Autor: Simone Schwarzer

  • Nebenamtliche betriebliche Suchtarbeit

    Der missbräuchliche Konsum von Alkohol und anderen Suchtmitteln verursacht in vielen gesellschaftlichen Bereichen und Altersgruppen ein Fülle von Problemen. Davon ist die Arbeitswelt nicht ausgenommen. Fehlzeiten, konsumbedingte Arbeitsunfälle, Leistungsminderung oder auch Konflikte mit Kolleg:innen und Vorgesetzten stellen eine kleine Auswahl an Beispielen für alkoholbedingte Probleme am Arbeitsplatz dar. Betriebliche Programme zur Suchtprävention und Suchthilfe mit dem Ziel der frühzeitigen Intervention bei Auffälligkeiten haben eine lange Tradition. Ganz frisch aktualisiert wurden gerade die „Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS)“, die als umfassendes Handbuch auf der Webseite der DHS zu finden sind. Sie liefern ein fachlich und rechtlich abgestimmtes Konzept als Handreichung für die betriebliche Praxis, um das betriebliche Angebot an den Bedarf anzupassen.

    Breites Aufgabenspektrum

    In vielen Betrieben hat sich neben der hauptamtlichen Gesundheits- und Sozialberatung die nebenamtliche betriebliche Suchtarbeit etabliert. Die nebenamtlichen betrieblichen Suchtberater:innen üben ihre Tätigkeit im Nebenamt zu ihrer hauptberuflichen Beschäftigung im Betrieb aus. Aufgrund ihrer suchtspezifischen Qualifikation und mit Unterstützung der Leitungs- und Führungskräfte können sie einen nachhaltigen Beitrag zur Suchtprävention und zur betrieblichen Suchthilfe leisten. In den letzten Jahren haben sich der Aufgabenzuschnitt und die Zuständigkeiten im Betrieb weiter ausdifferenziert bzw. weiter an die Betriebsspezifika angepasst, und die qualifizierten Mitarbeitenden finden sich in der Betriebssystematik als kollegiale Ansprechpersonen, soziale Ansprechpersonen oder auch als Ansprechpersonen für Suchtfragen wieder.

    Unabhängig davon, wie der innerbetriebliche Titel lautet, eint alle nebenamtlichen betrieblichen Suchtberater:innen ein breites Aufgabenspektrum: Sie beraten Betroffene und Führungskräfte umfassend bei Auffälligkeiten und ebnen den Weg in das Hilfesystem. Sie informieren und unterweisen regelmäßig die Beschäftigen und sensibilisieren sie für das Thema. Im Rahmen von Gesundheitstagen bieten sie z. B. auch Kooperationsmöglichkeiten mit externen Dienstleistern aus dem Hilfesystem an. Nicht fehlen dürfen die betrieblichen Ansprechpersonen in den Steuerkreisen Gesundheit und Sucht, bei der Erarbeitung von betrieblichen Regelungen für den Bereich Gesundheit und Sucht wie auch bei den Bemühungen um Vernetzung und Kooperation der innerbetrieblichen Gremien mit externen Facheinrichtungen und Netzwerken der Suchthilfe.

    Die Tätigkeit der betrieblichen Ansprechpartner:innen für Suchtfragen setzt umfassende Kompetenzen und Fertigkeiten voraus, um sich bei den komplexen und teilweise widersprüchlichen Interessen im Betrieb behaupten zu können. Dazu ist eine einschlägige Qualifizierung notwendig, die sich idealerweise an den „Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V.“ ausrichtet.

