Rund drei Millionen Kinder und Jugendliche wachsen in Deutschland mit mindestens einem suchtkranken Elternteil auf. Auf ihre Situation und auf mögliche Hilfsangebote soll die bundesweite Aktionswoche für Kinder aus suchtbelasteten Familien (COAs) vom 12. bis 18. Februar mit mehreren Dutzend Veranstaltungen aufmerksam machen. Schwerpunktthema ist diesmal der Kampf gegen die Stigmatisierung von Suchtkranken und ihren Angehörigen. Schirmherr ist der Sänger und Songwriter Max Mutzke, der mit einer suchtkranken Mutter aufgewachsen ist. Organisiert wird die Aktionswoche von NACOA Deutschland. Die Interessenvertretung für Kinder aus suchtbelasteten Familien lädt unter anderem zum Auftakt der Aktionswoche für den 10. Februar zu einer öffentlichen Diskussion mit Bundestagsabgeordneten zum Thema Entstigmatisierung ein.
„Die Krankheit der Erwachsenen belastet ihre Kinder auf vielfältige Art und Weise, auch wegen der Stigmatisierung von Abhängigkeitserkrankungen“, erklärte NACOA Deutschland aus Anlass der Aktionswoche. Denn das Stigma verstärke den vermeintlichen Zwang zum Schweigen und Tabuisieren der Krankheit innerhalb und außerhalb der Familie. „Die Hürde zum möglicherweise rettenden Gespräch mit Außenstehenden und zu Hilfsangeboten wird so noch höher.“
Fachleute fordern schon seit langem eine Anti-Stigmatisierung von Suchtkranken. Auch der Bundestag hat bereits 2017 die Dringlichkeit erkannt und beschlossen, Maßnahmen zur Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten zu ergreifen. Zum Auftakt der Aktionswoche hat NACOA Deutschland daher die Fachpolitkerinnen Linda Heitmann (Bündnis 90/Die Grünen, gesundheitspolitische Sprecherin) und Ulrike Bahr (SPD, Vorsitzende Ausschuss Familie, Frauen, Jugend und Senioren) aus dem Bundestag eingeladen, um nachzuhaken und zu fragen, was die Politik plant, um die Situation von Kindern suchtkranker Eltern zu verbessern. Die einstündige öffentliche Diskussion, an der auch der Stigmatisierungsforscher Sven Speerforck (Uniklink Leipzig) und NACOA-Vorstandsmitglied Christina Reich ihr Wissen und ihre Erfahrungen einbringen, beginnt am 10. Februar online um 10.00 Uhr via Zoom, eine Teilnahme ist unter folgendem Link möglich: https://us02web.zoom.us/j/87493566009
„Leider ist das Thema Entstigmatisierung nicht das einzige, das wir gemeinsam weiter angehen wollen und müssen, um die Situation für suchtbelastete Familien zu verbessern“, erklärt NACOA Deutschland. Offen sei weiterhin die Frage, wie ein regelfinanziertes und flächendeckendes Netz der Hilfe geschaffen werden kann. Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in einer suchtbelasteten Familie auf. Deshalb reichen die rund zweihundert bestehenden Einrichtungen lange nicht aus. Bund, Länder und Kommunen stehen weiterhin in der Pflicht, die Versorgungslücke zu schließen.
Diesen Zielen dienen auch mehrere Dutzend Veranstaltungen im ganzen Bundesgebiet zwischen dem 12. und 18. Februar. Einrichtungen der Sucht- und Jugendhilfe sowie Verbände und Initiativen in ganz Deutschland wollen dem Thema die notwendige Aufmerksamkeit verschaffen, Wissen vermitteln und betroffenen Familien und den Kindern Wege zu Hilfe und Genesung weisen. Alle Veranstaltungen sind zu finden unter www.coa-aktionswoche.de. Zeitgleich findet eine entsprechende Aktionswoche auch in Großbritannien statt, einige Wochen später in der Schweiz.
NACOA Deutschland initiiert zusätzlich zur politischen Auftaktveranstaltung drei weitere Aktionen. Schirmherr Max Mutzke, unter anderem bekannt durch seine erfolgreiche Teilnahme am Eurovision Song Contest 2004, wird am 14. Februar ab 10.00 Uhr in einem INSTA-Live-Interview über das Leben mit seiner alkoholkranken Mutter berichten und die Fragen der Zuschauenden beantworten. Am 17. Februar von 13.30 bis 15.00 Uhr werden erwachsene Kinder, die in suchtbelasteten Familien aufgewachsen sind, über ihre Erfahrungen berichten, aber auch darüber, was ihnen in dieser Situation geholfen hat. Zudem wird die neue AG Erwachsene Kinder von NACOA Deutschland über ihre Ziele berichten. Nicht zuletzt soll eine Social Media-Kampagne während der Aktionswoche unter dem Hashtag #SCHLUSSMITDEMSTIGMA die diesjährige Hauptforderung unterstützen.
