.2024 können Anbauvereinigungen gegründet werden (Säule 1). Zum Schutz von Konsument:innen soll die Qualität von Cannabis kontrolliert und die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert werden. Der Besitz von bis zu 50 Gramm aus dem privaten Eigenanbau durch Erwachsene sowie der gemeinschaftliche, nichtgewerbliche Eigenanbau in Anbauvereinigungen („Cannabis Social Clubs“) soll erlaubt sein. Die Strafbarkeit soll im privaten Raum erst ab 60 Gramm greifen. Im öffentlichen Raum, wo Erwachsene bis zu 25 Gramm Cannabis bei sich haben dürfen, beginnt die Strafbarkeit bei 30 Gramm. Zwischen 50 und 60 Gramm im privaten Raum und 25 und 30 Gramm im öffentlichen Raum gilt der Besitz von Cannabis als Ordnungswidrigkeit.

    In Fachkreisen herrscht in großen Teilen Einigkeit darüber, dass die seit Jahrzehnten praktizierte Prohibition mit ihrem strafrechtlichen Kontrollregime nicht nur die eigenen Ziele (Schutz der Volksgesundheit und eine generalpräventive Wirkung) verfehlt hat, sondern dass sich – ganz im Gegenteil – die gesundheitliche und soziale Lage von Menschen, die psychotrope Substanzen (auch Heroin, Kokain/Crack) konsumieren, durch Strafbarkeit und einen unkontrollierten illegalen Markt deutlich verschlechtert hat. Daher ist aus gesundheitspolitischen, kriminalpolitischen, rechtsstaatlichen und nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen der o.g. Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik dringend geboten. Mit der zukünftigen Straffreiheit des Erwerbs und Besitzes von Cannabis für den Eigenbedarf sowie mit der Zulassung von Anbauvereinigungen hat der Gesetzgeber endlich in einem ersten Schritt die Konsequenzen daraus gezogen, dass das Drogenstrafrecht mehr Schaden als Nutzen gebracht hat.

    Dass das jetzt verabschiedete Gesetz weit hinter der ursprünglichen Zielsetzung des Koalitionsvertrages zurückbleibt, ist eine dringende Aufforderung, weiterzudenken und einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen für einen regulierten, staatlich kontrollierten Markt (Säule 2), der unter Gesichtspunkten des Jugend- und Verbraucherschutzes organisiert wird.

    Dieser erste Schritt zur Legalisierung von Cannabis sollte der Startpunkt für eine evidenzbasierte, wissenschaftsorientierte Drogenpolitik sein, die ein 100 Jahre altes
    Opium-/Betäubungsmittelgesetz und dessen Durchsetzung mit den Mitteln des Strafrechts ablöst: „The Times They Are a-Changin“.

    Drogenpolitik im Umbruch 

    Die Drogenpolitik in Bezug auf Cannabis befindet sich weltweit in einem Umbruch. Viele Staaten bewerten die politische Fokussierung auf das polizeilich umzusetzende Drogenverbot als nicht mehr zeitgemäß und vor allem als nicht effektiv und effizient und haben Neuregulierungen geschaffen. Dies hat zu einer Erosion des internationalen Drogenverbots (siehe Barop 2023) mit vielen Sonderregelungen jenseits der drei Suchtstoffübereinkommen der Vereinten Nationen geführt (EMCDDA 2002/2023; FES 2015; akzept 2022).

    Auch in Deutschland bestand eine langjährige Opposition gegenüber Drogenverboten, besonders in Bezug auf Cannabis. Vor dem Hintergrund, dass der Cannabiskonsum in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, forderten die Parteien im Bundestag (bis auf die Fraktionen CDU/CSU und AFD) seit einigen Jahren drogenpolitische Veränderungen in Richtung Entkriminalisierung und sogar Legalisierung. Als schließlich SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen im November 2021 die Regierungsverantwortung übernahmen, beschlossen sie im Koalitionsvertrag eine Legalisierung im Umgang mit Cannabis.

    Der folgende Beitrag, der in voller Gänze als PDF-Datei heruntergeladen werden kann, befasst sich kurz mit den historischen Hintergründen, versteht sich aber vor allem als eine Chronologie der jüngeren Veränderungen im Umgang mit Cannabis und den Menschen, die es konsumieren.

    Kompletter Artikel zum Download

    Anm. d. Redaktion: Die hier vertretenen Auffassungen geben die Meinung der Verfasser wieder und entsprechen nicht unbedingt der Meinung der Redaktion.

