Autor: Simone Schwarzer

  • Kein Alkohol in der Schwangerschaft

    Zum Tag des alkoholgeschädigten Kindes am 9. September machen der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) darauf aufmerksam, dass Alkoholkonsum während der Schwangerschaft die Gesundheit des ungeborenen Kindes gefährdet.

    Sogenannte Fetale Alkoholspektrum-Störungen (FASD) sind in Deutschland die häufigsten angeborenen Erkrankungen. Jedes Jahr werden bundesweit mehr als 10.000 Kinder mit Schädigungen geboren, die durch Alkoholkonsum während der Schwangerschaft bedingt sind. Viele Betroffene sind ihr Leben lang aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten eingeschränkt. Bei etwa 3.000 Kindern jährlich liegt die schwere Form vor – das Fetale Alkoholsyndrom (FAS), bei dem Fehlbildungen des Skeletts, der Extremitäten und des Gesichts sowie Nierenschäden oder Herzfehler hinzukommen können.

    Die BZgA-Kampagne „Alkohol? Kenn dein Limit.“ unterstützt werdende Eltern dabei, in der Schwangerschaft keinen Alkohol zu konsumieren: Unter www.kenn-dein-limit.de bietet sie Informationen zu den Risiken des Alkoholkonsums in der Schwangerschaft und gibt Tipps, wie der Alkoholverzicht gelingen kann.

    Schwangere, denen der Verzicht schwerfällt, können sich mit dem BZgA-Online-Programm „IRIS“ unter www.iris-plattform.de kostenlos, anonym und persönlich unterstützen lassen.

    Gynäkologinnen und Gynäkologen, Hebammen sowie Geburtshelferinnen und Geburtshelfer erhalten umfassende Informationen und können Broschüren und Faltblätter kostenlos bei der BZgA bestellen, um sie im Wartebereich auszulegen oder im persönlichen Gespräch zu übergeben. Fachkräften der Schwangerenvorsorge stellt die BZgA einen Leitfaden für die Beratung Schwangerer zum Alkoholverzicht zur Verfügung.

    Auch Schülerinnen und Schüler werden adressiert: In Kooperation mit der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung e. V. werden für Schulklassen Informationsstunden zum Thema „Prävention des Fetalen Alkoholsyndroms“ angeboten. Informationen: www.äggf.de/gesundheitsthemen/fetales-alkoholsyndrom-fasd/

    Infomaterialien der BZgA:

    Gemeinsame Pressemitteilung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und des Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, 7.9.2023

  • Regionale Verteilung von ambulant versorgten HIV-Patient:innen

    Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat eine aktuelle Versorgungsatlas-Studie zu „Regionalen Variationen in der Häufigkeit von Patient:innen mit HIV im ambulanten Sektor in Deutschland 2021“ vorgelegt.

    2021 waren in Deutschland insgesamt 72.636 gesetzlich Versicherte wegen HIV (Human Immunodeficiency Virus = Humanes Immundefizienz-Virus) in vertragsärztlicher Behandlung. Dies entspricht einer HIV-Diagnoseprävalenz von 101 je 100.000 Versicherten. Von diesen waren 56.895 männlich (78 Prozent) und 15.741 (22 Prozent) weiblich.

    Auf Kreisebene variierte dieser Wert um den Faktor 32 zwischen 13 und 417 je 100.000 Versicherten. Die höchsten Diagnoseprävalenzen zeigten sich in den kreisfreien Großstädten Berlin (417), Frankfurt am Main (406), Köln (389), Hamburg (270), München (266), Stuttgart (257), Offenbach am Main (248), Mannheim (222) und Nürnberg (191). Dünn besiedelte ländliche Kreise wiesen hingegen die niedrigsten Werte auf.

