Autor: Simone Schwarzer

  • „Schieb den Gedanken nicht weg!“

    Kampagnen-Flyer

    Anlässlich des 8. Europäischen Tages zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexueller Gewalt am 18. November haben Bundesfamilienministerin Lisa Paus und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, die gemeinsame Aufklärungs- und Aktivierungskampagne „Schieb den Gedanken nicht weg!“ vorgestellt. Die Botschaft: Kinder und Jugendliche sind vor allem im eigenen Umfeld der Gefahr sexueller Gewalt ausgesetzt.

    Seit Jahren werden konstant tausende Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch zur Anzeige gebracht. Doch das ist nur das polizeiliche Hellfeld, das Dunkelfeld ist ungleich größer. Es wird geschätzt, dass ein bis zwei Kinder pro Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen sind – bei rund drei Viertel der Fälle geschieht das in der eigenen Familie oder im sozialen Nahfeld. Von den meisten Menschen wird dieses reale Risiko im eigenen Umfeld allerdings weitgehend verdrängt: 90 Prozent der Bevölkerung halten es zwar für wahrscheinlich, dass sexuelle Gewalt vor allem in Familien stattfindet. 85 Prozent halten es aber für unwahrscheinlich oder ausgeschlossen, dass sexuelle Gewalt in ihrer eigenen Familie passiert oder passieren kann, so das Ergebnis einer FORSA-Umfrage im Auftrag der Unabhängigen Beauftragten.

    Der Betroffenenrat bei der Unabhängigen Beauftragten: „Diese Kampagne soll Mut machen und dazu auffordern, selbst Verantwortung zu übernehmen und Teil einer gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit zu werden: Immer da informiert zu handeln, wo Kinder und Jugendliche sexualisierte Gewalt erleben und erwachsene Betroffene sexualisierte Gewalterfahrungen in der Familie oder anderen Tatkontexten offenlegen. Sexualisierte Gewalt in der Familie ist keine Privatangelegenheit, sondern Unrecht. Dieses oft fehlende Unrechtsbewusstsein führt in großen Teilen der Gesellschaft zum Schweigen über den Tatort Familie. Jedoch hat das Umfeld die Verantwortung und vor allem die Möglichkeit, zu helfen und den Betroffenen zur Seite zu stehen.“

    Mit kontrastiven, irritierenden Aussagen wie: „Geh nicht mit Fremden mit! – Und wenn es gar kein Fremder ist?“ oder „Mach niemandem die Tür auf! – Und wenn die Gefahr schon drinnen ist?“ stellt die Kampagne gewohnte familiäre Denkmuster in Frage und weist auf die reale Gefahr von sexueller Gewalt im persönlichen Umfeld hin. Ziel ist es, Menschen zu befähigen, aktiv zu werden, wenn sie Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch schöpfen.

    „Schieb den Gedanken nicht weg!“ ist als mehrjährige Kampagne konzipiert. Neben einer Vielzahl von Informationsmaterialien stärkt die Kampagne lokale Netzwerke und kommunale Initiativen und unterstützt diese mit einem Kampagnenbüro. Durch die Zusammenarbeit von Fachpraxis, Politik und Zivilgesellschaft sollen nachhaltige Bündnisse vor Ort zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt erreicht werden. Auch der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiger Partner, der die Kampagne und die bundesweiten und lokalen Aktivierungsmaßnahmen unterstützt.

    Landingpage der Kampagne: www.hilfe-portal-missbrauch.de

    FORSA-Befragung sowie weitere Zahlen und Fakten zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen: https://beauftragte-missbrauch.de/service/publikationen/zahlen-und-fakten

    Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums, 17.11.2022

  • Kontrollierte, legale Abgabe von Cannabis in Deutschland

    Kontrollierte, legale Abgabe von Cannabis in Deutschland

    Dr. Dirk Kratz
    Prof. Dr. Derik Hermann

    „Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Droge in Deutschland.“ Mit diesem Satz beginnen zahlreiche journalistische Artikel zu Cannabis, um die gesamtgesellschaftliche Bedeutung dieser Substanz zu unterstreichen. Wird THC-haltiges Cannabis, wie derzeit von der Bundesregierung geplant, legal und kontrolliert abgegeben, könnte Cannabis in Zukunft realistischer eingeordnet werden. „Cannabis ist die am dritthäufigsten konsumierte legale Substanz nach Alkohol und Tabak und verursacht im Vergleich zu den beiden letzteren nur einen Bruchteil der gesellschaftlichen Probleme, Gesundheitsschäden und Todesfälle“, könnte es dann heißen.

    In diesem Artikel werden die Gründe und Ziele der beabsichtigten legalen Abgabe und eine mögliche Ausgestaltung diskutiert. Als Grundlage dient eine Stellungnahme von Derik Hermann zum FDP-Antrag „Cannabis zu Genusszwecken kontrolliert an Erwachsene abgeben – Gesundheits- und Jugendschutz stärken“ im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages am 21.06.2021.

    Gründe für eine kontrollierte Abgabe an Erwachsene zu Genusszwecken

    Das Ziel, die Verfügbarkeit und den Konsum von Cannabis durch ein Verbot mit strafrechtlicher Verfolgung zu unterbinden, ist fehlgeschlagen.

    Etwa 225.000 der 360.000 Rauschgiftdelikte des Jahres 2019 (64 Prozent) waren durch Cannabis verursacht. Bezogen auf die gesamte Rauschgiftkriminalität waren etwa 80 Prozent konsumnahe Delikte wie der Besitz kleiner Mengen zum Eigengebrauch (Bundeskriminalamt 2019). Nachdem in den Jahren 2006 bis 2012 jährlich 125.000 bis 150.000 Cannabisdelikte verfolgt wurden, kam es seit 2013 zu einem Anstieg um ca. 50 Prozent auf 225.000 Fälle.

    Die deutliche Steigerung der Strafverfolgung hat nicht zu einem Rückgang des Cannabiskonsums geführt. Trotz des Verbotes von Cannabis ist die 12-Monats-Prävalenz des Cannabiskonsums bei Männern von 6,7 Prozent (2012) auf 10,3 Prozent (2018) und bei Frauen von 3,4 Prozent (2012) auf 6,2 Prozent (2018) gestiegen (Seitz et al. 2019). Auch das Ziel, durch Strafverfolgung die Verfügbarkeit von Cannabis zu reduzieren, ist fehlgeschlagen. 57 Prozent der 15- bis 24-Jährigen geben an, Cannabis leicht innerhalb von 24 Stunden besorgen zu können (Eurobarometer 2014). Entsprechende Zahlen für andere Drogen liegen deutlich niedriger (Heroin zehn Prozent, Kokain 18 Prozent, Ecstasy 19 Prozent). Die strafrechtliche Verfolgung von konsumnahen Cannabisdelikten bindet einen großen Anteil der Arbeit von Polizei, Gerichten und Justizvollzugsanstalten, die an anderer Stelle fehlt. Durch das Verbot von Cannabis wandern hohe Summen in den Schwarzmarkt und ermöglichen Verkäufer:innen und der mit ihnen verbundenen organisierten Kriminalität Investitionen in anderen kriminellen Bereichen.

    Das Verbot von Cannabis erhöht die gesundheitlichen Risiken von Cannabiskonsum.

    Aufgrund des Verbotes von Cannabis erfolgt keine Qualitätskontrolle der Cannabisprodukte. Sie können Pestizide, Düngemittel, Blei (Busse et al. 2008) oder synthetische Cannabinoide enthalten, die zu Gesundheitsschäden führen. Der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) ist berauschend und verantwortlich für cannabis-induzierte Gesundheitsschäden, während Cannabidiol (CBD) nicht berauschend wirkt und die gesundheitsschädliche Wirkung von THC reduziert. Daher wäre es aus gesundheitlicher Sicht besser, wenn der THC-Gehalt niedrig und der CBD-Gehalt hoch wäre. In Folge des Cannabisverbotes hat sich in den USA der THC-Gehalt von etwa vier Prozent im Jahr 1995 auf etwa zwölf Prozent im Jahr 2012 erhöht (Volkow et al. 2014). In Deutschland betrug er 2019 16,7 Prozent für Haschisch (Reitox Bericht 2019) und 13,1 Prozent für Cannabisblüten (Reitox Bericht 2018). CBD wurde aus neueren Cannabissorten herausgezüchtet. Sie enthalten nur noch geringe CBD-Konzentrationen unter einem Prozent (Chandra et al. 2019).

    Ein weiteres Problem stellen Räuchermischungen mit synthetischen Cannabinoiden („Spice“) dar, die eine bis zu 100-fach stärkere Wirkung als THC aufweisen, mit stärkeren Gesundheitsschäden als bei THC verbunden sind und zu Todesfällen geführt haben. Synthetische Cannabinoide werden vor allem dann konsumiert, wenn der Konsum wegen der Illegalität von Cannabis nicht entdeckt werden soll, also in Justizvollzugsanstalten und im Straßenverkehr. Daher können das Aufkommen und der Erfolg von synthetischen Cannabinoiden als direkte Folgen des Verbotes von Cannabis angesehen werden.

    Die gesundheitlichen Risiken von Cannabis sind bekannt (siehe CaPRis-Studie) und deutlich geringer als die von Alkohol und Tabak.

