Autor: Simone Schwarzer

  • Positionspapier zur aktuellen Situation in der Arbeitsmarktpolitik

    Die „Landesfachstelle berufliche und soziale Integration der Suchtkooperation NRW“ hat gemeinsam mit dem „Arbeitskreis der Arbeitsmaßnahmen für Menschen mit Suchterkrankungen in NRW“ das „Positionspapier zur aktuellen Situation in der Arbeitsmarktpolitik“ verfasst.

    Landesstelle und unterzeichnende Träger stellen darin ihre Forderungen zur Aufrechterhaltung der Angebots-/Beschäftigungsstrukturen für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen im Bürgergeldbezug dar. Hintergrund des Positionspapiers sind die in den letzten Jahren erfolgten faktischen Kürzungen im Eingliederungstitel für die Arbeitsmarktförderung.

    Auf der einen Seite verstärken diverse Gesetzgebungen der Sozialgesetzbücher bspw. SGB II und IX (BTHG) die soziale und berufliche Eingliederung, z. B. die Entfristung des Teilhabechancengesetzes (§ 16i SGB II), die zu einer Stabilisierung des Sozialen Arbeitsmarktes führt. Auf der anderen Seite wurden und werden Mittel aus dem Eingliederungstitel für den nicht auskömmlich geplanten Haushaltstitel umgewidmet. Es standen und stehen somit weniger Mittel für die Integration Langzeitarbeitsloser zur Verfügung. Diese Situation führt zur Reduzierung der niedrigschwelligen

    Platzkontingente und verunsichert die Trägerlandschaft von Bildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen. Dazu kommt die neue „Vermittlungsoffensive“, von der die Gruppe der Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen im Bürgergeldbezug nur wenig bis gar nicht profitieren wird.

    Das vollständige Positionspapier steht auf der Website der Landesstelle zum Download zur Verfügung.

    Landesfachstelle berufliche und soziale Integration der Suchtkooperation NRW, 2.4.2024

  • Wolfram-Keup-Förderpreis 2024 verliehen

    Dr. Isabel Brandhorst und bus.-Vorstandsmitglied Dr. Chahmoradi Tabatabai bei der Preisverleihung im Rahmen der Wissenschaftlichen Jahrestagung des bus. am 20./21. März in Berlin

    Dr. Isabel Brandhorst vom Universitätsklinikum Tübingen und ihr Team haben ein Trainingsprogramm für Eltern von Jugendlichen mit Internetnutzungsstörungen entwickelt und evaluiert. Für die entstandene Arbeit „Randomized Controlled Evaluation of a Group-Based Training for Parents of Adolescents with Gaming Disorder or Social Network Use Disorder“ wurde Frau Dr. Brandhorst am 20. März 2024 im Rahmen der 108. Wissenschaftlichen Jahrestagung des Bundesverbandes Suchthilfe (bus.) mit dem Wolfram-Keup-Förderpreis 2024 ausgezeichnet. Zur Preisverleihung gehörte auch ein Kurzvortrag über die prämierte Arbeit.

    Trainingsprogramm „Internetsucht: Eltern stärken!“

    Internetnutzungsstörungen wie Computerspielstörung oder Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung treten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen – in unterschiedlicher Ausprägung – häufig auf. Das sorgt auch für Stress im Familiensystem. Wie können Eltern hier positiv einwirken? Das Trainingsprogramm „Internetsucht: Eltern stärken!“ setzt darauf, Eltern mit Kenntnissen und Kompetenzen auszustatten, die dabei helfen, die häusliche Situation zu entspannen, eine wertschätzende Familienkommunikation zu etablieren und eine gute Beziehung zu den Kindern zu festigen.

    Um die Wirksamkeit des Programms zu untersuchen, wurden insgesamt 76 Eltern von Jugendlichen (12 bis 20 Jahre) nach dem Zufallsprinzip der Interventionsgruppe oder der Kontrollgruppe mit Warteliste zugewiesen. Die Eltern der Interventionsgruppe nahmen in einem Zeitraum von acht Wochen an sechs Schulungssitzungen teil, in denen es um die Themen Psychoedukation, Erziehungsverhalten, Eltern-Kind-Beziehung, Eltern-Kind-Kommunikation sowie Stress und Entspannung ging. Vor und nach der Interventionsphase bzw. Wartezeit machten die Eltern per Online-Fragebogen Angaben zur Symptomatik der Jugendlichen, zur Eltern-Kind-Beziehung und zur elterlichen Belastung.

