Autor: Simone Schwarzer

  • Ratgeber Glücksspielsucht

    Hogrefe Verlag, Göttingen 2023, 65 Seiten, 8,95 €, ISBN 978-3-8017-3166-3

    Der Ratgeber Glücksspielsucht bietet Betroffenen und Angehörigen erste Selbsthilfemöglichkeiten und klärt über das Krankheitsbild und Behandlungsmöglichkeiten auf. Die Informationen helfen dabei, die Krankheit besser zu verstehen, und das Buch kann daher auch begleitend zur Behandlung eingesetzt werden.

    Der Ratgeber bietet zunächst allgemeine Informationen rund um das Thema Glücksspiel bzw. Glücksspielsucht und die verschiedenen Formen des Glücksspiels sowie deren suchtfördernde Merkmale. Die Entstehung und Aufrechterhaltung der Glücksspielsucht wird anhand eines 3-Phasenmodells beschrieben und durch Prozesse der klassischen und operanten Konditionierung, der Toleranzentwicklung und durch das Phänomen des Suchtgedächtnisses erklärt.

    Betroffene und Angehörige erfahren, welche Anlaufstellen und Hilfsangebote es gibt. Die Schwerpunkte einer verhaltenstherapeutischen Behandlung bei Glücksspielsucht werden aufgezeigt: Die Bearbeitung dysfunktionaler Kognitionen, Rückfallprävention und Geldmanagement. Anhand von Fallbeispielen und mithilfe von Arbeitsblättern wird veranschaulicht, wie Betroffene ihre dysfunktionalen Kognitionen in Bezug auf das Glücksspiel identifizieren, persönliche Risikosituationen und Notfallstrategien zur Rückfallprävention erarbeiten und einen Überblick über ihre finanzielle Situation erlangen können.

  • Drug-Checking. Was die Laboranalyse leisten kann

    Illegale Drogen vor dem Konsum überprüfen: Nach Modellprojekten gestattet es der Bund den Ländern jetzt per Gesetz, solche Drug-Checkings einzuführen. Wie funktioniert die anonyme Analyse? Und welchen Einfluss hat sie auf den Konsum?

    Am 17. Oktober wurde im Deutschlandfunk ein gut recherchierter Beitrag (Autorin: Marlene Halser) zum Thema Drug-Checking gesendet, der auf der Website des Senders zum Nachhören zur Verfügung steht:

    https://www.deutschlandfunk.de/drug-checking-was-die-laboranalyse-von-illegalen-drogen-leisten-kann-dlf-5c3a54a3-100.html

    Quelle: Deutschlandfunk, Sendung Hintergrund, 17.10.2023

  • Filmstart: ONE FOR THE ROAD

    Am 26. Oktober startet der Kinofilm ONE FOR THE ROAD. Frederick Lau und Nora Tschirner spielen die Hauptrollen in einem lässigen Film über die schwerwiegenden Gefahren im alltäglichen Umgang mit Alkohol.

    In einer Welt, in der es eher einen Grund braucht, um nicht zu trinken, ist Mark (Frederick Lau) der ungekrönte König. Scheinbar spielend jongliert er sein Leben zwischen einem fordernden Job als Bauleiter einer Berliner Großbaustelle, ausgelassenen Geschäftsessen und ausufernden Streifzügen durch das Berliner Nachtleben. Als er eines Nachts im Rausch sein Auto umparken will, passiert es: Polizeikontrolle, Lappen weg, MPU am Hals.

    Mark wettet mit seinem besten Freund Nadim (Burak Yiğit), dass er es schafft, so lange keinen Alkohol zu trinken, bis er seinen Führerschein wiederbekommt. Als Mark im MPU-Kurs Helena (Nora Tschirner) kennenlernt, findet er in ihr seine Verbündete. Ist er sich anfangs noch sicher, dass sein Vorhaben ein Spaziergang wird, stellt sich die Wette immer mehr als ein langer, steiniger, oftmals durchaus lustiger, aber manchmal auch wirklich harter Weg heraus. Wie gibt man vertraute Gewohnheiten auf und gesteht sich ein, dass man ein echtes Problem hat? Der Weg zurück zum eigenen Selbst ist alles andere als leicht …

