Autor: Simone Schwarzer

  • Basisausbildung zur nebenamtlichen betrieblichen Suchtarbeit

    Unterstützen ihre Kolleg:innen bei allen Fragen zum Thema Sucht: nebenbetriebliche Suchtberater:innen

    Am 2. Juni 2022 wurden in der Therapeutischen Gemeinschaft Jenfeld in Hamburg 13 Absolvent:innen der Basisausbildung zur nebenamtlichen betrieblichen Suchtarbeit verabschiedet. Während der intensiven Basisausbildung haben die Teilnehmer:innen Methoden der Gesprächsführung erlernt, psychische Belastungen am Arbeitsplatz identifiziert und betriebliche Hilfesysteme kennengelernt. Ebenfalls zur Ausbildung gehörte ein Praxisteil: Fünf Tage hospitierten die Teilnehmer:innen in der Suchthilfe, um ihre neue Aufgabe noch besser zu verstehen.

    Ab sofort unterstützen die frisch ausgebildeten nebenbetrieblichen Suchtberater:innen in den Betrieben ihre Kolleg:innen bei Anliegen zu jeder Form von Sucht. Wichtig dabei: Die Suchtberater:innen können weder Expert:innen ersetzen, noch sollen sie ihre Kolleg:innen im Alltag belehren. Sie können jedoch Mitarbeitende und Vorgesetzte im Unternehmen beraten und ihnen als vertrauensvolle Kontaktperson begleitend und unterstützend zur Seite stehen. Und im Ernstfall wissen sie, wie eine Intervention aussieht. Dann stellen sie Kontakt mit internen und externen Beratungsangeboten und Fachkräften her, die zusätzlich helfen können.

    Der Suchttherapieverbund der Alida Schmidt-Stiftung, zu dem die Therapeutische Gemeinschaft Jenfeld gehört, pflegt seit vielen Jahren eine enge Kooperation mit Unternehmen bei der betrieblichen Suchtarbeit. In diesem Kontext wurden verschiedene Kurse entwickelt. Über das Engagement von Suchthilfeträgern in der nebenamtlichen betrieblichen Suchtarbeit informiert auch eine Arbeitsgruppe bei der 29. Fachtagung Management in der Suchttherapie am 28./29. September 2022 in Darmstadt.

    Mehr Informationen zum Angebot der Betrieblichen Suchtarbeit finden Sie hier:
    www.betriebliche-suchtarbeit.de

    Quellen:
    Alida Schmidt-Stiftung, www.alida.de, 14.6.2022
    Bundesverband Suchthilfe e. V. (bus.), www.suchthilfe.de, 6.7.2022

  • CAN Stop

    Hogrefe Verlag, Göttingen 2022, 137 Seiten inkl. Online-Materialien, 39,95 €, ISBN 9783801725945, auch als E-Book erhältlich

    Das manualisierte Gruppenprogramm CAN Stop richtet sich an junge Menschen, die einen problematischen Cannabiskonsum aufweisen. Ziel ist es, Teilnehmende dabei zu motivieren, ihren Konsum zu überdenken und zu reduzieren oder dauerhaft zu beenden. Das Programm besteht aus acht 90-minütigen Sitzungen und basiert auf den Prinzipien der Verhaltenstherapie und des Motivational Interviewings. An dem stark strukturierten Programm nehmen durchschnittlich acht Teilnehmende im Alter von 14 bis 21 Jahren teil. Das Programm ist in verschiedensten Settings anwendbar und wurde erfolgreich in der ambulanten Jugend- und Suchthilfe, im medizinischen Versorgungsbereich und in Jugendhaftanstalten durchgeführt.

    Das Manual liegt in je einer Variante für stationäre und für ambulante Gruppen vor und enthält einen umfangreichen Anhang mit Arbeitsmaterialien. Diese können nach erfolgter Registrierung von der Webseite des Hogrefe Verlags heruntergeladen werden.

