Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2025, 137 Seiten, 29,00 €, ISBN 978-3-17-029977-1
Eine Suchterkrankung stellt nicht nur für die Betroffenen eine schwere Belastung dar, sondern auch für ihr enges soziales Umfeld. Dieses Buch widmet sich den betroffenen Personengruppen – Partner, Kinder, Eltern, Freunde und Kollegen von Menschen mit Suchterkrankungen – und veranschaulicht deren unterschiedliche Belastungen und Unterstützungsbedarfe anhand von Forschungsresultaten und Fallbeispielen. Die Autoren diskutieren Grundlagen und Theoriemodelle zum Thema wie z. B. das umstrittene Konzept der Co-Abhängigkeit und zeigen bewährte und innovative Unterstützungsmöglichkeiten und Behandlungsansätze für Angehörige von Menschen mit Suchterkrankung auf.
Doktorand Christoph Beineke (re.) und Doktorvater Prof. Dr. Thomas Altenhöner. Foto: K. Schradi/HSBI
Christoph Beineke untersucht in seiner Dissertation an der Hochschule Bielefeld (HSBI), welche Wechselwirkungen Vaterschaft und problematischer Drogenkonsum haben, um herauszufinden, wie Väter im Rahmen der Suchthilfe in ihrer Vaterschaft unterstützt werden können. Durch seine erfolgreiche Bewerbung beim Promotionskolleg NRW konnte er nun eine durch das Kolleg geförderte Stelle besetzen.
Aus der deutschen Suchthilfestatistik geht hervor: Etwa 40 Prozent der ambulant und 50 Prozent der stationär behandelten Männer sind Väter. „Obwohl die Gruppe der Väter unter suchterkrankten Personen sehr groß ist, spielt die Vaterschaft weder in der Versorgungsstruktur der Betroffenen noch in der Forschung eine nennenswerte Rolle“, sagt Christoph Beineke. „Das Thema wird im Rahmen der Suchthilfe kaum beachtet, zielgruppenspezifische Angebote fehlen weitgehend.“
Wertvoller Perspektivwechsel: Vaterschaft als Chance für den Suchthilfeverlauf
Erste Versuche, Vaterschaft bei Hilfsangeboten stärker einzubeziehen, haben klare Indizien dafür geliefert, dass die Beachtung des Themas Potenzial hat, den Substanzkonsum der Betroffenen zu reduzieren und ihre Rolle als Vater zu stärken. „Das Neue und Besondere an der Doktorarbeit von Christoph Beineke ist der Perspektivwechsel“, betont auch Prof. Dr. Thomas Altenhöner, Experte für Prävention und Gesundheitsförderung an der HSBI. Altenhöner ist der am Promotionskolleg NRW akkreditierte Erstbetreuer Beinekes.
„Es liegt auf der Hand“, so der Professor, „dass sich aus einer väterlichen Abhängigkeitserkrankung Herausforderungen für das kindliche Entwicklungsumfeld ergeben und die Erkrankung Schwierigkeiten für die Familie mit sich bringt.“ Aber, so die These, Vaterschaft biete auch Chancen. Denn: Wer seine Rolle als Vater künftig besser ausfüllen möchte, hat womöglich eine nachhaltige Motivation, sich vom Konsum zu lösen.
Um hier der Suchthilfe mittelfristig Handlungsempfehlungen geben zu können, wertet Christoph Beineke zurzeit 15 leitfadengestützte Einzelinterviews und 94 schriftliche Fragebögen aus. Die Fragebögen wurden von Vätern beantwortet, die sich aufgrund ihres problematischen Konsums aktuell in Angeboten der professionellen Suchthilfe befinden. Die Datenerhebung fand im Zuge des Drittmittelprojekts „Papa auch!“ der Katholischen Hochschule in Köln statt, das vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert und dort umgesetzt wurde. Beineke hat auf diese Weise beispielsweise Informationen und Daten erhalten zur familiären Situation, zu Vorstellungen über die Vaterrolle, zu Wechselwirkungen zwischen Vaterschaft und Abhängigkeit sowie zu Unterstützungsbedarfen.