    ONE FOR THE ROAD erzählt von Ausgelassenheit und Kontrolle, von Einsamkeit und Freundschaft – und von dem langen Weg, zu erkennen, was wirklich wichtig ist. Die Hauptrollen spielen Frederick Lau und Nora Tschirner. An ihrer Seite zu sehen sind Burak Yiğit, Friederike Becht, Godehard Giese und Nina Kunzendorf u.v.m. Das Drehbuch schrieb Oliver Ziegenbalg, und Markus Goller führte Regie – wie schon bei ihren vorherigen gemeinsamen Filmen „25 km/h“ und „Friendship!“.

    Berliner Nachtleben statt Betroffenheitsdrama

    ONE FOR THE ROAD beleuchtet das Thema Alkoholabhängigkeit, ohne ein Betroffenheitsdrama zu erzählen. Die Story ist irre lustig, zieht den Zuschauer:innen im Verlauf aber den Boden unter den Füßen weg, ist also auch so ernst, wie ein Film über Alkoholabhängigkeit sein muss. Diese Balance zu halten, diese Gratwanderung zu beschreiten, war die größte Herausforderung. Oliver Ziegenbalg und Markus Goller haben sie mit Verve gemeistert. Bei ONE FOR THE ROAD war es ihnen wichtig, auf der einen Seite unglaublich unterhaltsam zu sein, auf der anderen Seite ein relevantes Sujet ernsthaft zu behandeln.

    „Das ist natürlich eine heikle Aufgabe, ein Ritt auf der Rasierklinge“, sagt Oliver Ziegenbalg. „Aber wir glauben, dass wir es hinbekommen haben und somit mehrere Fliegen mit einer Klappe erledigen konnten, eine Story zu liefern, die die Menschen nachdenklich stimmt, die eine Bedeutung hat und trotzdem wahnsinnig Spaß macht und Entertainment bietet.“

    Die Idee zu ONE FOR THE ROAD spukte Oliver Ziegenbalg schon viele Jahre im Kopf herum. Der Auslöser war ein Abendessen mit Freunden: „Das liegt sicherlich schon über zehn Jahre zurück. Eine gemütliche Runde, abends, unter der Woche. Da ist mir aufgefallen: Wahnsinn, um zwölf sind wir alle besoffen, obwohl wir am nächsten Tag arbeiten müssen. Und keinem von uns wäre es in den Sinn gekommen zu hinterfragen, ob jemand am Tisch ein Alkoholproblem haben könnte.“

    Dieses gesellschaftliche Phänomen, dass alle trinken und niemand ein Problem hat, wollte Ziegenbalg näher untersuchen. Vor allem den Aspekt, was passiert, wenn sich innerhalb einer Freundesclique herauskristallisiert, dass doch jemand ein Problem mit Alkohol hat. „Dann heißt es: Klar, das war ja offensichtlich, dass der- oder diejenige immer viel zu oft zu tief ins Glas geguckt hat. Doch als betroffene Person innerhalb der Clique sieht man nicht, auf was man zusteuert. Ich habe viele Jahre genauso gelebt, war fester Bestandteil einer solchen Gruppe und hätte nie gedacht, dass ich ein Problem haben könnte, obwohl ich damals definitiv zu viel Alkohol getrunken habe“, erzählt der Drehbuchautor.

    „Das Thema Alkohol ist überall“, stellt Regisseur Markus Goller fest. „Auch wenn man selbst nicht direkt betroffen ist, kennt jeder im Bekannten- oder Freundeskreis oder im weiteren Umfeld jemanden, der zu viel trinkt. Es ist unglaublich, seit wir mit dem Stoff unterwegs sind und mit Menschen darüber sprechen: Jeder weiß etwas dazu, aus eigenen Erfahrungen, aus der Familie oder von Freunden …“

    Das schönste Zitat zur Diagnose eines Alkoholproblems liefert Filmfigur Helena:

    „Ich bin kein Life-Coach: Aber wenn man sich aus einem Toilettenfenster quetschen muss, nur um seinem besten Freund nicht zu begegnen, ist ein gewisses Niveau unterschritten.“

    Am 26. Oktober 2023 startet ONE FOR THE ROAD bundesweit in den deutschen Kinos!