  • Weltdrogentag am 26. Juni

    Anlässlich des Weltdrogentags am 26. Juni warnt Dr. Wolfgang Miller, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, vor den massiven gesundheitlichen Folgen des Drogenkonsums. Wörtlich sagt Dr. Miller:

    „Nicht nur seelisches Leid, Depressionen und soziale Isolation, auch körperlicher Verfall, Schlaganfall und Krebs können durch Drogen- und Suchterkrankungen verursacht werden. Auch legale Rauschmittel, Nikotin und Alkohol, fügen Körper und Geist erheblichen Schaden zu. Durch Drogen wird das Leben oft komplett aus der Bahn geworfen. Zum Weltdrogentag appellieren wir daher an alle Bürgerinnen und Bürger: Überlegen Sie, wo Suchtverhalten Ihren Alltag bedroht oder vielleicht schon in die falsche Richtung lenkt. Nehmen Sie Hilfe in Anspruch und sprechen Sie Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt an: Diese können helfen, Auswege aus der Sucht aufzeigen, und auch die richtige Behandlung empfehlen.“

    Zum Weltdrogentag erinnert die Landesärztekammer auch an ihre Forderung an den Gesetzgeber, die Suchtprävention und -hilfe konsequent weiterzuentwickeln. Hierzu zählt unter anderem, dass wirksame Präventions- und Therapieprogramme ausreichend finanziert werden und dass der Zugang zu entsprechenden Programmen im ambulanten Bereich weiter kostenfrei und niedrigschwellig gehalten wird. Ein konsequentes Werbe- und Sponsoringverbot für Alkohol, Nikotin und neuerdings auch Cannabis gerade auch in den digitalen Medien muss konsequent durchgesetzt werden.

    „Betroffene, die gegen Sucht kämpfen, haben es schwer“, hält Kammerpräsident Dr. Miller fest. „Wir sollten alles dafür tun, dass ihnen bestmöglich geholfen wird oder sie gar nicht erst in den Strudel der Abhängigkeit hineingeraten.“

    Über die Landesärztekammer Baden-Württemberg

    Die Landesärztekammer Baden-Württemberg (www.aerztekammer-bw.de) vertritt alle Ärztinnen und Ärzte in Baden-Württemberg. Zu ihren Aufgaben gehören die Fort- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten, die Berufsaufsicht, die Qualitätssicherung sowie die Information von Bürgerinnen und Bürgern über die ärztliche Tätigkeit sowie berufsbezogene Themen.

    Pressestelle der Landesärztekammer Baden-Württemberg, 25.6.2024

  • Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2023

    2023 hat die deutsche Polizei 346.877 Rauschgiftdelikte erfasst. Dies entspricht einer Zunahme von 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Eine Steigerung gab es sowohl bei den Handelsdelikten (+6,0 Prozent) als auch den konsumnahen Delikten (+1,0 Prozent).

    Besonders stark ist der Anstieg bei Kokaindelikten: Diese sind 2023 um 27,4 Prozent gestiegen und liegen somit auf einem neuen Höchststand. Auch die Sicherstellungsmengen bei Kokain werden immer größer. Im Vergleich zu den letzten beiden Jahren hat sich die Sicherstellungsmenge in Deutschland nochmals verdoppelt auf rund 43 Tonnen (2022: rund 20 Tonnen, 2021: rund 23 Tonnen). Die Tätergruppierungen zeigen zunehmende Bereitschaft zur Zahlung hoher Bestechungsgelder oder Anwendung massiver Gewalt sowohl gegen konkurrierende Banden als auch gegen eigene Gruppenmitglieder.

    Cannabis blieb 2023 mit einem Anteil von rund zwei Dritteln an allen Rauschgiftdelikten die Drogenart mit der weitaus höchsten Anzahl an Handels- und konsumnahen Delikten. Es wurden insgesamt ca. 20,9 Tonnen Marihuana und 3,7 Tonnen Haschisch sichergestellt. Neben der Einfuhr aus dem Ausland wurde Cannabis auch illegal in Deutschland angebaut: 2023 wurden insgesamt 450 Cannabis-Plantagen mit Anbaukapazitäten ab 20 Pflanzen sichergestellt, davon 146 Großplantagen (100-999 Pflanzen) und 37 Profiplantagen (ab 1.000 Pflanzen).