    Die Auswertung ergab, dass das Training aus Sicht der befragten Eltern die Symptomatik der Internetnutzungsstörungen bei den Jugendlichen reduzierte. Bei der Computerspielstörung verbesserte sich die Symptomatik bei Risikonutzer:innen, nicht jedoch bei pathologischen Nutzer:innen. Einige Aspekte der Eltern-Kind-Beziehung verbesserten sich nach Einschätzung der Mütter. Das Manual zum Trainingsprogramm wird dieses Jahr im Kohlhammer Verlag erscheinen.

    Wolfram-Keup-Förderpreis

    Der Wolfram-Keup-Förderpreis wird alle zwei Jahre vom Bundesverband Suchthilfe (bus.) für eine wegweisende wissenschaftliche oder praxisorientierte Arbeit auf dem Gebiet der Entstehung und Behandlung von substanz- und verhaltensbezogenen Störungen und Beeinträchtigungen vergeben und ist mit einem Preisgeld von 2.000 Euro ausgestattet. Er wurde dieses Jahr zum achten Mal verliehen.

    Zur Jury des Wolfram-Keup-Förderpreises 2024 gehörten die bus.-Vorstandsmitglieder Dr. Wibke Voigt (Vorsitzende), Hans Joachim Abstein, Thomas Hempel und Sebastian Winkelnkemper sowie folgende externe Gutachter:innen:

    • Dr. Rita Hansjürgens, Professorin für Handlungstheorien und Methoden Sozialer Arbeit und Allgemeiner Pädagogik, Alice-Salomon-Hochschule, Berlin
    • PD Dr. Larissa Schwarzkopf, Leiterin der Forschungsgruppe „Therapie und Versorgung“ und der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern, IFT Institut für Therapieforschung, München
    • Dr. Heino Stöver, Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung, Studiengangsleitung Suchttherapie und Sozialmanagement in der Suchthilfe (M.A.), Geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung Frankfurt (ISFF), Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt am Main

    Die prämierte Arbeit steht auf der Website des bus. unter https://suchthilfe.de/verband/foerderpreis/ zum Download zur Verfügung. Ebenso finden Sie hier Informationen über die vorangegangenen Preisträger:innen und prämierten Arbeiten.

    Pressemitteilung des bus., 8.4.2024

  • Antidepressiva absetzen

    Übersetzt aus dem Englischen von Wulf Bertram
    Schattauer/Klett Cotta-Verlag, Stuttgart 2023, 152 Seiten, 35,00 €, ISBN 978-3-608-40149-3

    Das Absetzen von Antidepressiva ist weitaus schwieriger als ihre Verschreibung. Menschen, bei denen Entzugsphänomene auftreten, werden vor allem von medizinischer Seite oft allein gelassen. Fava, ein international renommierter Psychiater, stellt in diesem Buch drei Module vor, die das Absetzen der Medikamente erleichtern bzw. die Symptome dessen möglichst gering halten.

    Mit Hilfe aktueller Forschungsergebnisse und Falldarstellungen lernen die Leser:innen einzuschätzen, inwiefern ihr/e Patient:in auf das Absetzen reagieren wird. Was ist angemessen, welche Gegenanzeigen gibt es für das Absetzen, welche Gegenanzeigen für das Fortsetzen? Wie kann die Dosisreduzierung durchgeführt werden, welche Optionen gibt es? Seite für Seite wird deutlicher, worauf es ankommt und dass präventive Maßnahmen gegen Medikamentenabhängigkeit und Entzugsphänomene durchaus möglich sind!

  • Neurologische Komplikationen nach Lachgaskonsum

    Lachgas erobert derzeit als Partydroge Deutschland. Es gilt als vermeintlich risikoarm, da die Wirkung bereits nach wenigen Minuten nachlässt – doch das ist ein massiver Trugschluss! Immer mehr Menschen stellen sich mit schweren, unklaren neurologischen Beschwerden oder Blutbildstörungen nach Lachgaskonsum in Kliniken vor. Eine Diagnose ist nicht immer einfach und schnell zu stellen, zumal viele Betroffenen den behandelnden Ärztinnen und Ärzten den Lachgaskonsum verschweigen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e. V. (DGN) und die Deutsche Hirnstiftung fordern nun eine Informationsoffensive, um gerade auch die jüngere Bevölkerung für die Gefahren von Lachgas zu sensibilisieren.