Alle Informationen zu Veranstaltungen und Anregungen zum Mitmachen finden sich auf der Website www.coa-aktionswoche.de.
Die Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien wird im Rahmen der Selbsthilfeförderung finanziert durch die GKV. Die Initiatoren danken der GKV für ihre Unterstützung!
Autor:innen: Yulia Golub, Lukas A. Basedow, Johannes Meiron Zwipp, Sören Kuitunen-Paul, Veit Roessner
Hogrefe Verlag, Bern 2021, 64 Seiten, 29,95 €, ISBN 9783456861296
Für Jugendliche mit Substanzkonsumstörungen gibt es wenige standardisierte Behandlungsansätze. Hier greift das Manual „DELTA – Dresdner Multimodale Therapie für Jugendliche mit chronischem Suchtmittelkonsum“ ein und bietet einen altersangemessenen, verhaltenstherapeutischen und systemischen Behandlungsrahmen.
DELTA besteht aus strukturierten Einheiten für Betroffene und Angehörige. Jugendliche mit Substanzkonsumstörung durchlaufen 16 wöchentliche Gruppensitzungen und acht einzeltherapeutische Sitzungen in zweiwöchigen Abständen. Eltern werden begleitend im Rahmen von acht wöchentlichen Eltern-Gruppensitzungen entlastet.
Das Manual beinhaltet praxisorientierte Handouts, um sowohl die Jugend- als auch die Elternsitzungen effizient und strukturiert durchführen zu können. Zusätzlich liegen zu jeder Sitzung Arbeitsblätter vor, die die Jugendlichen in ihrer Abstinenzmotivation stärken, bei der Erarbeitung der neuen Fertigkeiten unterstützen und den Umgang mit belastenden und rückfallauslösenden Situationen erleichtern sollen. Für die Elterngruppe stehen außerdem vorgefertigte Präsentationen über suchtspezifische Lernprozesse, psychoaktive Substanzen und familienspezifische Themen zur Verfügung.
Auch wenn die Corona-Pandemie in Europa weitgehend überstanden zu sein scheint, leiden immer noch viele junge Menschen an den psychischen Folgen des Lockdowns. Welche Rolle dabei Schulschließungen genau spielen, war bisher umstritten. Eine neue Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) beschreibt nun erstmals auf einer breiten europäischen Datenbasis, dass corona-bedingte Schließungen mit einer Steigerung von Depressionssymptomen bei Kindern und Jugendlichen im Zusammenhang stehen. Dafür wurden 22 Studien aus acht Ländern in Europa mit jeweils Daten vor und nach der Pandemie in einer systematischen Metastudie analysiert.
Das Wissenschaftsteam zeigte erstmals, dass Kinder und Jugendliche während der Schulschließungen zu 75 Prozent häufiger generelle Depressionssymptome aufwiesen als vor der Pandemie. Im Vergleich erhöhte sich die Häufigkeit für solche Depressionssymptome im Zeitraum ohne Schulschließungen nur um 27 Prozent. Damit ist das Kernergebnis der Studie: Je strikter die Eindämmungsmaßnahmen, wie Schulschließungen, waren, desto größer war die Zunahme von generellen Depressionssymptomen. Über diesen klaren Zusammenhang hinaus belegen die Forschungsergebnisse einen Anstieg genereller depressiver Symptome insgesamt. Vor allem bei männlichen Jugendlichen im Alter von 16 bis 19 Jahren ist ein deutlicher Anstieg. Bei der Auswertung klinisch relevanter Depressionsraten zeigt sich ebenfalls ein Anstieg, dieser liegt hingegen klar bei weiblichen Kindern und Jugendlichen. „Pandemiebedingte Restriktionsmaßnahmen und Schulschließungen haben zu einem Anstieg der Depressionssymptome bei Jungen und bei Mädchen in Europa beigetragen“, fasst Dr. Helena Ludwig-Walz die Ergebnisse der Studie zusammen.
Die Autorinnen und Autoren der Studie schlussfolgern, dass eine frühzeitige Erkennung und Behandlung von depressiven Symptomen bei Kindern und Jugendlichen eine wichtige Bedeutung für die öffentliche Gesundheitsfürsorge hat. „Das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen muss künftig fokussierter verfolgt werden. Dabei ist es wichtig, Angebote wie Familienberatung, Schulsozialarbeit und Therapieplätze auch kurzfristig zugänglich zu machen“, resümiert Ludwig-Walz.