    Es fand sich ein bundeslandübergreifendes Cluster mit vergleichsweise hohen HIV-Diagnoseprävalenzen vorwiegend in Südhessen mit sieben Kreisen (Frankfurt am Main, Groß-Gerau, Hochtaunuskreis, Main-Taunus-Kreis, Stadt Offenbach am Main, Landkreis Offenbach und Wiesbaden) und einem Kreis in Rheinland-Pfalz (Mainz). Weitere größere Cluster waren mit vier Kreisen in Nordrhein-Westfalen (Köln, Düsseldorf, Leverkusen und Rhein-Erft-Kreis) und zwei länderübergreifenden Kreisen in Mannheim (Baden-Württemberg) und Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) zu erkennen.

    Auf Ebene der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) variierte die HIV-Diagnoseprävalenz um den Faktor 11 zwischen 37 und 417 je 100.000 Versicherten. Sie war am niedrigsten in allen östlichen KV-Bereichen mit Thüringen (37), Sachsen-Anhalt (40), Sachsen (56), Mecklenburg-Vorpommern (58) und Brandenburg (61) sowie im westlichen KV-Bereich Westfalen-Lippe (59). Hohe Diagnoseprävalenzen waren in Hessen (123), Nordrhein (132), Bremen (165) und Hamburg (270) zu verzeichnen. Der höchste Wert zeigte sich in Berlin mit 417 Patient:innen mit HIV je 100.000 Versicherten.

    Das sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Versorgungsatlas-Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zu „Regionalen Variationen in der Häufigkeit von Patient:innen mit HIV im ambulanten Sektor in Deutschland 2021“, die Ende August veröffentlicht wurde. Bei der Untersuchung haben außerdem die Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä) und das Robert Koch-Institut (RKI) mitgewirkt.

    Anwendung der Ergebnisse

    „Unsere kleinräumige Datenanalyse liefert für Deutschland erstmals belastbare Kennzahlen zur regionalen Verteilung von Patientinnen und Patienten mit HIV. Diese Daten bis hinunter auf die Kreisebene sind von besonderer Bedeutung, da sie die Planung der medizinischen Versorgung unterstützen können. Zudem ist es wichtig, potenzielle Risikogebiete mit erhöhter HIV-Diagnoseprävalenz zu identifizieren, um dort gezielte Präventionsmaßnahmen anbieten zu können. Vor allem in urbanen Schwerpunktregionen, in denen die Zahlen der besonders betroffenen Risikogruppen wie intravenös Drogengebrauchende und Männer, die Sex mit Männern haben, überdurchschnittlich hoch sind, kann gezielt mit Aufklärungsmaßnahmen und Versorgungsangeboten angesetzt werden“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.

    Nun könne bewertet werden, wie sich der in der aktuellen Studie ermittelte regionale Bedarf in die bestehenden Strukturen der in Deutschland etablierten ambulanten HIV-Schwerpunkt-Versorgung übertragen lässt, so von Stillfried weiter. „Eine Folgestudie sollte untersuchen, in welchem Verhältnis regionale Nachfrage- und Angebotsstrukturen in der HIV-Versorgung zueinanderstehen – und welche Schlüsse sich daraus zur Sicherstellung und zu Versorgungseffekten ziehen lassen können.“

    HIV-Infektion

    Eine Infektion mit dem Virus HIV (Human Immunodeficiency Virus = Humanes Immundefizienz-Virus) schädigt oder zerstört bestimmte Zellen der Immunabwehr. Sie macht den Körper anfällig für Erkrankungen, die bei nicht infizierten Menschen in der Regel unproblematisch verlaufen. Unbehandelt kann eine HIV-Infektion zu AIDS (Acquired Immunodeficiency Syndrome) führen. Die Ansteckung mit dem HI-Virus erfolgt am häufigsten beim Geschlechtsverkehr. Ein weiterer Übertragungsweg ist die Ansteckung durch HIV-infiziertes Blut. Dies gilt insbesondere für den gemeinsamen Gebrauch von Spritzen und Spritzenzubehör unter Drogengebrauchenden. Ebenso können Schwangerschaft, Geburt und Stillen bei Müttern mit HIV zu einer Ansteckung des Kindes führen. Kondome, saubere Spritzen und Spritzutensilien schützen vor einer HIV-Infektion. Bei Menschen mit HIV führt die regelmäßige Einnahme von antiretroviralen Medikamenten dazu, dass die Virusmenge im Blut sehr gering ist, so dass HIV nicht nachweisbar ist und nicht übertragen werden kann. Die meisten Menschen mit HIV, die unter Behandlung stehen, können lange Zeit mit dem Virus leben, ohne an AIDS zu erkranken.