    Quelle: Deutsches Presseheft zum Filmstart

  • Positive und negative Glaubenssätze

    Beltz Verlag, Weinheim 2023, 80 Therapiekarten mit 40 positiven und 40 negativen Glaubenssätzen, 34,00 €

    Glaubenssätze sind Überzeugungen oder Annahmen, die Menschen über sich selbst, andere oder die Welt haben. Sie sind tief verwurzelt und beeinflussen unser Denken, Fühlen und Handeln. Glaubenssätze können positiv oder negativ sein und durch Erfahrungen, Erziehung oder Kultur geprägt werden. An diesen grundlegenden Kognitionen anzusetzen und negative Überzeugungen in positive, funktionale Überzeugungen zu wandeln („Ich bin wertvoll“ statt „Ich bin nicht gut genug“), ist wichtiger Teil des therapeutischen Prozesses. Die 80 Karten dieses Sets bieten durch die klare Visualisierung von jeweils 40 positiven und negativen Grundannahmen viele praktische Möglichkeiten, um mit Klient:innen daran zu arbeiten.

  • Synthetische Opioide auf dem europäischen Drogenmarkt

    Synthetische Opioide auf dem europäischen Drogenmarkt

    Prof. Dr. Heino Stöver ©B. Bieber Frankfurt UAS

    Dem Europäischen Drogenbericht 2022 zufolge ist Heroin zwar nach wie vor das am häufigsten konsumierte illegale Opioid in Europa und die Droge, die für die meisten drogenbedingten Todesfälle verantwortlich ist. Doch geben synthetische Opioide im Hinblick auf das Drogenproblem in Europa zunehmend Anlass zur Sorge.

    Synthetische Opioide werden im Gegensatz zu Opiaten (Morphin) und halbsynthetischen Opioiden (Heroin) vollständig aus Chemikalien synthetisiert. Sie sind mit pharmazeutischen Grundkenntnissen leicht herzustellen. Es handelt sich um Substanzen mit einer schmerzlindernden Wirkung, die der von Heroin und Morphin ähnelt. Die Wirkung ist allerdings viel stärker und potenter als die von Heroin und Morphin, sodass das Risiko einer Überdosierung höher ist.

    Synthetische Opioide werden in der Medizin häufig zur Behandlung starker Schmerzen sowie bei der Palliativversorgung eingesetzt. Es gibt zwei separate Lieferketten für synthetische Opioide, die auf den unterschiedlichen Drogenmärkten verkauft werden: Abzweigung und Missbrauch innerhalb der legalen Lieferkette der medizinischen und veterinärmedizinischen Versorgung sowie Synthetisierung der synthetischen Opioide in illegalen Laboren für die illegale Lieferkette.

    Fentanylderivate sind laut Europäischem Drogenbericht aufgrund der zentralen Rolle, die sie im nordamerikanischen Opioid-Problem spielen, besonders besorgniserregend. Weiter heißt es, es gebe jedoch auch Anzeichen dafür, dass in einigen Ländern andere synthetische Opioide vorherrschend bei den Drogenproblemen sein könnten. Die derzeitigen Überwachungssysteme dokumentierten die Trends des Konsums von synthetischen Opioiden möglicherweise nicht ausreichend, die Beobachtungskapazitäten müssten verbessert werden (Europäischer Drogenbericht 2022, S. 36).

    Weiter heißt es im Europäischen Drogenbericht, dass in Europa in den Jahren 2020 und 2021 keine neuen Fentanylderivate nachgewiesen wurden, in diesem Zeitraum jedoch 15 neue synthetische Opioide entdeckt wurden, die nicht unter die Regelung zur Kontrolle von Fentanylderivaten fallen. Dazu gehörten neun potente Benzimidazol-Opioide. Hergestellt worden seien z. B. gefälschte Arzneimittel wie Oxycodon-Tabletten, die erwiesenermaßen potente Benzimidazol-Opioide enthalten. Auch gefälschte Xanax- und Diazepam-Tabletten mit neuen Benzodiazepinen wurden sichergestellt. Die Konsumierenden könnten, ohne es zu wissen, starken Substanzen ausgesetzt sein, die das Risiko tödlicher oder nicht tödlicher Überdosierungen erhöhen können (Europäischer Drogenbericht 2022, S. 38).

