Das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist eine wichtige erste Anlaufstelle für gewaltbetroffene Frauen, gerade in Zeiten von Corona. Rund um die Uhr sind die Beraterinnen des Hilfetelefons erreichbar. Im Jahr 2020 führten sie 51.407 Beratungen durch – das entspricht einem Anstieg von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei nahmen die Anfragen zu häuslicher Gewalt überproportional zu: Alle 22 Minuten fand im vergangenen Jahr eine Beratung dazu statt. Das ist ein zentrales Ergebnis des Jahresberichts 2020 des Hilfetelefons, der im Mai veröffentlicht wurde.
Petra Söchting, die Leiterin des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“: „In der Corona-Krise hat sich einmal mehr gezeigt, wie wichtig unser Beratungsangebot mit seiner verlässlichen Erreichbarkeit als erste Anlaufstelle für gewaltbetroffene Frauen ist. Unter den speziellen Rahmenbedingungen der Pandemie hat das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ seine Lotsenfunktion ins Hilfesystem jedoch nur eingeschränkt wahrnehmen können, da höhere Hürden bei der Nutzung örtlicher Hilfsangebote bestanden: Einrichtungen des Unterstützungssystems für gewaltbetroffene Frauen waren schwerer erreichbar bzw. standen nur eingeschränkt zur Verfügung. Ratsuchende wandten sich mit ihrem Anliegen mitunter wiederholt an die Beraterinnen des Hilfetelefons.“
Kernergebnisse des Jahresberichts 2020
Die wichtigsten Zahlen auf einen Blick. Bitte auf die Abbildung klicken.
Mit dem coronabedingten Lockdown sind die Beratungskontakte des Hilfetelefons ab Ende März 2020 deutlich angestiegen und seitdem auf einem hohen Niveau geblieben. Die Gespräche mit den Beraterinnen fanden um 20 Prozent häufiger zum Thema häusliche Gewalt statt. Akute Krisen und Verletzungen in konkreten Gefährdungssituationen mehrten sich, sodass die Beratungen zeitintensiver waren und in vielen Fällen sofortige Hilfe über die Polizei oder Rettungskräfte organisiert werden musste.
Um 21 Prozent stieg auch die Anzahl von Menschen aus dem sozialen Umfeld betroffener Frauen, die Rat und Unterstützung beim Hilfetelefon suchten. Viele berichteten, dass sie seit dem Lockdown durch die Pandemie mehr Zeit zuhause verbringen und dadurch häufiger Zeuge von Gewaltausbrüchen in der Nachbarschaft werden.
Die Nachfrage an fremdsprachlicher Beratung stieg um 25 Prozent, was eine schwierigere Situation von Frauen mit Migrationserfahrung in der Pandemie vermuten lässt. Die Beratungen per E-Mail oder Chat stiegen um 15 Prozent. Gerade bei häuslicher Enge und Isolation stellen Online-Kontaktwege eine wichtige Alternative zum Telefon dar. Zudem meldeten sich mehr Menschen, die nicht von Gewalt betroffen waren, aber mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen hatten. Für die Beraterinnen stellt dies eine besondere Herausforderung dar.
Ein unmittelbarer Rückschluss von gestiegenen Beratungszahlen beim Hilfetelefon auf die tatsächliche Zunahme von häuslicher Gewalt während der Corona-Krise kann allerdings nicht gezogen werden. Belastbare Daten, wie sich das bundesweite Aufkommen von Gewalt gegen Frauen verändert hat, liegen bislang nicht vor. Auf Grundlage der polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2020 ergeben sich erste Hinweise, wonach die Zahl der polizeilich bekannt gewordenen Fälle häuslicher Gewalt in 2020 leicht gestiegen ist; eine detaillierte Auswertung steht noch aus. Während der Pandemie hat das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ eine erhöhte Medienpräsenz erzielt. Die gestiegene Bekanntheit sorgte vermutlich für mehr Kontaktaufnahmen – eine Entwicklung, die auch weiterhin erwartet wird.
Über das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“
Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ richtet sich an gewaltbetroffene Frauen, Menschen aus deren sozialem Umfeld und Fachkräfte. Es berät kostenfrei, anonym und vertraulich zu allen Formen von Gewalt – ob Gewalt in der Partnerschaft, Mobbing, Stalking, Zwangsheirat, Vergewaltigung oder Menschenhandel. Über 80 qualifizierte Beraterinnen helfen unter der Telefonnummer 08000 116 016, per E-Mail oder Sofort- bzw. Termin-Chat auf www.hilfetelefon.de. Auf Wunsch vermitteln die Beraterinnen an Unterstützungseinrichtungen vor Ort. Das bundesweite Angebot ist rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr erreichbar. Bei Bedarf kann die Beratung in 17 Fremdsprachen, in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache erfolgen. Seit dem Start im März 2013 wurde insgesamt rund 281.000-mal per Telefon, E-Mail oder Chat beraten. Über 158.000 von Gewalt betroffene Personen haben das niedrigschwellige Angebot genutzt.