    Datengrundlage

    Datengrundlage waren die bundesweiten vertragsärztlichen Abrechnungsdaten gemäß § 295 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) aus dem Jahr 2021. Die Studienpopulation bildeten alle gesetzlich Versicherten mit mindestens einem Arztkontakt im Jahr (N = 72.041.683). Versicherte, bei denen die Diagnosecodes B20, B22 oder B24 mit der Zusatzbezeichnung „gesichert“ nach ICD-10-GM (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, German Modification) in mindestens einem Quartal im Kalenderjahr codiert waren, wurden als vertragsärztliche Patient:innen mit HIV definiert. Berechnet wurde die Diagnoseprävalenz je 100.000 insgesamt sowie nach Geschlecht, Alter und verschiedenen geographischen Regionen. Kleinräumige Unterschiede in der Diagnoseprävalenz sind auf Ebene der Landkreise und der kreisfreien Städte (n = 401 Kreise) untersucht worden.

    Originalpublikation:
    Akmatov MK, Hu E, Rüsenberg R, Kollan C, Schmidt D, Kohring C, Holstiege J, Bickel M, Bätzing J. Kurzbericht: Regionale Variationen in der Häufigkeit von Patient:innen mit HIV im ambulanten Sektor in Deutschland, 2021. Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi). Versorgungsatlas-Bericht Nr. 23/09. Berlin 2023. https://doi.org/10.20364/VA-23.09

    Pressestelle des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung, 31.08.2023

  • Begutachtungszahlen für die Fahreignung im Jahr 2022

    Zu den von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) veröffentlichten Begutachtungszahlen für die Fahreignung im Jahr 2022 sagt Marc-Philipp Waschke, Referent für Fahrerlaubnis, Fahreignung und Verkehrssicherheit beim TÜV-Verband:

    „Gibt es Zweifel an der Fahreignung oder besteht nach einer Auffälligkeit im Straßenverkehr Wiederholungsgefahr, müssen Betroffene eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) absolvieren. Die aktuellen Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen für das Jahr 2022 zeigen, dass die Begutachtungsanlässe im Rahmen einer MPU zurückgehen, im Vergleich zum Vorjahr um rund vier Prozent. Während im Jahr 2021 rund 90.000 Begutachtungen stattfanden, waren es im Jahr 2022 noch 87.180.

    Um die Zahlen einzuordnen, müssen die Effekte der Corona-Pandemie berücksichtigt werden. Denn im Vergleich zu 2019 sind die Gesamtzahlen gestiegen. Besonders die steigende Anzahl von Begutachtungen aufgrund des Fahrens unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss ist beunruhigend. Trotz eines leichten Rückgangs zum Vorjahr stiegen sie im Vergleich zu 2019 um 17 Prozent.

    Drogen am Steuer stellen ein immer größeres Problem dar. Im Gegensatz zu Alkohol gilt bei anderen Rauschmitteln eine Nulltoleranz. Wer unter dem Einfluss von Drogen wie Kokain, Heroin oder Ecstasy am Steuer eines Kraftfahrzeugs aufgegriffen wird, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Bereits beim ersten Verstoß zahlen Fahrer:innen ein Bußgeld von 500 Euro, erhalten zwei Punkte in Flensburg und müssen ihren Führerschein für einen Monat abgeben. Außerdem wird in der Regel eine MPU angeordnet.