Die Gruppe der Teilnehmer am Projekt war recht heterogen: Bei mehr als der Hälfte der Befragten handelt es sich um Konsumenten illegaler Substanzen, eine weitere große Gruppe weist einen problematischen Alkoholkonsum auf. Auch Väter, die ein problematisches Glückspiel- oder Videospielverhalten entwickelt haben, sind Teil der Untersuchung.
„Zunächst einmal erleben Väter durch ihre Erkrankung die üblichen Aspekte einer Abhängigkeit“, berichtet Christoph Beineke. „Das sind der Kontrollverlust über den Konsum, die zunehmende Priorisierung des Konsums und bei den stoffgebundenen Abhängigkeiten auch die negativen körperlichen Auswirkungen in Form von Toleranzentwicklung und Entzugssymptomatik.“ Auch die Vaterschaft wird durch den Konsum und die Abhängigkeit in spezifischer Weise beeinflusst, so Beineke weiter: „Häufig zeigt sich konsumbedingt ein sprunghaftes und inkonsistentes Verhalten den Kindern gegenüber. Es gibt Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung eines geregelten Tagesablaufs. Viele Väter sind nicht anwesend oder, wenn sie da sind, ist das Zusammenleben oft von Unsicherheiten und Konflikten geprägt.“ Allerdings muss dies nicht zwangsläufig der Fall sein, ist Beineke überzeugt: „In der Unterstützung der Väter ist es deshalb ebenfalls wichtig, auch die Aspekte, deren Umsetzung gut gelingt, nicht außer Acht zu lassen.“
Negative Gefühle im Kontext von Vaterschaft und Konsum überwinden
Ein Teil der Väter, die bei der Untersuchung mitmachen, lebt nicht mit ihren Kindern zusammen. „Viele der Befragten schämen sich dafür, aufgrund der Abhängigkeit ihre Vaterrolle nur unzureichend ausfüllen zu können“, berichtet Beineke. „In den Befragungen wurde deutlich, dass die Betroffenen große Ansprüche an sich selbst stellen, die Umsetzung ihrer Ansprüche jedoch mit Schwierigkeiten verbunden ist. Daraus ergibt sich ein Risiko für Überforderungsgefühle, denen einige Väter mit einer Intensivierung des Konsums begegnen.“
Eine weitere Erkenntnis aus den Befragungen ist der Umstand, dass viele der betroffenen Väter keine Vorbilder für eine gelingende Vaterschaft hatten. „Ihre eigenen Väter haben oftmals ebenfalls keine positive Rolle eingenommen, waren abwesend, nicht selten sogar selbst abhängig“, so Christoph Beineke. „Wie man mit eigenen Fehlern und Schwierigkeiten den Kindern gegenüber umgeht, haben sie also häufig nicht gelernt. Hier könnte man therapeutisch ansetzen, sodass die Väter profitieren, aber am Ende auch ihre Kinder und die Familie insgesamt.“
Bisherige Erhebungen weisen darauf hin, dass viele der betroffenen Väter der Vaterschaft an sich positiv gegenüberstehen und deshalb eine hohe Motivation zur Ausübung einer gelingenden Vaterschaft und zur Umsetzung notwendiger Änderungen beschreiben. Christoph Beineke: „Gerade diese persönliche Motivation kann im Rahmen der Suchthilfe genutzt bzw. gefördert werden.“
Das Erleben der Kinder
Auf die Frage, ob es nicht auch fatale Auswirkungen für die Kinder haben kann, abhängigkeitserkrankte Väter zu ermuntern, ihre Vaterrolle wieder stärker auszufüllen, antwortet Christoph Beineke: „Natürlich! Neben den Chancen, die bestehen, betrachtet meine Arbeit daher auch die Risiken, und es ist selbstverständlich, dass das Wohlergehen und die kindliche Entwicklung an oberster Stelle stehen. Es kann durchaus sein, dass in bestimmten Phasen der Abhängigkeitserkrankung kein Kontakt zum Vater für die Kinder das Beste ist. Das ist abhängig vom Einzelfall. Die Befragten in meiner Untersuchung sind allerdings in der Regel ein Stück weiter: Sie haben zumeist bereits eine Konsumfreiheit erreicht und machen jetzt eine Therapie, um ihre Abstinenz möglichst dauerhaft zu festigen.“