    Basisseminar „Ausbildung Nebenamtliche Betriebliche Suchtarbeit“ in Hamburg

    Mitarbeitende, die sich für eine Fortbildung zum Thema nebenamtliche betriebliche Suchtarbeit interessieren, können inzwischen aus einer Vielzahl von Anbietern für eine solche Qualifikation wählen. Im norddeutschen Raum hat sich u. a. das Basisseminar „Ausbildung Nebenamtliche Betriebliche Suchtarbeit“ der Unternehmensberatung für Betriebliche Suchtarbeit in Hamburg etabliert. Herausragendes Merkmal des Seminars ist eine „Ausbildung vor Ort“. Durch eine enge Kooperation mit unterschiedlichsten Facheinrichtungen für Suchterkrankungen im Großraum Hamburg ist es gelungen, den Seminarablauf so zu gestalten, dass wesentliche Inhalte in den Einrichtungen der praktischen Suchtarbeit vermittelt werden. Neben dem direkten Einblick in Behandlungsprozesse kann auf diesem Weg an geeigneter Stelle auch der Kontakt und der Austausch mit Betroffenen, die sich im Hilfesystem befinden, hergestellt werden. Diese Begegnungen führen nach unserer Erfahrung zu sehr nachhaltigen Erlebnissen und Erfahrungsprozessen, die sich positiv auf die Seminararbeit und die spätere Praxis in der nebenamtlichen betrieblichen Suchtarbeit auswirken. So ganz nebenbei wird natürlich die dringend erforderliche Netzwerkarbeit belebt, und es werden Kontakte für die spätere Kooperation mit dem Hilfesystem geknüpft.

    Inhaltlich werden im Basisseminar Informationen zu Suchtmitteln, Entwicklungsprozessen und Konsummustern vermittelt. Darüber hinaus nehmen die Themen „Rollenklärung in der Funktion als betriebliche:r Ansprechpartner:in“ sowie insbesondere „Auf- und Ausbau der persönlichen Beratungskompetenzen“ einen großen Raum in der Qualifizierung ein. Wenn hier solide Grundlagen für die Arbeit geschaffen werden, dann stehen die Chancen gut, dass die Ansprechpartner:innen auch tatsächlich im Betrieb angesprochen werden und in ihrer Funktion präsent sind. Dann können Betroffene, am Thema interessierte Personen und Führungskräfte bei ihnen angemessen und zielorientiert Unterstützung finden.

    Die nächste Möglichkeit, sich zur/zum nebenamtlichen betrieblichen Suchtberater:in ausbilden zu lassen, besteht ab 22. März 2023 in Hamburg. Dann startet die nächste Basisausbildung „Nebenamtliche Betriebliche Suchtarbeit“. Anmeldeschluss ist der 15. Februar 2023. Mehr Infos unter www.betriebliche-suchtarbeit.de oder beim Autor.

    Kontakt zum Autor:

    Rodger Mahnke
    Tel. 0151 14659501
    kontakt@betriebliche-suchtarbeit.de
    https://betriebliche-suchtarbeit.de/

    Text: Rodger Mahnke, Januar 2023

  • „Über alle Parteiungen weg“?

    Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau 2022, 150 Seiten, 21,00 €, ISBN 978-3-7841-3482-6, Sonderpreis für Mitglieder des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 16,50 €

    Vor hundert Jahren schaute Alice Salomon in ihrem Beitrag „Die sittlichen Grundlagen und Ziele der Wohlfahrtspflege“ auf einen kürzlich beendeten Weltkrieg und eine zerrüttete Gesellschaft. Um die verschärften sozialen Gegensätze zu überbrücken, plädierte sie dafür, sich auf Religion, Nation, Humanismus und Solidarität als wesentliche Quellen der Sozialen Arbeit zu besinnen. Inwiefern können heutige Debatten an diese Überzeugung anknüpfen? Autor:innen aus einem breiten fachlichen Spektrum finden kontroverse Antworten auf diese Frage.

  • Wirkung und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe

    Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. gibt Impulse für die aktuelle fachliche Debatte um die Begriffe Wirkung und Wirksamkeit. In seinen Eckpunkten vom 7. Dezember 2022 richtet er sich insbesondere an Leistungsträger und Leistungserbringer der Eingliederungshilfe, damit ein gemeinsames Verständnis der Begriffe entwickelt werden kann.