    Toolkit für das Gesundheitswesen

    Das europäische Forschungsprojekt „Stärkung der Reaktionsbereitschaft von Gesundheitssystemen auf den potenziellen Anstieg der Prävalenz und des Konsums von synthetischen Opioiden“ (Strengthening Synthetic Opioids Health Systems‘ Preparedness to respond to the Potential Increases in Prevalence and Use of Synthetic Opioids) hat ein Toolkit mit Schlüsselstrategien zur Bekämpfung der mit synthetischen Opioiden verbundenen negativen Folgen (SO-PREP) entwickelt. Ziel des Projektes ist, den Verantwortlichen im öffentlichen Gesundheitswesen Angebote, Informationen und praktische Hilfen an die Hand zu geben, um den spezifischen Herausforderungen im Umgang mit synthetischen Opioiden zu begegnen. Das Toolkit enthält Empfehlungen und Anleitungen zu sieben Schlüsselstrategien:

    1. Frühwarnsysteme
    2. Internet-Monitoring
    3. E-Health
    4. Drug-Checking
    5. Drogenkonsumräume
    6. Naloxon
    7. Opioid-Agonisten-Therapie

    Frühwarnsysteme

    Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) und die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden (Europol) arbeiten seit 1997 mit Unterstützung der EU-Mitgliedstaaten, der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) und der Europäischen Kommission (EK) zusammen, um das Risiko neu aufkommender Drogen auf dem europäischen Drogenmarkt zu überwachen und zu bewerten und ein Frühwarnsystem einzurichten. Ende 2020 überwachte die EBDD rund 830 Neue psychoaktive Substanzen (NPS), von denen 67 zu den synthetischen Opioiden gehörten. Doch in vielen europäischen Ländern gibt es Defizite beim zeitnahen Austausch aktueller Informationen. Daher besteht die größte Herausforderung darin, die Zusammenarbeit sowie die systematische Datenerfassung und den Informationsaustausch zwischen allen relevanten Partnern sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene zu stärken (vgl. Abbildung 1). Für einen schnellen Datenaustausch werden nationale Datenbanken und digitale Plattformen benötigt. Auch die Koordination, Implementierung und Evaluierung von Daten sowie die Berichterstattung darüber sollten für ein funktionierendes Frühwarnsystem zu synthetischen Opioiden optimiert werden.

    Abb. 1: Voraussetzungen für ein funktionierendes Frühwarnsystem

    Internet-Monitoring

    Die Überwachung im Internet beinhaltet das Monitoring von Daten zu

    • Suchverhalten
    • Austausch über Drogen
    • Nutzererfahrungen
    • Drogenmärkte und Drogenangebot

    sowohl im Clearnet (öffentliches Internet) als auch im Deep-Web (nur mit Anonymisierungssoftware zugängliches Web, darunter das Darknet). Für den Handel mit synthetischen Opioiden werden Kanäle wie Google Trends, Instagram, Twitter, Facebook, Chatrooms, Kryptomärkte sowie Diskussionsforen im Clearnet und Darknet genutzt. Mithilfe eines Online-Monitorings können Mechanismen innerhalb dieser Plattformen sowie die Entwicklung von Angebot und Nachfrage überwacht werden. Das liefert Erkenntnisse, die durch traditionellere Forschungsmethoden wie z. B. Umfragen nicht gewonnen werden können.

    E-Health

    Obwohl das Forschungsinteresse zu E-Health-Angeboten bei Substanzstörungen in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat, sind digitale Informations- und Kommunikationstechnologien wie Telemedizin und Apps für Drogenkonsumierende noch relativ begrenzt. Realisierbar sind geeignete E-Health-Maßnahmen für die drei Säulen der Drogenpolitik

    • Prävention,
    • Therapie und
    • Schadensminimierung.