    Die gesundheitlichen Risiken von Cannabis wurden in der CaPRis-Analyse 2018 im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums gut zusammengefasst. Die Risiken von Cannabiskonsum beinhalten psychische Störungen wie vorübergehende neuropsychologische Defizite, das Auftreten von Angststörungen (erhöht um Faktor 1,3 bis 1,7), Depressivität (erhöht um Faktor 1,3 bis 1,6), Psychosen (bei leichtem Konsum um Faktor 1,4 bis 2,0 erhöht, bei hohem Konsum um Faktor 2,0 bis 3,4) und eine Abhängigkeit von Cannabis (bei ca. neun Prozent der Konsumenten). Körperliche Folgen betreffen das Atemsystem und ein erhöhtes Hodenkrebsrisiko. Die Datenlage bzgl. kardiovaskulärer Effekte und anderer Krebserkrankungen war teils widersprüchlich, von schlechter Qualität oder nicht ausreichend, um chronische Schäden durch Cannabis nachzuweisen.

    Durch akuten Cannabiskonsum erhöht sich das Verkehrsunfallrisiko um den Faktor 1,25 bis 2,66 (zum Vergleich: durch Alkohol um den Faktor 6 bis 15). Wenn in jungem Alter mit dem Cannabiskonsum begonnen wird, ist Cannabiskonsum mit einem geringeren Bildungserfolg assoziiert (für eine ausführliche Darstellung vgl. Hermann 2015).

    Jugendliche sind durch Drogenkonsum besonders gefährdet und müssen besonders geschützt werden.

    Das Gehirn wird während der Pubertät neurobiologisch umgebaut, neuronale Netzwerke werden verändert und Hirnzentren neu verknüpft. Das wird durch körpereigene Cannabinoide (Endocannabinoide) gesteuert. Wenn in dieser Zeit Cannabis konsumiert wird, können diese fein abgestimmten Umbauprozesse nicht mehr korrekt ablaufen. Das führt zu lebenslangen Veränderungen der neuronalen Verknüpfungen, die eine geringere Intelligenz und ein erhöhtes Risiko für psychische und Suchterkrankungen begünstigen können (Jacobus et al. 2019, Salmanzadeh et al. 2020). Allerdings verhindert das Verbot von Cannabis den Konsum durch Jugendliche nicht. Der Anteil der 12- bis 17-Jährigen, die mindestens schon einmal Cannabis konsumiert haben, ist von 8,3 Prozent (2016) auf 9,6 Prozent (2018) gestiegen. Der Schwarzmarkt fragt nicht nach dem Alter. Leider hat Cannabis das Image einer Jugenddroge – dieses Image muss dringend verändert werden. Hierzu müssen Prävention, Jugendschutz, Suchtberatung und Behandlungsangebote erweitert, intensiviert, besser koordiniert und finanziert werden. Fachkräfte der Suchthilfe können besser zu einer Verhaltensänderung bzgl. des Drogenkonsums motivieren als das Strafrecht bzw. Polizei und Justiz.

    Die aktuell wichtigste Frage: Wie soll ein kontrollierter, legaler Verkauf von Cannabis für Erwachsene ausgestaltet werden?

    Nachdem klar ist, dass die im Jahr 2021 eingesetzte Bundesregierung eine kontrollierte, legale Abgabe von Cannabis an Erwachsene einführen möchte, muss geklärt werden, mit welchen Zielen, unter welchen Bedingungen und mit welchen Kontrollmechanismen die Cannabislegalisierung organisiert werden soll.

    Je nachdem, welche Ziele verfolgt werden, zeigen sich große Unterschiede in der Praxis. Die unterschiedlichen Auswirkungen können in Ländern beobachtet werden, die den Cannabisverkauf bereits legalisiert haben. In den Niederlanden können aktuell Erwachsene ab 18 Jahren bis fünf Gramm Cannabis in Coffeeshops erwerben und dort oder im privaten Raum konsumieren. Es gibt aber keine legale Möglichkeit, Cannabis in den Niederlanden anzubauen und zu produzieren – die Coffeeshops kaufen daher Cannabis auf dem Schwarzmarkt. Dadurch werden systematisch hohe finanzielle Mittel in kriminelle Bereiche geleitet. In den Bundesstaaten der USA, die Cannabis legalisiert haben, stehen neben Themen des Gesundheitsschutzes vor allem wirtschaftliche Interessen von teilweise börsennotierten Unternehmen im Vordergrund. Entsprechend soll Cannabis ein positives Image erhalten und der Konsum bequem und in ansprechendem Umfeld ermöglicht werden. Im Rahmen der wirtschaftlichen Interessen wird ein Wachstum des Cannabismarktes angestrebt. Die Verkaufsmenge wird durch Werbung, Produktdifferenzierung (Cannabis in Getränken oder Süßigkeiten) und eine Ausweitung des Marktes auf mehr Konsument:innen gesteigert. Die Kund:innen sollen häufiger und in größeren Mengen konsumieren.

    Das steht im Konflikt zu den Interessen des Gesundheitsschutzes, der gefährdete Personen wie Jugendliche, Schwangere und an Psychosen Erkrankte vom Konsum ausschließen und nicht zum Konsum motivieren möchte. Eine am Gesundheitsschutz orientierte Cannabislegalisierung begrenzt gefährliche Konsumformen wie häufigen, hochdosierten Konsum und beinhaltet eine Informationspflicht über Risiken. Diese Maßnahmen verfolgen das Ziel, den Konsum möglichst gering zu halten und nicht auszuweiten. Es soll zwar ein legaler Konsum ermöglicht werden, dieser soll aber gesundheitsorientierte Einschränkungen bzgl. der Verfügbarkeit von Cannabis und öffentlicher Konsummöglichkeiten sowie Informationspflichten und Verbraucherschutz beinhalten.

    In Deutschland haben sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag 2021 auf folgende Formulierung geeinigt: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet. Das Gesetz evaluieren wir nach vier Jahren auf gesellschaftliche Auswirkungen. Modelle zum Drugchecking und Maßnahmen der Schadensminderung ermöglichen und bauen wir aus.“ (Koalitionsvertrag, S. 68) Das heißt, dass Verbraucher:innenschutz und Jugendschutz im Vordergrund stehen und Einschränkungen in der Verfügbarkeit  vorgesehen sind. In einem strukturierten Konsultationsprozess wurden zentrale Fragestellungen in diesem Zusammenhang unter Leitung des Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Burkhard Blienert, erörtert. Als Ziel wurde genannt, noch im Jahr 2022 einen ersten Gesetzentwurf vorzulegen.

    Das Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis

    Am 26.10.2022 hat die Bundesregierung ein Eckpunktepapier zur Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken veröffentlicht. Die wichtigsten Inhalte werden im Folgenden vorgestellt. Zu beachten ist, dass es sich hierbei nicht um einen Gesetzentwurf handelt, sondern um eine so genannte Interpretationserklärung gegenüber der EU-Kommission, um den völker- und europarechtlichen Rahmen des Gesetzesvorhabens zu berücksichtigen (Bundesgesundheitsministerium 2022).

    Als Ziele der kontrollierten Abgabe von Cannabis werden ein verbesserter Jugendschutz und Gesundheitsschutz und eine Eindämmung des Schwarzmarktes genannt. Cannabis und Tetrahydrocannabinol (THC) sollen künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden. Die Produktion, Lieferung und der Vertrieb von Genusscannabis sollen zukünftig durch Lizenzen staatlich kontrolliert werden. Der Erwerb und Besitz von 20 bis 30 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum im privaten und öffentlichen Raum soll ab 18 Jahren straffrei sein unabhängig vom THC-Gehalt des Cannabis. Ein privater Eigenanbau von drei weiblichen blühenden Pflanzen pro erwachsener Person soll erlaubt werden mit einigen Auflagen zum Kinder- und Jugendschutz. Laufende Strafverfahren und Ermittlungsverfahren zu dann nicht mehr strafbaren Handlungen werden beendet, wenn das Gesetz in Kraft tritt.

    Genusscannabis soll in lizenzierten Fachgeschäften und gegebenenfalls Apotheken abgegeben werden. Bei jedem Betreten eines Cannabisfachgeschäftes soll eine Alterskontrolle erfolgen, da das Mindestalter für die Abgabe 18 Jahre betragen soll. In den Fachgeschäften darf nur Cannabis verkauft werden, keine anderen Produkte und insbesondere kein Tabak und Alkohol. Die Betreiber:innen und das Verkaufspersonal müssen Sachkundenachweise zu Beratungs- und Präventionskenntnissen erbringen. Zusätzlich muss es pro Verkaufsstelle eine Ansprechperson für den Jugendschutz geben. Zudem soll bei jedem Verkauf ein Beratungsgespräch angeboten werden mit aufklärenden Informationen über Cannabis, Konsumrisiken, risikoarmen Konsum sowie Hinweisen auf Suchtberatungsstellen. Im Bereich von Schulen, Kitas, auf Spielplätzen, in öffentlichen Parks sowie an weiteren Orten, an denen sich Kinder und Jugendliche regelmäßig aufhalten wie z. B. Fußgängerzonen bis 20 Uhr, wird der öffentliche Konsum von Cannabis verboten. Es werden strenge Vorgaben für die Umverpackung von Cannabis gemacht. Qualität und Reinheit des Cannabis werden kontrolliert.