    Auch die synthetischen Drogen spielen weiterhin eine bedeutende Rolle. Große Produktionskapazitäten in den Niederlanden gewährleisten eine hohe Verfügbarkeit von Amphetamin und Ecstasy. Dies spiegelt sich auch in den Sicherstellungsmengen wider. 2023 wurden fast 2.000 Kilogramm Amphetamin, mehr als 1,1 Millionen Tabletten Ecstasy sowie über 450 Kilogramm Metamphetamin sichergestellt. Die Anzahl der sichergestellten Rauschgiftlabore in Deutschland ist im Jahr 2023 auf 14 gestiegen (2022: 9). Darunter befanden sich u. a. erstmals ein Neue-Psychoaktive-Stoffe-Labor zur Herstellung von synthetischen Cannabinoiden in nicht geringer Menge sowie zwei Großlabore zur Herstellung von Amphetamin.

    Der Handel von Betäubungsmitteln über das Internet ist mittlerweile fest etabliert. Vom Ende des Jahres 2022 bis Mitte Juni 2023 haben sich sowohl die weltweiten als auch die deutschen Angebotszahlen auf ein Rekordniveau erhöht. Die Abschaltung verschiedener Marktplätze, z. B. durch sogenannte Exit Scams oder durch Maßnahmen der Sicherheitsbehörden, hat allerdings dazu geführt, dass die Anzahl bis Ende 2023 wieder auf ein stabiles Niveau gesunken ist.

    Der Handel von Rauschgift erfolgt zunehmend über Messenger-Dienste. Dabei werden häufig offen zugängliche Chat-Gruppen zum Bewerben von Betäubungsmitteln genutzt. Die tatsächlichen Verkaufsgespräche finden dann zumeist in privaten Chats statt. Zudem hat sich der Handel von Rauschgift auf Social-Media-Plattformen etabliert. Diese Plattformen werden überwiegend von jungen Erwachsenen und Jugendlichen genutzt. Ohne aktiv nach Rauschgift zu suchen, geraten diese Personengruppen frühzeitig und umfassend an professionell präsentierte Rauschgiftangebote. Die Anbahnung der Drogengeschäfte läuft dabei über zahlreiche offene Accounts und wird den Kunden somit sehr leicht gemacht.

    Seit dem Jahr 2017 steigt die Anzahl drogenbedingter Todesfälle stetig an. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 2.227 drogenbedingte Todesfälle polizeilich registriert. Dies entspricht einem Anstieg von rund 11,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2022: 1.990 Fälle). Unter den Drogentoten waren 1.844 Männer (82,8 Prozent) und 383 Frauen (17,2 Prozent). Das Durchschnittsalter lag bei 41 Jahren.

    Immer häufiger greifen Konsumentinnen und Konsumenten auf mehrere Substanzen gleichzeitig zurück, entsprechend ist die Anzahl an Mischintoxikationen gestiegen. So sind im vergangenen Jahr 1.479 Personen an den Folgen eines Mischkonsums gestorben, 34 Prozent mehr als noch 2022.

    BKA-Vizepräsidentin Martina Link: „Die europäischen Nordseehäfen sind zu den wichtigsten Einfallstoren für die Einfuhr von Rauschgift nach Europa geworden. Die zunehmende Gewalteskalation vor allem in den Niederlanden und Belgien führt uns vor Augen, welch vielfältige Gefahren davon für Staat und Gesellschaft ausgehen.
    Eine effektive Bekämpfung der international organisierten Rauschgiftkriminalität erfordert einen ganzheitlichen Ansatz: Staatliche Institutionen, Strafverfolgungsbehörden und die Privatwirtschaft müssen an einem Strang ziehen. Besonders wichtig ist dabei die Intensivierung der Zusammenarbeit mit den lateinamerikanischen Staaten und die Verbesserung der Hafensicherheit in Europa. Das Bundeskriminalamt unterstützt und initiiert Maßnahmen zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität an allen Punkten der Logistikkette. Dabei kooperiert das BKA mit den Sicherheitsbehörden im nationalen und europäischen Rahmen.“

    Weitere Informationen zur Entwicklung der Rauschgiftkriminalität 2023 finden Sie auf der BKA-Webseite unter: www.bka.de/UebersichtRauschgiftkriminalitaet2023

    Das Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2023 können Sie darüber hinaus unter dem folgenden Link auf der BKA-Webseite abrufen: www.bka.de/BLBRauschgiftkriminalitaet2023

    Pressestelle des Bundeskriminalamtes, 26.6.2024

  • Therapie-Tools Essstörungen bei Jugendlichen

    Beltz Verlag, Weinheim 2023, 245 Seiten mit E-Book inside und Arbeitsmaterial, 45,00 €, ISBN 978-3-621-28965-8