Wie in vielen Bereichen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens hat die Corona-Pandemie auch in der Suchtkranken- und Drogenhilfe zu stark veränderten Arbeitsweisen geführt. Die Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS) als Dachverband, in dem 40 verschiedene Träger, Verbände und Akteur*innen der Hamburger Suchtkranken- und Drogenhilfe organisiert sind, hat im März 2021 unter ihren Mitgliedern eine Umfrage durchgeführt. Ziel war es, die veränderten Arbeitsprozesse und Klient*innen-Strukturen sowie Probleme im Alltag, aber auch Chancen und Wünsche für die Zukunft, zu erfassen bzw. davon einen Eindruck zu bekommen. Der für die Umfrage eingesetzte Fragebogen ist auf der Website der HLS als Muster abruf- und einsehbar.
Insgesamt 23 ausgefüllte Bögen wurden an die Landesstelle zurückgesendet. Pro Fragebogen konnten Angaben zu verschiedenen Bereichen der Suchthilfe gemacht werden. Die Ergebnisse der Umfrage werden in dem hier vorliegenden Bericht unterteilt in die einzelnen Bereiche dargestellt. Am Ende folgen bereichsübergreifende wichtige Aspekte. Die Umfrage und Auswertung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und erfüllt keine wissenschaftlichen Standards. Ziel war und ist es, Kenntnisse über die Situation der Hamburger Suchthilfelandschaft während der Pandemie zu gewinnen und daraus mögliche Bedarfe und Wünsche für die Zukunft abzuleiten.
Beratung
Arbeitsprozesse
Zehn Beratungsstellen gaben per Fragebogen Rückmeldungen an die HLS. In den Suchtberatungsstellen war der Anteil am mobilen Arbeiten besonders hoch. Bei nahezu allen Beratungsstellen, die Rückmeldung gaben, lag der Anteil der Mitarbeitenden im mobilen Arbeiten bei über 50 Prozent, vielfach sogar bei über 75 Prozent. Es wurde auf Telefon- oder Videoberatung umgestellt. Teilweise wurden mit den Klient*innen auch Beratungs-Spaziergänge an der frischen Luft gemacht.
Die Folgen, die sich aus dem mobilen Arbeiten ergaben und ergeben, sind vielfältig: Mitarbeiter*innen mussten teilweise ihre privaten Telefone und Laptops nutzen, sie wurden zu Hause durch andere Familienmitglieder beim Arbeiten gestört, oder es war ihnen unangenehm, dass Klient*innen per Video oder Telefon etwas über ihr privates Umfeld mitbekamen. Einige wenige Mitarbeiter*innen aus Beratungsstellen gaben an, dass sie Probleme mit dem Zugriff auf notwendige Dateien hatten. In den meisten Fällen aber war das nicht virulent.
Folgende Chancen und Wünsche an die Zukunft wurden von den Beratungsstellen formuliert: Einige Mitarbeitende beschrieben, zu Hause sei ein konzentrierteres Arbeiten möglich. Mehrere Mitarbeitende freuten sich über den Wegfall von Fahrzeiten und auch über ein vermindertes Stresslevel durch die Möglichkeit einer freieren Zeiteinteilung. Gerade für Erstberatungen und Einmal-Beratungen wurden Video- und Telefonberatungen als gute Möglichkeiten wahrgenommen. Sie können für machen Klient*innen eine sinnvolle Ergänzung zum klassischen Setting in der Beratungsstelle darstellen.
Insgesamt herrscht eine große Vielfalt bei den für Videoberatung oder auch Austausch per Messenger eingesetzten Programmen. Zoom, Jitsi, Skype, GoToMeeting, aber auch unbekanntere Programme wie Senfcall oder BigBlueButton, kamen und kommen zum Einsatz. Dass diese auch Kosten verursachen können, wurde in kaum einem Fall als Problem angegeben, dafür aber erfolgte häufig die Rückmeldung, dass man datenschutzrechtliche Bedenken oder Verbindungsprobleme habe oder dass Klient*innen mit den Tools nicht zurechtkamen. In einigen Fällen wurde auch RedMedical zur Beratung genutzt. Hier gab es keine datenschutzrechtlichen Bedenken, dafür aber erhöhte Kosten und teilweise ebenfalls Probleme bei der Bedienung durch Klient*innen.
Klient*innen
Einige wenige Beratungsstellen gaben an, dass sie gar keine Veränderungen in der Klient*innen-Struktur wahrgenommen haben. Die meisten Beratungsstellen konnten jedoch Veränderungen verzeichnen. Sie erklärten, mehr junge und internetaffine Personen sowie mehr Angehörige und mehr mobilitätseingeschränkte Menschen erreicht zu haben als vor der Pandemie. Die Klient*innen konnten Termine flexibler in ihren Alltag einbauen und dafür z. B. auch einmal die Mittagspause nutzen, weil Fahrwege entfielen. Dem steht leider gegenüber, dass Ältere und schon länger Betreute häufig ihren „digitalen Weg“ in die Beratung nicht mehr fanden und Kontakte abbrachen, wenn man sich nicht persönlich sehen konnte.