Originalpublikation:
Ludwig-Walz, Helena; Dannheim, Indra; Pfadenhauer, Lisa; Fegert, Jörg; Bujard, Martin (2022): Increase of depression among children and adolescents after the onset of the COVID 19 pandemic in Europe: a systematic review and meta analysis. In: Child and Adolescent Psychiatry and Mental Health 16 #109
Pressestelle des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), 1.2.2023
Illegal hergestelltes Fentanyl taucht auch in Deutschland als lebensgefährliche Beimengung zu Straßenheroin auf. Ein Modellprojekt der Deutschen Aidshilfe mit Fentanyl-Schnelltests soll Drogengebraucher:innen schützen. Am 1. Dezember 2022 ist das Bundesmodellprojekt „Rapid Fentanyl Tests in Drogenkonsumräumen“ (RAFT) gestartet, das erste Projekt zur Feststellung von Fentanyl-Beimischungen in Straßenheroin in Europa. RAFT wird vom Bundesgesundheitsministerium gefördert, von der Deutschen Aidshilfe geleitetet und in zehn Drogenkonsumräumen im Bundesgebiet umgesetzt.
Illegales Fentanyl taucht in Deutschland vermehrt auf
Fentanyl ist ein hochwirksames Opioid aus der Schmerztherapie, das auch als Droge konsumiert wird – zum Beispiel, nachdem es aus Schmerzpflastern gewonnen wurde. In Deutschland wurden im Jahr 2021 über 100 Todesfälle durch fentanylhaltige Medikamente (mit)verursacht. In jüngster Zeit gibt es vermehrt Berichte über besonders schwere Drogennotfälle, bei denen die bei uns übliche Dosis des lebensrettenden Notfallmedikaments Naloxon kaum noch ausreichte. Expert:innen vermuten, dass den konsumierten Drogen illegal hergestelltes Fentanyl beigemischt war.
„Straßenheroin ist normalerweise gestreckt, und die Konsument:innen haben Erfahrungswerte, wie stark die Drogen wirken. Wenn sie aber nicht wissen, dass hochwirksames Fentanyl beigemischt ist, kann der Konsum lebensgefährlich sein“, erklärt RAFT-Projektleiterin Maria Kuban. „Schon eine winzige Menge, etwa so viel wie ein paar Salzkörnchen, kann eine tödliche Überdosierung auslösen.“
Modellprojekt zu Fentanyl-Beimischungen soll Drogengebraucher:innen schützen
Ziel des Modellprojekts ist es vor allem, Drogengebraucher:innen vor solchen Notfällen zu schützen: Sie sollen ihr mitgebrachtes Straßenheroin im Drogenkonsumraum mit einem einfach anzuwendenden Teststreifen auf Fentanyl testen lassen können, anonym und für sie kostenlos. Das Modellprojekt soll so auch Informationen liefern, wo und wie häufig Fentanyl-Beimischungen vorkommen, und bietet dadurch auch Ansatzpunkte für ein Frühwarnsystem.
Durch Aufklärung über die Gefahren von Fentanyl-Beimischungen, durch Beratung und durch die Schnelltests leisten die teilnehmenden Drogenkonsumräume außerdem einen weiteren wichtigen Beitrag zur Schadensminderung (Harm Reduction) – zusätzlich zu Angeboten wie der Ausgabe steriler Konsumutensilien, der Beratung zu alternativen Konsumformen oder der medizinischen Hilfe in Drogennotfällen.
Wer sein Heroin im Drogenkonsumraum auf Fentanyl testen lassen will, muss nichts von der Substanz abgeben: Analysiert werden Rückstände nach dem Aufbereiten der Droge, aber vor dem Konsum. Dazu werden die Rückstände in ein wenig Wasser gelöst und dann mit einem Teststreifen geprüft. Das Ergebnis liegt nach kürzester Zeit, spätestens nach fünf Minuten vor. Bei einem negativen Ergebnis findet der Konsumvorgang wie gewohnt statt. Bei einem positiven Ergebnis schließt sich eine kurze Beratung zu möglichen Maßnahmen der Risikominderung an. Das kann zum Beispiel ein Aufteilen der Substanz in kleinere Mengen oder das Bereitstellen des Notfallmedikaments Naloxon sein.
Beratungsleitfaden soll Projekterfahrungen sichern
Erste Projektschritte sind Treffen mit den teilnehmenden Drogenkonsumräumen. Eine Arbeitsgruppe soll dann einen Beratungsleitfaden entwickeln, der auch nach Projektschluss Ende 2023 eingesetzt werden kann. Die Testangebote selbst starten im März 2023. Bis Ende August 2023 können 5.000 Tests auf Fentanyl-Beimischungen stattfinden. Ausgewertet werden die Ergebnisse dann von September bis Ende November 2023.
Neben der aktuell größten Herausforderung der Menschheit, der Klimakrise mit all ihren Folgen, ist die Situation der Suchtberatungsstellen in Deutschland sicher ein marginales Problem. Dennoch müssen wir auch die Themen im Blick behalten, die mit einem kleineren Wirkungskreis für ein gutes Zusammenleben wichtig sind. Dazu gehört eine ausreichende Ausstattung der kommunalen Daseinsvorsorge.