    Junge Menschen beschäftigen sich häufig mit ihrem Körper – allein, in der Peergruppe, in sozialen Medien, was auch belastend sein kann. Daraus können sich Essstörungen entwickeln. Stephan Kalveram und Franziska Chaikowski haben vielfältige Materialien zusammengestellt, mit denen sowohl präventiv als auch durch gezielte Interventionen Kindern und Jugendlichen Unterstützung geboten werden kann. Das Buch gibt neue Anregungen für einen sicheren Umgang mit Essstörungen und ist einsetzbar in Therapie, Beratung, Schule und Familie sowie für Prävention und Intervention. Aus dem Inhalt:

    Anamnese • Diagnostik und Psychoedukation • Gesprächsführung und Motivationsarbeit • Gewicht • Essverhalten und Purging-Verhalten • Körperbild • Selbstwert • Emotion und Kognition • Soziale Integration • Soziale Medien • Angehörigenarbeit • Schule, Hobby und Beruf • Selbstfürsorge für Behandelnde

  • Großindustrie behindert Gesundheitspolitik

    Ein Bericht des WHO-Regionalbüros für Europa zeigt deutlich auf, wie bestimmte mächtige Industrien in ganz Europa und Zentralasien Krankheit und vorzeitiger Sterblichkeit Vorschub leisten, u. a. durch Einmischung in und Beeinflussung von Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von nichtübertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes sowie deren Risikofaktoren wie Tabak- und Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung und Adipositas. In dem Bericht werden die Regierungen dazu aufgerufen, Mechanismen zur Erkennung von Interessenkonflikten und zum Schutz staatlicher Politik vor Einflussnahme durch die Industrie einzuführen.

    Der belgische Vizepremierminister und Minister für Soziales und Volksgesundheit, Frank Vandenbroucke, stellte den Bericht am 12. Juni auf einer eintägigen Veranstaltung in Brüssel vor, die in Verbindung mit dem „Europäischen Forum der WHO zu kommerziellen Determinanten von nichtübertragbaren Krankheiten“ stattfand und vom „Föderalen Öffentlichen Dienst Volksgesundheit, Sicherheit der Nahrungsmittelkette und Umwelt“ ausgerichtet wurde.

    Der neue Bericht (in englischer Sprache) mit dem Titel „Commercial Determinants of Noncommunicable Diseases in the WHO European Region“ (dt. übers. „Kommerzielle Determinanten nichtübertragbarer Krankheiten in der Europäischen Region der WHO“) wirft ein Licht auf die vielfältigen Taktiken, die die Industrie einsetzt, um ihre Gewinne zu maximieren und die öffentliche Gesundheit zu untergraben. Diese Praktiken verstärken die Ungleichheit und die Raten von Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und chronischen Atemwegserkrankungen und stellen ein großes Hindernis für Präventionsmaßnahmen dar. Der Bericht zeigt Maßnahmen auf, die Staat, Wissenschaft und Zivilgesellschaft ergreifen können, um den unverhältnismäßig großen Einfluss der Privatwirtschaft auf die Gesundheitspolitik zu verringern.

    Ungesunde Produkte: die großen Vier

    Vier Produktgruppen – Tabak, stark verarbeitete Lebensmittel, fossile Brennstoffe und Alkohol – sind jährlich für 19 Millionen und damit 34 Prozent aller Todesfälle weltweit verantwortlich. Allein in der Europäischen Region sind diese vier Branchen ganz oder teilweise für 2,7 Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich. In dem Bericht wird erläutert, wie die Konzentration der Macht auf eine kleine Zahl transnationaler Konzerne es diesen ermöglicht hat, erheblichen Einfluss auf das politische und rechtliche Umfeld zu nehmen und im öffentlichen Interesse liegende Rechtsvorschriften zu verhindern, die sich auf ihre Gewinnspannen auswirken könnten.

    „Vier Branchen töten täglich mindestens 7.000 Menschen in unserer Region. Die großen Konzerne blockieren Gesetze, die die Öffentlichkeit vor schädlichen Produkten schützen und die Gesundheitspolitik vor der Einmischung der Industrie bewahren würden“, erklärte Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. „Zu den Taktiken der Industrie gehören die Ausbeutung gefährdeter Menschen durch gezielte Werbestrategien, die Irreführung der Verbraucher und falsche Behauptungen über die Vorteile der Produkte oder deren Umweltfreundlichkeit. Diese Taktiken bedrohen die gesundheitlichen Errungenschaften des vergangenen Jahrhunderts und hindern die Länder daran, ihre Gesundheitsziele zu erreichen. WHO-Europa wird zusammen mit den politischen Entscheidungsträgern darauf hinarbeiten, die Taktiken zum Schutz vor und zur Verringerung des schädlichen Einflusses der Industrie wirksamer zu machen. Heute liefern wir unbestreitbare Beweise für schädliche Handelspraktiken und Produkte und sagen: Der Mensch muss immer Vorrang vor dem Profit haben.“