    Werden Fahrauffälligkeiten und Ausfallerscheinungen festgestellt und ist der Drogennachweis im Blut positiv, wird sogar ein Strafverfahren eingeleitet. Dann droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Außerdem erfolgt der Entzug der Fahrerlaubnis für mindestens zehn Monate und die Eintragung von zwei bzw. drei Punkten ins Fahreignungsregister. Um den Führerschein wiederzuerlangen, ist eine erfolgreiche MPU nötig.“

    Alkoholbedingte Verstöße weiterhin wichtiger Grund für Anordnung einer MPU

    „Trunkenheitsfahrten und andere Alkoholdelikte sind mit knapp 36 Prozent immer noch ein dominierender Grund für die Anordnung einer MPU. Ab einer Alkoholkonzentration von 1,1 Promille im Blut gelten Fahrer:innen als absolut fahruntüchtig und begehen eine Straftat. Diese wird mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe und dem Entzug der Fahrerlaubnis für mindestens sechs Monate geahndet. Eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung wird in der Regel aber erst bei wiederholten Alkoholauffälligkeiten im Straßenverkehr unabhängig von der Blutalkoholkonzentration oder ab 1,6 Promille angeordnet.

    Bei Alkohol-Fahrer:innen, die mit mehr als 1,1 Promille aufgegriffen werden, ist die Rückfallgefahr für eine erneute Fahrt unter Alkoholeinfluss besonders hoch. Deshalb muss die Promillegrenze für die grundsätzliche Anordnung einer MPU von 1,6 Promille auf 1,1 Promille abgesenkt werden.“

    MPU: Wichtiger Baustein der Verkehrssicherheit

    „Im Gegensatz zu den Anordnungszahlen haben sich die MPU-Ergebnisse kaum verändert. Von 87.180 begutachteten Personen hielten die 13 aktiven, amtlich anerkannten Begutachtungsstellen 57 Prozent für geeignet und rund 38 Prozent für ungeeignet zur Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr. Damit wird deutlich, dass die MPU ein wirksames Instrument zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit ist.

    Das sieht auch die Mehrheit der Bundesbürger:innen so. Gut vier von fünf halten die MPU grundsätzlich für sinnvoll. Fast ebenso viele sind der Meinung, dass die MPU der Verkehrssicherheit dient. Das ergab eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands unter 1.003 Personen ab 16 Jahren. Die MPU schafft eine objektive Beurteilungsgrundlage für die Straßenverkehrsbehörden, ob eine Person zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist und somit eine Fahrerlaubnis erhalten oder neu erteilt bekommen kann. Sie zeigt auf, ob sich die Betroffenen selbstkritisch mit dem eigenen Fahrverhalten auseinandergesetzt haben und sich der möglichen Folgen ihres Handelns bewusst sind. Sie bietet auffällig gewordenen Verkehrsteilnehmenden die Chance, Zweifel an ihrer Fahreignung auszuräumen, und ist damit eine wichtige Maßnahme für die Verkehrssicherheit.“

    Pressestelle des TÜV-Verbands e. V., 4.9.2023

  • The Good Life … und wie es gelingen kann

    Übersetzt von Ulrike Kretschmer
    Kösel-Verlag, München 2023, 432 Seiten, 24,00 €, ISBN 978-3-466-34770-4

    Was ist der Schlüssel zu einem guten Leben? Diese Frage beschäftigt alle Menschen und auch die längste je durchgeführte Glücksstudie weltweit. Die „Harvard Study of Adult Development“ verfolgt das Leben ihrer Teilnehmer:innen seit mehr als 80 Jahren. Das einzigartige und aufschlussreiche Ergebnis dieser Studie findet sich in „The Good Life“ wieder. Es handelt von der Macht unserer Sozialkontakte und Beziehungen, ihrem Einfluss auf unsere Gesundheit und Zufriedenheit und wie wir durch sie Geist, Körper und Seele schützen können. Außerdem erklären Robert Waldinger und Marc Schulz, wie es möglich ist, starke Beziehungen – zur Partner:in, zu Freunden oder Kolleg:innen – aufzubauen, zu führen und dadurch erfüllter und zufriedener zu leben.

