Altersuhren können mit einer hohen Genauigkeit angeben, wie alt ein Mensch aus biologischer Sicht ist. Das biologische Alter kann von dem bekannten Alter, das über den Geburtstag berechnet wird, abweichen und wird von Umwelteinflüssen wie Rauchen oder Ernährung beeinflusst. Die Präzision dieser Altersuhren lässt annehmen, dass der Alterungsprozess entschlüsselt ist. Die Kölner Wissenschaftler David Meyer und Professor Dr. Björn Schumacher am Alternsforschungs-Exzellenzcluster CECAD der Universität zu Köln haben nun herausgefunden, dass die Altersuhren die Zunahme zufälliger Veränderungen in Körperzellen messen. Die Studie „Aging clocks based on accumulating stochastic variation“ wurde in „Nature Aging“ veröffentlicht.
„Alterung wird von Beschädigungen der Bausteine in unseren Zellen ausgelöst. Wo diese Schäden auftreten, ist weitestgehend zufällig. Unsere Arbeit vereinigt die Genauigkeit von Altersuhren mit der Anhäufung von rein zufällig auftretenden Veränderungen in unseren Zellen“, sagt Professor Schumacher.
Weniger Kontrolle, mehr Zufälle
Mit steigendem Alter lässt die Kontrolle der Prozesse in unseren Zellen nach, und so treten mehr zufällige Ereignisse auf. Das lässt sich besonders gut an der Anhäufung zufälliger Veränderungen in der DNA-Methylierung ablesen. Methylierungen sind chemische Veränderungen, die auf die DNA, die Bausteine des Genoms, setzen. Diese Methylierungen werden im Körper präzise geregelt, aber während des gesamten Lebens kommt es zu zufälligen Veränderungen in den Methylierungsmustern. An der Zunahme der Varianz lässt sich dann mit hoher Genauigkeit ablesen, wie alt ein Mensch ist.
Der Kontrollverlust der Zellen und die Zunahme zufälliger Ereignisse ist nicht nur auf DNA-Methylierung beschränkt. Meyer und Schumacher zeigen, dass auch die Zunahme zufälliger Veränderungen in der Genaktivität als Altersuhr genutzt werden kann. „Im Prinzip ließe sich dies sogar noch viel weiter treiben, und die zufälligen Veränderungen in jedem beliebigen Prozess in der Zelle könnten das Alter vorhersagen“, so Schumacher. Wichtig sei vor allem, ob solche Altersuhren auch den Erfolg von Interventionen, die den Alterungsprozess aufhalten, oder auch schädliche Einflüsse, die das Altern vorantreiben, anzeigen können.
Die Wissenschaftler konnten in vorhandenen Datensätzen von Methylierungsmustern zeigen, dass Rauchen die zufälligen Veränderungen beim Menschen erhöht und „anti-aging“ Interventionen wie eine niedrigere Kalorienzufuhr bei Mäusen die Zunahme der Variation verringert. Sie zeigten auch, dass die zufälligen Veränderungen sich sogar umkehren lassen durch die Reprogrammierung von Körperzellen zu Stammzellen. Die Wissenschaftler verglichen dazu menschliche Fibroblasten, eine bestimmte Art von Hautzellen, mit induzierten Stammzellen, die aus menschlichen Fibroblasten aus der Haut gewonnen wurden. Durch die Reprogrammierung zu Stammzellen werden die Zellen verjüngt, wobei die hohe Varianz der alten Körperzellen umgekehrt wird zur geringen Varianz junger Stammzellen.
Aus den Erkenntnissen über den Verlust der Regulation und die Anhäufung rein zufälliger Veränderungen als die treibenden Kräfte des Alterns erhoffen sich Meyer und Schumacher, neue Interventionen zu entwickeln, die ursächlich am Alterungsprozess ansetzen und sogar zur zellulären Verjüngung führen könnten. Solche Interventionen könnten sowohl bei der DNA-Reparatur von zufälligen Beschädigungen als auch bei der verbesserten Kontrolle der Genexpression ansetzen.