Bezüglich des Konsumverhaltens konnten gerade bei jenen, die schon länger in Beratung waren, häufig Rückfälle beobachtet werden. Aus der Beratung von Menschen mit Essstörungen wurde berichtet, dass Ängste und Stress stark zugenommen haben, die Betroffenen eine Beratung per Video häufig aber nur ungern annahmen, um sich nicht selbst sehen zu müssen.
Positive Aspekte von Video- und Telefonberatung wurden besonders im Zusammenhang mit Menschen genannt, die neu ihren Weg in die Beratung fanden: Mehrere Beratungsstellen berichteten, dass ihrem Eindruck nach die Termine per Video oder Telefon deutlich verbindlicher realisiert wurden als reale Beratungstermine. Absagen bzw. Nichterscheinen kamen seltener vor. Außerdem wurde die Pandemie von einigen Klient*innen offenbar im positiven Sinne als Umbruchsituation wahrgenommen. Da sich dadurch im Leben ohnehin Veränderungen ergaben, wurde die Pandemie als guter Zeitpunkt angesehen, um das Suchtproblem anzugehen und eine Abstinenz vom Suchtmittel dauerhaft ernsthaft umzusetzen. In der Motivation zur Abstinenz half einigen Klient*innen beispielsweise auch, dass Spielhallen und Kneipen geschlossen waren.
Wünsche für die Zukunft
Betrachtet man die Wünsche für die Zukunft, die von den Beratungsstellen formuliert wurden, so besteht durchgehend der Wunsch, Telefon- und Videoberatung ergänzend zur persönlichen Beratung beizubehalten, ebenso die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens. Viele gaben an, sich künftig ein bis zwei Tage mobiles Arbeiten pro Woche sehr gut vorstellen zu können. Bei den Klient*innen müsse man genau analysieren, für wen sich diese Beratungsform gut eigne und für wen nicht, um am Ende alle Ratsuchenden auf die beste Weise zu erreichen.
Dienst-Handy und Dienst-Laptop stehen weit oben auf der Wunsch-Skala, um nicht mehr die privaten Geräte nutzen zu müssen. Gerade was Teamsitzungen und Fortbildungen angeht, können sich viele Mitarbeiter*innen vorstellen, diese regelhaft online durchzuführen. Bei Teamsitzungen wurde die Stimmung teilweise als konzentrierter und effizienter wahrgenommen. Voraussetzung dafür ist allerdings, wie häufig betont wurde, dass es in Bezug auf den Datenschutz eine größere Sicherheit geben solle. Außerdem wünschen die Mitarbeiter*innen der Beratungsstellen sich insgesamt stabileres Internet und Programme, die für Mitarbeiter*innen wie Klient*innen einfach in der Bedienung sind und nicht auf dem Rechner fest installiert werden müssen.
Niedrigschwellige Hilfe
Arbeitsprozesse
Niedrigschwellige Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe bieten den Klient*innen häufig auch Möglichkeiten zum Aufenthalt sowie Konsumräume. Die Klient*innen sind nicht immer motiviert, den Ausstieg aus ihrer Sucht direkt anzugehen, aber für niedrigschwellige Ansprache und Unterstützung im Alltag sind sie offen. Vier niedrigschwellige Einrichtungen aus Hamburg füllten den Fragebogen der Landesstelle aus, so dass die hier beschriebenen Schlaglichter nur aus relativ wenigen Eindrücken gewonnen werden konnten.
Insgesamt war der Anteil von Mitarbeiter*innen im mobilen Arbeiten in den Einrichtungen der niedrigschwelligen Suchthilfe recht gering und lag in den meisten Fällen bei unter 20 Prozent, in einem Fall bei 20 bis 50 Prozent. Dieses Ergebnis überrascht nicht, da niedrigschwellige Arbeit sehr stark mit persönlichem Kontakt verbunden ist.
Die Möglichkeit zur Kommunikation per Video oder Telefon mit den Klient*innen war hier recht gering. Dafür aber wurden Videokommunikations-Programme und auch Messenger-Dienste zur Kommunikation innerhalb des Teams verstärkt genutzt und auch positiv aufgenommen. Datenschutzrechtliche Bedenken oder die Tatsache, dass das private Umfeld im Video zu sehen sein könnte, wurden nicht unbedingt als Probleme angesehen und benannt.
Beratungsgespräche wurden gerade in der niedrigschwelligen Suchthilfe häufiger bei Spaziergängen durchgeführt, statt in der Einrichtung, um dem Setting geschlossener Räume zu entgehen und Menschen trotzdem persönlich zu begegnen.