    Taktiken der Industrie

    Der Bericht zeigt deutlich, wie kommerzielle Akteure in verschiedenen Branchen, darunter fossile Energien, Tabak, Alkohol, Lebensmittel und Fleisch, nahezu identische Praktiken anwenden, um das strukturelle, politische und informationelle Umfeld zu beeinflussen. Ihre Hauptziele bestehen darin, Gewinne zu erwirtschaften, den Absatz ihrer Produkte zu maximieren und den Konsum anzukurbeln. Die Pharma- und Medizinprodukteindustrie beeinflusst auf ihre Weise ebenfalls die staatliche Politik zugunsten ihrer Produkte und Gewinne. Die Großindustrie wendet beträchtliche Mittel auf, um sich einer Regulierung im öffentlichen Interesse zu widersetzen, wissenschaftliche Erkenntnisse und die öffentliche Debatte zu beeinflussen und die Kosten für die von ihr verursachten Schäden auf die Menschen und ihre Umwelt abzuwälzen, wodurch die Belastung durch nichtübertragbare Krankheiten noch verstärkt wird.

    Solche Taktiken zielen darauf ab, ganze Systeme – Gesundheit, Politik, Wirtschaft und Medien – im eigenen Interesse zu beeinflussen, was zu erheblichen gesundheitlichen und sozialen Schäden führt. Bisher haben die Maßnahmen einzelner Regierungen und zwischenstaatlicher Organisationen nicht ausgereicht, um diese schädlichen Handelspraktiken zu verhindern oder einzuschränken.

    Einfluss auf Gesundheitsschutzkonzepte und Verfügbarkeit von Medikamenten

    Der Bericht präsentiert eine Reihe von Fallstudien, die das Ausmaß und die Tiefe der Einflussnahme von Konzernen auf die staatliche Politik und politische Entscheidungsprozesse sowie die Auswirkungen auf alle Lebensbereiche der Menschen veranschaulichen. Darin wird beschrieben, wie die Großindustrie offene und verdeckte Methoden einsetzt, um Maßnahmen zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten zu verzögern, zu verhindern und zu blockieren, z. B. Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums und die obligatorische Gesundheits- und Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln und Alkoholprodukten.

    Neben den Taktiken zur Aushebelung von Gesundheitsschutzkonzepten dokumentiert der Bericht auch einige schädliche Praktiken der Industrie in Verbindung mit der Behandlung von Krankheiten, etwa die unausgewogene Preisgestaltung und Verfügbarkeit von Krebsmedikamenten und die Förderung von nicht evidenzbasierten und nicht regulierten Früherkennungstests.

    Zu den üblichen Strategien der Branche gehört die gesamte Palette von politischer Lobbyarbeit über die Verbreitung von Fehlinformationen und Desinformationskampagnen in den Medien bis zu schädlichen Finanzpraktiken und speziell auf Kinder und Jugendliche abzielenden Werbestrategien.

    Das Fehlen von Regulierungsmaßnahmen für die schädlichen Praktiken der Industrie hat dazu geführt, dass Macht und Einfluss der Privatwirtschaft gewachsen sind, während Wohlstand und Macht des Staats abgenommen haben, sodass die von der Industrie verursachten Gesundheitsschäden und insbesondere die Belastung durch nichtübertragbare Krankheiten, die 90 Prozent der Todesfälle in der Europäischen Region verursachen, fortbestehen.

    Handlungsappell an die 53 Mitgliedstaaten in der Europäischen Region

    „Wir müssen wirklich umdenken“, sagte Minister Vandenbroucke. „Zu lange haben wir Risikofaktoren als etwas betrachtet, das hauptsächlich mit individuellen Entscheidungen zu tun hat. Wir müssen das Problem als ein systemisches Problem begreifen, bei dem die Politik dem übermäßigen Konsum entgegenwirken, die Werbung beschränken und die Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse beenden muss. Unsere bisherigen Bemühungen reichen noch nicht aus, um die gesundheitsschädlichen Praktiken kommerzieller Akteure und insbesondere der gesundheitsschädigenden Branchen zu regulieren. Ich fordere alle neu gewählten Parlamentarier und politischen Entscheidungsträger in Europa auf, das Ausmaß dieses Problems und die weitreichenden Auswirkungen zu erkennen, die die Praktiken der Industrie auf die öffentliche Gesundheit und letztlich unsere demokratischen Prozesse haben.“