Dr. Johannes Nießen, Errichtungsbeauftragter des BIPAM und Kommissarischer Leiter der BZgA. Fotograf: Carsten Kobow i.A. BZgA
Die Suchtprävention ist wichtiger denn je! Als zentrale staatliche Institution ist aktuell die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA, Fachbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit) mit dieser Aufgabe betraut. Sie ist zuständig für die Erarbeitung und Umsetzung von Maßnahmen der Suchtprävention auf Bundesebene. Bis 2025 soll die BZgA nun in das neue Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) übergehen. Was bedeutet das für die Suchtprävention? Welche Rolle wird sie im BIPAM spielen? Darüber sprach KONTUREN online mit Dr. Johannes Nießen. Er ist seit Oktober 2023 Errichtungsbeauftragter des neuen Instituts und Kommissarischer Leiter der BZgA.
KONTUREN online: Aufgabe des BIPAM soll es sein, sich mit der Vermeidung nicht übertragbarer Erkrankungen wie Krebs, Demenz und koronaren Herzerkrankungen zu befassen. Was sind für Sie die wichtigsten konkreten Handlungsfelder für das BIPAM? Rückt die Suchtprävention in den Hintergrund?
Dr. Johannes Nießen: Das BIPAM soll als zentrale Instanz auf Bundesebene die Strukturen für Öffentliche Gesundheit – insbesondere im Bereich Prävention, Gesundheitsförderung und -kommunikation – ausbauen und die Vernetzung von Bund, Ländern und Kommunen stärken. Die BZgA soll in dieser neuen Behörde aufgehen, die Expertise des RKI genutzt werden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit auf den Gebieten der übertragbaren und nicht übertragbaren Erkrankungen (kurz NCDs) soll gefördert werden, um eine übergreifende Betrachtung sicherzustellen und der gesamten Situation des Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung Rechnung zu tragen.
Präventionsarbeit hat einen hohen Stellenwert im BIPAM. Dies wird auch international, beispielsweise von der WHO, als sehr wichtig angesehen. Die Suchtprävention rückt dabei keinesfalls in den Hintergrund, sondern wird aufgrund der Interdependenz zu NCDs einen höheren Stellenwert erhalten.
Erklärtes Ziel ist es, allen Bürgerinnen und Bürgern einen einfachen und schnellen Zugang zu verständlichen Gesundheitsinformationen über Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs zu ermöglichen. Zudem wird das BIPAM den Öffentlichen Gesundheitsdienst vernetzen und mit verschiedenen Angeboten bei seiner Arbeit vor Ort unterstützen.
Wie wird die Suchtprävention am BIPAM strukturiert sein? Welche Fachleute sind in die Entwicklung von Maßnahmen eingebunden?
Der Errichtungsprozess ist in vollem Gange. Welche Verantwortlichkeiten und Arbeitseinheiten wie zusammenkommen und wie die Facharbeit gestaltet wird, kann erst dann festgelegt werden, wenn die Aufbauorganisation des BIPAM steht.
Was sind für Sie die wichtigsten konkreten Ziele und Handlungsfelder in der Suchtprävention? Welches sind die größten Herausforderungen?
Wichtigste Ziele der Suchtprävention und gleichzeitig größte Herausforderungen sind die Vermeidung oder Hinauszögerung des Erstkonsums, die Früherkennung und Frühintervention bei riskantem Konsumverhalten sowie die Verringerung von einem missbräuchlichen Konsumverhalten und einer Suchtentwicklung. Jedes Jahr sterben etwa 127.000 Menschen allein in Deutschland an den Folgen des Tabakkonsums und über 40.000 Menschen an den Folgen schädlichen Alkoholkonsums. Eine zielgerichtete und evidenzbasierte Suchtprävention kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Gesundheitskompetenz zu stärken und Lebensqualität zu verbessern. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet dazu für diverse Zielgruppen qualitätsgesicherte Angebote zur Suchtprävention im Bereich der legalen und illegalen Drogen sowie der Verhaltenssüchte.
Was wird das BIPAM in der Suchtprävention anders machen als die BZgA? Haben Sie neue Ideen? Wo sind Verbesserungen zu erwarten?