Klient*innen
Dass die Einrichtungen vor Ort Klient*innen zeitweise gar nicht oder nur mit großen Abständen einlassen konnten, führte vielerorts zu Problemen. Insgesamt nahmen die Einrichtungen in der Klient*innen-Struktur keine großen Veränderungen wahr, merkten aber sehr wohl, dass Kontakte zu langjährigen Klient*innen leider abbrachen. Auch verstärkte sich offenbar bei zahlreichen Klient*innen der Konsum in der Pandemie. Der persönliche Kontakt in niedrigschwelligen Einrichtungen ist durch Online-Angebote nicht ersetzbar.
Insgesamt berichteten die niedrigschwelligen Einrichtungen, dass die konkreten Hilfestellungen – z. B. bei Behördengängen, bei dem Bemühen um Arbeits- oder Praktikumsplätze oder bei der Wohnungssuche – in der Pandemie noch schwieriger geworden waren.
Wünsche für die Zukunft
Konkrete Wünsche an die Zukunft bzw. an eine Übernahme von Arbeitsweisen aus Pandemiezeiten, wurden von Seiten niedrigschwelliger Einrichtungen in den ausgewerteten Rückmeldebögen nicht geäußert.
Eingliederungshilfe
Arbeitsprozesse
Auch in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe ergaben sich mit der Pandemie deutliche Veränderungen. Von sechs Eirichtungen konnten Rückmeldungen ausgewertet werden. Der Anteil von Mitarbeiter*innen im mobilen Arbeiten lag in der Eingliederungshilfe bei unter 50 Prozent, in den meisten Einrichtungen sogar bei unter 20 Prozent. Immer wieder wurde betont, dass die persönliche Betreuung und Versorgung der Klient*innen nicht aus der Ferne möglich sei, dafür aber wurden einzelne Gespräche oder auch Teamsitzungen vermehrt in den virtuellen Raum verlegt.
Fast alle Einrichtungen hatten hingegen damit zu kämpfen, dass Klient*innen nur noch in Einzelzimmern untergebracht werden konnten und zudem Zimmer für Quarantäne-Zwecke freigehalten werden mussten. Dadurch konnten fast überall nur weniger Klient*innen aufgenommen und betreut werden als vor der Pandemie. Zudem entstand ein durchgängig stark erhöhter Bürokratieaufwand durch regelhafte Testungen und die konsequente Einhaltung und Überwachung sich immer wieder verändernder Hygienevorschriften.
Für die Klient*innen bestanden in fast allen Einrichtungen der Eingliederungshilfe wiederholt Heimreise- wie auch Besuchsverbote. Gruppenangebote mussten in kleineren Gruppen durchgeführt werden, somit wurden mehr Gruppensitzungen insgesamt abgehalten, was den Personalaufwand erhöhte. Auch Raumplanungen wurden dadurch in den Einrichtungen deutlich komplizierter.
Klient*innen
Veränderungen in der Klient*innen-Struktur wurden in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe insgesamt nicht wahrgenommen.
Die Einrichtungen berichteten davon, dass der Stress unter den Klient*innen spürbar zugenommen habe, insbesondere durch die Besuchs- und Heimreiseverbote, aber auch durch allgemeine mit der Pandemie verbundene Zukunftsängste. Die Aufenthaltsdauern haben sich dadurch teilweise verlängert, und die Sicherstellung nahtloser Behandlungsübergänge war noch wichtiger geworden.
Wünsche für die Zukunft
Besondere Wünsche, was aus der Pandemie an positiven Entwicklungen mit in die Zukunft genommen werden sollte und was es dafür an Voraussetzungen bräuchte, wurden von den Einrichtungen der Eingliederungshilfe nicht formuliert. Nur vereinzelt wurde angemerkt, dass die Möglichkeit von Teamsitzungen per Video auch in der Zukunft ein gutes Modell sein könnte.
Ambulante Rehabilitation
Arbeitsprozesse
Fünf Einrichtungen, die Ambulante Reha Sucht (ARS) durchführen, haben den Fragebogen ausgefüllt. Bei den Angeboten der ARS war und ist die Möglichkeit der Mitarbeiter*innen, im mobilen Arbeiten tätig zu sein, deutlich begrenzt. Der Anteil der Mitarbeiter*innen im mobilen Arbeiten lag nach Angaben der sich beteiligenden Einrichtungen zwischen 20 und 50 Prozent im Mittel.
Vor allem in Bezug auf die Gruppenangebote gab es in der ARS einen deutlichen Mehraufwand, da zahlreiche Gruppen geteilt oder gedrittelt werden mussten, um Abstände vernünftig einhalten zu können. Für viele Angebote mussten größere Räume gesucht oder generell bei den Räumen umorganisiert werden. Sowohl die Umstrukturierung der Gruppensitzungen als auch der erhöhte Organisationsaufwand führten dazu, dass nur weniger Klient*innen bei allerdings erhöhtem Personaleinsatz betreut werden konnten. Auch einige Angebote zur gemeinsamen Freizeitgestaltung im Rahmen der ARS mussten stark umstrukturiert werden oder zeitweise ganz entfallen.