    Durch die Reform zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) wurden erstmals die Begriffe Wirkung und Wirksamkeit im Kontext der Eingliederungshilfe im SGB IX gesetzlich verankert, einerseits im Leistungsrecht (Gesamtplanverfahren), andererseits im neuen Vertragsrecht der Eingliederungshilfe. Ziel ist es, dass Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen passgenau und bedarfsdeckend erbracht werden. Der Deutsche Verein beschreibt die Problematik, dass Wirkung und Wirksamkeit unbestimmte Rechtsbegriffe seien und das Gesetz keine Verfahren, Maßstäbe und Kriterien für die Beurteilung der Wirksamkeit formuliert habe. In Landesrahmenverträgen würden Wirkung (personenbezogen) und Wirksamkeit (institutionell) bzw. personen- und angebotsbezogene Ergebnisqualität voneinander abgegrenzt.

    Aus Sicht des Deutschen Vereins ist eine Wirkungskontrolle derzeit im Wesentlichen nur anhand der individuellen Erreichung von Teilhabezielen möglich. Es sei entscheidend, als Leistungsträger im Dialog mit der/dem Leistungsberechtigten zunächst geeignete Teilhabeziele zu formulieren, um im Anschluss die Wirkung der erbrachten Maßnahmen im Einzelfall feststellen zu können. Hierbei könne auch eine Einbeziehung des Leistungserbringers sinnvoll sein.

    Mit Bezug zur Wirksamkeit von Leistungen sieht der Deutsche Verein es als Aufgabe der Wissenschaft, zu erforschen, welche Strukturen und Prozesse sich teilhabefördernd auswirken und die Ergebnisqualität positiv beeinflussen können. Es bedürfe empirisch gesicherter und überprüfbarer Maßstäbe für die Struktur- und Prozessqualität sowie Ergebnisqualität der Leistungen, die im Rahmen der Eingliederungshilfe erbracht werden. Der Deutsche Verein empfiehlt hierzu die drei Perspektiven des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses – Leistungsträger, Leistungserbringer und Leistungsberechtigte – in die Forschung einzubeziehen. Im Hinblick auf Qualitätsprüfungen nach § 128 SGB IX, die auch die Überprüfung der Wirksamkeit von erbrachten Teilhabeleistungen umfassen, spricht sich der Deutsche Verein dafür aus, diese Prüfungen in einem partnerschaftlichen, dialogischen und qualitätsorientierten Prozess zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den Leistungserbringern durchzuführen.

    Die Eckpunkte des Deutschen Vereins gliedern sich in

    • gesetzliche Grundlagen,
    • Vorgaben zu Qualität und Wirksamkeit in den Landesrahmenverträgen,
    • gemeinsame Begriffsdefinitionen, u. a. zum Verhältnis von Wirkung und Wirksamkeit, sowie
    • Empfehlungen zur Wirkungskontrolle und Überprüfung der Qualität einschließlich Wirksamkeit von Leistungen der Eingliederungshilfe.

    Das Papier ist im Webauftritt des Deutschen Vereins abrufbar.

    Quelle: Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht, https://www.reha-recht.de, 14.12.2022

  • Gesundheitszustand und medizinische Versorgung von wohnungslosen Menschen in Deutschland

    Eine Studie von Wissenschaftler:innen des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) liefert erstmals Daten zum Gesundheitszustand und der medizinischen Versorgung von wohnungslosen Menschen in Deutschland. Demnach leiden wohnungslose Menschen häufiger als die Allgemeinbevölkerung an somatischen und psychischen Erkrankungen. Im Vordergrund stehen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und des Stoffwechsels. Hinsichtlich der vorliegenden psychischen Erkrankungen scheinen insbesondere Suchterkrankungen eine wichtige Rolle zu spielen. Die Migrationshistorie der Studienteilnehmenden wurde zudem als wichtiger Faktor für Gesundheit und Versorgung identifiziert.

    Der Gesundheitszustand wohnungsloser Menschen in Deutschland und international ist in der Forschung bislang nur lückenhaft beschrieben worden. In einer nationalen multizentrischen Querschnittsstudie haben die UKE-Wissenschaftler:innen 651 wohnungslose Menschen in den Metropolregionen Hamburg, Frankfurt, Leipzig und München untersucht. Fragebögen, laborchemische und klinische Untersuchungen bestätigen das zumeist häufigere Vorliegen von psychischen und körperlichen Erkrankungen bei wohnungslosen Menschen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Besonders häufig zeigten sich Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und des Stoffwechsels.