Das BIPAM wird auf einem soliden Fundament der Suchtprävention aufbauen können, das die BZgA mit ihrer langjährigen Kommunikationsexpertise gelegt hat. Ergänzt wird sie um Datenexpertise aus dem RKI, etwa zu Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring. Diese Verbindung ermöglicht es, evidenzbasierte Bedarfe passgenauer zu ermitteln, Präventionsmaßnahmen gezielter zu entwickeln und sie abschließend zu evaluieren.
Zum 1. April 2024 ist eine gesetzliche Neuregelung zur Teil-Legalisierung von Cannabis in Kraft getreten. Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um schädlichem Cannabiskonsum vorzubeugen?
Die BZgA bietet für unterschiedliche Zielgruppen fachlich fundierte, gut verständliche und sachliche Informationen zu Cannabis, dessen Wirkweise sowie den gesundheitlichen Risiken des Konsums, zudem digitale Beratungsangebote und Selbsttests. Zielgruppen sind Jugendliche unter 18 Jahren, für die Cannabis auch weiterhin verboten bleibt, sowie junge Erwachsene ab 18 Jahren – aber auch Eltern, pädagogische Fachkräfte und Fachkräfte der Suchtprävention. Ziel ist es, insbesondere bei der jugendlichen Zielgruppe über die schädliche Wirkung des Cannabiskonsums aufzuklären, das heißt vor allem eine bleibende Schädigung des Gehirns in der Entwicklungsphase, sowie insgesamt für einen verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis zu sensibilisieren.
Wie wollen Sie – insbesondere für die Cannabisprävention – die verschiedenen Zielgruppen in ihren Lebenswelten erreichen? Gibt es z. B. spezifische Programme für Schulen? Ist eine Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen vorgesehen?
Die BZgA setzt einen Fokus auf den Ausbau der schulischen Cannabisprävention, um insbesondere Jugendliche, die noch nicht konsumieren, zu erreichen, sie für die gesundheitlichen Risiken des Cannabiskonsums zu sensibilisieren und darin zu bestärken, auf den Konsum von Cannabis zu verzichten. Neben der Entwicklung von Lehrkräfte-Schulungen, Weiterbildungsangeboten und Elternabenden speziell zur Cannabisprävention fördert die BZgA bereits Angebote zum direkten Einsatz im Unterricht, wie zum Beispiel Unterrichtseinheiten und -materialien. Die Präventionsangebote der BZgA werden kontinuierlich ausgebaut und weiterentwickelt. Hierzu veranstaltet die BZgA unter anderem regelmäßige Austauschformate mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sowie den entsprechenden Landesstellen, um eine frühzeitige übergreifende Abstimmung zu Bedarfen und Entwicklungspotentialen zu ermöglichen.
Werden die Präventionsbeauftragten der Anbauvereinigungen fachlich begleitet und unterstützt?
Das Cannabisgesetz sieht vor, dass Präventionsbeauftragte gegenüber ihrer jeweiligen Anbauvereinigung spezifische Beratungs- und Präventionskenntnisse nachweisen müssen. Der Nachweis wird erbracht durch eine Bescheinigung der Teilnahme an einer Suchtpräventionsschulung bei Landes- oder Fachstellen für Suchtprävention oder Suchtberatung oder bei vergleichbar qualifizierten öffentlich geförderten Einrichtungen. Welche Schulungen im jeweiligen Land angeboten werden, von welchem Träger und mit welchem konkreten Inhalt, entscheidet daher das jeweilige Bundesland. Der Bund wird die Erarbeitung eines Mustercurriculums für Schulungen von Präventionsbeauftragten im Rahmen einer Vergabe beauftragen, das die Länder dann für Schulungen nutzen können.
Der Bedarf an Beratung durch Fachleute und an Programmen wie FreD (Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten) und SKOLL (Selbstkontrolltraining) wird steigen. Wie sollen diese für die Prävention dringend nötigen Angebote finanziert werden?
Die BZgA bietet bereits für konsumierende, eher drogenaffine junge Menschen qualitätsgesicherte Informationen auf www.drugcom.de sowie Unterstützungsangebote wie zum Beispiel einen Online-Selbsttest „Cannabis Check“, eine digitale Beratung sowie das Online-Verhaltensänderungsprogramm „Quit the Shit“.