Vereinzelt kamen für Klient*innen-Gespräche, insbesondere aber auch für die Kommunikation untereinander, auch in der ARS Videokonferenzsysteme zum Einsatz. Teilweise wurde das als sehr positiv wahrgenommen, teilweise aber auch als Nachteil. „Wir vermissten im Team insgesamt den Austausch jenseits von Fakten“, hieß es dazu in einer Rückmeldung.
Klient*innen
Insgesamt nahmen die Einrichtungen keine Veränderungen in der Klient*innen-Struktur in Bezug auf Alter, Suchtmittel, Geschlecht oder Familienstand wahr.
Die Motivation zur Behandlung bei den Klient*innen wurde sehr unterschiedlich wahrgenommen. Wie auch schon im Beratungssetting war es in einigen Fällen schwieriger, die Klient*innen zu motivieren und sie dauerhaft „bei der Stange zu halten“. Teilweise wurde aber auch berichtet, Verlässlichkeit, Aufmerksamkeit in den Gesprächen und Motivation zur Änderung der Lebenssituation seien höher als vorher.
Wünsche für die Zukunft
Die Einrichtungen der ARS äußerten keine Wünsche, was sie aus der Pandemie gerne positiv mit in Zukunft nehmen würden. Vereinzelt wurde auch hier positiv bewertet, Teamsitzungen künftig eher digital durchzuführen, aber einige Mitarbeitende sind dieser Option gegenüber durchaus skeptisch eingestellt.
Stationäre Rehabilitation
Arbeitsprozesse
Im Bundesland Hamburg gibt es nur sehr wenig Angebote der stationären Rehabilitation für Abhängigkeitskranke, entsprechend erreichten die HLS auch nur von zwei Mitgliedern, die das Angebot der stationären Rehabilitation Abhängigkeitskranker vorhalten, eine Rückmeldung auf ihre Fragen.
Die Einrichtungen gaben wenig überraschend an, dass im stationären Setting so gut wie keine Mitarbeiter*innen während der Pandemie im mobilen Arbeiten tätig waren, alle Mitarbeitenden mussten für die Behandlung und Betreuung der Klient*innen vor Ort sein. Es wurden aber vereinzelt Online-Einzeltherapiesitzungen durchgeführt, wenn z. B. Therapeuten*innen in Quarantäne waren. Dies lief dann in der Regel problemlos, und die Verantwortlichen waren selbst überrascht, wie gut derartige Therapiegespräche auch mit Videokonferenzsystemen geführt werden können.
Insgesamt habe man die Krise daher auch als Chance wahrgenommen, aus eingefahrenen Strukturen herauszukommen und Neues auszuprobieren, gleichzeitig sei dies aber gerade für die Leitung auch mit einem enormen Stress und erhöhter Mehrarbeit einhergegangen aufgrund der Notwendigkeit, permanent flexible organisatorische Lösungen zu finden. Zudem war unter Mitarbeiter*innen wie Klient*innen eine anhaltende Anspannung zu spüren. Hauptgründe dafür waren die Angst, sich selbst oder Angehörige zu infizieren, oder die Sorge, dass die Klient*innen sich nicht an die Regularien halten und Ansteckungsrisiken verheimlichen.
Es mussten Gruppen geteilt und verkleinert werden, dadurch hatte das Personal vielfach mehr zu tun, obwohl nur weniger Klient*innen als vor der Pandemie aufgenommen werden konnten, denn sämtliche Klient*innen waren in Einzelzimmern untergebracht, und es wurden Zimmer für Quarantäne frei gehalten.
Klient*innen
Aus den Einrichtungen wurde berichtet, dass in der Krise keine veränderten Klient*innen-Strukturen wahrgenommen wurden, aber ehemalige Rehabilitand*innen nahmen verstärkt Kontakt zur Reha-Klinik auf, um schlichtweg Anbindung oder Beratung zu erhalten, weil andere Angebote der Beratung oder auch der Selbsthilfe wegfielen. Das Therapiemodul „Heimfahrten als Belastungserprobung“ fiel für Rehabilitand*innen in der Krise komplett aus.
Wünsche für die Zukunft
Für die Zukunft können sich die Mitarbeiter*innen in der stationären Suchtreha Online-Angebote für einzelne Gespräche oder für Arbeitsgruppentreffen untereinander sowie zur Vernetzung mit Beratungsstellen oder Fachverbänden gut vorstellen. Dafür müsse die technische Infrastruktur und Ausstattung an vielen Stellen aber noch besser werden.
Suchtselbsthilfe
Von drei Verbänden der Suchtselbsthilfe sowie zwei Einrichtungen, in deren Räumen auch Selbsthilfegruppen tagen, sind Rückmeldungen zu diesem Bereich eingegangen. Zudem hat der Kreuzbund schon Ende des Jahres 2020 unter seinen Gruppen deutschlandweit eine Umfrage zur Selbsthilfe in Corona-Zeiten durchgeführt und die Ergebnisse in seiner Zeitschrift „Weggefährte“ im April 2021 veröffentlicht.
Suchtselbsthilfe ist ein Bereich, der von den Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln, die während der Pandemie erlassen und immer wieder geändert wurden, sehr stark betroffen war.