    Mit Wärme, Weisheit, Wissenschaft und faszinierenden Lebensgeschichten eröffnet dieses Buch konkrete Wege, wie wir unser Leben durch unsere Verbindungen zu anderen Menschen glücklicher und sinnvoller gestalten können.

  • Erste Studie zur offenen Drogenszene im Umfeld des Kölner Neumarkts

    Die Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) und das Deutsche Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP) haben mit Unterstützung von Mitarbeiter:innen des Gesundheitsamtes die offene Drogenszene im Umfeld des Kölner Neumarkts untersucht. Die Studie zeigt, dass der inhalative Kokain-Konsum nun auch in Köln angekommen ist. Die Ergebnisse wurden am 28. August auf einem Pressegespräch vorgestellt.

    Für zwei Monate im Frühsommer 2023 hat ein Forschungsteam der katho, unterstützt von den Mitarbeitenden des Kölner Drogenkonsumraums, 119 drogenkonsumierende Personen am Neumarkt befragt. Die Studie zeigt, dass der inhalative Kokain-Konsum (das Kokain wird als Crack geraucht) nun auch in Köln angekommen ist: So gaben 21 Prozent der Befragten an, Crack zu konsumieren.

    „Einen nennenswerten Crack-Konsum kannten wir bisher nur aus den Städten Hamburg, Frankfurt am Main, Hannover oder Bremen. In Nordrhein-Westfalen ist ein Anstieg der Crack-Konsument:innen seit dem Jahr 2016 zu verzeichnen“, sagte der Leiter der Studie, Prof. Dr. Daniel Deimel. „Allerdings sind hochfrequente Konsummuster, die für Crack aufgrund der kurzen Wirkungsdauer typisch sind, in Köln die Ausnahme“, so der Professor für Klinische Sozialarbeit weiter. „Mit rauchbarem Crack, also Kokain-Steinen, wird aktuell noch nicht in der Szene gehandelt.“ Menschen, die Crack konsumierten, benötigten eine spezifische Unterstützung wie Tagesruhestätten und eine niedrigschwellige Substitutionsbehandlung, wenn zusätzlich Heroin konsumiert werde, so Deimel.

    79 Prozent der für die Studie am Neumarkt befragten Konsument:innen sind männlich, 65 Prozent sind deutscher Herkunft. Das Durchschnittsalter beträgt 42 Jahre. Jeder Zweite (55 Prozent) hatte bereits Erfahrungen mit Drogenüberdosierungen, die im Zusammenhang mit Heroin lebensbedrohlich sein können. Rund ein Drittel der Befragten (32 Prozent) ist obdachlos und übernachtet auf der Straße. 65 Prozent der Befragten konsumieren Heroin, häufig auch in den sehr späten Abendstunden. 22 Prozent von ihnen sind nicht krankenversichert.

    Bedarfsgerechte Angebote und längere Öffnungszeiten des Drogenkonsumraumes sind wichtig

    „Die Menschen, die sich in der Drogenszene am Neumarkt aufhalten, sind eine heterogene Gruppe“, sagte Deimel. Sie vereine jedoch, dass sie sich in einer gesundheitlichen und psychosozial hoch belasteten Situation befänden. „Mit den vorliegenden Daten können nun die Angebote der Suchthilfe an die unterschiedlichen Bedarfe angepasst werden“, so der Suchtforscher.