In Deutschland gibt es verschiedene Verbände, die sich für Suchthilfe und -prävention einsetzen. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) wird durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert und ist die zentrale Dachorganisation der deutschen Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe. An welchen Stellen bzw. zu welchen Themen ist eine Kooperation des BIPAM mit der DHS angedacht?
Die BZgA pflegt seit vielen Jahren eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der DHS und fördert beispielsweise die Produktion und Distribution von Printmaterialien der DHS oder beteiligt sich an der inhaltlichen Neu- und Weiterentwicklung von relevanten Printprodukten. Ein regelmäßiger fachlich-inhaltlicher Austausch erfolgt dabei in Sachstandsgesprächen von BZgA, BMG und DHS sowie in den Austauschformaten der BZgA mit den Landesstellen für Suchtfragen und wird auch im zukünftigen BIPAM von großer Relevanz sein.
Herr Dr. Nießen, wir wünschen Ihnen eine glückliche Hand beim Aufbau des BIPAM! Auf welche Aufgaben freuen Sie sich besonders?
Es ist sehr spannend, gemeinsam mit den engagierten Kolleginnen und Kollegen aus BMG, BZgA und RKI Ideen für das BIPAM zu entwickeln, um die Öffentliche Gesundheit in Deutschland zu stärken.
Daten sammeln in der Suchthilfe – wozu eigentlich? Eine spannende Antwort liefert die Broschüre „Basisdokumentation. Erkenntnisse aus 18 Jahren Datenerhebung im bus.“ Seit Ende der 1990er Jahre erfasst der Bundesverband Suchthilfe e. V. (bus.) Daten von Rehabilitand:innen für die Indikation Abhängigkeitserkrankungen. Seit dem Jahr 2005 erstellt er regelmäßig Berichte.
Dieser reiche Schatz an Daten und Informationen aus 18 Jahren Basisdokumentation wurde nun vom Dokumentationsausschuss des bus. ausgewertet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Der nun vorliegende Bericht gibt interessante und aussagekräftige Einblicke in die Entwicklung des Verbandes und der Behandlung von Menschen mit Substanzkonsumstörungen und Verhaltenssüchten. Zu Beginn werden die Mitgliedseinrichtungen des bus. und die Entwicklung der Fallzahlen, die in die Auswertung eingeflossen sind, dargestellt. Dabei wird auch auf die entsprechenden Leistungsträger Bezug genommen. Daran anschließend gibt der Bericht einen Überblick über die soziodemografischen Daten wie Alter und Geschlechterverteilung der Rehabilitand:innen, die in den vergangenen 18 Jahren in Mitgliedseinrichtungen des bus. behandelt wurden. Es folgen Angaben über die Behandlungsdauer, die Hauptindikation sowie die Entlassungsart.
Zum Abschluss wird die Teilhabe als Ziel der medizinischen Rehabilitation in den Blick genommen. Im Fokus steht hier die Entwicklung der Erwerbstätigkeit der Rehabilitand:innen vor dem Hintergrund zahlreicher regionaler und globaler gesellschaftlicher Veränderungen. Hinzu kommen die zunehmenden Bemühungen der Leistungsträger um Stärkung der Erwerbsfähigkeit. Diese Bemühungen führten zu einer Konzentration auf erwerbsbezogene Maßnahmen während der Rehabilitation.
Die Broschüre „Basisdokumentation. Erkenntnisse aus 18 Jahren Datenerhebung im bus.“ steht auf der Verbands-Website zum Download bereit.
Die Zahl der Todesfälle durch Rauschgift steigt in Deutschland seit Jahren. Viele Experten sehen im sogenannten Drug-Checking einen Ansatz, um gegenzusteuern. Dabei können Konsumierende mitgebrachte Substanzen legal auf die Inhaltsstoffe prüfen lassen. Der Bundestag erteilte den Bundesländern 2023 die Erlaubnis, entsprechende Modelle für Drug-Checking einzurichten. Die Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) am Klinikum Nürnberg will die Chancen solcher Angebote für Nürnberg nun zusammen mit der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm (Ohm) wissenschaftlich untersuchen. Das Förderprogramm DATIpilot (DATI = Deutsche Agentur für Transfer und Innovation) des Bundesforschungsministeriums unterstützt das Vorhaben. Weitere Beteiligte sind die örtliche Suchthilfe und die Hochschule Ansbach.