  • Blick in das betrunkene Hirn

    In einer aktuellen Publikation in PNAS suchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Düsseldorf, Heidelberg, Mannheim und Köln nach anhaltenden Veränderungen im Gehirn nach einer einzigen Gabe von Alkohol. Falls sich Veränderungen im Hirn nach Alkoholeinfluss manifestieren, so könnten diese Veränderungen die Signatur oder zumindest die Vorstufen eines Suchtgedächtnisses sein. Wenn man daher die molekularen und zellulären Mechanismen einer solchen Signatur besser versteht, dann könnte man möglicherweise in Zukunft dem Entstehen einer Sucht pharmakologisch entgegenwirken.

    Man weiß inzwischen, dass molekulare und zelluläre Mechanismen, die für das normale Gedächtnis wichtig sind, auch beim „Suchtgedächtnis“ eine zentrale Rolle spielen. Das bedeutet auch, dass unserem Gehirn die Bildung positiver Assoziationen mit Drogen und Alkohol in jüngeren Jahren leichter fällt, genau wie auch die normale Gedächtnisleistung bei jüngeren Menschen besser ist. Daher – je früher Kinder und Jugendliche ihren ersten intensiven Kontakt mit Alkohol haben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, im Erwachsenenalter alkoholabhängig zu sein.

    Durch hochauflösende Zwei-Photonen Mikroskopie konnten derartige zelluläre Mechanismen live im lebenden Maushirn während und nach der Trunkenheit beobachtet werden. Eine zentrale Entdeckung des Forscherteams um Dr. Sidney Cambridge war, dass eine einzige Alkoholgabe im Gehirn von Mäusen zu Änderungen an Synapsen führte und dass diese Änderungen deutlich länger existierten, als der Alkohol im Blut vorhanden war. Solche anhaltenden Änderungen an Synapsen bilden die Grundlage von normalem Lernen und Gedächtnis und könnten somit auch die Grundlage des Suchtgedächtnisses darstellen.

    Nach Einmalgabe von Alkohol war außerdem eine Erhöhung der Mitochondrien-Mobilität in Nervenzellen im lebenden Hirn zu beobachten – und auch diese Veränderung war nach dem vollständigen Abbau des Ethanols noch messbar.

    In Drosophila Fruchtfliegen hingegen führte die gezielte Blockade dieser Mitochondrien-Mobilität dazu, dass die Fliegen keine positiven Assoziationen mit Alkohol aufbauen konnten. Normalerweise gewöhnen sich Fliegen sehr schnell an den Genuss von Alkohol, aber nach Blockade der Mitochondrien-Mobilität hatten die Fliegen kein Interesse mehr.

    Da die Mobilität der Mitochondrien sowohl bei Fliegen als auch bei Mäusen eine wichtige Rolle bei alkoholbedingten Veränderungen des Gehirns zu spielen scheint, vermuten die Wissenschaftler, dass beim Menschen dieser zelluläre Mechanismus ebenso von maßgeblicher Bedeutung ist. Abschließend konnten auch bei Verhaltensexperimenten mit Mäusen länger anhaltende Veränderungen beobachtet werden, da die Tiere bis zu zwei Tage nach einmaliger Alkoholgabe Schwierigkeiten hatten, korrekte Entscheidungen zu treffen.

    Zusammenfassend konnten die Wissenschaftler also zeigen, dass ein einmaliger intensiver Alkoholgenuss zu anhaltenden Veränderungen im Gehirn führt, welche wiederum die Grundlage des Suchtgedächtnisses darstellen könnten.

    Originalpublikation:
    Johannes Knabbe et al.: Single-dose ethanol intoxication causes acute and lasting neuronal changes in the brain, PNAS, June 14, 2022, https://doi.org/10.1073/pnas.2122477119

    Pressestelle der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 24.6.2022

  • Außerordentliches Engagement für die Hamburger Suchthilfe!

    Dieter Adamski (Mitte) mit Thomas Hempel, Geschäftsführung Therapiehilfe gGmbH (li.), und Gotthard Lehner, stellv. Vorstandsvorsitzender Bundesverband Suchthilfe (re.)

    Am 24.06.2022 wurde Dieter Adamski, langjähriger Vorstand der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e. V. und Geschäftsführer des Therapiehilfeverbundes, für sein außerordentliches Engagement in der Hamburger Suchthilfe im Hamburger Rathaus der „Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland am Bande“ durch die Senatorin für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration, Dr. Melanie Leonhard, verliehen.