    Werbung für Cannabis-Produkte soll generell untersagt werden, ebenso der Verkauf von synthetisch hergestellten Cannabinoiden. Die Abgabe von Cannabis soll normal der Umsatzsteuer unterliegen; ob eine zusätzliche „Cannabissteuer“ erhoben wird, ist noch in Prüfung. Denn der Preis soll nahe dem aktuellen Schwarzmarktpreis liegen, um Konsument:innen ein Umsteigen auf legales Cannabis zu erleichtern. Handel treiben und in Verkehr bringen ohne Lizenz oder das Überschreiten der Höchstmenge sollen weiterhin strafbar bleiben. Es sollen Cannabisprodukte zum Rauchen, Inhalieren und für nasale oder orale Aufnahme zugelassen werden, z. B. Kapseln, Sprays und Tropfen, und das Bundesnichtraucherschutzgesetz soll auch bezüglich des Rauchens von Cannabis gelten. Eine Erweiterung auf „Edibles“ (Cannabis in Lebensmitteln oder Getränken, z. B. THC-haltige Gummibärchen) soll nach spätestens vier Jahren geprüft werden.

    Zusätzlich soll eine Plattform mit Informationen zu Cannabis und zum Gesetz  eingerichtet werden, in der auch Informationen zu Angeboten für Prävention, Beratung, Behandlung sowie zu Wirkung, Risiken und Safer Use zur Verfügung gestellt werden. Die Aufklärungs- und Präventionsarbeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll verstärkt werden, ebenso die cannabisbezogene Forschung. Auch ist eine mediale und kommunikative Begleitung der kontrollierten Ausgabe von Cannabis durch die Bundesregierung geplant. Die cannabisbezogene Aufklärungs- und Präventionsarbeit sowie zielgruppenspezifische Beratungs- und Behandlungsangebote werden weiterentwickelt.

    Für Minderjährige soll also der Anbau, Erwerb und Besitz von Cannabis weiterhin verwaltungsrechtlich verboten bleiben. Verstöße werden durch Bußgelder geahndet. Für konsumierende Jugendliche sollen aber niedrigschwellige und flächendeckende Frühinterventionsprogramme zur Konsumreflektion eingeführt werden. Behörden wie z. B. das Jugendamt können Minderjährige bei Konsum oder Besitz von Cannabis zu einer Teilnahme an einem Frühinterventions- oder Präventionsprogramm verpflichten. Die universelle, selektive und indizierte Prävention in den Lebenswelten soll entsprechend ausgebaut werden, vor allem in Schulen, Berufsschulen, im Internet und in den sozialen Medien, in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, in Einrichtungen, die mit kognitiv eingeschränkten Personen arbeiten, in Sportvereinen und der Arbeitswelt. Und natürlich sollen auch Informations-, Präventions- und Fortbildungsangebote für Erwachsene mit verschiedenen Zielgruppenschwerpunkten ausgebaut werden, z. B. für konsumunerfahrene Personen sowie Vielkonsumierende, aber auch für deren soziales Umfeld.

    Die wissenschaftlichen „Lower-Risk Cannabis Use Guidelines”

    Im Jahr 2011 hat eine Gruppe internationaler Wissenschaftler:innen erstmals evidenzbasierte Empfehlungen herausgegeben, um die Risiken des Cannabiskonsums zu reduzieren. Die Empfehlungen wurden 2017 und 2021 anhand neuer wissenschaftlicher Literatur aktualisiert (Fischer et al. 2022). Die Evidenz wurde anhand einer fünfstufigen Skala eingeschätzt (sehr hoch, hoch, mittel, gering, sehr gering). Durch das streng wissenschaftliche Vorgehen wird vermieden, dass politisch motivierte Meinungen oder allgemeine Mythen Einzug in die Empfehlungen halten. Auch die Einflussnahme von Lobbyisten und Lobbyistinnen, die eine Deregulierung der Verfügbarkeit bzw. des Konsums anstreben (z. B. Vertreter:innen der Cannabisindustrie), wird reduziert. Die Empfehlungen der „Lower-Risk Cannabis Use Guidelines” eignen sich gut als Grundlage für Informationskampagnen und Beratungsgespräche in den für Deutschland geplanten Cannabisfachgeschäften. An dieser Stelle sei auf die Original-Veröffentlichung in englischer Sprache verwiesen, die zum Download verfügbar ist.

    Diskussion

    Chancen

    Das Verbot von Cannabis hat den Cannabiskonsum in den letzten Jahrzehnten nicht reduziert, es fördert gesundheitsschädliche Konsumformen und erscheint im Vergleich zu dem viel schädlicheren Alkohol unangemessen. Durch die strafrechtliche Verfolgung werden Polizei und Justiz belastet, und es fließen hohe finanzielle Mittel in den Schwarzmarkt. Erfahrungen mit einer Cannabislegalisierung aus anderen Ländern zeigen, dass der Cannabiskonsum unter Erwachsenen nicht oder nur moderat ansteigt und bei Jugendlichen weitgehend unverändert bleibt. Diese Erfahrungen zeigen auch, dass es maßgeblich von der Ausgestaltung der Legalisierung abhängt, ob es zu negativen Effekten kommt.

    Die aktuelle Bundesregierung hat ein Eckpunktepapier vorgelegt, in dem Jugend- und Gesundheitsschutz an erster Stelle stehen. Detailreich werden alle Fragen von Anbau über Verkauf und Prävention geregelt. Das Ziel, den Cannabiskonsum nicht zu fördern, aber für diejenigen, die nicht darauf verzichten wollen, so wenig schädlich wie möglich zu gestalten, ist in diesem Papier aus suchtmedizinischer Perspektive gut gelungen. Besonders wichtig sind Prävention und Information, die langfristig dazu beitragen können, verantwortungsvoll mit Cannabis umzugehen und das Image von Cannabis als „Jugenddroge“ zu revidieren.

    Mit der Fokussierung auf den Gesundheitsschutz treten andere Ziele in den Hintergrund, die aber auf sekundärer Ebene sowie in der laufenden Diskussion eine Rolle spielen. Beispielsweise werden immer wieder justizielle Ziele wie die Reduktion des Schwarzmarktes und die Entlastung der Strafverfolgung genannt. Auch wenn diese Ziele weitere gute Gründe darstellen, die für eine Legalisierung sprechen, muss hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung ein Schwerpunkt gesetzt werden. International wird eine am Gesundheitsschutz orientierte Cannabislegalisierung als der beste Weg gesehen, Chancen und Risiken auszubalancieren und zu einer Weiterentwicklung der Suchtpolitik im Sinne der öffentlichen Gesundheit beizutragen. Ohne Schwerpunktsetzung droht ein bürokratisches Chaos mit der Folge einer legalen Abgabe, die alle Ziele verfehlt, da sie sowohl an der Zielgruppe als auch an einer realistischen Umsetzung vorbei agiert. Gegner:innen der Freigabe könnten dann argumentieren, dass sie mit ihrer These, durch die Freigabe würde sich die Situation nicht verbessern, recht behalten hätten.

    Das Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Cannabislegalisierung gibt einen soliden Rahmen für eine staatliche Kontrolle bzgl. Anbau, Produktion, Vertrieb und Konsum vor. Negative Auswirkungen, die in anderen Ländern beobachtet wurden, z. B. das Verbot der Produktion von Cannabis, das in den Niederlanden den Schwarzmarkt aufrechterhält, oder die Förderung des Cannabiskonsums durch Werbung und Produktdiversifikation aus wirtschaftlichen Gründen, wie in einigen US-Bundesstaaten, sollen vermieden werden. In dem aktuellen Gesetzgestaltungsprozess wurden und werden Erfahrungen aus anderen Ländern systematisch aufgearbeitet. Dabei werden wichtige Fragen wie der Preis, Prävention, Informationspflichten, wo konsumiert werden darf, wie mit konsumierenden Minderjährigen umgegangen werden soll und die Höhe der Steuer diskutiert. Dies eröffnet die große Chance, einen angemessenen gesellschaftlichen Umgang mit Cannabis zu finden und Fehler, die im Umgang mit Alkohol und Tabak in der Vergangenheit gemacht wurden, nicht zu wiederholen. Wichtig zu erwähnen ist, dass mit einer kontrollierten Freigabe der Umgang mit Cannabis nicht für alle Zeit geregelt ist. Die Diskussion wird uns anders als zu Verbotszeiten weiterhin auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen begleiten – und das ist gut!

    Bedenken der Suchthilfe

    Über die genannten politischen Ziele hinaus beschäftigen die Suchthilfe noch andere Aspekte. An vielen Stellen wird ein Informations- bzw. Kommunikationsdefizit deutlich. Ein Großteil der Fachkräfte in der Suchthilfe hat über viele Jahre hinweg – u. a. aus Gründen der Gefahr der justiziellen Verfolgung – seine Klient:innen eher selten im Sinn eines akzeptanzorientierten Ansatzes beraten oder behandelt, obwohl wissenschaftliche Harm reduction-Ansätze wie die Lower-Risk Cannabis Use Guidelines verfügbar sind. Teilweise sind die Klient:innen auch erst im Rahmen der Strafverfolgung zu den Fachkräften gekommen. Zudem kennen viele Fachkräfte in erster Linie diejenigen Konsument:innen, die mit Cannabis nicht gut umgehen können und einen schädlichen Gebrauch bzw. eine Suchterkrankung entwickelt haben. Befürchtungen, es werde mit einer kontrollierten Freigabe von Cannabis zu einem Anwachsen jener Behandlungsfälle kommen, sind aus dieser Perspektive also nur verständlich. Empirisch sind sie jedoch nicht eindeutig bestätigt. Auch die horrenden gesellschaftlichen Auswirkungen der hohen Verfügbarkeit von Alkohol bei gleichzeitig hohem Schadenspotenzial lassen viele Fachkräfte zurückschrecken, wenn sie sie auf die geplante Freigabe von Cannabis übertragen. Umso wichtiger ist es, jene Erfahrungen und Erwartungen ernst zu nehmen und in einen breiten Kommunikations- und Beteiligungsprozess überzuleiten.