    Das neue Partyrauschmittel N2O (Distickstoffmonoxid), umgangssprachlich als Lachgas bekannt, stellte vor über 200 Jahren einen medizinischen Durchbruch dar: Erstmals wurde schmerzfreies Operieren möglich, denn die zu inhalierende Substanz wirkt in höheren Mengen betäubend. Durch die Weiterentwicklung der Narkosetechnik spielte Lachgas in den Operationssälen irgendwann zwar keine Rolle mehr, es wurde aber bis in die 1970er Jahre und heute auch wieder zunehmend in der Zahnmedizin eingesetzt, da es zahlreiche Vorteile bietet: Die Substanz ist schmerzfrei anzuwenden (Inhalation statt Injektion), reduziert Anspannung, Angst und Schmerz, ist auch für längere Behandlungen geeignet und kann sogar schon bei Kindern eingesetzt werden. Wenn die Gabe beendet wird, ist die Wirkung nach wenigen Minuten vorbei und die Behandelten sind wieder verkehrstüchtig.

    Konsum steigt

    Die betäubenden Eigenschaften machten Lachgas schon früh zur Partydroge. Bereits vor 200 Jahren wurde es auf Jahrmärkten zur Vergnügung konsumiert – und erlebt derzeit eine unheilvolle Renaissance. Die berauschende Wirkung hat sich schnell in den sozialen Medien herumgesprochen, und so wird das Narkosegas zunehmend genutzt, um die Stimmung aufzuhellen und Glücksgefühle und Halluzinationen (bis hin zur Euphorie) zu erzeugen. Was besonders Sorge bereitet: Der Konsum steigt insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen: Von 2022 bis 2023 hat sich beispielsweise in Nordrhein-Westfalen die Zahl der dem Landeskriminalamt bekannten Missbrauchsfälle mehr als verdreifacht [1]. Die Lebenszeitprävalenz für Lachgaskonsum wird in Deutschland mit elf Prozent angegeben [2].

    Konsumrisiken

    Der Konsum von Lachgas ist nicht ungefährlich: Bei der Verwendung werden die Gaskartuschen extrem kalt (bis zu -55° C), so dass bei direkter Inhalation schwerste Verletzungen an Fingern oder Lippen möglich sind, aber auch Lungenrisse (Pneumothorax) durch den hohen Druck des komprimierten, sich ausdehnenden Gases. Was allerdings Neurologinnen und Neurologen besorgt, sind die neurologischen Folgen: Sie reichen von Bewusstlosigkeit (durch Verdrängung des Sauerstoffs in der Lunge) über Lähmungserscheinungen bis hin zu hypoxischen Hirnschäden. Bei chronischem Konsum kommt es zu Störungen im Zellstoffwechsel, wodurch Vitamin B12 in seiner Funktion beeinträchtigt wird, d. h., es entsteht ein funktioneller B12-Mangel (laut Literatur in 20 bis 40 Prozent der Fälle). Ein solcher kann schwere hämatologische Schäden wie Leukopenie, Thrombozytopenie oder Anämie verursachen, aber auch neurologische Störungen wie die funikuläre Myelose (Rückenmarkschaden) und periphere Neuropathie auslösen. Wird der B12-Mangel nicht rechtzeitig erkannt, sind diese Folgen mitunter nicht mehr reversibel.