    Ein weiteres Ergebnis dieser Studie ist, dass die Angebote des Drogenkonsumraums am Neumarkt zwar sehr gut genutzt werden, aber noch nicht ausreichend bekannt sind. Dr. Harald Rau, Beigeordneter für Soziales, Gesundheit und Wohnen der Stadt Köln, sagte auf dem Pressegespräch: „Ich bin froh, dass wir nun eine solche Datenbasis haben. Diese Studie hilft dabei, unsere Unterstützungsangebote noch besser an die Bedürfnisse der suchtkranken Menschen anzupassen. Insbesondere die Konsumzeiten in den späten Abendstunden zeigen, wie wichtig es ist, die Öffnungszeiten unseres Drogenkonsumraumes deutlich auszuweiten.“

    Der „Open Drug Scene Cologne Survey“ (ODSC) ist die erste Studie dieser Art in Köln.

    Pressestelle der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, 28.8.2023

  • Gesundheit von LGBT-Personen in der Schweiz

    Autor:innen: Paula Krüger, Andreas Pfister, Manuela Eder, Michael Mikolasek
    Unter Mitarbeit von Stefanie C. Boulila, David Garcia Nuñez, Laurent Michaud, Irene Müller, Rafael Traber

    Nomos Verlag, Baden-Baden 2023, 276 Seiten, 64,00 €, ISBN 978-3-7560-0515-4. Der Titel steht auch als Open Access-Download zur Verfügung.

    Die Schweizer Studie identifiziert Bereiche, in denen LGBTQ+ Personen im Vergleich zur übrigen Bevölkerung ungleiche Gesundheitschancen haben, u. a. psychische und sexuelle Gesundheit, Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen, Barrieren in der Gesundheitsversorgung und Substanzkonsum. Mit Daten der schweizerischen Gesundheitsbefragung (2012, 2017) und einer 2021 eigens durchgeführten groß angelegten nationalen Befragung von LGBTQ+ Personen werden Unterschiede im Gesundheitszustand und bezüglich gesundheitsförderlichem bzw. -schädlichem Verhalten herausgearbeitet. Die Studie beinhaltet zudem ein Review der aktuellen Literatur zum Thema und schließt mit Empfehlungen dazu, wie die Gesundheit von LGBTQ+ Personen gestärkt werden kann.

  • Sexuelle Gesundheit und HIV / STI in trans und nicht-binären Communitys

    Medizinische Einrichtungen und Beratungsstellen zu Fragen der sexuellen Gesundheit in Deutschland sind auf trans und nicht-binäre Menschen nicht ausreichend vorbereitet. Dabei unterliegen diese besonderen Risiken und sind zum Beispiel deutlich häufiger von HIV betroffen als der Durchschnitt der Bevölkerung (0,7 statt 0,1 Prozent). Das sind die zentralen Ergebnisse der Studie „Sexuelle Gesundheit und HIV / STI in trans und nicht-binären Communitys“ der Deutschen Aidshilfe und des Robert Koch-Instituts (RKI), deren Abschlussbericht nun veröffentlicht wurde (STI = Sexually Transmitted Infections, dt. sexuell übertragbare Infektionen).

    Als trans und nicht-binär verstehen wir Menschen, die sich nicht oder nur teilweise mit dem bei ihrer Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Diese Bezeichnungen werden individuell sehr verschieden genutzt, Überschneidungen sind möglich. Deshalb verzichten wir hier auf eine genauere Definition.

    Im Rahmen der Studie wurden Fragestellungen zur sexuellen Gesundheit mit qualitativen und quantitativen Methoden untersucht. Damit liegen erstmals Daten und wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse zur sexuellen Gesundheit dieser vielfältigen Gruppen in Deutschland vor. Der Abschlussbericht gibt außerdem Empfehlungen, wie Lücken geschlossen werden können und die Qualität der Versorgung gesteigert werden kann.

    Für die genannte Studie befragte das Robert Koch-Institut mehr als 3.000 Menschen mit einem Online-Fragebogen. Die Deutsche Aidshilfe sprach in Workshops und Interviews mit 59 Personen ausführlich über ihre Erfahrungen. Die gemeinsame Studie wurde partizipativ durchgeführt: Die Zielgruppen waren in jede Phase des Forschungsprojektes eingebunden, die Forschenden gehörten teilweise selbst zu den erforschten Communitys.