Teilnehmer*innen
Wie alle Verbände einhellig in der HLS-Befragung rückgemeldet haben, betrafen die während der Pandemie wahrgenommenen Probleme von Einsamkeit, Job-Unsicherheiten, Kurzarbeit und eingeschränkten realen Sozialkontakten gerade die schon langjährig in der Suchtselbsthilfe aktiven und vielfach seit mehreren Jahren abstinent lebenden Gruppenmitglieder stark. Es wurde von allen Verbänden eine höhere Zahl von Rückfällen wahrgenommen.
Gleichzeitig zeigte sich die Suchtselbsthilfe aber auch sehr flexibel und gewillt, ihre Angebote bestmöglich aufrechtzuerhalten. Viele Gruppen schwenkten auf Online-Treffen um oder tagten teilweise real und teilweise online. Gerade in den Sommermonaten 2020 waren reale Treffen auf Grund der niedrigen Inzidenzen gut möglich. Ein Verband meldete zurück, dass es für viele Aktive in der Suchtselbsthilfe ein sehr wichtiges Signal gewesen sei, als die Hamburger Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard in einer Pressekonferenz mit Verkündigung der ersten neuen Einschränkungen im Oktober 2020 explizit betont habe, dass die Selbsthilfe wichtig sei und sich weiterhin treffen dürfe. Das wurde als hohe Wertschätzung wahrgenommen.
Trotz allem war und ist die Erreichbarkeit von Suchtselbsthilfe-Aktiven in der Pandemie nicht einfach. Die Verbände berichteten, dass sie durch die Online-Angebote teilweise jüngere und internetaffine Menschen sowie Menschen mit Mobilitätseinschränkung besser erreicht hätten als vorher. Gleichzeitig gingen aber auch zahlreiche Gruppenmitglieder, die schon langjährig aktiv waren, verloren, und neue Interessierte konnten nicht so gut und zuverlässig abgeholt und betreut werden.
Ein Verband beschrieb sehr eindrücklich, dass gerade die Werte und Erfahrungen, die für Suchtselbsthilfe-Aktive wichtig sind, um stabil abstinent zu leben, durch die Pandemie nicht mehr erlebt werden konnten. Denn die Zeit der Pandemie war für die Selbsthilfe gekennzeichnet durch:
fehlende Verbindlichkeit und häufige Umplanung von Treffen (real wie virtuell)
Vermissen des körpersprachlichen Erlebens
Vermissen des direkten Blickkontaktes
Angst davor, durch digitale Treffen mit Bildübertragung das private Umfeld zu präsentieren
Der Wunsch nach realen Treffen und höheren Verbindlichkeiten ist demnach bei vielen Aktiven noch mal größer geworden.
Arbeitsprozesse
Bei der Technik für Online-Angebote herrschte gerade in der Suchtselbsthilfe eine große Experimentierfreude. Vielfach wurde Zoom genutzt, dies ging aber mit Datenschutzbedenken und immer wieder auch technischen Problemen einher. Außerdem hatten einige Gruppenmitglieder offenbar große Vorbehalte gegen eine Nutzung von Videokonferenz-Tools, und es gab auch immer wieder Bedienungsprobleme, was die Dynamik und die Gespräche in den Gruppen störte.
Bei real während der Pandemie stattfindenden Treffen bemühten sich die Teilnehmer*innen, so berichteten die Suchtselbsthilfe-Verbände, mit großer Gewissenhaftigkeit, die Auflagen in Bezug auf Hygiene und Abstände zu erfüllen. Was die Angabe von Kontaktdaten zur möglichen Kontaktnachverfolgung im Infektionsfall angeht, so haben die Gruppen verschiedene Wege gefunden, damit umzugehen. In der Suchtselbsthilfe ist es für viele Aktive essentiell, dass sie ein gewisses Maß an Anonymität wahren können. Um dem angemessen zu begegnen, haben die Gruppenleitungen z. B. Kontaktangaben in verschlossenen Urnen eingesammelt und zugesagt, diese nur im Infektionsfall zu öffnen. Oder es wurde den Anwesenden erlaubt, Alias-Namen auf den Kontaktzetteln anzugeben, solange entweder E-Mail-Adresse oder Telefonnummer korrekt war. Trotz all dieser Lösungen ist nicht auszuschließen, dass Aktive abgeschreckt waren und den Sitzungen fernblieben auf Grund der Notwendigkeit, Kontaktangaben zu machen.
Sieht man sich die Ergebnisse der Kreuzbund-Befragung unter den Gruppenleitungen des Verbandes bundesweit an, so decken sich zahlreiche Angaben und Erfahrungen mit den in den HLS-Fragebögen gemachten Aussagen.