Trotzdem beachtet der Forscher auch potenzielle Auswirkungen einer Abhängigkeit auf die Kinder. „Kinder aus suchtbelasteten Familien weisen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten, von psychischen Erkrankungen oder einer eigenen Abhängigkeitserkrankung auf“, so Christoph Beineke. Ein Problem dabei ist die Tabuisierung des Themas und die damit einhergehende soziale Isolation von Kindern mit einem suchterkrankten Vater. „Kinder bekommen viel mehr mit, als Eltern in der Regel annehmen. Kindern fehlt aber häufig die Möglichkeit, über ihre Erlebnisse und Gefühle zu sprechen. Hier sind passende Unterstützungsangebote angezeigt, mit denen Kinder aus suchtbelasteten Familien erreicht werden.“
Beineke ist noch auf weitere Forschungslücken gestoßen: „Eine Auseinandersetzung mit einer väterlichen stoffungebundenen Abhängigkeit findet bisher nicht statt. Dass beispielsweise die Teilnahme an Glücksspielen zu einer Abhängigkeit führen kann, die mit nachteiligen Aspekten für die gesamte Familie einhergeht, zeigen Beispiele seit Jahrzehnten. Dennoch fehlt bislang eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Rolle des Vaterseins im Kontext dieser Form der Abhängigkeit.“ Ähnliches gilt für das in unserer Gesellschaft stark beworbene Gebiet der Sportwetten, und auch die wissenschaftliche Aufarbeitung der Videospielabhängigkeit im Kontext einer Vaterschaft steckt noch in den Kinderschuhen, so Beineke.
„Vorhandene Untersuchungen zeigen, dass Kinder von Vätern mit stoffungebundener Abhängigkeit neben den negativen finanziellen Auswirkungen stark unter der spielbedingten Unaufmerksamkeit des Vaters leiden.“ Im Rahmen der aktuellen Erhebung wurden nun auch gezielt Väter mit stoffungebundener Problematik berücksichtigt, um für diesen bislang weniger beachteten Bereich ebenfalls Erkenntnisse und Optimierungsmöglichkeiten in der Versorgungsstruktur zu gewinnen.
Pressestelle der Hochschule Bielefeld, University of Applied Sciences and Arts (HSBI), 23.7.2025
Frankfurter Jugendliche greifen immer seltener zu Marihuana und Haschisch. Wie aus einer ersten Auswertung der Drogentrendstudie 2024 hervorgeht, probierten zuletzt nur noch 22 Prozent der 15- bis 18-Jährigen mindestens einmal in ihrem Leben Cannabis. Damit halbierte sich die Konsumzahl in den vergangenen zehn Jahren und sank auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Studie im Jahr 2002.
„Frankfurt ist auf dem richtigen Weg“, sagt Sozial- und Gesundheitsdezernentin Elke Voitl. „Wir haben die Präventions- und Beratungsangebote der Stadt gestärkt, um vor allem junge Menschen zu informieren und sie bei Problemen im Umgang mit Cannabis zu unterstützen.“ Auch bei Erwachsenen zeigt sich ein ähnlicher Trend – allerdings nicht ganz so ausgeprägt.
Befürchtungen nicht bestätigt
Für Studienleiter Professor Bernd Werse sind die Ergebnisse eindeutig: „Die Befürchtungen, dass mit der Teillegalisierung ein Anstieg des Konsums bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen einhergehen würde, hat sich nicht bestätigt. Laut unserer repräsentativen Befragung sind alle Konsumzahlen zurückgegangen. Dies betrifft sowohl die Lebenszeit-Prävalenz als auch Daten zum aktuellen und häufigen Konsum.“
Seit dem Jahr 2002 werden für das Monitoring-System Drogentrends (MoSyD), gefördert vom Drogenreferat der Stadt Frankfurt, jährlich rund 1.500 Frankfurter Schülerinnen und Schüler ab 15 Jahren befragt. Seit 2024 wird die Studie am Institut für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences durchgeführt. Die Gesamtergebnisse der MoSyD-Studie liegen Ende des Jahres vor. Wegen des hohen Interesses an den möglichen Auswirkungen der Cannabis-Teillegalisierung wurden die Daten zu Cannabis für 2024 vorzeitig ausgewertet.