Die Ausgangslage
Suchtberatungsstellen sind unzureichend ausgestattet. Es mangelt an langfristigen Verträgen, dynamisierter Finanzierung und einer grundsätzlich verlässlichen, durch Gesetze abgesicherten Grundstruktur (DHS, 2019). Der seit 2020 jährlich stattfindende „Aktionstag Suchtberatung“, organisiert von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), dient dazu, auf den Stellenwert der Suchtberatungsstellen und Defizite in der Ausstattung aufmerksam zu machen. Ein Aspekt, der stark zur unsicheren Situation der Suchtberatungsstellen beiträgt, ist die mögliche Anwendung von Vergaberecht. Suchtberatungsstellen in Deutschland können aktuell von öffentlichen – teilweise europaweiten – Ausschreibungen betroffen sein, was die Erbringung der Leistung für alle Beteiligten erschwert.
Als Leiter einer Suchtberatungsstelle der AWO und Sprecher der AG Suchtberatungsstellen beim AWO Bundesverband hat der Autor mit diesen Verfahren umfassende Erfahrungen gemacht und diese in seiner Masterarbeit „Anwendung des Vergaberechts im Bereich ambulanter Suchtberatungsstellen – Versuch einer Bestandsaufnahme“ (Zeis, 2022) beschrieben und ausgewertet. Die folgenden Ausführungen basieren auf dieser Masterarbeit.
Öffentliche Ausschreibungen gehen an Wesen und Aufgabe der Suchtberatung vorbei
Im Zuge der EU-Vergaberechtsreform von 2016 kam es zu zahlreichen Veränderungen (vgl. Rock et al., 2019). Rechtsunsicherheiten entstanden, diese mussten und müssen neu ausgefochten werden. So gilt beispielsweise für die Rettungsdienste in der Notfallrettung mittlerweile eine sogenannte Bereichsausnahme. Leistungen können also unter bestimmten Bedingungen auch ohne europaweite Ausschreibungen an gemeinnützige Träger vergeben werden. Diese vom Europäischen Gerichtshof am 21.03.2019 geschaffene Rechtssicherheit gibt es für den Bereich der Suchtberatung oder anderer Beratungsdienste nicht. Es liegen zwar mittlerweile zahlreiche Zivilgerichtsurteile vor, die Ausnahmen im Vergaberecht zulassen, z. B. entschied das OLG Düsseldorf 2018, dass öffentlich geförderte Dienstleistungen nicht ausschreibungspflichtig sind (11.07.2018, VII-Verg 1/18). Von Sozial- und Verwaltungsgerichten stehen solche Urteile leider noch aus.
Schnell wurde allen Sozialverbänden klar, dass öffentliche Ausschreibungen von sozialen Dienstleistungen der benötigten und gewünschten Leistung nicht gerecht werden (vgl. Positionspapiere der DHS, der BAGFW, der LIGA der freien Wohlfahrtspflege und viele weitere), und zwar aus mindestens drei triftigen Gründen, die als Grundprämissen angenommen werden können:
Soziale Dienstleistungen haben besondere Merkmale, die sie von anderen Produkten am Markt unterscheiden. Hier sind u. a. die grundsätzliche Immaterialität, das Uno-actu-Prinzip (Produktion und Konsum der Leistung fallen zeitlich zusammen), die Ko-Produktion durch und mit der jeweiligen Nutzer:innengruppe, eine hohe Individualität und eine eingeschränkte Möglichkeit der Rationalisierung zu nennen (vgl. Dahme & Wohlfahrt, 2013; Arnold, 2014).
Soziale Dienstleistungen werden auf einem „Quasi-Markt“ angeboten. Auf diesem Quasi-Markt tritt der jeweilige Leistungsträger – im Falle von Suchtberatungsstellen meist die Kommune – als Monopolist auf. Er allein vergibt die Leistung, er allein nimmt die Leistung letztlich ab. Die Leistungserbringer befinden sich daher in voller Abhängigkeit zum Leistungsträger (vgl. Seithe, 2010; Wohlfahrt, 2012; Hagn, 2012).
Suchtberatungsstellen gehören mit ihren Funktionen zur kommunalen Daseinsvorsorge. Dies wird oft bestritten, lässt sich aber belegen. Der vom Staatsrechtler Ernst Forsthoff beschriebene Begriff der Daseinsvorsorge wird bis heute immer dann genutzt, wenn es um öffentliche Leistungen und Güter geht, ohne die ein vernünftiges Zusammenleben einer Gemeinschaft nur schwer möglich ist (vgl. Neu, 2009). Leistungen der Daseinsvorsorge sind elementare, sinnvolle, sogenannte meritorische und neuerdings sicherlich auch „systemrelevante“ Güter, die der einzelnen Person und der Allgemeinheit zugutekommen (vgl. Bachert, 2018). Dass Suchtberatungsstellen zur kommunalen Daseinsvorsorge gehören, davon zeugen die Ergebnisse der jährlichen Suchthilfestatistik oder aktuelle Studien zum Social Return on Investment (SROI). Menschen, die ihre Konsum- und Verhaltensweisen verändern, reduzieren gesellschaftliche Kosten, verringern die Risiken für Folgeerkrankungen aller Art und stabilisieren sich und ihr soziales Umfeld (vgl. Bayerisches Landesamt, 2022).