Die Studie „Gesundheitsförderung durch Evidenzbasiertes Drug-Checking in Nürnberg – EviDriN“ wird der Frage nachgehen, ob und in welcher Form Drogen-Checks in der örtlichen Szene Leben retten könnten. Die Hochschule Ansbach begleitet „EviDriN“ wissenschaftlich. Ebenso sind die örtlichen Suchthilfeorganisationen mudra e.V. und Lilith e.V. an der Umsetzung beteiligt.
„Einer der größten Risikofaktoren für einen Drogentod ist der unbekannte Reinheitsgrad des Stoffs“, erläutert Jan Welker, Oberarzt in der Zentralen Notaufnahme des Klinikums Nürnberg Nord und einer der Initiatoren. „Zu hohe Reinheit oder auch Verunreinigungen werden zur Lebensgefahr, wenn der Konsumierende es falsch einschätzt.“ Der Notfallmediziner hat 2021 das „Nürnberger Modell“ mitbegründet, ein Forschungsnetzwerk für eine verbesserte Versorgung Suchtkranker. Ein Ziel ist dabei die Entlastung von Rettungsdiensten und Kliniken in der Region. Die extrem aufwändige Versorgung von Menschen mit lebensbedrohlichen Drogenvergiftungen beansprucht in Notaufnahmen und Intensivstationen viele Ressourcen, die dann für andere Patienten fehlen.
Prof. Dr. Christian Ghanem von der Fakultät Sozialwissenschaften der Ohm erläutert: „Eine zweite Zielsetzung von Drug-Checking ist das Monitoring, um einen evidenzbasierten Einblick in konsumierte Substanzen zu bekommen. So können Entwicklungen wie zum Beispiel der aktuelle Anstieg bei risikoreichen synthetischen Cannabinoiden oder Fentanylen erkannt werden. Passgenaue und lebensrettende Maßnahmen der Gesundheitsprävention können so entwickelt werden.“
Prof. Dr. habil. Sebastian Sauer, Professor für Wirtschaftspsychologie mit Schwerpunkt Statistik und Data Science an der Hochschule Ansbach, ergänzt: „Wir als Hochschule Ansbach freuen uns, dass wir Wissenschaft, Medizin und Praxis in diesem Projekt zusammenbringen und unseren Teil für einen Erfolg dieses wichtigen Themas beitragen können.“
Die Untersuchung zum Drug-Checking erhält im neuen Programm „DATIpilot“ des Bundesforschungsministeriums eine Fördersumme in sechsstelliger Höhe für eineinhalb Jahre. In dem Wettbewerb für innovative Lösungsansätze bei gesellschaftlichen Herausforderungen waren bundesweit 3.000 Bewerbungen aus verschiedensten Disziplinen eingegangen. 150 davon wurden bei regionalen „Pitches“ wegen ihres besonders hohen Innovationspotenzials ausgewählt.
Beim „Nürnberger Modell – Prävention, Akutversorgung und Nachsorge von Drogennotfällen“ handelt es sich um ein Projekt der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität und des Klinikums Nürnberg mit Hochschulen, Drogenhilfsorganisationen und dem Sozialamt der Stadt Nürnberg. Die Ohm, die Evangelische Hochschule Nürnberg, die Hochschule Ansbach sowie mudra e.V. und Lilith e.V. sind Kooperationspartner. Ziel des 2021 gestarteten „Nürnberger Modells“ ist ein Versorgungssystem für Menschen mit Suchterkrankungen nach pragmatisch-akzeptierenden Kriterien. Seine interdisziplinäre Forschungsgruppe analysiert in Studien die lokale Situation der Drogenabhängigen und entwickelt Maßnahmenbündel für die Vorbeugung und Versorgung von Drogennotfällen.
Pressestelle der Paracelsus Medizinische Privatuniversität Nürnberg, 29.2.2024
Carl-Auer Verlag, Heidelberg 2024, 240 Seiten, 27,95 €, ISBN 978-3-8497-0526-8
Im Stress tendieren wir dazu, negativ zu denken, die Verantwortung bei anderen zu sehen und von ihnen Unterstützung zu erwarten. Oftmals gerät auch der Organismus aus der Balance, und belastende Gefühle und körperliche Symptome schaukeln sich gegenseitig auf. Das hat wiederum Auswirkungen auf unsere sozialen Beziehungen, unsere Leistungsfähigkeit und langfristig auf unsere körperliche Gesundheit.