    Auf der anderen Seite darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Deutschland als erstes europäisches Land den Weg einer „echten“ Legalisierung von Cannabis einschlägt und damit nach einer jahrelangen Stagnation in der Drogenpolitik viel Bewegung in den Suchthilfebereich kommt. Dieser politische Schritt kommt einem suchtpolitischen Pfadbruch (vgl. Werle 2007) gleich, der einerseits Unsicherheiten, andererseits aber auch ein hohes Innovationspotenzial in sich trägt. Die Bearbeitung vieler stockender Fragen in der Suchthilfe wie die Entstigmatisierung von Konsument:innen, ein Neustart der Präventionspolitik, eine auskömmliche Finanzierung und die gesetzliche Fixierung von Suchtberatung als Teil der psychosozialen Daseinsvorsorge oder auch eine Neubewertung von Rausch in unserer Gesellschaft rückt in greifbare Nähe. Lassen wir uns diese Gelegenheit nicht entgehen!

    Die hier vertretenen Auffassungen geben die Meinung der Verfasser wieder und entsprechen nicht unbedingt der Meinung der Redaktion.

    Kontakt:

    Prof. Dr. Derik Hermann, Dr. Dirk Kratz
    Therapieverbund Ludwigsmühle gGmbH
    Paul-von-Denis-Str. 13
    76829 Landau
    Derik.Hermann(at)ludwigsmuehle.de, Dirk.Kratz(at)ludwigsmuehle.de
    Tel. 06341 / 5202 100
    www.ludwigsmuehle.de

    Angaben zu den Autoren:

    Prof. (apl) Dr. med. Derik Hermann, Chefarzt Therapieverbund Ludwigsmühle, Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie
    Dr. phil. Dirk Kratz, Diplom-Pädagoge, Geschäftsführer Therapieverbund Ludwigsmühle gGmbH, stv. Vorsitzender fdr+ Fachverband Drogen- und Suchthilfe e.V.

    Literatur:
  • Cannabislegalisierung in Kanada seit 2018

    Cannabislegalisierung in Kanada seit 2018

    Dr. Dirk Kratz
    Prof. Dr. Derik Hermann

    In Kanada wurde am 17. Oktober 2018 Cannabis legalisiert, dabei orientierte sich die Gesetzgebung am Jugend- und Gesundheitsschutz. Jetzt besteht die Gelegenheit, Daten und Erfahrungen aus den ersten drei Jahren der Cannabislegalisierung in Kanada zu analysieren und Schlüsse für den legalen und kontrollierten Verkauf von Cannabis in Deutschland zu ziehen. Die Umsetzung in Kanada kann als Modellprojekt angesehen werden, das dabei hilft, realistische Vorstellungen von den Folgen einer Cannabislegalisierung zu entwickeln.

    Steigt der Cannabiskonsum? Wenn ja, in welchen Bevölkerungsgruppen? Geht der Schwarzmarkt zurück oder weicht er auf andere kriminelle Bereiche aus? Reduziert sich die Arbeitsbelastung von Polizei und Gerichten? Steigt die Behandlungsnachfrage wegen einer Cannabisabhängigkeit oder Psychosen? Reduziert sich der Alkoholkonsum, weil viele auf Cannabis umsteigen? Ändert sich die Partykultur? Fühlen sich Bürger:innen von öffentlichem Cannabiskonsum belästigt? – Diese Fragen können auch nach drei Jahren Erfahrung in Kanada nicht abschließend beantwortet werden. Dennoch bietet sich die Möglichkeit, Trends abzulesen und unerwartete Effekte der kanadischen Cannabislegalisierung für die Umsetzung in Deutschland zu berücksichtigen.

    Das kanadische Cannabisgesetz 2018 (Cannabis Act Canada)

    Als Ziele der Legalisierung von Cannabis werden im kanadischen Cannabisgesetz (cannabis act) Jugendschutz, Reduktion illegaler Aktivitäten, Entlastung des Rechtssystems, eine qualitätsgesicherte Versorgung mit Cannabis und eine verbesserte Wahrnehmung der Gesundheitsrisiken von Cannabis genannt. Seit dem 17. Oktober 2018 dürfen in Kanada Personen über 18 Jahre bis 30 Gramm getrocknetes Cannabis besitzen und mit anderen Erwachsene teilen (weitergeben), aber nicht verkaufen. Bis zu vier Cannabispflanzen je Haushalt (nicht pro Person) sind im privaten Raum erlaubt, dürfen aber nur an andere Personen weitergegeben werden, solange sie nicht blühen. Cannabis aus illegalen Quellen bleibt verboten. Der Besitz und die Weitergabe von mehr als fünf Gramm getrocknetem Cannabis stellt für Jugendliche im Alter von zwölf bis 18 Jahren eine Straftat dar mit höheren Strafen als vor dem Cannabisgesetz.

    Cannabis darf in legalen Fachgeschäften an Erwachsene verkauft werden. Das Alter muss kontrolliert werden. Die Versorgung mit Cannabis erfolgt über staatliche Lizenzen zur Produktion und zum Verkauf in Fachgeschäften. Für die Cannabis-Fachgeschäfte wurden enge Regeln definiert bzgl. Verpackung und Auszeichnung, z. B. darf Cannabis nicht attraktiv für Minderjährige verpackt sein, es darf nicht mit anderen Substanzen vermischt werden, Selbstbedienung ist verboten, und es besteht eine Informationspflicht gegenüber Bürger:innen und Behörden.

    Da Kanada bereits 2001 Cannabis als Arzneimittel legalisiert hat, bestand zum Start der Legalisierung zum Freizeitgebrauch eine ausreichende Produktions-Infrastruktur mit mehr als 60 Firmen, die Cannabis anbauen. Lizenzen für Cannabis-Fachgeschäfte werden verweigert, wenn dadurch das Risiko entsteht, die öffentliche Gesundheit (public health) oder die öffentliche Sicherheit zu gefährden oder dass Cannabis in illegale Kanäle geleitet wird. Lizenzen werden auch nicht vergeben an Ausländer, Jugendliche oder Personen, bei denen bestimmte Gesetzesverstöße in den letzten zehn Jahren vorlagen.

    Meist darf Cannabis dort konsumiert werden, wo auch Tabakrauchen erlaubt ist. Allerdings haben sechs der 13 kanadischen Provinzen den Cannabiskonsum nur im privaten Raum erlaubt. Alles, was den illegalen Anbau oder Verkauf von Cannabis ermöglicht, ist verboten. Bei Verstößen gegen das kanadische Cannabisgesetz drohen bis zu 14 Jahre Haft. Werbung für Cannabis ist weitgehend verboten, das Verbot beinhaltet auch ausländische Medien und Sponsoring, z. B. Werbung auf Sporttrikots, kostenlose Cannabisproben oder Cannabis als Gewinn bei Spielen oder Verlosungen. Nur Personen, die eine Lizenz zum Anbau oder Verkauf von Cannabis besitzen, dürfen Informationen weitergeben und markenbezogene Werbung machen, sofern sichergestellt ist, dass unter 18-Jährige dadurch nicht erreicht werden. Falsche oder missverständliche Informationen dürfen nicht gegeben werden. Darstellungen bzgl. Cannabis in Kunst, Musik, Filmen, Literatur und zu pädagogischen und wissenschaftlichen Zwecken sind jedoch erlaubt.

    Das kanadische Cannabisgesetz sieht Bußgelder von 200 Dollar für geringfügige Verstöße vor (Besitz von 30 bis 50 Gramm getrocknetem Cannabis oder fünf bis sechs Cannabispflanzen). Es soll ein tracking system etabliert werden, um zu verhindern, dass legal produziertes Cannabis in den Schwarzmarkt gelangt oder illegales Cannabis in legalen Cannabis-Fachgeschäften verkauft wird. Zur Überwachung des Cannabisgesetzes werde Inspektor:innen eingesetzt. Weitere Details wie Öffnungszeiten der Cannabis-Fachgeschäfte, ein lizensierter Online-Verkauf oder ein Verbot von Cannabiskonsum an bestimmten öffentlichen Orten können die kanadischen Provinzen selbst regeln.

    Erfahrungen aus Kanada

    Nach der Legalisierung war legales Cannabis nicht ab dem ersten Tag überall verfügbar.

    Im ersten Monat betrug der Anteil des legalen Cannabis nur 7,8 Prozent der geschätzten Verkaufsmenge (Armstrong 2021). Dieser Anteil stieg innerhalb eines Jahres auf 23,7 Prozent und bis 2021 auf 72 Prozent. Davon wurden 53 Prozent in Cannabis-Fachgeschäften, elf Prozent in Onlineshops und acht Prozent über einen Selbstanbau umgesetzt (Canadian Cannabis Survey).