Weniger Konsum seit Teillegalisierung
22 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler gaben demnach an, Cannabis mindestens einmal im Leben probiert zu haben („Lebenszeit-Prävalenz“). Im Vorjahr unter den alten gesetzlichen Regelungen waren es 26 Prozent. Zum Vergleich: 2015 lag die Quote bei 43 Prozent, 2002 bei 46 Prozent. Auch der Konsum in den vergangenen zwölf Monaten ist gegenüber dem Vorjahr von 19 Prozent auf 17 Prozent zurückgegangen („12-Monats-Prävalenz“). Neun Prozent haben Cannabis nach eigenen Angaben in den vergangenen 30 Tagen konsumiert („30-Tage-Prävalenz“). Im Jahr zuvor waren es noch zehn Prozent, vor sechs Jahren mit 22 Prozent noch mehr als doppelt so viele.
Die Debatte um die Legalisierung von Cannabis und die Gesetzesänderungen haben demnach nicht zu einem Anstieg des Konsums bei Jugendlichen beigetragen. Dies trifft auch für Schülerinnen und Schüler über 18 Jahre zu. Bei den älteren Befragten ist die Lebenszeit-Prävalenz rückläufig, während der Konsum in den vergangenen 30 Tagen gleichgeblieben ist.
„Bereits seitdem von der Ampel-Koalition Ende 2021 angekündigt wurde, Cannabis teilweise legalisieren zu wollen, ist die Verbreitung der Droge unter Jugendlichen auf neue Tiefstwerte gesunken, was sich nach Einführung des Cannabisgesetzes fortgesetzt hat. Befürchtungen, dass der legale Status ein ‚falsches Signal‘ an junge Menschen aussenden würde, haben sich also nicht bestätigt – ganz im Gegenteil“, sagt Studienleiter Werse.
Abwasserstudie zeigt keinen Konsumanstieg
Hinweise auf das Konsumverhalten der gesamten Bevölkerung in Frankfurt liefern auch erste Ergebnisse einer bundesweiten Abwasserstudie. Die TU Dresden führt das vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Forschungsprojekt „Abwasserbasiertes Begleit-Monitoring im Rahmen der Einführung des Cannabisgesetzes in Deutschland“ (AMoCan) durch. Dabei werden seit Dezember 2023 in ausgewählten Abwasserreinigungsanlagen in Deutschland regelmäßig Proben entnommen und auf Drogenrückstände getestet.
Die Messergebnisse für die drei Abwasserreinigungsanlagen in Frankfurt liegen für den Zeitraum von Januar bis November 2024 vor. Eindeutige Tendenzen in Bezug auf Cannabis sind dabei nicht zu erkennen. Das gilt auch, wenn man die Mittelwerte der Messungen vor und nach Inkrafttreten des Cannabisgesetzes betrachtet. Zusammengerechnet hat sich der Mittelwert für Cannabis nach dem 1. April 2024 im Vergleich zum Mittelwert davor für den Raum Frankfurt um rund 3,5 Prozent reduziert.
„Diese Ergebnisse sind mit Vorsicht zu interpretieren“, räumt Björn Helm von der Technischen Universität Dresden ein. „Der untersuchte Zeitraum ist noch zu kurz, um eindeutige Schlüsse zu ziehen.“ Bei der letzten berücksichtigten Messung im November 2024 war noch keine einzige Cannabis-Anbauvereinigung in Frankfurt genehmigt. Fundierte Aussagen über die Auswirkungen der neuen Rechtslage lassen sich hier voraussichtlich erst in einigen Jahren treffen.