Als weiteres Merkmal kommt hinzu: Suchtberatungsstellen sind nicht, wie viele andere öffentliche Dienstleistungen, durch ein sogenanntes sozialstaatliches Dreiecksverhältnis abgesichert (Anspruch des Hilfeberechtigten auf Leistung gegenüber dem Leistungsträger, Erbringung der Leistung durch den Leistungserbringer unter vertraglicher Vereinbarung mit dem Leistungsträger). Sie sind allein vom politischen Willen bzw. vom Handeln der kommunalen Verwaltung (= Leistungsträger) abhängig. Die Gesundheitsdienstgesetze als gesetzliche Grundlage schaffen hier keine verlässliche Struktur, da sie lediglich den Kommunen auftragen, sich um die jeweiligen Bereiche, also beispielsweise auch um suchtgefährdete oder suchtkranke Menschen, im Rahmen von Fürsorge zu kümmern. Wie sie das tun, ist regional höchst unterschiedlich (vgl. Deutscher Bundestag, 2015).
Zahlreiche Stellungnahmen und Positionspapiere sind seit der EU-Vergaberechtsreform geschrieben worden. Alle sprechen sich ausnahmslos gegen öffentliche, also wettbewerbsorientierte, Ausschreibungen von sozialen Dienstleistungen aus. Hauptargument ist u. a. der enge regionale Bezug dieser Leistungen. Dies trifft auch auf Suchtberatungsstellen zu. Diese werden zum größten Teil von gemeinnützigen Sozialverbänden betrieben, sind zumeist in einer Stadt oder in einem Landkreis aktiv und dort über Jahrzehnte gewachsen, sie sind gut vernetzt und an der Gestaltung des regionalen Sozialraums beteiligt. Sie leisten essenzielle (Überlebens-)Hilfen und entfalten neben einem enormen Output auch eine messbare Wirkung (Outcome, Impact), beispielsweise in der Reduzierung von Folgekosten (vgl. Bayerisches Landesamt, 2022). Im Bundestagswahlkampf 2021 hatten sich auch die politischen Parteien in ihren Wahlprogrammen des Vergaberechts angenommen. Bündnis 90/Die Grünen waren hier am deutlichsten und wollten eine Ausnahme für soziale Dienstleistungen schaffen. Leider hat es diese Forderung nicht in den Koalitionsvertrag der Ampel geschafft.
Trotz dieser Voraussetzungen werden wettbewerbsorientierte Vergabeverfahren für soziale Dienstleistungen bis heute immer wieder vereinzelt angewendet, nicht nur im Bereich der Suchtberatung, sondern auch in anderen Feldern der Beratung, so beispielsweise bei der Schuldnerberatung, bei Kontaktstellen für psychisch erkrankte Menschen, in der Migrationsberatung oder bei Integrationsfachdiensten.
Das Vergaberecht missachtet dabei
die wesentlichen und historisch gewachsenen Prinzipien der Subsidiarität,
Es verkennt die Bedeutung der zu Beginn des Artikels genannten Grundprämissen wie
die besonderen Merkmale von sozialen Dienstleistungen auf einem Quasi-Markt,
die Grundsätze der kommunalen Daseinsvorsorge und der Regionalität sowie
die jeweiligen Pfadabhängigkeiten.
Umfrage zur aktuellen Relevanz von Ausschreibungen
Die Ergebnisse einer im Rahmen der vorne genannten Masterarbeit durchgeführten Online-Umfrage unter Suchtberatungsstellen in Deutschland zeigen, dass bei einem Anteil von 17,5 Prozent die Leistung bereits einmal oder mehrfach öffentlich ausgeschrieben wurde (Zeis, 2022).
Öffentliche Ausschreibungen sind Vergabeverfahren, die einen klaren Wettbewerbscharakter haben. Das heißt, jede Institution, jeder Verein, jede Gesellschaft, ob gewinnorientiert oder nicht, kann sich bewerben. Liegt der zu vergebende Auftrag über dem EU-Schwellenwert von 750.000 Euro für soziale Dienstleistungen, muss sogar europaweit ausgeschrieben werden. Dies sieht das EU-Vergaberecht so vor. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) forciert den Wettbewerbsgedanken auf Bundesebene, und nach zahlreichen Gesprächen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene ist die Forderung nach Wettbewerb in den Haushaltsressorts der Länder die eindeutige, verabredete Maßgabe, egal in welchem Bereich. Die Rechnungshöfe oder Innenrevisionen machen hier zusätzlich Druck auf die beteiligten Leistungsträger, indem sie Vergabeverfahren anmahnen und auch einfordern.