    Dieter Adamski erhält diese Auszeichnung für sein über 30-jähriges hervorragendes ehrenamtliches und gemeinnütziges Engagement für die Suchthilfe bundesweit und insbesondere in den Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen und Niedersachsen.

    Er hat sich in den letzten Jahrzehenten als Vorsitzender der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e. V. (HLS), als Mitglied im Fachvorstand des BADO e. V. in Hamburg und als  Vorstandsmitglied des Fachverbands Drogen und Suchthilfe e. V. ehrenamtlich für die Suchthilfe sehr engagiert und diese fortentwickelt. In seiner Funktion als Geschäftsführer des gemeinnützigen Trägers Therapiehilfe gGmbH (früher als Vorstand des damaligen Therapiehilfe e. V.) hat er die Entwicklung des Verbundes mit seiner Expertise wesentlich geprägt und vorangetrieben.

    Mit seinem Ideenreichtum und seiner Energie hat Dieter Adamski wichtige Veränderungsprozesse – auch gegen Widerstände – angestoßen und damit Herausragendes für die Hamburger Suchthilfe geleistet. Er hat mit seinem politischen Engagement einen wesentlichen Teil dazu beigetragen, dass die Stadt Hamburg über ein so vielfältiges Suchthilfesystem verfügt, wie wir es heute kennen.

    So hebt Cornelia Kost, Vorstandsmitglied der HLS und Einrichtungsleiterin im Therapiehilfeverbund, in ihrer Laudatio hervor:

    „Viele Maßnahmen wurden von Ihnen initiiert oder fachlich begleitet, beginnend mit den ‚Gute Nacht Sucht‘-Veranstaltungen. Die HLS weitete ihre Arbeit bundesweit aus und konnte zwei Auftaktveranstaltungen zu den bundesweiten Suchtwochen im Hamburger Rathaus durchführen. Damit haben Sie das Suchtthema von der verlorenen Wahl 2001 ins Rathaus gebracht, das war ein enormer Erfolg Ihrer Arbeit. Neben gewonnen Bundeswettbewerben kam es zu zahlreichen Aktionen auf allen Ebenen, zu denen die Zusammenarbeit mit der Augsburger Puppenkiste im Rahmen von ‚Papilio‘ sicher zu den außergewöhnlichsten Projekten gehörte.“

     Zudem würdigte Cornelia Kost das politische Engagement Dieter Adamskis:

    „Sie haben über die Landesstelle Politik für Hamburg gemacht, durch die von Ihnen moderierten Wahlanhörungen, Jahresempfänge und die Suchtwochen. Außerdem haben Sie erfolgreich die großen Kostenträger und die Fachbehörde in einem Beirat eingebunden, der seitdem regelmäßig die Arbeit der Landesstelle stützt und von Ihnen geleitet wurde. Die Landesstelle vermittelte die konsensuale Besetzung des Fachrates und sie hat sich fachlich bei verschiedenen Koalitionsverhandlungen erfolgreich eingebracht. Über die Schulbusuntersuchungen und andere Aktivitäten konnte die Landesstelle immer wieder suchtpolitische Akzente setzen.“

    Und auch als langjähriger Geschäftsführer der Therapiehilfe gGmbH hat Dieter Adamski Außerordentliches geleistet. So formulierte Cornelia Kost:

    „Ihre Vision war die eines modernen, an den Bedarfen der Betroffenen ausgerichteten Suchthilfesystems. Das haben Sie beispielhaft in Ihren über 30 Jahren Arbeit demonstriert, indem Sie Verantwortung als Geschäftsführer eines komplexen gemeinnützigen Suchthilfeträgers übernommen haben. Sie haben bei Therapiehilfe gGmbH ein Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungsnetzwerk realisiert, das es Betroffenen ermöglicht, in Behandlungsketten, die aufeinander aufbauen, unterstützt zu werden. Dieses Netzwerk ist darauf ausgerichtet, eine Verbesserung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und der Arbeitswelt zu ermöglichen.“

    Die Laudatorin bedankte sich herzlich und sehr persönlich:

    „Ich habe einen sehr klugen, politischen, kraftvollen, freundlichen und manchmal auch verletzlichen Menschen kennengelernt. Du hast durch deine Arbeit Tausenden von Menschen das Leben gerettet, du hast uns in Hamburg auf den Boden der Tatsachen geholt, wenn es notwendig war, der Wirklichkeit von Sucht unerschrocken ins Auge zu blicken und danach zu handeln. Im Namen der Suchtkrankenhilfe Hamburg, im Namen der Landesstelle für Suchtfragen, im Namen des Therapiehilfeverbundes und natürlich auch in meinem Namen, lieber Dieter, danke ich dir sehr herzlich!“

    Gemeinsame Pressemitteilung der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e. V. (HLS) und der Therapiehilfe gGmbH, 29.6.2022

  • Europäischer Drogenbericht 2022

    Das rasche Wiedererstarken von Drogenangebot und -konsum nach den Beeinträchtigungen durch COVID-19 gehört zu den Themen, die von der EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) mit ihrem „Europäischen Drogenbericht 2022: Trends und Entwicklungen“ näher beleuchtet werden. Der Bericht bietet einen aktuellen Überblick über die Drogensituation in Europa und untersucht langfristige Trends und neu auftretende Bedrohungen. In einer Zeit, in der die internationale Lage neue Herausforderungen mit sich bringt, wird in dem Bericht auch untersucht, wie aktuelle globale Ereignisse die Dynamik der Drogenproblematik in Europa in Zukunft beeinflussen können. Dem Bericht zugrunde liegende nationale Daten (Statistisches Bulletin 2022). Der Bericht beschreibt die Drogensituation bis Ende 2021 auf der Grundlage von Daten aus dem Jahr 2020 und, sofern verfügbar, aus dem Jahr 2021.

    Der jährliche Bericht beschreibt, wie sich die Drogenprobleme in Europa weiterentwickeln und wie Innovationen den Drogenmarkt vorantreiben. Die Verfügbarkeit von Drogen ist in der EU nach wie vor hoch (in einigen Fällen, wie bei Kokain, übersteigt die Verfügbarkeit die Werte vor der Pandemie), und es tauchen auch weiterhin potente und gefährliche Substanzen auf. Der Bericht zeigt auch auf, wie die Vielfalt der Cannabisprodukte und die Produktion synthetischer Drogen in Europa zunehmen.

    Im Hinblick auf den Drogenkonsum gibt es Anzeichen für eine Rückkehr auf das Niveau vor der Pandemie. Die Abwasseranalyse beispielsweise zeigt, dass der Konsum von Kokain, Crack, Amphetamin und Methamphetamin in einigen Städten zwischen 2020 und 2021 zugenommen hat. Zugleich scheinen Hilfeangebote mit Lockerung der COVID-19-Beschränkungen in ganz Europa wieder zur Tagesordnung zurückzukehren, wobei einige der innovativen Praktiken, die während der Lockdowns eingesetzt wurden (digitale Gesundheitsdienste, Telemedizin), beibehalten wurden.

    Gefährliche neue psychoaktive Substanzen tauchen nach wie vor auf – Cathinone im Fokus

    In Europa taucht weiterhin jede Woche eine neue psychoaktive Substanz (NPS) auf, was eine Herausforderung für die öffentliche Gesundheit darstellt. 2021 wurden über das EU-Frühwarnsystem (EWS) 52 neue Drogen gemeldet, womit sich die Gesamtzahl der von der EMCDDA beobachteten neuen psychoaktiven Substanzen auf 880 erhöhte. Im Jahr 2021 wurden sechs neue synthetische Opioide, sechs synthetische Cathinone und 15 synthetische Cannabinoide erstmals gemeldet. Zusammen mit dem aktuellen Europäischen Drogenbericht wird ein Bericht über das Frühwarnsystem und seine Leistungen veröffentlicht, da das Netzwerk sein 25-jähriges Bestehen feiert.