    In den ersten sieben Monaten der Legalisierung blieb die verkaufte Menge Cannabis mit Einnahmen von 524 Millionen Kanadische Dollars (CAD) deutlich hinter den Erwartungen von CAD 4,34 Milliarden zurück. Die Gründe waren die geringe Anzahl an Verkaufsstellen und höhere Preise im Vergleich zum Schwarzmarkt.

    Der unerwartet niedrige Anteil von legalem Cannabis machte deutlich, dass Cannabiskonsument:innen nicht zu jeder Bedingung von illegalem Cannabis auf legales Cannabis umsteigen. In Kanada hatten sich über Jahrzehnte ein blühender Schwarzmarkt und ausgeprägte Versorgungsstrukturen für medizinisches Cannabis etabliert. Die Versorgungsstrukturen waren schlecht kontrolliert und wurden auch oft zur Abgabe von Cannabis ohne medizinische Indikation genutzt (Fischer 2017). Zugleich erleichterte die Existenz von mehr als 60 Unternehmen, die medizinisches Cannabis produzieren, eine schnelle Versorgung mit Cannabis für den Freizeitgebrauch (Fischer 2017). Im Canadian Cannabis Survey wurden Preis, Versorgungssicherheit und Qualität als wichtigste Faktoren dafür identifiziert, aus welcher Quelle Cannabis bezogen wird. Nur fünf bis zehn Prozent der Konsumenten gaben an, dass die Legalität zu den wichtigsten drei Gründen zählt, wo sie Cannabis kaufen.

    Innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Legalisierung eröffneten 1.183 Cannabis-Shops in Kanada, das entspricht 3,7 Cannabis-Shops pro 100.000 Einwohner:innen >15 Jahre (Myran et al. 2022). In kanadischen Bundesländern, die neben staatlichen auch privatwirtschaftliche Cannabis-Shops zuließen, wurden mehr Cannabis-Shops eröffnet (4,8 versus 1,0 pro 100.000 Einwohner:innen) mit längeren Öffnungszeiten (80 versus 69 Stunden pro Woche).

    Der Canadian Cannabis Survey erhebt seit 2017 jährlich Daten zu Themen rund um Cannabis.

    Der Anteil der Personen, die im letzten Jahr Cannabis konsumiert haben, erhöhte sich von 22 Prozent im Jahr 2018 auf 27 Prozent im Jahr 2020 und hat sich im Jahr 2021 auf 25 Prozent verringert. Dieser Wert beinhaltet auch Probierkonsument:innen, die nur einmal im letzten Jahr Cannabis konsumiert haben. In den letzten 30 Tagen hatten 2018 15 Prozent der Befragten Cannabis konsumiert und 2021 17 Prozent. Täglichen oder fast täglichen Konsum gab etwa ein Viertel der Konsument:innen an, die im letzten Jahr Cannabis konsumiert haben, also etwa 6,3 Prozent der Bevölkerung. Dieser Wert blieb von 2018 bis 2021 weitgehend unverändert, weil unter den neuen Konsument:innen viele Probierkonsument:innen waren, die nur selten Cannabis konsumieren.

    Der Cannabiskonsum von Schüler:innen der 7. bis 12. Klasse hat sich im Jahr nach der Legalisierung nicht erhöht (18 Prozent mit Konsum im letzten Jahr; Canadian Student Tobacco Alcohol and Drug Use Survey). Ein systematisches Review und Metaanalyse von acht Studien zur Cannabislegalisierung international (nicht nur Kanada) ergab eine geringe Erhöhung des Konsums von Jugendlichen und jungen Erwachsenen um drei Prozentpunkte (standardised mean difference von 0.03, 95% CI −0.01 bis 0.07; Melchior et al. 2019).

    Charakteristika des legalen Cannabiskonsums seit 2018

    Cannabis wurde häufiger konsumiert, wenn die körperliche Gesundheit als schlecht oder sehr schlecht eingeschätzt wurde, in dieser Gruppe gaben 30 Prozent Konsum im letzten Jahr an. Noch mehr Personen konsumierten Cannabis, wenn die psychische Gesundheit als schlecht (44 Prozent) oder sehr schlecht (51 Prozent) eingeschätzt wurde. Cannabis wurde also häufig zur Selbstbehandlung von körperlichen oder psychischen Beschwerden eingesetzt.

    Das Alter beim ersten Cannabiskonsum erhöhte sich von 18,9 Jahren 2018 auf 20,4 Jahre 2021. Durchschnittlich wurden 2021 1,1 Gramm Cannabis pro Konsumtag konsumiert. Der Preis betrug CAD 9,78 (ca. € 7) pro Gramm getrockneter Cannabisblüten. Nur 16 Prozent der Personen mit Cannabiskonsum im letzten Jahr konsumierten Cannabis immer mit Tabak, und 69 Prozent gaben an, dies nie zu tun. Etwa 3,75 Prozent der Bevölkerung (15 Prozent derer mit Konsum im letzten Jahr) bauten 2021 durchschnittlich 3,6 Cannabispflanzen an. Das gesundheitsschädliche Rauchen von Cannabis reduzierte sich von 89 Prozent der Konsumenten 2018 auf 74 Prozent 2021, parallel dazu wurde Cannabis häufiger gegessen oder getrunken (von 43 Prozent 2018 auf 57 Prozent 2021). Verdampfen (vaping) blieb unverändert bei 33 Prozent.

    Informationskampagnen erhöhen den Kenntnisstand zu Risiken.

    Ein Ziel der Legalisierung war, den Informationsstand der Bevölkerung über spezifische Risiken zu erhöhen. Hierfür wurden verschiedene Kampagnen in unterschiedliche Medien geschaltet. 76 Prozent der Bevölkerung schätzten 2021 Cannabis als schädlich ein, 65 Prozent stimmten zu, dass (fast) täglicher Konsum das Risiko für psychische Erkrankungen erhöht, und 82 Prozent stimmten zu, dass Teenager ein höheres Risiko für Schäden haben als Erwachsene.

    Die Einschätzung unter Cannabiskonsument:innen, dass das Rauchen von Cannabis mit einem mittleren bis hohen Risiko verbunden ist, erhöhte sich von 40 Prozent 2018 auf 50 Prozent 2021, die Zustimmung zu einem mit dem Essen von Cannabis verbundenen Risiko erhöhte sich von 34 Prozent auf 40 Prozent und zu einem mit Dampfen (vaping) verbundenen Risiko von 38 Prozent auf 55 Prozent. Die Einschätzung von Cannabiskonsument:innen, dass Cannabiskonsum die Verkehrstüchtigkeit einschränkt, erhöhte sich von 61 Prozent 2018 auf 78 Prozent 2021. Autofahren unter Cannabiseinfluss reduzierte sich von 27 Prozent 2018 auf 16 Prozent 2021. Als Beifahrer:innen fuhren 2018 noch 13 Prozent bei Personen mit, die kürzlich Cannabis konsumiert haben. 2021 gaben dies nur noch sieben Prozent an.

    In der Bevölkerung stimmten 87 Prozent zu, dass während Schwangerschaft und Stillzeit kein Cannabis konsumiert werden sollte, unter den Cannabiskonsumenten stimmten 83 Prozent zu. Während einer beruflichen Tätigkeit unter akutem Cannabiseinfluss zu stehen, ist mit einer schlechteren Leistung und einer erhöhten Unfallgefahr verbunden. Nur ein Prozent der Bevölkerung gab an, mindestens einmal wöchentlich Cannabis vor der Arbeit zu konsumieren. Bei Schüler:innen und Studierenden gaben 1,75 Prozent an, mindestens einmal wöchentlich vor dem Schul- bzw. Universitätsbesuch Cannabis zu konsumieren.

    Diese Zahlen zeigen den Erfolg der Informationskampagnen zu Cannabis. In den ersten drei Jahren nach der Cannabislegalisierung wurde eine deutliche Zunahme des Wissens über die Risiken von Cannabis erreicht, und das Verhalten wurde entsprechend angepasst. Dieser Erfolg ist beachtlich und motiviert zur Fortsetzung der Informationskampagnen.

    Die Cannabiskonsument:innen selbst sahen ihren Konsum unproblematischer als Nichtkonsument:innen und stuften die Risiken etwas geringer ein. Nur drei bis zehn Prozent der Cannabiskonsument:innen gaben die Selbsteinschätzung ab, dass Cannabis ihre Gesundheit, das soziale Leben, Partnerschaft, Lebensqualität oder Leistungsfähigkeit im Beruf beeinträchtige. 42 bis 80 Prozent sahen keinen Einfluss von Cannabis auf diese Lebensbereiche. Etwa die Hälfte gab an, dass Cannabis ihre psychische Gesundheit und Lebensqualität verbessere. Nur zwei Prozent der Konsument:innen benötigten irgendwann professionelle Hilfe wegen ihres Cannabiskonsums.

    Die Akzeptanz in der Bevölkerung von regelmäßigem Konsum war für Alkohol am höchsten (62 Prozent), gefolgt von Cannabis (49 Prozent) und dem niedrigsten Wert für Tabak (35 Prozent). Dass regelmäßiger Konsum mit einem Risiko verbunden ist, gaben in der Bevölkerung 75 Prozent für Alkohol an, 95 Prozent gaben dies für Tabakrauchen und 73 Prozent für das Rauchen von Cannabis an. Cannabiskonsument:innen schätzen die Risiken von Alkohol und Tabak ähnlich ein, aber nur 50 Prozent sahen ein Risiko für Cannabis.