    Wie wirksam digitale Präventionsmaßnahmen für Konsumierende von synthetischen Opioiden sein können, zeigt das finnische Online-Portal Päihdelinkki (https://paihdelinkki.fi/) mit seinem Informationsangebot zu Drogenkonsum und Drogenentwöhnung. E-Health-Apps können als alternativer Ansatz genutzt werden, um Klient:innen zu einer Therapie zu bewegen und langfristig zu motivieren. In der Telemedizin ist MySafeRx (https://www.c4tbh.org/program-review/mysaferx/) eine Plattform für Mobilgeräte, die Text- und Videokommunikation anbietet und es den Patient:innen ermöglicht, ein Medikament unter Aufsicht einzunehmen.

    E-Health-Angebote können nicht nur den Zugang zu bereits existierenden Maßnahmen wie Drug-Checking und Drogenkonsumräumen vereinfachen, sondern auch den Weg für neue, innovative Methoden der Schadensminimierung ebnen. So bietet die app-gestützte Begleitung von Konsumierenden via Telefonbetreiber oder Biofeedback eine Art virtuellen Drogenkonsumraum, in dem sich die Drogengebraucher:innen sicherer fühlen können.

    Drug-Checking

    Drug-Checking ist ein Angebot an Drogenkonsumierende. Anonym können sie Proben von illegal erworbenen Drogen chemisch analysieren lassen, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen. Sobald die Ergebnisse der Analyse vorliegen, werden die Informationen zu den Inhaltsstoffen und zur Reinheit der Drogenprobe übermittelt. In der Regel gehören Hinweise zur Schadensminimierung, eine Beratung und Kurzinterventionen zu dem Angebot dazu. In Deutschland ist Drug-Checking inzwischen durch Träger der Jugend- und Drogenhilfe in Kooperation mit zur Betäubungsmittelanalyse befähigten Laboren rechtlich abgesichert. Der Deutsche Bundestag hat am 23. Juni 2023 im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) die gesetzlichen Grundlagen für das Drug-Checking-Modellvorhaben geschaffen. Das im BtMG verankerte Verbot von Drug-Checking in Drogenkonsumräumen wurde aufgehoben. Berlin macht seit April 2023 erste Erfahrungen in einem Modellprojekt. Hessen und Baden-Württemberg wollen folgen, andere Bundesländer beraten noch.

    Da der illegale Drogenmarkt äußerst dynamisch ist, müssen Drug-Checking-Dienste sich kontinuierlich weiterentwickeln, um neuen Bedrohungen wie synthetischen Opioiden gewachsen zu sein. Möglich sind sowohl stationäre Angebote an festen Standorten als auch mobile Angebote, z. B. bei Festivals oder großen Partys. Um mit Drug-Checking gute Ergebnisse zu erzielen, empfehlen sich Handlungsleitfäden. Darin sollten die Zuständigkeiten des Personals, die Qualitätsanforderungen und vor allem die standardmäßigen Schutz- und Sicherheitsvorschriften beim Umgang mit Drogenproben, insbesondere mit hochpotenten Substanzen wie Fentanyl und seinen Analoga, beschrieben werden. Die Laborergebnisse aus dem Drug-Checking können wichtige Informationen für das Frühwarnsystem liefern.

    Drogenkonsumräume

    Seit 1986 wirken sich Drogenkonsumräume positiv auf Gesundheit und Lebensqualität drogenkonsumierender Menschen aus. Hinsichtlich Prävention und Intervention haben sie eine Schlüsselrolle. Sie bieten eine überwachte, hygienische und sichere Umgebung für den Konsum – auch von synthetischen Opioiden. Mitarbeitende klären über Substanzen und sichere Konsumpraktiken auf. Sie entwickeln Strategien für den Umgang mit Überdosierungen und setzen diese um. So tragen Drogenkonsumräume dazu bei, die Selbstfürsorge und Selbstregulierung von Konsumierenden zu verbessern.