Prävention und Gesundheitsschutz bleiben im Fokus
Die Stadt Frankfurt setzt daher weiterhin auf einen präventiven und schadensmindernden Ansatz in der Drogen- und Suchthilfe. „Wir begrüßen, dass die Teillegalisierung für Erwachsene nicht zu einem Anstieg des Konsums geführt hat. Unser Fokus bleibt auf Aufklärung, Dialog und der Entstigmatisierung von Konsumierenden“, betont der kommissarische Leiter des Drogenreferats, Oliver Müller-Maar.
So sieht es auch Gesundheitsdezernentin Voitl und sagt: „Die Entkriminalisierung und kontrollierte Abgabe bieten die Chance, Konsumierende besser zu erreichen und Konsumrisiken zu reduzieren. Ziel bleibt ein verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis, der sowohl den Gesundheitsschutz als auch die gesellschaftliche Realität berücksichtigt.“
Pressestelle der Stadt Frankfurt am Main, 25.6.2025
Ergänzung der Redaktion: Die „MoSyD SZENESTUDIE 2024“ über die offene Drogenszene in Frankfurt am Main ist bereits veröffentlicht und auf der Website des Instituts für Suchtforschung (ISFF) der Frankfurt University of Applied Sciences abrufbar.
Übersetzt aus dem Französischen von Antje Riley
BALANCE buch + medien verlag, Köln 2024, 36 Seiten, 22,00 €, ISBN 978-3-86739-332-4
Streit im familiären Umfeld führt oft zu sozialem Rückzug. Das Zuhause ist nicht mehr der sichere Ort, der es sein sollte. Oft fehlt es gerade den Kindern an Strategien, wie sie Probleme ansprechen sollen, und ebenso mangelt es den Eltern in schwierigen Situationen an der nötigen Ansprechbarkeit.
Ella hat die Taschen voller Steine und an jedem neuen Tag kommen mehr Kieselsteine dazu. Ein Stein für jedes böse Wort, das ihre Eltern zueinander sagen. Ein Stein für die Tränen, die zuhause fließen. Ein Stein für ihre Angst vor der Trennung der Eltern. Am Ende hat sie so viele Steine auf dem Herzen und in den Taschen, dass sie sich kaum noch bewegen kann. Wie kann sie eine Lösung für all ihre Sorgen und Nöte finden?
Heikle Themen wie Streit, häusliche Gewalt (zwischen den Eltern) und Trennung werden aus Sicht des Kindes dargestellt. Dabei bleibt die Geschichte sensibel und zart mit einer fröhlichen und hoffnungsvollen Wendung zum Schluss. Mit dem zusätzlichen Downloadmaterial werden den Kindern Strategien an die Hand gegeben, mit diesen Sorgen und Nöten umzugehen und die Sprachlosigkeit aufzubrechen.
Die US-amerikanische Zulassungsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte (FDA) erkennt eine relevante Verringerung der Trinkmenge bei alkoholabhängigen Menschen künftig als Behandlungsziel in Zulassungsstudien für neue Therapieansätze an. Große epidemiologische und klinische Studien konnten die positive Wirksamkeit des reduzierten Alkoholkonsums nachweisen. Die wissenschaftlichen Daten zur Trinkmengenreduktion wurden über mehr als fünf Jahre evaluiert und von der FDA nach einer unabhängigen Re-Analyse bestätigt. Experten versprechen sich hiervon neue Anreize für Therapiestudien zur Behandlung der Alkoholsucht.
Für viele Menschen ist die Alkoholabhängigkeit eine chronisch-wiederkehrende Erkrankung. Dauerhaft abstinent zu bleiben, ist extrem schwierig. Geringe Erfolgsaussichten, eine Abstinenz zu erreichen, gehören zu den Hauptgründen, weshalb nur rund zehn Prozent der Betroffenen eine Therapie beginnen. So lag am Ende einer großen US-amerikanischen Studie der Erfolg gemessen an Abstinenz bei zirka 35 Prozent, gemessen an einer definierten Trinkmengenreduktion jedoch bei 75 Prozent. Dieses Ergebnis wurde in weiteren Studien bestätigt. Die deutlich höhere Erfolgsaussicht ist bedeutsam, wenn es um den Entschluss zu einer Behandlung geht oder auch um Hoffnung bei den Angehörigen zu erzeugen.