    Diskussion: Was können wir aus den Erfahrungen mit der Cannabislegalisierung in Kanada lernen?

    Verfügbarkeit und Preisgestaltung

    Der Umstieg vom Schwarzmarkt auf legale Cannabis-Fachgeschäfte verlief nur schleppend. Die Konsument:innen blieben anfangs Kund:innen bei ihren Dealer:innen. Drei Jahre nach der Legalisierung besorgen sich immer noch 28 Prozent ihr Cannabis aus illegalen Quellen. Preis, Versorgungssicherheit und Qualität wurden als wichtigste Faktoren dafür identifiziert, aus welcher Quelle Cannabis bezogen wird. Die Legalität spielt nur eine untergeordnete Rolle. In Deutschland sollte daher nicht erwartet werden, dass der Umstieg auf einen legalen Verkauf gelingt, wenn die Bedingungen zu restriktiv gestaltet werden. Das muss bei der Festlegung eines maximal erlaubten THC-Gehaltes, der Preisgestaltung und der Auswahl verschiedener Cannabissorten berücksichtigt werden.

    Der Preis für legales Cannabis sollte anfangs etwa auf dem Niveau des Schwarzmarktes liegen. Es ist zu erwarten, dass der Schwarzmarktpreis durch die legale Konkurrenz zurückgeht – parallel sollte dann auch der Preis für legales Cannabis sinken, um den Schwarzmarkt möglichst weitgehend zu reduzieren. Wenn zu einem späteren Zeitpunkt Cannabis-Fachgeschäfte etabliert sind und der Schwarzmarkt keine große Rolle mehr spielt, können die Preise wieder angehoben werden. Das ist aus gesundheitlichen Gründen sinnvoll, weil wissenschaftlich klar nachgewiesen ist, dass der Konsum bei höheren Preisen zurückgeht (Manthey 2022).

    Wenn Cannabis legalisiert wird, aber noch nicht ausreichend legales Cannabis aus Cannabis-Fachgeschäften verfügbar ist, wird dadurch der unkontrollierte Konsum aus illegalen Quellen gefördert. Das sollte in Deutschland unbedingt vermieden werden. Sinnvoll wäre, die gesetzliche Legalisierung für Konsument:innen erst einzuführen, wenn zuvor genügend Zeit für den Aufbau von Produktionsstätten (oder den Abschluss von Importverträgen) und eines Vertriebsnetzes mit Cannabis-Fachgeschäften gegeben wurde. Mitarbeiter:innen von Cannabis-Fachgeschäften müssen erst gefunden und geschult werden. Es wird ein Präventionskonzept benötigt. Anträge auf Lizenzen für Cannabis-Anbau und Produktion oder die Eröffnung eines Cannabis-Fachgeschäftes müssen gestellt und bearbeitet werden. Entsprechende Investoren brauchen Planungssicherheit. Daher spielt der zeitliche Ablauf der Legalisierung eine große Rolle.

    Information und Prävention

    Gut gelungen ist in Kanada, den Informationsstand und die Risikoeinschätzung bzgl. Cannabis in der Bevölkerung zu verbessern, wie der Canadian Cannabis Survey zeigt. Hierzu wurde in verschiedenen Medien in Informations- und Präventionsangebote mit realistischen und wissenschaftlich-neutralen Inhalten und Darstellungen investiert. Natürlich wird dadurch nicht sofort die gesamte Bevölkerung erreicht, aber die kanadischen Erfolge der ersten drei Jahre sind beeindruckend. Besonders wichtig sind ein guter Informationsstand und eine realistische Risikoeinschätzung, um das Verbot von Cannabis für Minderjährige zu vermitteln, obwohl Cannabis für Erwachsene erlaubt ist. Eine die Legalisierung begleitende Prävention in Deutschland muss das Ziel haben, dass eine große Mehrheit weiß, dass Cannabis für Minderjährige schädlich ist, weil es die Hirnentwicklung schädigt. Wer mit dem Cannabiskonsum bis zum Alter von 18 Jahren wartet, verhindert eine potenziell dauerhafte Beeinträchtigung der Intelligenz und anderer Hirnfunktionen. Dieses Wissen muss weit verbreitet werden, um das Image von Cannabis als Jugenddroge abzulösen.

    In den letzten 20 Jahren wurde die Häufigkeit von Cannabiskonsum unter Jugendlichen vor allem durch das Image beeinflusst, das Cannabis bei Jugendlichen hatte. Wenn Cannabis als cool galt und beliebte Musiker:innen Cannabis propagierten, stieg der Konsum an, und wenn Rauchen verpönt und sportliche Aktivität „in“ war, sank der Cannabiskonsum. Hier muss man ansetzen. Das Ziel muss sein, dass Jugendliche Cannabis „uncool“ finden. Die Präventionsmaßnahme „Alkohol – Kenn dein Limit!“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) kann dazu als Beispiel dienen. Dort werden zielgruppenspezifische Botschaften zum Alkoholkonsum mit für sich gesehen positiven Situationen verknüpft, z. B. Party-Fotos mit dem Spruch „Flirten oder Abstürzen“, ein Foto zum Autofahren mit dem Text „In die Zukunft oder Endstation“ oder ein Sportmotiv mit dem Text „Nichts kann uns bremsen, außer Alkohol“.

    Cannabis weist genauso wie Alkohol spezifische Nachteile auf, die für die Prävention genutzt werden können. Cannabiskonsum passt nicht zum Aktivsein, zu Sport, Lernen und dem Knüpfen sozialer Kontakte, zu Erfolg und Spaß mit anderen, sondern ist eher mit Zuschreibungen assoziiert wie: träge, hängt nur rum, bleibt immer auf dem Sofa, redet nicht viel, lebt in seiner eigenen Welt, vergesslich, verwirrt, unsportlich, Einzelgängertum und Paranoia. Das Image einer Droge und die Einschätzung der Risiken sind in der Regel über lange Zeit konstant und nur schwer veränderbar. Trotzdem ist es in Kanada innerhalb von drei Jahren gelungen, die Risikowahrnehmung zu differenzieren und zu verbessern. Das stellt nun auch für Deutschland eine herausfordernde Aufgabe dar.

    Jugend- und Gesundheitsschutz vor kommerziellen Interessen

    Kanada weist die weltweit größte Industrie für Cannabisanbau bzw. Cannabisproduktion auf. Nachdem die finanziellen Erwartungen nach der Legalisierung 2018 nicht erfüllt wurden, baute die Cannabisindustrie Druck auf die Politik auf, den Umgang mit Cannabis zu kommerzialisieren. Ein Jahr nach der Legalisierung, im Oktober 2019, wurden daher auch Cannabis-Edibles (z. B. THC-haltige Schokolade, max. zehn Milligramm THC pro Packung), Cannabis-Extrakte (zum Rauchen oder Essen, max. zehn Milligramm THC pro Konsumeinheit, max. 1.000 Milligramm THC pro Packung) und Cannabis-Topicals (zum Auftragen auf die Haut, max. 1.000 Milligramm THC pro Packung) zugelassen. Leider hat Kanada damit den Weg einer am Jugend- und Gesundheitsschutz orientierten Cannabislegalisierung teilweise verlassen. Allerdings ist es dadurch gelungen, den Schwarzmarkt weiter zurückzudrängen.

    In Deutschland haben Alkohol- und Tabakindustrie über Jahrzehnte die Politik und die Bevölkerung mit falschen Informationen versorgt. Hinsichtlich Cannabis gilt es deswegen, wachsam zu sein und dem kommerziellen Druck der Industrie Stand zu halten. Durch die jahrelange Diskussion über den Umgang mit Cannabis sowie mehr und bessere wissenschaftliche Daten und Informationen aus anderen Ländern mit Cannabislegalisierung besteht aber nun die Hoffnung, in Deutschland einen verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis zu finden, der sich eindeutig am Jugend- und Gesundheitsschutz orientiert.

    Kontakt:

    Prof. Dr. Derik Hermann, Dr. Dirk Kratz
    Therapieverbund Ludwigsmühle gGmbH
    Paul-von-Denis-Str. 13
    76829 Landau
    Derik.Hermann(at)ludwigsmuehle.de, Dirk.Kratz(at)ludwigsmuehle.de
    Tel. 06341 / 5202 0
    www.ludwigsmuehle.de

    Angaben zu den Autoren:

    Prof. (apl) Dr. med. Derik Hermann, Chefarzt Therapieverbund Ludwigsmühle, Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie
    Dr. phil. Dirk Kratz, Diplom-Pädagoge, Geschäftsführer Therapieverbund Ludwigsmühle gGmbH, stv. Vorsitzender fdr+ Fachverband Drogen- und Suchthilfe e.V.