Wünsche für die Zukunft
Auch wenn die Aktivitäten in der Suchtselbsthilfe mit Unstetigkeiten und auch Problemen einhergingen, so formulierten einige Verbände in ihren Rückmeldungen an die HLS trotzdem den ausdrücklichen Wunsch, digitale Angebote auch in Zukunft beibehalten zu wollen. Ergänzend zur „klassischen“ Suchtselbsthilfe mit realen regelmäßigen Treffen könnten virtuelle Gruppen eine Bereicherung sein, um vor allem jüngere, technikaffine sowie in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen gut zu erreichen. Gegenüber der klassischen Selbsthilfe haben virtuelle Gruppen den Vorteil, dass man ortsunabhängig teilnehmen kann und Fahrwege wegfallen.
Eine verbesserte technische Ausstattung, mehr Sicherheit in Datenschutzfragen, Support durch Fortbildungsangebote, den Abbau von Ängsten gegenüber digitalen Settings sowie bessere Aufklärung über die Chancen digitaler Angebote wünscht sich die Suchtselbsthilfe.
Qualifizierter Entzug
Arbeitsprozesse
Zum Qualifizierten Entzug ging bei der HLS nur ein Fragebogen ein, dieser kam aus einer größeren Hamburger Klinik. Auf Grund von Kapazitätsverlagerungen im Krankenhausbetrieb sowie verschärfter Hygienevorschriften und anderer veränderter Rahmenbedingungen wurde in jenem Krankenhaus die normalerweise durchgeführte Qualifizierte Entzugsbehandlung seit März 2020 ausgesetzt und nur noch der (körperliche) Entzug angeboten.
Wie zu erwarten, war der Anteil von Mitarbeiter*innen, die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens nutzen konnten, extrem gering. Im Krankenhausbetrieb wurden und werden bei der körperlichen Entgiftung und der Betreuung von Klient*innen auf der Station die Mitarbeiter*innen vor Ort benötigt.
Klient*innen
Die Klinik beschrieb, dass sie in der Nachfrage und der Klient*innen-Struktur Veränderungen wahrgenommen hat. Es haben sich vermehrt Menschen an sie gewandt, die darum baten, aufgenommen zu werden, weil sie sich nach geregeltem Tagesablauf, Struktur und persönlichen Kontakten sehnten und dieses Bedürfnis in der ambulanten Betreuung und Beratung während der Pandemie aufgrund der Auflagen und Einschränkungen nicht mehr ausreichend abgedeckt werden konnte.
Auch wandten sich mehr Angehörige mit der Bitte um Hilfe direkt an die Klinik. Dagegen wurden Menschen mit Mehrfachabhängigkeiten oder auch sehr stark sozial isolierte Personen weniger erreicht.
Stützende und beratende Gespräche wurden von den Klient*innen gesucht und gewannen – im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten – an Bedeutung. Gleichzeitig aber wurde es viel schwerer, Menschen in andere Angebote wie z. B. Selbsthilfegruppen zu vermitteln, da diese wie vorne beschrieben nur unregelmäßig tagen konnten. Entgiftung und akutpsychiatrische Behandlungen standen bei der Arbeit in der Klinik im Vordergrund. Über längere Zeiträume bestanden Besuchs- oder Heimreiseverbote.
Wünsche für die Zukunft
Fragt man die Mitarbeiter*innen, was sie von diesen Entwicklungen mit in die Zukunft nehmen möchten, so ist das klare Signal, man wünsche sich gar nichts davon. Die meisten würden gern zum Zustand vor der Pandemie zurückkehren und die Wiederherstellung der fachlichen Standards und die Weiterentwicklung des suchttherapeutischen Angebotes in den Fokus nehmen.
Gleichzeitig besteht der Wunsch, die technische und digitale Ausstattung in der Klinik langfristig zu verbessern, um z. B. Klient*innen die Teilnahme an Selbsthilfegruppen oder Mitarbeiter*innen die Vernetzung mit außerklinischen Beratungs- und Behandlungsangeboten zu erleichtern.
Bereichsübergreifende wichtige Aspekte
Einige Eindrücke und Rückmeldungen zu Arbeitsweisen während der Corona-Pandemie gelten für alle Einrichtungsformen. So beschrieben es mehrere Einrichtungen als sehr positiv, dass das Bewusstsein für Hygienevorschriften insgesamt gewachsen sei und die Einhaltung allgemeingültiger Regeln wie regelmäßiges Händewaschen deutlich besser klappe. Es wird mehrfach der Wunsch geäußert, dass dies auch nach der Pandemie anhält. Einige Akteur*innen vermerkten in diesem Zusammenhang, dass der Krankenstand in der Mitarbeiterschaft während der Pandemie zurückgegangen sei. Dies wird darauf zurückgeführt, dass sich die Mitarbeiter*innen durch das erhöhte Hygienebewusstsein, das ständige Tragen von Masken und das konsequente Abstandhalten in Alltagssituationen auch mit anderen Krankheitserregern als dem Covid-19-Virus weniger ansteckten.