    In der Fachzeitschrift „Der Nervenarzt“ [2] schilderten Meißner et al. den Fall eines 45-jährigen Patienten, der mit zunehmendem Taubheitsgefühl der Hände und Füße sowie Lähmungserscheinungen der Extremitäten in die Klinik kam, so dass klinisch zunächst an ein Guillain-Barré-Syndrom gedacht wurde. Die Liquordiagnostik war dahingehend unauffällig, und es wurden eine axonal-demyelinisierende Polyneuropathie sowie eine Rückenmarkschädigung in der Magnetresonanztomographie (MRT) diagnostiziert. Der Vitamin B12-Blutspiegel war normal, jedoch war die Aminosäure Homocystein stark erhöht. Der Homocystein-Stoffwechsel ist Vitamin-B12-abhängig und kann durch Lachgaskonsum gestört werden; gleichzeitig kommt es zu einem Mangel der Aminosäuren Methionin und Methylmalonsäure, was zur Zerstörung der Nervenscheiden (Demyelinisierung) führt und damit die Lähmungserscheinungen erklärt. Auf Nachfragen berichtete der Mann von einer Lachgasinhalation vor sieben Wochen. Er hatte Glück: Durch eine Vitamin-B12-Substitution besserte sich die Symptomatik.

    „Dies ist leider kein Einzelfall. Wir sehen in der Klinik immer mehr Menschen, die mit neurologischen Akut-, Subakut- oder Spätfolgen ärztlichen Rat suchen. Den Lachgaskonsum erwähnen sie in der Regel bei Erstvorstellung nicht, wohl auch, weil die meisten gar keinen Zusammenhang herstellen, erst recht, wenn es sich um Spätfolgen handelt“, erklärte Prof. Gereon Fink, Vorstandsmitglied der Deutschen Hirnstiftung und ehemaliger Präsident der DGN. Dabei sei die Offenheit der Patientin bzw. des Patienten von besonderer Wichtigkeit für eine schnelle Diagnose, da der funktionelle Vitaminmangel meistens nicht direkt im Blut nachweisbar ist, sondern erst bei Bestimmung weiterer Stoffwechselmarker auffällt. Zur Diagnostik werden ergänzend Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit (Elektroneurographie) und eine MRT durchgeführt.

    „Je früher die Diagnose bekannt ist und eine Therapie begonnen werden kann, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass keine Schäden bleiben“, so der Experte. Die Therapie besteht in der hochdosierten Vitamin-B12-Gabe und ggf. anderer, im körpereigenen B12-Stoffwechsel involvierter Substanzen wie Methionin [3].

    Informieren und sensibilisieren

    nsgesamt wird nach Ansicht der DGN und der Deutschen Hirnstiftung die Gefahr durch Lachgas unterschätzt; die wenigsten Menschen wissen, dass sie schwere, möglicherweise auch lebenslange Folgen davontragen können. In Deutschland sind Verkauf und Konsum von Lachgas nicht verboten [1]. In anderen Ländern hingegen, wie in den Niederlanden oder Großbritannien, wurde es bereits als Droge eingestuft, in Frankreich ist der Verkauf an Minderjährige verboten.

    „Es ist an der Zeit, großangelegte Informationskampagnen zu starten, um auf die Gefahren von Lachgas hinzuweisen und gerade die junge Bevölkerung zu sensibilisieren. Die DGN und die Deutsche Hirnstiftung suchen hier den Schulterschluss mit Politik und BZgA“, erklärte Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN.

    Literatur:
    • [1] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/145866/Missbrauch-von-Lachgas-nimmt-zu
    • [2] Meißner JN, Hill K, Lakghomi A, Nitsch L. Funikuläre Myelose und Polyneuropathie durch Lachgasinhalation – eine Differenzialdiagnose des Guillain-Barré-Syndroms. Nervenarzt. 2023 Oct;94(10):951-955. German. doi: 10.1007/s00115-023-01443-1. Epub 2023 Feb 17. PMID: 36799957; PMCID: PMC10575797.
    • [3] De Halleux C, Juurlink DN. Diagnosis and management of toxicity associated with the recreational use of nitrous oxide. CMAJ. 2023 Aug 21;195(32):E1075-E1081. doi: 10.1503/cmaj.230196. PMID: 37604519; PMCID: PMC10442242. https://www.cmaj.ca/content/195/32/E1075

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V., 22.3.2024

  • Pregabalin und Gabapentin in Kombination mit anderen Drogen

    Die Suchtgefahr von Pregabalin ist bekannt. Aufgrund der entspannenden und euphorisierenden Wirkung wird Pregabalin (sowie auch Gabapentin) zunehmend als Droge missbraucht. Unheilvoll wird die Einnahme zusammen mit anderen Drogen, die Zahl der Pregabalin- und Gabapentin-assoziierten Todesfälle hat laut einer aktuellen Auswertung aus Großbritannien zugenommen, und ein entsprechender Anstieg ist auch in Deutschland zu vermuten. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) warnt vor dem missbräuchlichen Medikamentenkonsum und diskutiert eine BtM-Pflicht für die Substanzen.