    Literatur
    • Armstrong MJ: Legal cannabis market shares during Canada’s first year of recreational legalisation. Int J Drug Policy. 2021 Feb;88:103028. doi: 10.1016/j.drugpo.2020.103028. Epub 2020 Nov 19. PMID: 33221614.
    • Barata PC, Ferreira F, Oliveira C: Non-medical cannabis use: international policies and outcomes overview. An outline for Portugal. Trends Psychiatry Psychother. 2022 May 27;44:e20210239. doi: 10.47626/2237-6089-2021-0239. PMID: 34898143.
    • Canadian Cannabis Survey, Data blog: https://health-infobase.canada.ca/cannabis/ Letzter Zugriff 09.07.2022
    • Canadian Cannabis Survey: https://www.canada.ca/en/health-canada/services/drugs-medication/cannabis/research-data/canadian-cannabis-survey-2021-summary.html#a2.2 Letzter Zugriff 09.07.2022
    • Canadian Student Tobacco, Alcohol and Drugs Survey. https://www.canada.ca/en/health-canada/services/canadian-student-tobacco-alcohol-drugs-survey.html
    • Fischer B: Legalisation of non-medical cannabis in Canada: will supply regulations effectively serve public health? Lancet Public Health. 2017 Dec;2(12):e536-e537. doi: 10.1016/S2468-2667(17)30213-X. Epub 2017 Dec 5. PMID: 29253435.
    • Isorna M, Pascual F, Aso E, Arias F: Impact of the legalisation of recreational cannabis use. Adicciones. 2022 Apr 20;0(0):1694. English, Spanish. doi: 10.20882/adicciones.1694. Epub ahead of print. PMID: 35472157.
    • Manthey, J: Legalisierung von Cannabis: Preise spielen eine zentrale Rolle.Dtsch Arztebl 2022; 119 (13): A 562–6
    • Melchior, M., Nakamura, A., Bolze, C., Hausfater, F., El Khoury, F., Mary-Krause, M., & Da Silva, M. A. (2019): Does liberalisation of cannabis policy influence levels of use in adolescents and young adults? A systematic review and meta-analysis. BMJ Open, 9(7), e025880.
    • Myran DT, Staykov E, Cantor N, Taljaard M, Quach BI, Hawken S, Tanuseputro P: How has access to legal cannabis changed over time? An analysis of the cannabis retail market in Canada 2 years following the legalisation of recreational cannabis. Drug Alcohol Rev. 2022 Feb;41(2):377-385. doi: 10.1111/dar.13351.
  • Cannabislegalisierung: Risiken nicht bagatellisieren

    Von Substanzabhängigkeit, kognitiven Beeinträchtigungen und affektiven Störungen über Psychosen bis hin zu erhöhter Suizidalität – intensiver Cannabiskonsum birgt erwiesenermaßen schwerwiegende Gesundheitsrisiken. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) zeigt in ihrem Positionspapier anhand des aktuellen Forschungsstandes auf, worauf bei einer kontrollierten Abgabe von Cannabis aus psychiatrischer Sicht zwingend zu achten ist.

    Ein Blick in europäische Nachbarländer oder die USA macht deutlich, dass eine Cannabislegalisierung die Zahl der regelmäßigen Konsumenten und in der Folge die Zahl der Menschen, die cannabisbezogene Störungen und Folgeerkrankungen entwickeln, erhöhen kann. Die größten gesundheitlichen Risiken bestehen vor allem bei einem intensiven und langjährigen Konsum sowie einem Konsumbeginn im Jugendalter. Etwa zehn Prozent aller Cannabiskonsumenten entwickeln über die Lebenszeit eine Abhängigkeit. Aus Sicht der DGPPN muss eine kontrollierte Abgabe daher eng medizinisch-wissenschaftlich begleitet werden und mit den folgenden Maßnahmen einhergehen:

    • Prävention: Sowohl spezifische verhaltens- als auch verhältnispräventive Maßnahmen müssen zum Tragen kommen.
    • Jugendschutz: Um einen schädlichen Einfluss auf die Hirnreifung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu vermindern, soll die Altersgrenze des Zugangs nicht unter 21 Jahren liegen.
    • Beratung und Behandlung: Der Ausbau niedrigschwelliger, kultursensibler und flächendeckender Beratungs- und Behandlungsangebote muss vorangetrieben werden.
    • Begleitforschung: Die Auswirkungen und Marktentwicklungen der kontrollierten Cannabisfreigabe müssen intensiv beforscht werden.
    • Finanzierung: Es ist sicherzustellen, dass die Einnahmen aus dem Cannabisverkauf vollständig zur Förderung von Prävention und Jugendschutz sowie zur Suchtversorgung und -forschung verwendet werden.

    „Noch sind viele Fragen völlig ungeklärt. Wie werden Jugend- und Gesundheitsschutz sichergestellt? In welcher Form werden Verbraucher über die Risiken sowie über Hilfs- und Beratungsangebote informiert? Wie sollen Evaluierung und Begleitforschung aussehen? Prävention sowie Früherkennung und -intervention müssen von Anfang an mitgedacht werden, wenn der Staat seiner Schutzpflicht nachkommen und nicht dazu beitragen will, dass mehr Menschen psychisch erkranken. Gerade bei Jugendlichen unter 21 Jahren hat Cannabiskonsum einen Einfluss auf die Hirnreifung und kann das Psychoserisiko erhöhen“, mahnt DGPPN-Präsident Thomas Pollmächer.

    „Den gesundheitlichen Risiken muss daher mit einem differenzierten und umsichtigen Regelwerk begegnet werden, dem Prävention und Jugendschutz als Prämissen zugrunde zu legen sind“, fasst Pollmächer zusammen.

    Eine Arbeitsgruppe von führenden Expertinnen und Experten hat im aktuellen Positionspapier der DGPPN den Kenntnisstand zu Cannabiskonsum und psychischer Gesundheit zusammengetragen und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet.

    Download Positionspapier

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), 25.04.2022

  • Suchttherapie inside

    Schattauer/Klett Cotta-Verlag, Stuttgart 2022, 144 Seiten, 28,00 €, ISBN 978-3-608-40085-4, auch als E-Book erhältlich

    Die Arbeit in der Suchttherapie ist anspruchsvoll. Sie bietet einige Besonderheiten, Herausforderungen und Fallstricke, besonders für angehende Therapeut:innen in diesem Bereich. Der Psychotherapeut Jens Winkler beschreibt in diesem Buch genau das, was er gerne zu Beginn seiner Laufbahn gelesen hätte – aber nicht gefunden hat.

    Nah am therapeutischen Alltag und den emotionalen Herausforderungen gibt dieses Buch eine griffbereite Orientierung, was Sie wissen sollten, wenn Sie mit Suchterkrankten arbeiten bzw. arbeiten wollen. Hierbei scheut sich der Autor nicht, klare Positionen zu beziehen und mit Ihnen seine Gefühle zu teilen. Ziel ist es, Vorurteile abzubauen, Berührungsängste zu lindern, schwierige Situationen und Gefühle einordnen zu können und die Kompetenz und Freude bei der Arbeit zu vergrößern. Letztendlich muss jede/jeder eine Haltung entwickeln, die der eigenen Person entspricht und den Anforderungen der Therapie gerecht werden kann – dieses Buch soll Ihnen dabei die größtmögliche Hilfe sein.

  • Studie zur Notfallversorgung bei psychischen Erkrankungen

    Dr. Benedikt Schick (li.) und Prof. Dr. Carlos Schönfeldt-Lecuona (re.) leiteten die Studie. Quelle: Uniklinikum Ulm

    Rund ein Drittel aller Notarzteinsätze haben einen psychiatrischen Hintergrund. Dabei ist die medizinische Versorgung psychiatrischer Notfälle oft schwierig, denn sie unterscheidet sich grundlegend von der bei somatischen Krankheitsbildern wie einem akuten Herzinfarkt oder einem Polytrauma. Professor Dr. Carlos Schönfeldt-Lecuona aus der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III und Dr. Benedikt Schick aus der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Universitätsklinikums Ulm (UKU) haben in einer Studie Problemfelder bei der vorklinischen Versorgung von Patient:innen mit psychischen Erkrankungen identifiziert und Lösungsstrategien erarbeitet.

    Bei der Notfallversorgung stellen Notfallmediziner:innen eine Erstdiagnose und leiten eine entsprechende Therapie ein, sodass Patient:innen stabil in die Klinik gebracht werden können. Dort erfolgt die Weiterversorgung durch die zuständigen Fachbereiche. Die Notfallversorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen – beispielsweise die Intoxikation durch Drogen, Alkohol oder Medikamente, akute psychotische Zustände bei Patient:innen mit einer Schizophrenie oder durch Drogen – ist häufig zeitaufwendiger, die Einordnung der Erkrankung schwierig, und den Patient:innen fehlt mitunter die Krankheitseinsicht. In seltenen Fällen müssen aufgrund von Selbst- oder Fremdgefährdung Zwangsmaßnahmen mit Hilfe der Polizei durchgeführt werden.

    „Nach der Erstversorgung des psychiatrischen Notfalls gelingt es den Notärzten häufig nicht, eine geeignete weiterführende Klinik für den Patienten zu finden. Was für den Patienten mit akutem Herzinfarkt oder den polytraumatisierten Patienten undenkbar ist, nämlich die Behandlung in einem dafür nicht geeigneten Krankenhaus, ist für Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen leider etwas, das eher häufig vorkommt“, sagt Professor Dr. Schönfeldt-Lecuona. „In diesem Spannungsfeld kommt es nicht selten zu Konflikten zwischen den beteiligten Ärzten“, ergänzt der Psychiater. „Um die Erstversorgung dieser Patienten zu verbessern, haben wir Psychiater und Notärzte befragt, um beide Sichtweisen und Erfahrungen aufgreifen zu können. Dabei haben wir sowohl Problemfelder als auch Lösungsvorschläge eruieren können“, erklärt Dr. Schick.