Der kleine Seelenretter hilft dabei, sich selbst besser wahrzunehmen und zu regulieren. Selbstregulation beinhaltet ebenso die Fähigkeit, sich zu beruhigen, wie die Kraft, sich neu aufzuraffen. Sie bringt den Organismus in Balance, steigert die Kontaktfreude und stärkt die Gesundheit.
Die erfahrene Psychotherapeutin Monika Röder richtet den Blick gleichermaßen auf den Körper wie auf Kognitionen und Emotionen. Sie übersetzt aktuelle Erkenntnisse aus der Neurobiologie und bewährte psychologische Modelle in lebensnahe Beispiele, anschauliche Skizzen und praktische Übungen. Der kleine Seelenretter vermittelt Selbstregulation dadurch auf eine Weise, dass man sofort damit beginnen kann.
Das NEWS-Projekt des IFT Institut für Therapieforschung München hat einen Trendspotter zum Thema Lachgas veröffentlicht. Der Bericht hat zum Ziel, für Deutschland weitere Einblicke in den Lachgaskonsum, dessen Konsumformen, Wirkungen sowie Nebenwirkungen zu geben. Hierfür wurden im Zeitraum Februar bis März 2024 Daten von Expert*innen, Gift-Informationszentren, Toxikologien, Kliniken für Neurologie sowie von Lachgaskonsumierenden erhoben. In der Kürze der Zeit war es nicht möglich, bevölkerungsrepräsentative Erhebungen durchzuführen, weshalb anhand der Studie keine statistisch gesicherten Aussagen getroffen werden können. Dennoch gehen die in dieser Studie erhobenen Daten, insbesondere deren Vielfalt an Datenquellen, weit über das hinaus, was über den Lachgaskonsum in Deutschland bisher bekannt war und ist.
Die wichtigsten Ergebnisse, zitiert aus der Zusammenfassung (S. 26 f.)
„Unter den insgesamt knapp 200 Teilnehmenden, die mindestens einmal Lachgas konsumiert haben, gaben knapp 60 % an, dies auch in den vergangenen zwölf Monaten getan zu haben, gut 20 % in den vergangenen 30 Tagen. Lediglich vier Leute gaben einen (fast) täglichen Lachgaskonsum an. Knapp jede*r zehnte Befragte hat 100-mal oder noch häufiger Lachgas konsumiert. Die mit großem Abstand häufigste Konsumform ist die Inhalation aus einem mit Lachgas gefüllten Ballon, wobei die Teilnehmenden angaben, an einem durchschnittlichen Konsumtag drei bis fünf Ballons zu konsumieren. Die maximal konsumierte Anzahl Ballons an einem Tag lag bei durchschnittlich vier bis 13 Ballons.
Lachgaskonsum wird laut der Einschätzung von Expert*innen insbesondere mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen assoziiert, was sich auch im relativ niedrigen Durchschnittsalter (23 bis 24 Jahre) der Teilnehmenden des Online-Fragebogens widerspiegelt. Da das Mindestalter für die Teilnahme an der Studie 16 Jahre war, ist davon auszugehen, dass das Durchschnittsalter eher überschätzt wird. Lachgas scheint darüber hinaus eher im Norden und Westen (insbesondere Nordrhein-Westfalen) eine größere Rolle zu spielen als im Rest der Bundesrepublik. In den meisten Fällen wird Lachgas zu Hause (bei Freunden) oder auf Hauspartys konsumiert und entweder von Freund*innen oder im Supermarkt (vermutlich Sahnekapseln) bezogen. Die am häufigsten genannten Konsummotive sind die positiven Wirkungen des Lachgaskonsums, der Umstand, dass auch Freund*innen und Bekannte Lachgas konsumieren sowie die leichte Verfügbarkeit.