    Erhöhte Belastung

    Die Ergebnisse bestätigen, was in der internationalen Forschung bereits bekannt war: Trans und nicht-binäre Menschen sind generell erhöhten gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Psychische Belastungen entstehen etwa durch Diskriminierungserfahrungen und Stigmatisierung, aber auch, weil der eigene Körper oder bestimmte Körperteile als unpassend empfunden werden (Geschlechtsdysphorie). Die physische Gesundheit ist zum Beispiel durch fehlende Kompetenz bei Ärzt:innen gefährdet.

    Besonderheiten bei Sexualität

    Sexualität ist für trans und nicht-binäre Menschen ein besonders sensibles Thema. Eine wichtige Rolle spielt für viele der Aushandlungsprozess, welche Art von Sexualität stattfinden soll und welche Körperteile beteiligt sein dürfen und welche nicht. Das sexuelle Wohlbefinden wird oft beeinträchtigt durch Angst vor Ablehnung und Diskriminierung sowie verinnerlichte Abwertung und Erwartungshaltungen. So gaben 79 Prozent in der Online-Befragung an, dass sie schon mindestens einmal das Gefühl hatten, in sexuellen Situationen ihre Geschlechtsidentität durch ihr Verhalten beweisen zu müssen. 55 Prozent fällt es nicht leicht, ihre Bedürfnisse beim Sex zu äußern und diesen aktiv mitzugestalten. 31 Prozent der online Befragten fällt es schwer, Nein zu Sex zu sagen, den sie nicht möchten. Einige Teilnehmer:innen berichteten, dass sie sich nicht trauten, auf ihre Safer-Sex-Wünsche zu bestehen. „Mein Körper ist schon ein Umstand für die andere Person, da mag ich nicht noch weitere Forderungen stellen“, erklärte eine befragte Person in der qualitativen Studie.

    Beratung von trans und nicht-binären Menschen muss daher psychosoziale Komponenten besonders berücksichtigen und die Klient:innen dabei unterstützen, ein positives Selbstbild zu entwickeln, die eigene Sexualität zu erkunden und zu entwickeln sowie Bedürfnisse zu äußern und durchzusetzen.

    Mangelnde Kenntnisse im Gesundheitssystem

    Trans und nicht-binäre Menschen treffen jedoch auf ein Gesundheitssystem, das sich noch immer fast ausschließlich an der überkommenen Einteilung in lediglich zwei Geschlechter orientiert – vom Aufnahmebogen über Beratung und Medikation bis zur Abrechnung.

    Lediglich 32 Prozent gaben an, dass bei ihrer letzten Beratung zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen der selbstgewählte Name, die geschlechtliche Identität und das gewünschte Pronomen erfragt wurden. Werden Anamnesebögen geschlechtsspezifisch verteilt, stimmen die darauf abgebildeten Genitalien und Schleimhäute oft nicht mit den körperlichen Gegebenheiten der Ratsuchenden überein. Ein strukturelles Hindernis besteht zum Beispiel, wenn Gynäkolog:innen die Gebärmutterhalskrebsvorsorge nicht abrechnen können, weil bei der Krankenkasse das Geschlecht „männlich“ gespeichert ist.

    Auch in der Beratung mangelt es oft an entscheidenden Kenntnissen. Wenn eine beratende Person zum Beispiel nicht weiß, dass einige trans Männer aufnehmenden Vaginalsex praktizieren, kann das bei der Beratung zur HIV-Prophylaxe PrEP gefährliche Folgen haben. Für aufnehmenden Vaginalverkehr gilt ein besonderes Einnahmeschema, weil es länger dauert, bis sich in der Vaginalschleimhaut ein ausreichender PrEP-Schutz aufgebaut hat.

    „Auf trans und nicht-binäre Menschen sind weder Mediziner:innen noch Berater:innen ausreichend vorbereitet. Die Menschen fühlen sich im Medizinsystem deswegen oft nicht willkommen und gesehen, sondern gefährdet. Wenn Ratsuchende zunächst ihre Berater:innen aufklären müssen, ist das kontraproduktiv und inakzeptabel“, sagt Projektleitung Chris Spurgat.