    Bei einem starken Anstieg des SO-Konsums müssen die Maßnahmen, Ressourcen und Regelungen in Drogenkonsumräumen angepasst werden. Die Mitarbeitenden müssen sich zusätzliches Fachwissen und Kompetenzen aneignen, um die Sicherheit zu fördern. Fentanyl und andere synthetische Opioide, die zum Strecken von Substanzen verwendet werden, können nicht nur in Opioiden, sondern auch in Stimulanzien vorkommen. Wichtig ist auch, dass Kenntnisse über die Risiken verschiedener Substanzkombinationen vermittelt werden.

    Mitarbeitende der Drogenkonsumräume können für das Frühwarnsystem Echtzeit-Daten zur Überwachung des Drogenmarktes liefern. So können Konsumierende, Anbieter von Diensten zur Schadensminimierung, Fachleute des öffentlichen Gesundheitswesens, Wissenschaftler:innen und Strafverfolgungsbehörden zeitnah über hochpotente oder verunreinigte Drogenchargen informiert und davor gewarnt werden.

    Naloxon

    Der Konsum hochpotenter synthetischer Opioide kann sehr schnell und völlig unvorhergesehen zu einer lebensbedrohlichen Überdosierung, irreversiblen gesundheitlichen Schäden und zum Tode führen. Naloxon ist ein einfacher und sicherer selektiver Opioidrezeptor-Antagonist, der die Wirkung eines Opioids am Rezeptor blockiert und dadurch die Intoxikation aufhebt. Das synthetische Opioid Fentanyl ist schätzungsweise 100-mal stärker als Morphium. Eine Dosis von zwei Milligramm reicht bereits aus, um einen erwachsenen Menschen zu töten. Angesichts dieser Wirkstärke ist eine viel höhere Naloxondosis erforderlich, um eine Überdosis von synthetischen Opioiden zu bekämpfen, als z. B. bei einer Heroinüberdosis.

    Naloxon muss breiter verfügbar gemacht werden, da es eine der Schlüsselstrategien zum Schutz vor der wachsenden Bedrohung durch synthetische Opioide ist (siehe hierzu das Positionspapier „Naloxon rettet Leben. Empfehlungen zu Take-Home-Naloxon“). Bisher ist das Medikament in Deutschland rezeptpflichtig. Doch sollte es rezeptfrei erhältlich sein oder zumindest von entsprechend befugten Drogendiensten rezeptfrei abgegeben werden. Es ist wichtig, dass Fachkräfte und Laien wie z. B. Drogenkonsumierende in Schulungen lernen, wie sie im Fall einer Überdosis reagieren sollten und wie das Naloxon zu verabreichen ist. Besonders wichtig sind dabei Peer-to-Peer-Programme.

    Die Peer-Schulungen zum Umgang mit Opioidüberdosierungen können Folgendes beinhalten:

    • Ursachen und Risikofaktoren für eine Überdosierung
    • Erkennen von Anzeichen und Symptomen einer Überdosierung (einschließlich der Unterschiede zwischen einer Überdosierung durch Stimulanzien, Heroin, Fentanyl oder andere synthetische Opioide)
    • Begutachtung und Behandlung von Betroffenen
    • adäquate lebenswichtige Unterstützung, einschließlich Wiederbelebung und Beatmung
    • Informationen zur Wirkung von Naloxon
    • Nebenwirkungen und Überwachung nach der Verabreichung von Naloxon
    • mögliches Risiko aggressiven Verhaltens
    • häufige Fehlannahmen zur Überdosisprävention
    • rechtlicher Rahmen zum Umgang mit Naloxon für die Zielgruppen: Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen und der Strafverfolgung (Polizei)

    Auch sollte sichergestellt sein, dass Naloxon Ersthelfer:innen wie Polizei oder Krankenwagenpersonal und in Notaufnahmen zur Verfügung steht und angemessen eingesetzt wird.

    Opioid-Agonisten-Therapie

    Mit der Opioid-Agonisten-Therapie (OAT) – auch Opioid-Substitutionstherapie (OST) bzw. medikamentengestützte Therapie genannt – werden Opioidabhängige behandelt. Zwei der am häufigsten verwendeten Medikamente sind Methadon und Buprenorphin. Diese morphinähnlichen Substanzen wirken wie natürliche Opiumextrakte. Sie werden je nach Bedarf der behandelten Person für kurze oder lange Behandlungszeiträume verschrieben. Die Therapie hat dann die größte Aussicht auf Erfolg, wenn sie mit Maßnahmen wie Beratung, soziale Unterstützung, Überwachung des Substanzkonsums sowie Aufklärung und Rückfallprävention kombiniert wird.