[…] Ergebnisse der Befragungen der Gift-Informationszentren, toxikologischen Institute sowie Kliniken für Neurologie suggerieren, dass Lachgas auch dort jeweils angekommen ist, jedoch keine dominante Rolle einzunehmen scheint. Die Anfang 2024 geäußerte Befürchtung, dass lachgasinduzierter Vitamin-B12-Mangel aktuell ein großes Problem in den Kliniken für Neurologie darstellen könnte, konnte in unseren Befragungen unter den genannten Einrichtungen nicht bestätigt werden und scheint daher eher die Ausnahme denn die Regel in einzelnen Regionen oder Städten Deutschlands zu sein.“
Quelle:
Dr. Heiko Bergmann, Regina Kühnl, Anna-Mavie Beil, Magdalena Janz & Franziska Schneider: Lachgas (N20) TRENDSPOTTER, hrsg. v. IFT Institut für Therapieforschung, München 2024
Personen mit riskanten Cannabis-Konsummustern fühlen sich oft durch traditionelle Angebote der Suchthilfe nicht angesprochen, da der Wunsch nach Abstinenz für sie zunächst nicht im Vordergrund steht. Das Selbstkontrolltraining SKOLL bietet diesen Personen die Möglichkeit, ihren Konsum kritisch zu hinterfragen und einen eigenen Standpunkt zu ihrem riskanten Konsum zu entwickeln. Die Gruppendynamik fördert eine realistische Selbsteinschätzung und unterstützt die Teilnehmenden auf ihrem Weg zur Stabilisierung, Reduzierung oder Einstellung des Konsums.
SKOLL kann als Trainingsprogramm für Jugendliche und Erwachsene eingesetzt werden. Es motiviert durch die Stärkung der Zuversicht und Eigenmotivation, ist verhaltensorientiert durch das Aufzeigen neuer Verhaltensweisen und fördert die Eigenverantwortlichkeit. Die themenzentrierten Einheiten bauen aufeinander auf und ermöglichen eine fokussierte Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsumverhalten.
SKOLL: Vielseitigkeit im Einsatz
SKOLL präsentiert sich als ein flexibles Training, das sowohl in digitaler Form (SKOLL.digital) als auch in traditionellen Präsenzformaten angeboten wird. Beide Formate verzeichnen eine hohe Nachfrage. SKOLL.digital ermöglicht es Teilnehmenden, das Training ortsunabhängig zu absolvieren, während die Präsenztreffen den persönlichen Austausch und Support fördern. Bundesweit und in Österreich wird das SKOLL-Training von etwa 800 ausgebildeten Trainerinnen und Trainern in diversen Einrichtungen angeboten.
Der Beitrag von SKOLL zur Cannabis-Versorgungslandschaft
Die Evaluation von SKOLL hat ergeben, dass 80 Prozent der Trainings-Teilnehmenden und fast 90 Prozent der Standorte eine verbesserte Ansprache und Einbindung der Zielgruppen durch SKOLL feststellen. Das Training ergänzt bestehende Angebote durch seine präventive Ausrichtung und fördert einen verantwortungsbewussten Umgang mit Cannabiskonsum. In allen Altersgruppen profitieren besonders Menschen, die ihren Konsum präventiv reflektieren und kontrollieren möchten, sowie Personen in frühen Stadien der Abhängigkeitsbiographie oder mit fehlgeschlagenen Therapieversuchen. SKOLL erreicht durch die Öffnung des Abstinenzideals und die Vermittlung von Lebenskompetenzen neue und schwer zugängliche Zielgruppen.
Die Entwicklung und Umsetzung von SKOLL und SKOLL.digital wurde durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert.
Fazit
SKOLL steht als umfassendes Angebot, das sowohl digital als auch in traditionellen Formaten verfügbar ist, an der Spitze der Präventions- und Interventionsarbeit im Bereich Cannabis. Die Anerkennung auf der Grünen Liste für Prävention, die positiven Evaluationsergebnisse und die breite Förderung bestätigen die Wirksamkeit und Bedeutung von SKOLL. Durch kontinuierliche Anpassung und Erweiterung kann SKOLL einen signifikanten Beitrag zur öffentlichen Gesundheit leisten und effektiv auf die Herausforderungen reagieren, die mit der Legalisierung von Cannabis einhergehen.