Die Umfrage ergab auch, dass sich zum Zeitpunkt der Befragung rund ein Fünftel der Suchtberatungsstellen in Neuverhandlungen befand (Zeis, 2022). Zum größten Teil lag das darin begründet, dass der alte Vertrag auslief. In vielen Fällen wurden die Neuverhandlungen aber auch direkt durch Politik oder Verwaltung ausgelöst und die Leistung öffentlich ausgeschrieben. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass auch in Zukunft Aufträge im Bereich der ambulanten Suchtberatung öffentlich ausgeschrieben werden.
Die Umfrage zeigt deutlich die Nachteile von öffentlichen Vergaben (Zeis, 2022). Neben der Feststellung des hohen Aufwands an Zeit und Kosten werden vor allem Preisdumping und die Auflösung von gewachsenen Netzwerken befürchtet. Weitere in der Umfrage genannte negative Aspekte zu den Auswirkungen von Ausschreibungen sind:
hoher Ökonomisierungsdruck
Unsicherheit darüber, ob man die Vergabe „gewinnt“
Externalisierung von Risiken an die Träger
hohe Komplexität der Vergabeverfahren und damit hoher Zeitaufwand für alle Beteiligten (und damit weniger Zeit für Innovation)
Missachtung des Subsidiaritätsprinzips
Mehrarbeit durch die Unerfahrenheit der Vergabestellen
kaum und schwierig zu erfassende Berücksichtigung regionaler gewachsener Strukturen und die Beschädigung dieser Netzwerke (samt Betriebskultur)
Misstrauen
(Wett-)Streit und Vertrauensverlust durch die Konkurrenzsituation
Vernachlässigung von Nachhaltigkeitsaspekten
befristete und am Lohnminimum angesetzte Arbeitsverträge und damit in der Folge auch Fachkräftemangel
Verunsicherung von Nutzer:innen und Abbrüche von Beratungsprozessen
Weitere negative Auswirkungen liegen auf der Hand: Vergabeverfahren sind kostspielig, es gibt, wenn überhaupt, nur wenige weitere Wettbewerber (es findet also kein Wettbewerb statt), seitens der Kommune sind Überforderung und fehlende Kundennähe derzeit die Regel, die Verfahren unterliegen einer Rechtsunsicherheit und sind unflexibel und praxisfern, es entsteht keine Korrelation von Liberalisierungsgrad und der erwarteten Qualität, langfristige Planung wird reduziert, es kommt zu Sozialdumping, ein Aufbau von Kooperation und Beziehung ist kaum möglich, da regelmäßig erneut (europaweit) ausgeschrieben wird, sämtliche Risiken liegen beim Leistungserbringer, und etablierte Beziehungen werden aufgelöst (vgl. Zeis, 2022).
In Summe kann man also sagen: Öffentliche Ausschreibungen sind in höchstem Maße ineffizient und letztlich überflüssig! Ein Zitat von Moldaschl & Högelsberger (2016) bringt dies deutlich auf den Punkt:
„Es mag kurios klingen, aber: Je besser, fairer und sozialer eine Ausschreibung gestaltet ist, desto unnötiger wird sie. Dadurch werden nämlich immer mehr Parameter fixiert, die dann bei Ausschreibungen nicht mehr variabel sein können. Es bleiben dadurch kaum Aspekte übrig, bei denen es zu einem Wettbewerb kommen kann.“
Was muss geschehen?
Glücklicherweise mehren sich mittlerweile die Stimmen, die sich gegen öffentliche Ausschreibungen richten. Die Kommunen haben ebenfalls Erfahrungen gesammelt und entscheiden sich teilweise bewusst gegen diese Art der Vergabe. Dennoch sind die Rahmenbedingungen (EU-Vergaberecht, GWB, Druck zum Wettbewerb) unverändert, und es ist nur eine Frage des Zufalls, in welcher Kommune, in welchem Landkreis demnächst ein Vergabeverfahren mit Wettbewerbscharakter ausgelöst wird. Wurde einmal ein Vergabeverfahren durchgeführt, ist die Kommune im Übrigen mehr oder weniger gezwungen, das Vergabeverfahren immer wieder durchzuführen. Dieser Automatismus ist nur schwer zu durchbrechen und erfordert Mut und Überzeugungskraft bei den kommunal Handelnden gegenüber Innenrevisionen, Haushaltsressorts oder Rechnungshöfen.