    Zu den operativen Risiken der OAT für Menschen, die synthetische Opioide konsumieren, gehören Rückfälle, Abzweigung und Missbrauch der Medikamente sowie Überdosierungen. Bei der Umsetzung der OAT für Konsumierende von synthetischen Opioiden sind eine routinemäßige Kontrolle und Evaluierung, qualifiziertes ärztliches Personal und Take-Home-Medikation wichtig. Gleichzeitig muss auf schwere Infektionskrankheiten und die Lebensqualität der behandelten Personen geachtet werden. Ein gut funktionierendes OAT-System kann einen wirksamen Schutzmechanismus im Kampf gegen den illegalen Opioidmarkt bieten. Die OAT ist nach wie vor der wichtigste Ansatz zur Behandlung von Konsumstörungen im Zusammenhang mit Opioiden und synthetischen Opioiden.

    Fazit

    Um die komplexen Herausforderungen im Kontext von synthetischen Opioiden zu bewältigen, reichen ein einzelner Ansatz sowie herkömmliche Maßnahmen nicht aus. Neue und innovative Ansätze wie Drug-Checking, E-Health und Internet-Monitoring sind notwendig, um etablierte Maßnahmen wie die OAT zu ergänzen. Da jede Maßnahme ihre Schwachstellen hat, liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Kombination und Integration verschiedener Ansätze.

    Anmerkung des Autors: Für die textliche Unterstützung danke ich Wissenschaftsjournalistin Ursula Katthöfer (textwiese.com) sehr herzlich.

    Kontakt:

    Prof. Dr. Heino Stöver, Dr. Babak Moazen
    Frankfurt University of Applied Sciences
    Institut für Suchtforschung (ISFF)
    hstoever(at)fb4.fra-uas.de

    Angaben zum Autor:

    Prof. Dr. Heino Stöver leitet den Studiengang „Suchttherapie und Sozialmanagement in der Suchthilfe“ des Instituts für Suchtforschung (ISFF) an der Frankfurt University of Applied Sciences.

    Literatur:
    • Institut für Suchtforschung an der FRA-AUS (ISFF) und akzept e.v. (Hg.): SO-PREP, Toolkit mit Schlüsselstrategien zur Bekämpfung der mit synthetischen Opioiden verbundenen negativen Folgen, Frankfurt 2023, www.akzept.eu/publikationen
    • Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (2022), Europäischer Drogenbericht 2022: Trends und Entwicklungen, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, Luxemburg 2022, doi:10.2810/541855
    • Deutscher Bundesstag: Bundestag stimmt für Frühwarnsystem gegen Medikamentenmangel. https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw25-de-arzneimittellieferengpass-954384
  • Erfolgreicher Abschluss des Projekts eCHECKUP-Alkohol

    Nach zehn Jahren endet das von Prof. Dr. Marion Laging, Prorektorin Lehre und Weiterbildung, und Prof. Dr. Thomas Heidenreich, Fakultät Soziale Arbeit, Bildung und Pflege, geleitete Projekt eCHECKUP-Alkohol der Hochschule Esslingen zum 30. September 2023. Das innovative Angebot klärt Studierende über ihren eigenen Alkoholkonsum, dessen mögliche Konsequenzen und gesundheitliche Folgen auf.

    Nachdem das Bundesministerium für Gesundheit die Anpassung und Evaluation des Online-Programms gefördert hat, übernahm die BARMER in den letzten sechs Jahren die finanzielle Unterstützung zur Umsetzung und Verbreitung des Präventionsprogramms an deutschen Hochschulen. Das Angebot startete zunächst in Baden-Württemberg, anschließend fand es deutschlandweit Anwendung.