    „Darüber hinaus berichteten rund 23 Prozent der Studienteilnehmenden von einer ärztlich diagnostizierten psychischen Erkrankung. Bei rund 70 Prozent der wohnungslosen Menschen gab es zudem Hinweise auf das Vorliegen einer möglichen unbekannten psychischen Erkrankung“, erläutert Studienleiter Fabian Heinrich vom Institut für Rechtsmedizin des UKE. Mittels validierter Fragebögen zeigte sich eine mögliche Angststörung bei 27,6 Prozent und eine mögliche Depression bei 26,9 Prozent der Studienteilnehmenden. Bei 42,1 Prozent der Befragten zeigte sich Einsamkeit. In der Anamnese ergaben sich Hinweise für eine substanzbezogene Störung in Sinne eines vermehrten Konsums von Alkohol oder illegalen Substanzen bei 42,3 Prozent beziehungsweise 29,4 Prozent der Studienteilnehmenden.

    Die Studienteilnehmenden wurden außerdem nach ihrer Migrationshistorie befragt: Wohnungslose Menschen nichtdeutscher Herkunft sind häufiger ohne Obdach und ohne Krankenversicherung, Menschen aus dem EU-Ausland weisen zudem häufiger körperliche Erkrankungen auf. Psychische Erkrankungen treten wiederum eher unter wohnungslosen Menschen auf, die in Deutschland geboren wurden.

    „Unsere Studie unterstreicht die Vulnerabilität wohnungsloser Menschen in Deutschland und legt einen ungedeckten Bedarf an psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungsangeboten nahe. Programme zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung wohnungsloser Menschen sollten insbesondere wohnungslose Migrant:innen berücksichtigen“, sagt Studienleiterin Franziska Bertram.

    Originalpublikation:
    Franziska Bertram et.al. The mental and physical health of the homeless – evidence from the National Survey on Psychiatric and Somatic Health of Homeless Individuals (the NAPSHI study). Deutsches Ärzteblatt, Dezember 2022. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0357

    Pressestelle des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), 20.12.2022

  • „Trau Dir und vertrau Dich jemandem an!“

    Wie kommen Kinder und Jugendliche von suchtkranken Eltern an Informationen und Hilfsangebote? Wie erreicht man sie im Internet, um ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind? Wie finden sie Wege aus der Krise? NACOA Deutschland, die Interessenvertretung für Kinder aus suchtbelasteten Familien, hat ihr Angebot für diese Zielgruppe überarbeitet und bietet nun unter dem Motto „Trau Dir!“ altersgerechte Informationen an. Comics aus dem Alltag und Hörbeispiele mit Berichten von anderen Kindern zeigen die unterschiedlichen Rollen, die Kinder als Folge der Abhängigkeitserkrankung der Eltern einnehmen. Die Website ist zu finden unter www.traudir.nacoa.de.

    www.traudir.nacoa.de

    Oscar, Nele, Leo und Coco stehen auf der Website stellvertretend für die 2,65 Millionen betroffenen Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Sie leiden unter der Abhängigkeitserkrankung der Eltern, die oft auch ihre eigene körperliche und seelische Gesundheit gefährdet. Ihr Impuls, Hilfe zu suchen und mit anderen über die Situation zu sprechen, wird durch das in suchtbelasteten Familien geltende Schweigegebot unterdrückt. Der Kontakt zu den eigenen Gefühlen geht so verloren. Unter dem Titel „Trau Dir!“ will NACOA Deutschland dagegen angehen. „Trau deinen Wahrnehmungen! Auch wenn deine Eltern versuchen sollten, sie dir auszureden. Du kannst dir trauen. Und du kannst dich jemandem anvertrauen.“ Die Comics machen Mut, eine Linkliste weist den Weg zu Chats und Online-Angeboten im Internet.

    NACOA Deutschland (www.nacoa.de) ist die Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien. Die Erstellung der Website www.traudir.nacoa.de wurde gefördert von der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH).