Es braucht daher zum einen eine bundesweite Aufklärungskampagne über die Nachteile solcher Vergabeverfahren, zum anderen sollte sich der Bundesgesetzgeber mit diesem Thema befassen und eine Bereichsausnahme für soziale Dienstleistungen schaffen. Das EU-Vergaberecht lässt, gut begründet, Ausnahmen zu. Soziale Dienstleistungen haben eben besondere Merkmale, die sie auf einem Quasi-Markt anbieten. Es geht hier nicht um Produkte, die produziert werden und skalierbar sind. Es geht um die Beratung und Begleitung von Menschen im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge, es geht um Menschen, die aus vielfältigen Gründen Hilfe und Unterstützung benötigen, sei es aufgrund von problematischen Konsum- und Verhaltensweisen, Überschuldung, psychischen Erkrankungen, Flucht oder anderen Belastungen.
Weitere Maßnahmen, die eine Alternative zu Vergabeverfahren darstellen und insgesamt zu einer Verbesserung der Situation von Suchtberatungsstellen führen können, sind:
eine gesicherte Finanzierung und solide Vertragsgrundlagen für Suchtberatungsstellen schaffen, z. B. im Rahmen der Gesundheitsdienstgesetze der Länder
Interessenbekundungsverfahren oder ähnliche Alternativen nutzen, die Träger in die Gestaltung des regionalen Sozialraums mit einbeziehen
sachliche Begründungen für den Ausstieg aus Vergabespiralen liefern
Subsidiaritätsprinzip stärken
regionalen Bezug der Dienstleistung stärker beachten
Landesstellen für Suchtfragen stärken
Wirkungsforschung (Outcome, Impact, Public Value, SROI etc.) stärker nutzen und die Ergebnisse in Bewertungen mit aufnehmen
Expertise zu all den hier genannten Themen in den Kommunen und bei den Trägern erhöhen
Anerkennung gestiegener Anforderungen durch Reduktion bzw. Streichung von Eigenanteilen
eine gemeinsame Sprache finden, um damit Vertrauen zwischen Beratungsstellen und Kommunen wiederherzustellen und zu verfestigen
Unabhängig von diesen Maßnahmen gilt es, die hier beschriebenen Vergabeverfahren zu vermeiden. Sonst gehen eingespielte Strukturen vor Ort, Kontinuität in der Betreuungsqualität und somit das Vertrauen der Nutzer:innen unnötig verloren (vgl. Wintermann, 2021).
In der Klimapolitik werden wissenschaftliche Erkenntnisse nur mühsam in politische Kompromisse gegossen, obwohl wir genau wissen, dass wir besser früher als später aus den fossilen Energieträgern aussteigen müssen, um eine weitere Erderwärmung mit all ihren Folgen zu stoppen.
Im Bereich der öffentlichen Ausschreibungen für soziale Dienstleistungen ist ebenfalls klar, was zu tun wäre, und dieses Wissen ließe sich sicherlich um ein Vielfaches einfacher, schneller und reibungsloser umsetzen. Wieso noch einen Tag länger diese ineffizienten und überflüssigen Verfahren im Bereich der Suchtberatung (und ähnlicher Beratungs- und Fachdienste) anwenden? Haben wir den Mut, sagen wir Nein, steigen wir aus, bleiben wir kreativ, suchen wir nach neuen Lösungen und bleiben wir vor allem im Gespräch miteinander! Hierzu braucht es alle Beteiligte in den Kommunen und der Sozialwirtschaft mit Unterstützung des Bundes und der Länder und eine Rechtsprechung, die die genannten Aspekte berücksichtigt.
Kontakt:
Daniel Zeis
Ambulante Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke und Suchtgefährdete
Großbeerenstr. 187
14482 Potsdam
daniel.zeis(at)awo-potsdam.de
Tel. 0331 73040740 www.awo-potsdam.de
Angaben zum Autor:
Daniel Zeis ist Einrichtungsleiter der ambulanten Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke und Suchgefährdete des AWO Bezirksverbandes Potsdam. Nach dem Studium der Sozialen Arbeit (Diplom) absolvierte er die Weiterbildung zum Sozialtherapeut Sucht (DRV/GKV-anerkannt) und schloss 2022 sein Masterstudium (Sozialmanagement) erfolgreich ab. Er ist seit 16 Jahren in der Suchthilfe tätig.
Literatur:
Arnold, Ulli; Grunwald, Klaus; Maelicke, Bernd (Hg.) (2014): Lehrbuch der Sozialwirtschaft. Unter Mitarbeit von Holger Backhaus-Maul, Benjamin Benz und Karl-Heinz Boeßenecker. 4. erweiterte Auflage. Baden-Baden: Nomos.
Bachert, Robert; Dreizler, Andrea (Hg.) (2018): Finanzierung von Sozialunternehmen. Theorie, Praxis, Anwendung. 2., aktualisierte Auflage. Freiburg im Breisgau: Lambertus (Sozialmanagement).