    Pregabalin ist ein Medikament, das häufig zur Behandlung der Epilepsie eingesetzt wird und dort zur Standardtherapie gehört. Auch bei schweren Angststörungen und neuropathischen Schmerzen kommt es häufig zum Einsatz. Das Medikament ist per se nicht gefährlich, kann aber zu einer Abhängigkeit führen, da es entspannend und euphorisierend wirkt. Daher wird es zunehmend auch als Droge missbraucht und dann in hohen, die normale Dosierung übersteigenden Mengen eingenommen.

    Besonders problematisch wird die Substanz in Kombination mit Drogen wie Opioiden und Benzodiazepinen und/oder Alkohol. „Daraus kann schnell ein tödlicher Cocktail entstehen“, mahnt DGN-Generalsekretär Prof. Dr. Peter Berlit. „Der Mischkonsum kann den Effekt der Drogen verstärken, außerdem auch zu lebensbedrohlichen Vergiftungen führen, mitunter auch zu Ateminsuffizienz und Tod. Leider ist davon auszugehen, dass diese Fälle zunehmen.“

    Von Missbrauch betroffen ist auch ein weiteres Medikament, Gabapentin, das ebenfalls zur Schmerztherapie und Therapie epileptischer Anfälle eingesetzt wird. Da es anders verstoffwechselt wird, galt es als sicherer und wurde oftmals als Alternative zu Pregabalin verschrieben. Allerdings wird es von drogenabhängigen Menschen intravenös oder rektal verwendet, was Rauschzustand und Toxizität deutlich erhöht.

    Eine behördliche Auswertung der Todesdaten aus Großbritannien [1] zeigte, dass im Jahr 2022 insgesamt 552 Todesfälle auf den Konsum von Gabapentin oder Pregabalin in Kombination mit anderen Drogen zurückgeführt werden konnten, 2018 waren es nur 272. Eine aktuelle Arbeit aus Nordirland [2] berichtet, dass Pregabalin-assoziierte Todesfälle vor allem bei Männern im Alter zwischen 30 und 40 Jahren beobachtet werden, aber die Fallzahl auch bei Frauen ansteigt. Bei 80 Prozent der Betroffenen war ein vorhergehender Drogenkonsum bekannt. Eine weitere Erkenntnis aus dieser Studie: Die letale Dosis scheint geringer zu sein, als bislang angenommen wurde.

    Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hat bereits 2020 in ihrem Informationsblatt „Arzneiverordnung in der Praxis“ [3] vor der Gefahr der Pregabalin-Abhängigkeit gewarnt und berichtete über einen sechsprozentigen Anstieg der Verordnungszahlen im Jahr 2018 gegenüber dem Vorjahr. Wie die Kassenärztliche Vereinigung Bremen bekannt gab [4], hat die Anzahl der Verordnungen in den letzten Jahren stark zugenommen, laut Arzneiverordnungsreport 2020 von 37 Mio. DDD in 2008 vs. 117 Mio. DDD in 2019. Die Ärzteschaft wurde über die Gefahren informiert und aufgefordert, bei Verschreibung genau zu prüfen, ob eine Abhängigkeit bzw. Koabhängigkeit von anderen Substanzen vorliegt, und die Patientinnen und Patienten über die Gefahren aufzuklären. Inzwischen sind entsprechende Warnhinweise auch in der Fachinformation nachzulesen.

    „Neurologinnen und Neurologen nehmen diese Verantwortung ernst, dennoch können sie einen Missbrauch nicht immer ausschließen“, erklärt Prof. Berlit. Pregabalin und Gabapentin seien unverzichtbare Medikamente bei der Behandlung neurologischer Krankheiten, für die bei vielen Indikationen keine wirksamen Therapiealternativen zur Verfügung stünden. Ein Verbot der Medikamente ist daher aus Sicht der neurologischen Fachgesellschaft keine Option. „Es müssen Auflagen für die Verordnung wie eine BtM-Pflicht diskutiert werden, so dass eine höhere Kontrolle gewährleistet ist und der Missbrauch erschwert wird“, erklärt Prof. Berlit.