    Quelle: NACOA Deutschland, 21.12.2022

  • Gesundheit in Bewegung

    APOLLON University Press, Bremen 2022, 424 Seiten, 54,90 €, ISBN: 978-3-943001-70-9

    Bewegungsmangel stellt laut Weltgesundheitsorganisation die Epidemie des 21. Jahrhunderts dar. Denn unzureichende Bewegung begünstigt nicht nur die Entstehung von Übergewicht, Adipositas und Diabetes, sondern schadet dem gesamten Herz-Kreislauf-System. Bewegung und Sport hingegen wirken als Gesundheitsressource protektiv, da sowohl die psychische und physische als auch die soziale Gesundheit gefördert wird. Je nach Zielgruppe und gesundheitlichem Setting sind die Möglichkeiten der Bewegungsförderung vielfältig und mit unterschiedlichen Herausforderungen verbunden.

    Der Themenband ist daher bewusst ganzheitlich ausgerichtet und geht auf motivationsspezifische Aspekte, zielgruppenbezogene und -übergreifende ‚moderne‘ Ansätze (z. B. Apps, Nudging) sowie auf integrative Konzepte der Bewegungsförderung ein, ohne dabei kritische Themen wie Selbstoptimierung, Sportsucht oder Qualitätssicherung von Bewegungsangeboten außer Acht zu lassen. Das interdisziplinäre Werk wendet sich mit zahlreichen Beispielen und Empfehlungen aus Forschung und Praxis an eine breite Leserschaft und ist sowohl für Praktiker:innen, Lehrende als auch Studierende geeignet.

  • Bundeskabinett erleichtert Substitutionsversorgung für suchtkranke Menschen

    Das Bundeskabinett hat am 21.12.2022 die Verordnung zur Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung und der Tierärztegebührenordnung beschlossen.

    Die Verordnung zur Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) dient dem Ziel, die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften für die medizinische Behandlung mit Betäubungsmitteln an den aktuellen Stand der Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis anzupassen. Sie berücksichtigt dabei auch die Erfahrungen mit den pandemiebedingten Ausnahmeregelungen für die Substitutionstherapie Opioidabhängiger, die durch die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung (SARS-CoV-2-AMVV) eingeführt worden waren. Zum Beispiel

    • wird die Verschreibung zur eigenverantwortlichen Einnahme des Substitutionsmittels bis zu sieben Tage in eine dauerhafte Regelung überführt,
    • werden Möglichkeiten einer telemedizinischen Konsultation bei der Verschreibung geschaffen,
    • wird der Personenkreis, der das Substitutionsmittel zum unmittelbaren Gebrauch überlassen kann, erweitert.

    Dazu der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert: „Die Folgen der coronabedingten Kontaktbeschränkungen waren auch für suchtkranke Menschen, die auf eine regelmäßige ärztliche Behandlung mit Substituten und Therapien angewiesen waren, belastend. Durch die SARS-CoV-2-AMVV konnte vorübergehend mehr Flexibilität in den Behandlungsabläufen für Ärztinnen und Ärzte sowie für opioidabhängige Patientinnen und Patienten in der Substitutionsbehandlung geschaffen werden. Es ist erfreulich, dass wir diese guten Erfahrungen nun dauerhaft umsetzen und eine moderne, flexiblere und patientenorientiertere Substitutionstherapie schaffen. Dadurch können die Bedarfslagen Opioidabhängiger stärker berücksichtigt und positive Auswirkungen auf ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erreicht werden.“

    Die Verordnung zur Änderung der BtMVV sieht darüber hinaus die Streichung der Regelungen zu den Höchstverschreibungsmengen für Betäubungsmittel nach der Anlage III des Betäubungsmittelgesetzes vor. Die bisherigen Vorgaben entsprechen nicht mehr dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und den Erfordernissen der ärztlichen Praxis, weil sie nicht mehr mit den auf dem Arzneimittelmarkt vorhandenen Betäubungsmitteldarreichungsformen kompatibel sind. Sie sind zukünftig verzichtbar, weil sie nicht zu einer zusätzlichen Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs beitragen.

    Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrates und soll am 8. April 2023 in Kraft treten.

    Pressestelle des Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung, 21.12.2022