    Im Jahr 2020 wurde in Europa (27 EU-Mitgliedstaaten, Türkei und Norwegen) mit 6,9 Tonnen (41.100 Sicherstellungen) eine Rekordmenge an neuen psychoaktiven Substanzen sichergestellt. Von den sichergestellten Substanzen waren 3,3 Tonnen synthetische Cathinone, die häufig als Ersatz für herkömmliche Stimulanzien (z. B. Kokain, MDMA) verkauft werden. Seitdem in China hinsichtlich synthetischer Cathinone verstärkt kontrolliert wird, stammen die meisten Großmengen dieser Substanzen, die 2020 nach Europa geschmuggelt wurden, aus Indien. Stand Ende 2021 überwachte die EMCDDA 162 synthetische Cathinone, die damit die zweitgrößte Kategorie der beobachteten neuen psychoaktiven Substanzen nach den synthetischen Cannabinoiden (224 überwachte Substanzen) ausmachten. Der Handel mit synthetischen Cathinonen in Europa in Rekordhöhe und Berichte über Schäden (z. B. Vergiftungen) haben zu neuen Maßnahmen geführt. Zwei synthetische Cathinone, 3-MMC und 3-CMC, wurden 2021 einer Risikobewertung unterzogen, und die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, sie in der gesamten EU zu kontrollieren.

    Cannabis – neue Entwicklungen für die beliebteste illegale Droge in Europa

    Die Entwicklungen im Cannabissektor stellen die Länder vor neue Herausforderungen. Cannabisprodukte werden immer vielfältiger, darunter Extrakte und Edibles (mit hohem THC-Gehalt) und CBD-Produkte (mit niedrigem THC-Gehalt). Auch das Umfeld der europäischen Cannabispolitik verändert sich, und der Fokus der politischen Maßnahmen wird schrittweise ausgeweitet. Neben der Kontrolle von illegalem Cannabis umfassen die politischen Maßnahmen nun auch die Regulierung von Cannabis für medizinische und andere Zwecke (z. B. Zutaten in Lebensmitteln und Kosmetika).

    Im Jahr 2020 lag der durchschnittliche THC-Gehalt von Cannabisharz bei 21 % und damit fast doppelt so hoch wie der von Cannabiskraut (11 %). Damit hat sich die Tendenz der letzten Jahre, in denen Cannabiskraut in der Regel einen höheren Wirkstoffgehalt aufwies, umgekehrt. Dies spiegelt Neuerungen auf dem Markt wider: die Harz-Produzenten, in der Regel aus Ländern außerhalb der EU, scheinen auf die Konkurrenz durch in Europa hergestelltes Cannabiskraut reagiert haben. In dem Bericht wird auch die Sorge geäußert, dass illegale Cannabisprodukte mit synthetischen Cannabinoiden versetzt werden, die hochpotent und giftig sein können. Konsumierende wissen dann möglicherweise nicht, dass ein Produkt synthetische Cannabinoide enthält und sie größeren Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind.

    Anzeichen für eine Zunahme der Drogenproduktion, des Drogenhandels und der Verfügbarkeit von Drogen in Europa

    Im Jahr 2020 wurden mehr als 350 illegale Drogenproduktionslabore ausgehoben, darunter einige groß angelegte Produktionsstätten für Kokain, Methamphetamin und Cathinone. Die jüngste Analyse deutet darauf hin, dass die Verfügbarkeit von Kokain in Europa nach wie vor hoch ist und eine Reihe von Gesundheitsgefahren mit sich bringt. Im Jahr 2020 wurde in der EU eine Rekordmenge von 213 Tonnen Kokain sichergestellt (202 Tonnen im Jahr 2019), 23 Labore ausgehoben wurden ausgehoben (15 Labore im Jahr 2019).

    Auch die Verfügbarkeit von Amphetamin ist hoch und könnte zunehmen. Im Jahr 2020 stellten die EU-Mitgliedstaaten eine Rekordmenge von 21,2 Tonnen sicher (15,4 Tonnen im Jahr 2019), 78 Amphetamin-Labore wurden ausgehoben (38 im Jahr 2019). Der Bericht zeigt, dass in Europa immer mehr Methamphetamin-Produktionsanlagen mittlerer und großer Größe ausgehoben werden. Die Produktion und das Angebot von Methamphetamin haben sich in jüngster Zeit in Europa verändert. Diese Entwicklung birgt das Risiko einer breiteren Verfügbarkeit und damit für einen Anstieg des Konsums.