    Der Bericht ist ein Handlungsappell an die 53 Mitgliedstaaten in der Europäischen Region, der großen Bedrohung durch nichtübertragbare Krankheiten entgegenzuwirken, indem sie den kommerziellen Einfluss auf allen Ebenen – individuell, umweltbezogen, staatliche Politik und politisch-ökonomische Systeme – bekämpfen und strengere Vorschriften u. a. in folgenden Bereichen durchsetzen:

    • Vermarktung gesundheitsschädlicher Produkte
    • monopolistische Praktiken
    • Transparenz, Lobbyarbeit, Finanzierung und Interessenkonflikte
    • Besteuerung multinationaler Konzerne
    • Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitsbedingungen
    • Ausbeutung gefährdeter Bevölkerungsgruppen in Krisenzeiten
    • Finanzierung und Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Organisationen, um ihre Unabhängigkeit zu gewährleisten

    Darüber hinaus wird in dem Bericht empfohlen, dass Handelsabkommen der öffentlichen Gesundheit Vorrang einräumen und Wirtschaftsgesetze stärker gesundheitsorientiert ausgelegt werden sollen.

    Bereits erzielte Erfolge

    Manche Länder konnten trotz heftigen Widerstands der Industrie Erfolge erzielen. In Estland hat eine aus Zahnärzten, Krankenschwestern und Ärzten bestehende Koalition von Gesundheitspartnern dazu beigetragen, Gesetze zur Besteuerung von zuckergesüßten Getränken voranzutreiben. In Kirgisistan haben Frauenräte wesentliche Überzeugungsarbeit zur Verabschiedung von Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums geleistet. In Slowenien konnte dank Mobilisierung nationaler und internationaler Organisationen der Zivilgesellschaft ein Tabakgesetz verabschiedet werden. Doch es muss noch viel mehr getan werden, um politische Entscheidungsträger und Vertreter öffentlicher Interessen dabei zu unterstützen, sich der Macht, den Ressourcen und der Lobbyarbeit der Industrie entgegenzustellen.

    Herausforderung

    Während der Vorstellung des Berichts erklärte Dr. Gauden Galea, Strategischer Berater der Sonderinitiative des Regionaldirektors für nichtübertragbare Krankheiten und Innovation beim WHO-Regionalbüro für Europa: „Die hinterhältigen Praktiken mächtiger Branchen sind nicht über Nacht entstanden, und sie werden auch nicht so schnell verschwinden. Vielmehr ist das eine langfristige Aufgabe, die in erster Linie politischen Willen erfordert. Wir sehen deutlich, wie sich das Verhalten der Großindustrie negativ auf die öffentliche Gesundheit auswirkt und unnötige Krankheiten und Leiden verursacht. Die verschiedenen Fallstudien in unserem Bericht zeigen das gegenwärtige Ausmaß der Einmischung der Industrie in unserer Region und dass unsere bisherigen Mechanismen zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten völlig untauglich sind. Im September 2025, auf der Tagung der Vereinten Nationen auf hoher Ebene zum Thema nichtübertragbare Krankheiten, müssen die Länder über ihre Fortschritte berichten, und die Zeit läuft.“

    Pressestelle der World Health Organization (WHO), 12.6.2024

  • European Web Survey on Drugs

    Im Rahmen des Projekts „European Web Survey on Drugs” (EWSD 2024) wird auch in diesem Jahr wieder eine europäische Online-Umfrage zum Thema Drogen durchgeführt. Das Projekt wurde von der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) initiiert, um ein besseres Verständnis des Drogenkonsums in Europa zu erlangen. Der EWSD 2024 wird in ungefähr 30 europäischen Ländern durchgeführt. In Deutschland wird die Umfrage von der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) und dem Institut für Therapieforschung (IFT) koordiniert.

    Die Erhebung erfolgt mittels einer anonymen Online-Befragung. Insbesondere wird untersucht, wie häufig verschiedene Drogen konsumiert werden, auf welche Weise und in welchen Mengen. Ziel dieser Studie ist es, ein besseres Verständnis der verschiedenen Formen des Drogenkonsums von Drogenkonsumierenden in Europa zu erlangen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen zu einer evidenzbasierten europäischen Drogenpolitik beitragen. Ein weiteres Ziel ist es, die Entwicklung und Implementierung eines Instruments für nationale Beobachtungsstellen zu unterstützen, um die verfügbaren Informationen über die Menge der konsumierten Drogen zu verbessern.