Dahme, Heinz-Jürgen; Wohlfahrt, Norbert (2013): Lehrbuch Kommunale Sozialverwaltung und Soziale Dienste. Grundlagen, aktuelle Praxis und Entwicklungsperspektiven. 2. Auflage. Weinheim: Beltz Verlagsgruppe.
Deutscher Bundestag (2015): Ausarbeitung – Die Gesundheitsdienstgesetze der Länder. Wissenschaftliche Dienste. Aktenzeichen: WD 9 – 3000 – 027/14. Fachbereich: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Hagn, Julia (2012): Ergebnisse und (Neben-) Wirkungen des Neuen Steuerungsmodells für die Soziale Arbeit. In: Hagn, Julia; Hammerschmidt, Peter; Sagebiel, Juliane Beate (Hg.): Modernisierung der kommunalen Sozialverwaltung. Soziale Arbeit unter Reformdruck? Schriftenreihe Soziale Arbeit der Hochschule München.
Moldaschl, Thomas; Högelsberger, Heinz (2016): Die vielen Nachteile von Ausschreibungen. A&W Blog, Blog zum Magazin Arbeit & Wirtschaft, 07.03.2016. https://awblog.at/die-vielen-nachteile-von-ausschreibungen/, letzter Zugriff 30.01.2023.
Neu, Claudia (2009): Daseinsvorsorge: Eine gesellschaftswissenschaftliche Annäherung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Rock, Joachim; Steinke, Roß (2019): Die Zukunft des Sozialen – in Europa? Soziale Dienste und die europäische Herausforderung. 1. Auflage. Baden-Baden: Nomos.
Seithe, Mechthild (2010): Schwarzbuch Soziale Arbeit. 1. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaft.
Wohlfahrt, Norbert (2012): Auswirkungen der Neuen Steuerungsmodelle auf die Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse der Sozialen Arbeit. In: Hagn, Julia; Hammerschmidt, Peter; Sagebiel, Juliane Beate (Hg.): Modernisierung der kommunalen Sozialverwaltung. Soziale Arbeit unter Reformdruck? Schriftenreihe Soziale Arbeit der Hochschule München.
Zeis, Daniel (2022): Von der Anwendung des Vergaberechts im Bereich ambulanter Suchtberatungsstellen – Versuch einer Bestandsaufnahme. Alice-Salomon-Hochschule. Online verfügbar unter: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:kobv:b1533-opus-4994; letzter Zugriff 30.01.2023.
Das National Early Warning System (NEWS) hat in einer Cannabisprobe ein neues synthetisches Cannabinoid entdeckt, das in der EU (+ Türkei und Norwegen) bisher noch nicht aufgetreten ist und das starke Nebenwirkungen hervorruft.
Bei dem synthetischen Cannabinoid handelt es sich um ADMB-4en-P3FUPPYZ5CA. Es wurde in Cannabis festgestellt, das Anfang September 2022 in München als „Cali Weed“ verkauft wurde. Als Nebenwirkungen des Konsums wurden Schweißausbrüche, Zittern sowie Halluzinationen beschrieben.
Zur weiteren Information über „Cali Weed“ finden Sie in der ARD Mediathek einen Beitrag von funk (dem Online-Content-Netzwerk von ARD und ZDF).
Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau 2023, 180 Seiten, 9,90 €, ISBN 978-3-7841-3556-4
Das SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende – erfährt mit dem neu geschaffenen Bürgergeld zum 1. Januar 2023 eine grundlegende Reform. Nachhaltige Arbeitsmarktintegration durch mehr und bessere Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten erhält eine größere Bedeutung, und das Grundbedürfnis Wohnen und der Erhalt des bisherigen Lebensumfelds werden betont. 17 Jahre nach Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden damit zentrale Webfehler des ursprünglichen Gesetzes beseitigt. Die Hinweise des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungswidrigen Sanktionspraxis ebenso wie das Sozialmonitoring der Wohlfahrtsverbände und die Analysen der Armuts- und Reichtumsberichte setzten dabei entscheidende Impulse.
Dieser Band bietet eine Arbeitshilfe, die es leicht macht, sich schnell einen qualifizierten, umfassenden Überblick über die Neuerungen zu verschaffen: Alle Änderungen des SGB II zum 01.01.2023 bzw. 01.07.2023 sind farblich hervorgehoben. Die Darstellungsweise sowie der vorangestellte Überblick über die wesentlichen Neuerungen sind besonders hilfreich für alle, die mit dem SGB II täglich zu tun haben und sich nun schnell mit dem neuen Bürgergeld vertraut machen und den Übergang vom alten ins neue Recht erfolgreich gestalten wollen. Ausgewählte Stellungnahmen der beteiligten Verbände bieten zusätzliche Hintergrundinformationen für das Verständnis der neuen Regelungen.