    Online-Programm plus studentische Peer-Beraterinnen und -Berater

    eCHECKUP-Alkohol basiert auf dem amerikanischen Online-Programm eCHUG der San Diego State University und wurde von der Hochschule Esslingen angepasst und evaluiert. Das Esslinger Präventionskonzept verbindet das anonyme, in sich abgeschlossene Online-Programm eCHECKUP TO GO-Alkohol und die Qualifizierung von studentischen Peer-Beraterinnen und -Beratern.

    Bei Bedarf werden teilnehmende Studierende über Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten vor Ort informiert. Im Schnitt haben an jeder Hochschule jährlich 180 Studierende das Online-Programm vollständig durchlaufen. Gleichzeitig klärten studentische Peer-Beraterinnen und -Berater ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen auf dem Campus oder im digitalen Hochschulraum über schädlichen Alkoholkonsum auf. Insgesamt wurden in fünf Jahren 373 studentische Peer-Beraterinnen und -Berater ausgebildet.

    „Wir freuen uns sehr, dass das durch die BARMER finanzierte Präventionsprojekt unter den schwierigen Pandemiebedingungen erfolgreich beendet werden konnte“, so Prof. Dr. Marion Laging. „Neben der bundesweiten Umsetzung des Programms und der Schulung der Peer-Beraterinnen und -Berater sind auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Einsatz und der Verbreitung dieses Präventionsangebots in der deutschen Hochschullandschaft bedeutsam“, ergänzt Prof. Dr. Thomas Heidenreich.

    Erfolgsmodell Heidelberg

    Eine Besonderheit nimmt die Stadt Heidelberg ein. Sie hat eCHECKUP-Alkohol nachhaltig an allen zehn Hochschulen eingeführt. Dadurch hat Heidelberg Rahmenbedingungen für ein gesünderes und zielorientiertes Studieren geschaffen.

    „Heidelberg ist ein Erfolgsmodell. Das Programm im kommunalen Setting zu verorten, hatten wir zu Beginn nicht auf dem Radar. Das ist eine der „lessons learned“, die wir aus dem Projekt mitnehmen“, so Sarah Klein von der BARMER Landesvertretung Baden-Württemberg.

    Für die Zukunft

    Zum Projektende entwickelte das Projektteam an der Hochschule Esslingen eine Material- und Methodenmappe zur Umsetzung und Nutzung von eCHECKUP-Alkohol. Sie enthält einen Handlungsleitfaden mit Erfahrungen und Tipps zur Bewerbung und Administration des Programms, zur Peer-Qualifizierung und zu Peer-Aktionen sowie zum nachhaltigen Einsatz. Auf diese Weise können die Kooperationshochschulen das Angebot eigenständig weiterführen. Auch ist es weiteren interessierten Hochschulen möglich, das Programm selbständig einzusetzen. Die Material- und Methodenmappe steht auf der Website der Hochschule Esslingen zur Verfügung.

    Bundesweit haben 25 Hochschulen eCHECKUP-Alkohol oder Teile davon umgesetzt. Insgesamt stand das Präventionsprogramm 250.000 Studierenden zur Verfügung. 18 Hochschulen führen das Programm nachhaltig weiter. Weitere Informationen finden Sie HIER.

    Pressestelle der Hochschule Esslingen, 4.10.2023

  • Naloxon rettet Leben

    Take-Home Naloxon ist eine wirksame Maßnahme zur Reduktion von Todesfällen, die durch den Konsum von Opioiden verursacht wurden. Das Institut für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences, die Deutsche Aidshilfe und akzept e. V. fordern die flächendeckende Implementierung von Take-Home Naloxon in Deutschland und geben zentrale Empfehlungen, wie dies gelingen kann. Die Empfehlungen gehen aus einen abgeschlossenen Modellprojekt in Bayern (2018) und dem laufenden Bundesmodellprojekt NALtrain hervor. Sie beziehen sich auf folgende Punkte:

    • Verschreibungspflicht
    • Finanzierung
    • Ärztinnen und Ärzte
    • das gesamte Drogen- und Suchthilfesystem

    Das vollständige Positionspapier kann HIER heruntergeladen werden

    Redaktion KONTUREN online, 4.10.2023