    • Die Befragung ist unter folgendem Link erreichbar: https://ec.europa.eu/eusurvey/runner/EWSD2024-Germany
    • Es ist möglich, von 05.2024 bis zum 05.07.2024 an der Befragung teilzunehmen.
    • Die Dauer der Befragung beträgt zwischen 10 und 45 Minuten.
    • Die Teilnahme an der Umfrage ist ab 18 Jahren möglich.
    • Die Befragung ist komplett anonym und die Teilnahme ist freiwillig.
    • Die Umfrage wurde von der Ethikkommission der Deutschen Gesellschaft für Psychologie geprüft und als ethisch unbedenklich eingestuft (Geschäftszeichen OlderbakSally2024-04-15A).

    Weitere Informationen auf der Website der EMCDDA: https://www.emcdda.europa.eu/topics/european-web-survey-on-drugs_en

    Pressemitteilung des IFT Institut für Therapieforschung, 24.5.2024

     

  • Häusliche Gewalt im Jahr 2023 um 6,5 Prozent gestiegen

    256.276 Menschen in Deutschland wurden 2023 Opfer häuslicher Gewalt, davon sind 70 Prozent weiblich. Dies ist ein Anstieg um 6,5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022. 78.341 Menschen wurden 2023 Opfer innerfamiliärer Gewalt zwischen nahen Angehörigen. Dies sind 6,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Das zeigt das neue umfassende Lagebild, das am 7. Juni von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Bundesfrauenministerin Lisa Paus und der Vizepräsidentin beim Bundeskriminalamt, Martina Link, in Berlin vorgestellt wurde.

    Das Lagebild Häusliche Gewalt ist eine Fortschreibung und Ergänzung der früheren Kriminalstatistischen Auswertung Partnerschaftsgewalt, die seit 2015 jährlich durch das Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlicht wurde. Neben der Partnerschaftsgewalt werden im Lagebild Häusliche Gewalt auch die Delikte der sog. innerfamiliären Gewalt von und gegen Eltern, Kinder, Geschwister und sonstige Angehörige betrachtet.

    Die meisten Opfer häuslicher Gewalt waren von Partnerschaftsgewalt betroffen (167.865 Personen, 65,5 Prozent), ein Drittel war von innerfamiliärer Gewalt betroffen (88.411 Personen, 34,5Prozent). Im Bereich der Partnerschaftsgewalt stieg die Anzahl der Opfer um 6,4 Prozent auf 167.865 Opfer. Ganz überwiegend trifft Gewalt im häuslichen Kontext Frauen: 79,2 Prozent der Opfer von Partnerschaftsgewalt und 70,5 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt insgesamt sind weiblich. Von den Tatverdächtigen bei Partnerschaftsgewalt sind 77,6 Prozent Männer, im Gesamtbereich der häuslichen Gewalt 75,6 Prozent.

    Im Bereich der Partnerschaftsgewalt lebte die Hälfte der Opfer mit der tatverdächtigen Person zusammen. Die Mehrheit sowohl der Opfer als auch der Tatverdächtigten waren zwischen 30 und 40 Jahre alt, im Bereich der innerfamiliären Gewalt waren unter 21-jährige Opfer am häufigsten betroffen. 155 Frauen und 24 Männer sind im Jahr 2023 durch ihre Partner oder Ex-Partner getötet worden.

    Von den 88.411 Opfern innerfamiliärer Gewalt waren 54 Prozent weiblich und 46 Prozent männlich. Insgesamt ist fast ein Viertel der Opfer unter 14 Jahre alt. Im Jahr 2023 wurden 92 weibliche und 63 männliche Personen Opfer von innerfamiliärer Gewalt mit tödlichem Ausgang.

    Die Zahlen von polizeilich registrierter häuslicher Gewalt steigen nahezu kontinuierlich an, in den letzten fünf Jahren um 19,5 Prozent. Doch nach wie vor ist davon auszugehen, dass viele Taten der Polizei nicht gemeldet werden, etwa aus Angst oder Scham.