    Literatur:

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V., 26.3.2024

  • Weiterbildung zur / zum Suchttherapeut:in jetzt auch in der Fachrichtung Systemische Therapie möglich

    Nachdem die Systemische Therapie im November 2019 als Richtlinienverfahren anerkannt wurde, legte die Deutsche Gesellschaft für Weiterbildung in der Suchttherapie gGmbH (DGWS) den Gremien der DRV / GKV im Dezember 2022 ein Curriculum der Weiterbildung zur / zum Suchttherapeut:in systemisch vor. Der Prüfprozess ist nun erfolgreich abgeschlossen und das Curriculum seit 18.03.2024 von den Leistungsträgern anerkannt. Die DGWS bietet nunmehr die erste von der Deutschen Rentenversicherung und der Gesetzlichen Krankenversicherung zur Anerkennung empfohlene Weiterbildung zur / zum Suchttherapeut:in auf systemischer Grundlage an.

    Staatlich anerkannte Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen sowie Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen und Ärzt:innen können sich ab sofort auf der Website der DGWS (https://suchttherapie-weiterbildung.de) zum ersten Kurs der Weiterbildung zur / zum Suchttherapeut:in – systemisch anmelden. Der Kurs startet am 18.11.2024 in Schallstatt (in unmittelbarer Nähe zu Freiburg). Das Curriculum sowie Informationen über die Zugangsvoraussetzungen und Konditionen der systemischen Weiterbildung Suchttherapie werden in Kürze auf der Homepage eingestellt.

    Corinna Mäder-Linke, Geschäftsführerin der DGWS, freut sich über die Anerkennung des systemischen Curriculums: „Die DGWS möchte mit dem neuen Angebot der systemischen Weiterbildung die Vielfalt der Verfahren und Methoden in der Behandlung von Menschen mit Substanzkonsumstörungen und Verhaltenssüchten unterstützen, sowohl in den Mitgliedseinrichtungen des Bundesverbandes Suchthilfe e. V., der der Gesellschafter der DGWS ist, als auch darüber hinaus. Durch die qualitativ hochwertige Weiterbildung von Fachkräften leistet die DGWS einen wertvollen Beitrag, um das Angebot der medizinischen Rehabilitation auch in Zukunft auf hohem fachlichen Niveau zu garantieren.“

    Über die DGWS

    Die Deutsche Gesellschaft für Weiterbildung in der Suchttherapie gGmbH (DGWS) mit Sitz in Kassel führt seit Oktober 2021 die von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) und der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) anerkannte dreijährige, berufsbegleitende Weiterbildung für Gruppen- und Einzeltherapeut:innen im Tätigkeitsfeld der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker (Weiterbildung zur / zum Suchttherapeut:in) in der psychoanalytischen und verhaltenstherapeutischen Fachrichtung durch. Jedes Jahr werden in mehr als zehn parallellaufenden Kursen an verschiedenen Standorten Deutschlands Mitarbeitende aus ambulanten, ganztägig ambulanten und stationären Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen oder der ambulanten Nachsorge für eine Tätigkeit als Einzel- und Gruppentherapeut:in qualifiziert.

    Der Gesellschafter der DGWS, der Bundesverband Suchthilfe e. V., vertritt ca. 170 stationäre und ganztägig ambulante Einrichtungen mit ca. 7.000 Plätzen zur Behandlung und Betreuung von Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung sowie 26 Suchtberatungsstellen und Einrichtungen der Ambulanten medizinischen Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen (ARS).

    Pressemitteilung der DGWS, 26.03.2024

  • Zuhause im eigenen Körper

    Beltz Verlag, Weinheim 2023, 2., vollständig überarbeitete Auflage, 227 Seiten mit Online-Material, 26,00 €, ISBN 978-3-621-29023-4

    Ein guter Kontakt zum eigenen Körper ist grundlegend für die körperliche und psychische Gesundheit und Lebensqualität. Sabine Ecker beschreibt ressourcenorientiert und therapeutisch fundiert, wie man sich in seinem Körper wohler und „zu Hause“ fühlen kann. Themen sind dabei auch chronischer Schmerz, Sexualität und Traumata – Bereiche, in denen ein körperorientierter Zugang oft besonders hilfreich ist und neue Lösungsmöglichkeiten eröffnet.