    Die Zahl der ausgehobenen MDMA-Labore (29) blieb 2020 relativ stabil. Es wurden 15 Produktionsstandorte für Cathinone ausgehoben (fünf im Jahr 2019) und 860 Kilogramm chemische Vorläufersubstanzen für die Herstellung von Cathinonen beschlagnahmt (438 Kilogramm im Jahr 2019). Auch wenn sie weniger verbreitet sind, wurden 2020 in der EU illegale Labore zur Herstellung von Heroin, Ketamin, GBL und DMT ausgehoben.

    Eine zentrale Frage, die in dem Bericht aufgeworfen wird, ist, ob die Drogenmärkte im Darknet zurückgehen. Die Aktivitäten auf diesen Märkten scheinen von einer Reihe von Faktoren beeinflusst worden zu sein (z. B. Strafverfolgungsmaßnahmen, Lieferprobleme, Betrug). Ende 2021 gingen die geschätzten Einnahmen drastisch auf knapp unter 30.000 Euro pro Tag zurück (gegenüber 1 Million Euro pro Tag im Jahr 2020). Soziale Medien und Sofortnachrichten-Apps scheinen als sicherere und bequemere Bezugsquelle bevorzugt zu werden, was die Notwendigkeit von Maßnahmen in diesem Bereich unterstreicht.

    Notwendigkeit der Ausweitung von Maßnahmen zur Behandlung und Schadensminimierung

    In dem aktuellen Bericht wird betont, dass die Behandlungangebote und Maßnahmen zur Schadensminimierung für injizierende Drogenkonsumierende in Europa ausgebaut werden müssen. Im Jahr 2020 berichteten nur Tschechien, Spanien, Luxemburg und Norwegen, dass sie die Ziele der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für das Jahr 2020 erreicht haben, nämlich die Bereitstellung von 200 Spritzen pro Jahr pro injizierender Person sowie die Versorgung von mindestens 40 % der Hochrisiko-Opioidkonsumierenden im Rahmen einer Opioid-Agonisten-Behandlung (OAT) (Substitution), die einen Schutzfaktor gegen Überdosierungen darstellt. Im Jahr 2020 gab es in der EU schätzungsweise eine Million Hochrisiko-Opioidkonsumierende, von denen 514.000 Klienten und Klientinnen in OAT sind, was eine Abdeckung von 50 % bedeutet. Allerdings bestehen zwischen den einzelnen Ländern große Unterschiede, und das Behandlungsangebot ist in vielen EU-Mitgliedstaaten nach wie vor unzureichend.

    Der injizierende Drogenkonsum steht im Zusammenhang mit schwerwiegenden Gesundheitsproblemen wie Infektionskrankheiten, Überdosierungen und Todesfällen. Während der injizierende Heroinkonsum rückläufig ist, wächst die Besorgnis über den injizierenden Konsum einer breiteren Palette von Substanzen, darunter Amphetamine, Kokain, synthetische Cathinone, verschriebene Opioide und andere Arzneimittel.

    Im Jahr 2020 wurden in der EU schätzungsweise 5.800 Todesfälle durch Überdosierung illegaler Drogen verzeichnet. Die meisten dieser Todesfälle wurden mit einer polyvalenten Intoxikation in Verbindung gebracht, bei der es sich in der Regel um Kombinationen aus illegalen Opioiden, anderen illegalen Drogen, Arzneimitteln und Alkohol handelt. Neben der hohen Verfügbarkeit von Kokain in Europa deuten Berichte darauf hin, dass der Crack-Konsum zunehmen könnte und nun in mehr Städten und Ländern unter vulnerablen Drogenkonsumierenden zu beobachten ist. Crack wird in der Regel geraucht, kann aber auch injiziert werden, und steht im Zusammenhang mit einer Reihe von gesundheitlichen und sozialen Schäden (z. B. Infektionskrankheiten und Gewalt). Die langfristigen Trends deuten darauf hin, dass im Jahr 2020 in Europa schätzungsweise 7.000 Klienten und Klientinnen aufgrund von Crack-Problemen eine Behandlung aufnahmen. Damit hat sich die Zahl der Klienten und Klientinnen im Vergleich zum Jahr 2016 verdreifacht.