    Wenig Vertrauen führt zu Vermeidung

    Nicht spezialisierte Angebote werden dementsprechend häufig mit Skepsis betrachtet und mit Erwartungen von Diskriminierung, fehlender Sensibilität und mangelndem Fachwissen zu trans und nicht-binären Körpern verknüpft. 17 Prozent der online Befragten gaben an, sie hätten aus Angst vor Diskriminierung bereits auf bestimmte Leistungen verzichtet, etwa auf Beratung zu Fragen sexueller Gesundheit oder Tests auf HIV und andere sexuelle übertragbare Infektionen. Das kann lebensgefährliche Folgen haben, etwa, wenn HIV-Infektionen unbehandelt bleiben oder Krebserkrankungen erst spät entdeckt werden.

    „Ich kenne viele trans Personen, die seit Jahren keine Vorsorgeuntersuchungen gemacht haben, gynäkologische zum Beispiel, weil es nicht funktioniert. Sie bleiben zu Hause, obwohl sie Beschwerden haben“, fasst eine Berater:in das Problem im Interview zusammen.

    Empfehlungen für eine bessere Versorgung für sexuelle Gesundheit

    Um etwas an der desolaten Situation zu verändern, gibt der Abschlussbericht Empfehlungen für eine bessere Versorgung für trans und nicht-binäre Menschen. Zentrale Punkte sind aus Sicht der Deutschen Aidshilfe:

    • Benötigt werden mehr Test- und Beratungsangebote speziell für trans und nicht-binäre Menschen – communitynah und mit Profis, die selbst aus den adressierten Gruppen stammen.
    • In breiter aufgestellten Einrichtungen sollte es spezielle Angebote geben, etwa Testtage für trans und nicht-binäre Menschen – sie finden große Akzeptanz und wirken bestärkend.
    • Informationsmaterial zu Sexualität und Safer Sex muss die Bedürfnisse von trans und nicht-binären Menschen abbilden. Darüber hinaus müssen mehr spezifische Informationsquellen entwickelt werden.
    • Geeignetes Informationsmaterial muss es auch für Fachpersonal in Beratungs- und Teststellen sowie medizinischen Einrichtungen geben.
    • Das Thema muss in der Ausbildung und bei Fortbildungen für medizinisches und beraterisches Personal berücksichtigt werden. Dringend erforderlich sind flächendeckende Grundlagenschulungen.
    • Medizinische Strukturen und Verfahren müssen endlich die real existierende geschlechtliche Vielfalt akzeptieren und abbilden, etwa bei Anamnese- und Meldebögen, in Studien und so weiter.
    • Qualitätssiegel für Einrichtungen mit Kompetenz in diesem Bereich können bei der Orientierung helfen.
    • Angebote für Selbsterfahrung, Körperarbeit und Selbsthilfe können helfen, Scham ab- und Selbstbewusstsein aufzubauen.
    • Generell gilt: Angebote aus den Communitys für die Communitys müssen gefördert werden – sie genießen hohe Akzeptanz und werden als gut und sicher bewertet.

    Publikationen

    Vollständiger Forschungsbericht:
    Robert Koch-Institut und Deutsche Aidshilfe. Forschungsbericht zum Projekt „Sexuelle Gesundheit und HIV/STI in trans und nicht-binären Communitys“. Berlin 2023. DOI: 10.25646/11221

    Broschüre mit den wichtigsten Ergebnissen und Empfehlungen:
    Deutsche Aidshilfe und Robert Koch-Institut (2023). Broschüre zum Forschungsprojekt „Sexuelle Gesundheit und HIV/STI in trans und nicht-binären Communitys“, mit Illustrationen von Tomka Weiß, Berlin

    Pressestelle der Deutschen Aidshilfe, 15.5.2023