    Im Rahmen der Studie, an der mehrere Kliniken beteiligt waren, wurden zwischen März und Oktober 2021 insgesamt 98 Notärzt:innen und 104 Psychiater:innen befragt. Die Notfallmediziner:innen nannten die Intoxikation durch Drogen oder Alkohol als das Krankheitsbild, das am häufigsten zu Schwierigkeiten bei der Weiterversorgung der Patient:innen führt. Aus psychiatrischer Sicht wurde die notärztliche Therapie als weitere Schwierigkeit identifiziert, da manche Medikamente, welche in der Notfallsituation verabreicht werden, eine weitergehende Überwachung erfordern, die in der Psychiatrie nicht gewährleistet werden kann. Ein wesentlicher Kritikpunkt aus der notärztlichen Perspektive war, dass Patient:innen, die nicht aus dem direkten Einzugsgebiet der Akutpsychiatrie kommen, häufig durch die psychiatrische Klinik abgelehnt werden. In einer Fallvignette haben die Autoren der Studie versucht, das präklinische Management abzufragen und zu optimieren. Notfallmediziner:innen und Psychiater:innen waren sich einig, dass ein individualisierter Notfallplan für Patient:innen, die wiederkehrend behandelt werden – was in der Psychiatrie keine Seltenheit ist –, eine wesentliche Verbesserung der vorklinischen Versorgung bedeuten könnte. Interessanterweise würden in diesem Kontext aber wesentlich mehr Notärzt:innen den telefonischen Kontakt zu ihren Kolleg:innen in der Psychiatrie suchen, während dies Psychiater:innen selbst weniger häufig tun würden.

    Sowohl die befragten Notfallmediziner:innen als auch die Psychiater:innen teilten die Einschätzung, dass Fortbildungsbedarf für die Notfallmediziner:innen besteht, welche in der Regel aus dem Bereich Anästhesiologie, Innere Medizin oder Chirurgie stammen und im Notarzteinsatz auch für die vorklinische Akutversorgung psychiatrischer Notfälle zuständig sind. „Die Kolleginnen und Kollegen haben meist kaum oder keine psychiatrischen Kenntnisse während der Weiterbildung zum Notfallmediziner erlangt. Aus unserer Sicht ist es daher wichtig, dass hier mittel- bis langfristig eine Verbesserung des Ausbildungsplans ‚Notfallmedizin‘ erfolgt, um der immer weiter wachsenden Häufigkeit psychiatrischer Notfälle gerecht zu werden“, sagt Prof. Dr. Schönfeldt-Lecuona.

    Die Forschungsgruppe wird durch die Stiftung BINZ mit 5.000 Euro gefördert. Durch eine Vielzahl an Folgeprojekten soll in den nächsten Jahren sowohl die Patientenversorgung als auch die Aus- und Weiterbildung der Notfallmediziner:innen in der Behandlung psychiatrischer Notfälle verbessert werden. Die Studie ist nun im renommierten BMC Emergency Medicine Journal erschienen.

    Originalpublikation: DOI: 10.1186/s12873-022-00722-5

    Pressestelle des Universitätsklinikums Ulm, 7.11.2022

  • Handel mit Rauschgift nimmt zu

    Großsicherstellung: Insgesamt 2,3 Tonnen Kokain hat das BKA in einem Ermittlungsverfahren im August 2022 sichergestellt. Quelle: BKA

    In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wurden im vergangenen Jahr rund 361.000 Rauschgiftdelikte registriert. Damit ging die Gesamtzahl der Delikte um 1,3 Prozent leicht zurück. Allerdings stieg die Zahl der Rauschgift-Handelsdelikte um 2,9 Prozent auf 55.941 Fälle. Das geht aus dem „Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2021“ hervor, das am 10.11.2022 vom Bundeskriminalamt (BKA) und dem Beauftragten der Bundesregierung für Sucht und Drogenfragen vorgestellt wurde.

    Der Großteil des durch Polizei- und Zollbehörden sichergestellten Rauschgifts wird über den Land- und den Seeweg nach Deutschland geschmuggelt. Als Vertriebsweg hat sich das Internet weiter etabliert. Dabei ist das Darknet eine Bezugsquelle, aber auch Messenger-Dienste oder Social-Media-Seiten werden für den Handel mit Drogen genutzt.

    Gehandelt wird schwerpunktmäßig mit Cannabis und Neuen psychoaktiven Stoffen (z. B. synthetische Cannabinoiden): Der Anteil der Cannabis-Handelsdelikte an allen Rauschgift-Handelsdelikten entsprach im vergangenen Jahr 59,1 Prozent (33.060 Fälle, 3,4 Prozent mehr als im Vorjahr).

    Im Jahr 2021 wurden insgesamt 280.840 Tatverdächtige im Zusammenhang mit Rauschgiftdelikten registriert, was einem Rückgang von 1,4 Prozent entspricht (2020: 284.723). Darunter waren 47.784 Tatverdächtige, die im Zusammenhang mit Rauschgift-Handelsdelikten ermittelt wurden (2020: 48.273; -1 Prozent).

    Bei der Sicherstellung von Drogen ist insbesondere bei Kokain und Methamphetamin festzustellen, dass die Mengen steigen. So hat sich die Menge des sichergestellten Kokains im Berichtsjahr 2021 mit mindestens 23 Tonnen mehr als verdoppelt (2020: mindestens 11 Tonnen). Bei Methamphetamin stieg die sichergestellte Menge über alle Erscheinungsformen hinweg, also pulverförmig, kristallin und flüssig, um 25 Prozent auf mindestens 363,1 Kilogramm (2020: 290,5 Kilogramm).

    Wie gefährlich der Konsum von Drogen ist, zeigt die Zahl der Todesfälle: 1.826 Menschen starben im vergangenen Jahr an den Folgen ihrer Drogensucht, eine Zunahme um 15,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (1.581 Todesfälle). Die häufigsten Todesursachen waren der Konsum von Heroin und Opiat-Substitutionsmitteln.

    Die Bekämpfung des organisierten Rauschgifthandels ist eine Kernaufgabe des Bundeskriminalamts. Durch die Erkenntnisse, die auf der Auswertung von Daten der Krypto-Kommunikationsanbieter „EncroChat“, „Sky-ECC“ und „ANOM“ beruhen, hat diese Aufgabe eine neue Dimension erreicht. Auf der Basis dieser Daten wurden in Deutschland seit März 2020 bis heute etwa 4.000 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Bei den polizeilichen Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang durchgeführt wurden, konnten unter anderem nahezu 40 Tonnen Rauschgift (inkl. Grundstoffe) sichergestellt werden. Das BKA hat, um die notwendigen Analysen und die Fälle für die Bearbeitung in den Bundesländern aufzubereiten, eine besondere Aufbauorganisation (BAO) gegründet.

    Zwei weitere wichtige Schläge gegen die Organisierte Rauschgiftkriminalität gelangen dem BKA im August 2022: Im Rahmen zweier Verfahren konnten 700 Kilogramm Heroin und 2,3 Tonnen Kokain sichergestellt sowie mehrere Beschuldigte festgenommen werden.

    Martina Link, BKA-Vizepräsidentin: „Drogenhandel und der Schmuggel von Rauschgift sind Hauptbetätigungsfelder und wesentliche Einnahmequellen der Organisierten Kriminalität in Deutschland. Es ist ein Geschäft, mit dem Millionen verdient werden – über alle Drogenarten hinweg. Das haben nicht zuletzt die Erkenntnisse aus den Auswertungen von Daten der Krypto-Kommunikationsanbieter „EncroChat“, „Sky-ECC“ und „ANOM“ sowie zwei Großsicherstellungen von Kokain und Heroin im Spätsommer dieses Jahres gezeigt. Die Organisierte Kriminalität bedroht und untergräbt unsere Gesellschaft. Das Bundeskriminalamt hat daraus Konsequenzen gezogen: Wir werden unsere Kapazitäten im Bereich Rauschgiftkriminalität weiter stärken und die Geldwäschebekämpfung sowie die Vermögensabschöpfung intensivieren, um den Kriminellen ihre Einnahmen zu entziehen.“

    Burkhard Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Sucht und Drogenfragen: „Die aktuellen Zahlen verdeutlichen: Wir müssen sowohl bei der strafrechtlichen Verfolgung von professionell agierenden Drogenkriminellen als auch bei Prävention und Suchthilfe schneller, konsequenter und besser werden. Wir müssen mehr tun, damit Menschen gar nicht erst zu gefährlichen Drogen greifen, oder, wenn sie es doch tun, davon wieder loskommen. Deswegen brauchen wir in Deutschland eine wirklich flächendeckende Suchtprävention, die hält, was sie verspricht. Und wir brauchen flächendeckende und ausreichend finanzierte Beratungsangebote. Außerdem wichtig: Bitte bei Drogenkonsum statt ideologischer Debatten ganz pragmatisch helfen – vom Drogenkonsumraum bis Substitution, von Drug Checking bis zur Schlafstätte für obdachlose Abhängige: All das hilft am Ende gegen Drogenkonsum, weil es der erste Schritt in den Ausstieg sein kann.“

    Download Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2021

    Gemeinsame Pressemitteilung des Bundeskriminalamtes und des Beauftragten der Bundesregierung für Sucht und Drogenfragen, 10.11.2022