    Internationale Lage: neue Herausforderungen und potenzielle Bedrohungen

    Die Drogenprobleme in Europa können durch die Entwicklungen auf internationaler Ebene beeinflusst werden. Der Bericht befasst sich mit den jüngsten Entwicklungen in Afghanistan und der Ukraine und den potenziellen Auswirkungen auf den Drogenbereich. Es ist zwar noch zu früh, um die Auswirkungen dieser Ereignisse in vollem Umfang bewerten zu können, doch wird eine gezielte Beobachtung der Situation erforderlich sein, um eine Informationsgrundlage für die Politik und für Maßnahmen zu schaffen.

    Trotz des im Jahr 2022 von den Taliban verhängten Verbots der Herstellung, des Verkaufs und des Handels mit illegalen Drogen in Afghanistan scheint der Mohn-Anbau fortgesetzt zu werden. Aufgrund der aktuellen finanziellen Probleme des Landes könnten die Einnahmen aus Drogengeschäften zu einer wichtigen Einnahmequelle werden, was zu einer Zunahme des Heroinhandels nach Europa führen könnte. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage, ob Europa zu einem Konsummarkt für in Afghanistan hergestelltes Methamphetamin wird. Diese Droge wird derzeit von europäischen Herstellern auf dem EU-Markt angeboten. In jüngster Zeit wurden jedoch auch in Afghanistan eine großangelegte Methamphetamin-Produktion auf Ephedra-Basis sowie eine Zunahme der Sicherstellungen dieser Droge entlang einiger etablierter Heroinschmuggelrouten festgestellt.

    In der Ukraine hat zur Unsicherheit hinsichtlich der Drogensituation in Europa beigetragen. Auf die Personen, die in der EU Zuflucht suchen, entfällt nur ein kleiner Teil der Personen, die in der Ukraine eine Drogenbehandlung in Anspruch nehmen. Diese Personen benötigen eine kontinuierliche Behandlung sowie auf ihre spezifischen Bedürfnisse und ihre Sprache zugeschnittene Drogenhilfe. Allgemein ist davon auszugehen, dass Menschen, die vor Konflikten fliehen, unter starkem psychischem Stress leiden und dadurch in Zukunft potenziell anfälliger für Probleme im Zusammenhang mit Substanzmissbrauch sind. Der Krieg könnte auch zu Verschiebungen der Schmuggelrouten führen, da Kriminelle Schwachstellen ausnutzen oder betroffene Gebiete meiden.

    Pressestelle der EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA), 14.6.2022

  • Körperarbeit in der Systemischen Therapie

    Beltz Verlag, Weinheim 2021, 234 Seiten mit E-Book inside und Arbeitsmaterial, 39,95 €, ISBN 978-3-621-28857-6

    Eine Rücken-gegen-Rücken-Partnerübung durchführen, einen Händestapel formen oder eine Luftskulptur bauen: In der Systemischen Therapie ergeben sich viele kreative Möglichkeiten zur Körperarbeit. Berührungen und Bewegungen lösen intensive Sinneswahrnehmungen aus und fördern neue Erkenntnisse und Veränderungen. Die Einbeziehung des Körpers hat in den letzten Jahren vor allem in der Systemischen Therapie erheblich an Bedeutung gewonnen: Mit Familien und Paaren, aber auch mit Einzelpersonen werden durch den Umgang mit den Händen und der Haut, mit dem ganzen Körper und mit gegenseitigem Körpereinsatz große therapeutische Erfolge erzielt.

    Dargestellt werden die Förderung der Selbstwahrnehmung über die Sinne, die Veränderungen des Systems durch Körperarbeit und die Phasen der systemischen Körpertherapie. Viele Beispiele demonstrieren die mögliche Umsetzung der Körperarbeit anschaulich und zeigen: Systemische Therapie ist nicht nur „Kopfsache“. Mit zahlreichen Übungen zur Körperarbeit für Paare, Familien und spezielle Systeme (z. B. depressive Systeme, abhängige Systeme).