Trinkmengenreduktion als Paradigmenwechsel
Vor mehr als fünfzig Jahren wurde die Methadon-Substitution für Heroinabhängige eingeführt. Diese medizinische Verordnung eines Suchtstoffs, um gesundheitliche und soziale Schäden zu verringern, war ein enorm erfolgreicher Paradigmenwechsel in der Behandlung von Suchtpatienten. Bei Alkoholabhängigen dagegen stand das Gebot der Abstinenz als einziges Therapieziel einem schadenminimierenden Ansatz bisher im Wege. Daher hat die Entscheidung der FDA grundlegende Bedeutung. Sie erweitert die therapeutischen Optionen erheblich und stellt die Trinkmengenreduktion als gleichwertiges Therapieziel neben die Abstinenz. Damit werden frühere Ansätze der europäischen Zulassungsbehörde für Medizinprodukte (EMA) aufgegriffen. Dort war eine Trinkmengenreduktion bereits anerkannt worden, allerdings nur als intermediäres (sekundäres) Therapieziel.
Neue Wirkstoffe und differenziertere Therapie
Die Entscheidung der FDA basiert auf der Re-Analyse von umfassenden Studiendaten, die von einer Arbeitsgruppe von US-Experten zusammengestellt wurden. Entgegen weit verbreiteter Überzeugungen ist danach eine signifikante Verringerung der Trinkmenge auch für Abhängige über mehrere Jahre möglich. Prof. Dr. Karl Mann, emeritierter Lehrstuhlinhaber für Suchtforschung am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, ist Mitglied der Arbeitsgruppe. Er sieht in der neuen Entwicklung eine große Chance: „Die Anerkennung durch die FDA wird dazu führen, dass die Schwelle zum Antritt einer Therapie deutlich gesenkt wird. Weltweit werden mehr Menschen den Weg in die Behandlung finden. So kommt die gesamte Breite der bewährten Sozio-, Psycho- und Pharmakotherapien besser zum Tragen. Zudem sollten die verbesserten Erfolgschancen die pharmazeutische Industrie zu neuen Studien anregen, zum Beispiel um die Reduktion der Trinkmengen auch medikamentös zu unterstützen.“
Mann hebt zudem den konkreten Nutzen des Ansatzes für die Betroffenen, ihr persönliches Umfeld und die Gesellschaft hervor: „Die Studiendaten zeigen, dass Betroffene mit reduziertem Konsum über klinisch signifikante Verbesserungen ihres Befindens und ihrer Leistungsfähigkeit berichten. Das Abhängigkeitsrisiko und die Gesundheitskosten gehen zurück, während sich die psychische Gesundheit und die Lebensqualität verbessern. Als anerkanntes Therapieziel neben der Abstinenz ermöglicht der Ansatz der Trinkmengenreduktion eine differenziertere und individuellere Therapie.“
Wer ist alkoholabhängig?
Eine Alkoholabhängigkeit liegt vor, wenn mindestens drei von sechs definierten Kriterien erfüllt sind:
ein starkes Verlangen, Alkohol zu konsumieren,
Schwierigkeiten, die Einnahme zu kontrollieren (bzgl. Beginn, Ende und Menge),
ein körperliches Entzugssyndrom bei Reduktion oder Absetzen,
eine Toleranzentwicklung gegenüber den Wirkungen,
eine fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten der Alkoholeinnahme sowie
fortdauernder Alkoholgebrauch trotz des Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen, etwa Leberschädigung durch exzessives Trinken.
Demnach sind in Deutschland rund zwei Millionen Menschen vom Alkohol abhängig. Derzeit sind 70 Prozent von ihnen Männer, allerdings holen die Frauen in den letzten Jahren sehr stark auf. Weitere zirka zwei Millionen Menschen erfüllen zwar nicht die Kriterien einer Abhängigkeit, konsumieren aber in eindeutig gesundheitsschädlichem Ausmaß. Etwa 70.000 Menschen sterben jährlich an den Auswirkungen der Sucht.
Pressestelle des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit, 11.6.2025