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Wir müssen als Gesellschaft sehr deutlich machen, dass wir hinschauen, eingreifen und Gewalt gegen Frauen und Gewalt in Familien keinesfalls akzeptieren. Wir wollen die Betroffenen stärken und sie ermutigen, Taten anzuzeigen. Dann können mehr Täter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Niemand sollte sich schämen, Opfer von Gewalt geworden zu sein. Die Schuld liegt nie beim Opfer, sondern immer beim Täter. Wir werden jetzt an Standorten der Bundespolizei 24/7-Schalter für von Gewalt betroffene Frauen einrichten. Speziell geschulte Beamtinnen können dort Anzeigen aufnehmen und helfen.“

    Bundesfrauenministerin Lisa Paus: „Die Herausforderung ist groß, insbesondere, weil so viel in den eigenen vier Wänden und unter Ausschluss der Öffentlichkeit passiert. Wir brauchen dringend ein flächendeckendes, niedrigschwelliges Unterstützungsangebot bestehend aus sicheren Zufluchtsorten und kompetenter Beratung. Dafür arbeiten wir an einem Gesetz zur Sicherung des Zugangs zu Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt. Das Gewalthilfegesetz wird die Grundlage für ein verlässliches und bedarfsgerechtes Hilfesystem bei häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt schaffen, denn alle von Gewalt Betroffenen haben das Recht auf Schutz und Beratung.“

    BKA-Vizepräsidentin Martina Link: „Wir registrieren seit Jahren steigende Zahlen von häuslicher Gewalt. Gleichzeitig werden viele dieser Taten gar nicht angezeigt, so dass die Polizeiliche Kriminalstatistik den tatsächlichen Umfang nur bedingt widerspiegelt. Um das Gesamtbild und die Hintergründe besser zu erfassen, führen wir aktuell im Rahmen der gemeinsam mit BMFSJ und BMI gestarteten Studie LeSuBiA umfangreiche Opferbefragungen für die Bereiche Partnerschaftsgewalt, sexualisierte Gewalt, Stalking und digitale Gewalt durch. Die Aufhellung des Dunkelfelds wird dabei helfen, Straftaten im familiären und partnerschaftlichen Umfeld in Zukunft besser zu erkennen und Präventionsangebote zielgerichteter zu adressieren.“

    Petra Söchting, Leiterin Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: „Auch das Hilfetelefon verzeichnet in seinem Jahresbericht 2023 gestiegene Zahlen. Mit rund 59.000 Fällen ist das Beratungsaufkommen um rund 12 Prozent gestiegen und so hoch wie nie. Insbesondere die hohe Zahl an Anfragen, nämlich rund die Hälfte, die zwischen 18 und 8 Uhr sowie am Wochenende und an Feiertagen einging, zeigt, wie groß der Bedarf nach einer jederzeit erreichbaren ersten Anlaufstelle ist. Für längerfristige Beratung und Unterstützung vermittelt das Hilfetelefon dann an Beratungs- und Schutzeinrichtungen vor Ort weiter. Dafür braucht es aber ein bedarfsgerechtes Unterstützungssystem. Die aktuellen Lücken müssen geschlossen werden, um Frauen ein Leben frei von Gewalt zu ermöglichen.“

    Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet Frauen unter der Nummer 116 016 rund um die Uhr kostenlose und anonyme Beratung in 19 Sprachen an. Weitere Informationen unter www.hilfetelefon.de

    Die App des Vereins „Gewaltfrei in die Zukunft e.V.“ bietet von häuslicher Gewalt betroffenen Personen einen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen und Unterstützungsangeboten und soll als Brücke in das bestehende Hilfenetzwerk dienen. Weitere Informationen unter www.gewaltfrei-in-die-zukunft.de

    Gemeinsame Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums, des Bundesinnenministeriums und des Bundeskriminalamtes, 7.6.2024

  • Wieder ganz werden

    Carl-Auer Verlag, Heidelberg, 4. Aufl. 2024, 264 Seiten, 34,95 €, ISBN 978-3-8497-0324-0

    Unbewusste, abgespaltene Traumatisierungen sind meist auch im Körpergedächtnis gespeichert. Für das Gelingen einer Psychotherapie ist es in diesen Fällen unerlässlich, den Körper und das Körperwissen mit einzubeziehen. Innovativ und richtungsweisend integriert Silvia Zanotta aktuelle neurobiologische und psychologische Erkenntnisse aus Polyvagal-Theorie, Ego-State-Therapie, Somatic Experiencing, Resource-Therapie, Hypnose und körperorientierter Psychotherapie. Das konzeptionelle Kernstück dieser Synthese ist die viel beachtete interpersonelle neurobiologische Theorie, insbesondere die Ansätze von Stephen Porges und Peter Levine.

    Neben präverbalen Traumata behandelt die Autorin Phänomene wie Dissoziation, Schmerz, Angst, Wut und Scham – Letzteres ein in der Fachliteratur vernachlässigtes, jedoch häufig zentrales Thema in der Trauma-Therapie. Psychotherapeut:innen profitieren unmittelbar von den gut umsetzbaren Anleitungen, Übungen und Interventionen, die das Buch bietet. Transkripte von ausgewählten Therapiesitzungen demonstrieren die praktische Anwendung.