    Aus dem Inhalt:
    Körperwahrnehmung schulen • Gewahrsein im Alltag • Atmung • Wohlgefühl: Anspannung und Entspannung • Körperhaltung • Liebevolle Zuwendung zum Körper • Sexualität • Traumata

  • Wie Stress das Verlangen nach Alkohol beeinflusst

    Stress ist ein bedeutender Auslöser für übermäßigen Alkoholkonsum und Rückfälle bei Personen mit Alkoholabhängigkeit. Doch wie genau wirkt sich Stress auf das Verlangen nach Alkohol aus und welche neurobiologischen Prozesse spielen dabei eine Rolle? Eine neue Studie, veröffentlicht in der aktuellen Ausgabe von „Biological Psychiatry“, wirft Licht auf diese Fragen und hebt die Rolle der Insula als Schlüsselregion bei der Stressreaktion und dem Alkoholverlangen hervor.

    Die von Forschenden des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim durchgeführte randomisierte, kontrollierte Neuroimaging-Studie hat die Auswirkungen von Stress auf die neuronale Reaktivität auf Alkoholreize und das Suchtverhalten untersucht. Dabei wurden 98 Personen mit Alkoholproblemen untersucht. Die Studie nutzte funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI), um die Gehirnaktivität zu messen, nachdem die Teilnehmenden psychosozialem Stress, körperlichem Belastungsstress oder Kontrollbedingungen ausgesetzt waren. Zudem wurden das Alkoholverlangen und der Spiegel des Stresshormons Cortisol ermittelt. Während einer zwölfmonatigen Nachbeobachtungsphase haben die Forschenden zusätzlich Daten zum Alkoholkonsum erfasst.

    Insula-Aktivierung bei psychosozialem Stress

    Die Ergebnisse zeigten, dass psychosozialer Stress eine erhöhte Aktivierung der linken Insula auslöste, einer Gehirnregion, die mit der Verarbeitung von Belohnungsreizen und emotionalen Reizen verbunden ist. Diese stressinduzierte Aktivierung zeigte sich im Gehirn der Teilnehmenden spezifisch beim Betrachten von Bildern mit Alkohol und nicht bei neutralen Bildern. Zudem korrelierte die Aktivierung in der Insula mit einem verstärkten Alkoholverlangen und einem erhöhten Alkoholkonsum bei den Teilnehmenden. Interessanterweise war diese Sensibilisierung der Insula-Aktivierung nur in der Gruppe, die dem psychosozialen Stress ausgesetzt war, zu beobachten.

    „Diese Ergebnisse unterstreichen den signifikanten Einfluss, den psychosozialer Stress auf neuronale Reaktionen nach Alkoholreizen und das anschließende Suchtverhalten hat“, sagt Privatdozent Dr. Dr. Patrick Bach, Leiter der Arbeitsgruppen Neuroenhancement und Verhaltenssüchte am ZI. Frühere neurowissenschaftliche Studien haben die Insula bereits mit dem Rauchverlangen in Verbindung gebracht. Nun hat sich gezeigt, dass sie auch beim Alkoholverlangen eine zentrale Rolle spielt, insbesondere unter psychosozialen Stressbedingungen.

    Präzisionsmedizinischer Ansatz für stressbedingtes Trinken

    Die neue Studie trägt dazu bei, die neurobiologischen Grundlagen von Alkoholabhängigkeit besser zu verstehen. „Unsere Ergebnisse können für die Entwicklung von neuen Behandlungen interessant sein, insbesondere um einen präzisionsmedizinischen Ansatz für stressbedingtes Trinken zu finden“, sagt Dr. Bach. Das Wissen um die Rolle der Insula könnte auf diese Weise die Entwicklung gezielterer Therapien ermöglichen, die die zugrundeliegenden neuronalen Mechanismen bei stressbedingtem Trinken beeinflussen.

    Originalpublikation:
    Patrick Bach et al.: Stress-Induced Sensitization of Insula Activation Predicts Alcohol Craving and Alcohol Use in Alcohol Use Disorder. Biological Psychiatry, Volume 95, Issue 3, 1 February 2024, Pages 245-255. doi: 10.1016/j.biopsych.2023.08.024

    Pressestelle des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI), 8.2.2024