Akteur*innen der Suchtkrankenhilfe, die auch im Bereich Prävention tätig sind, berichteten, dass Zielgruppen, die klassischerweise über Institutionen oder Kooperationspartner*innen aus dem sozialen Bereich erreicht werden, während der Pandemie deutlich schwieriger zugänglich waren. Dies ist darauf zurückzuführen, dass auch diese Einrichtungen vielfach unter veränderten Bedingungen und im stetigen Wandel arbeiten mussten. Besonders schwer erreichbar für Präventionsangebote waren Schülerinnen und Schüler wegen des unregelmäßigen Schulbetriebes, wie eine Mitgliedseinrichtung der HLS rückmeldete. Zwei Träger gaben allerdings explizit an, dass sich während der Pandemie auch neue Kooperationen mit bisher unbekannten Projektpartner*innen ergeben hätten. Dies wird als sehr positiv erachtet.
Vielen Rückmeldungen ist zu entnehmen, dass dauerhaft ein recht hoher Druck empfunden wurde, sich stets flexibel und schnell auf neue Situationen und Vorschriften einzustellen und kreative neue Angebote und Formate zu entwickeln. Dabei kam und kommt es auch oft zu Fehlplanungen und einem insgesamt erhöhten Verwaltungsaufwand, der in das Zeitbudget der Mitarbeiter*innen eingeplant werden müsse. Eine Einrichtung merkte dazu explizit an: „Für Fortbildungen blieb das ganze Jahr über so gut wie gar keine Zeit, obwohl diese eigentlich dringend notwendig gewesen wären.“
In Bezug auf Verwaltungsvorgänge wünschen sich mehrere HLS-Mitglieder Erleichterungen. Original-Unterschriften auf Formularen, wie sie von einigen öffentlichen Stellen und Kostenträgern verlangt werden, sind in der Zeit des mobilen und digitalen Arbeitens häufig ein Problem. Außerdem berichteten mehrere Einrichtungen übereinstimmend, dass es auf Grund der Gesamtlage in der Pandemie noch einmal deutlich schwieriger war, Klient*innen bei der sozialen und beruflichen Re-Integration zu unterstützen.
Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass alle Akteur*innen in der Arbeit mit suchtkranken Menschen sich durchgängig danach sehnen, dass wieder mehr Normalität einkehrt und auch wieder mehr reale Begegnungen stattfinden können. Online-Angebote können allenfalls eine Ergänzung zu den bestehenden Präsenz-Angeboten sein. Trotzdem muss festgehalten werden, dass durch Telefon- und Videoangebote gerade in der Beratung und teilweise in der Suchtselbsthilfe auch neue Zielgruppen erreicht wurden, so dass diese Angebote zumindest ergänzend beibehalten werden sollen. Speziell für Teamsitzungen können sich viele Mitarbeiter*innen digitale Lösungen auch in der Zukunft gut vorstellen.
Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung der Suchthilfe massiv vorangetrieben – einige dieser Erfahrungen müssen nun validiert und bestenfalls in die Beratungs- und Behandlungskonzepte zur Verbesserung der Versorgung der Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen und ihrer Angehörigen integriert werden. Die Pandemie hat noch einmal gezeigt: Entscheidend für erfolgreiches Arbeiten mit den Klient*innen sowie mit den Kolleg*innen ist der persönliche, unmittelbare Austausch. Dies ist eine der wesentlichsten Ableitungen. Denn die immensen gesamtgesellschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie werden wir in Zukunft auch und vor allem in der Suchthilfe zu bewältigen haben. Dazu brauchen wir ein verlässliches Netzwerk und verlässliche Kooperationspartner*innen.
Kontakt und Angaben zur Autorin:
Linda Heitmann
Geschäftsführerin
Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V.
Burchardstraße 19
20095 Hamburg
Tel. 040/30 38 65 55
linda.heitmann(at)landesstelle-hamburg.de
Gegründet am 1. April 1921 feiert das Jugendamt Stuttgart 2021 sein hundertjähriges Bestehen. Aus diesem Anlass präsentiert es anhand historischer Bilder, Akten und Dokumente eine umfangreiche Online-Ausstellung zu seiner Geschichte. Die Exponate und Erklärungen stehen exemplarisch auch für ein Jahrhundert Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland.
Die Ausstellung zeigt wesentliche Aufgabenfelder der Kinder- und Jugendhilfe von ihren Anfängen 1921 bis heute. Videostatements von aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter*innen begleiten den historischen Abriss. Das Stuttgarter Jugendamt erhebt keinen Anspruch auf eine lückenlose chronologische Darstellung. Es stellt seine Vergangenheit in Schlaglichtern und anhand von ausgewählten Dokumenten vor, ordnet diese mithilfe von kurzen Begleittexten ein und überlässt die Interpretation den Besucherinnen und Besuchern.
Eingeteilt ist die Ausstellung in die drei Bereiche Themen (Fachinformationen zur Arbeit und Geschichte des Jungendamtes), Gesichter (persönliche Videostatements) und Einrichtungen (exemplarische Auswahl aus den Angeboten des Jugendamtes).
Im Unterpunkt Kooperationen (unter Themen) wird neben vielen anderen Institutionen das Gesundheitswesen genannt. Schön wäre, wenn an dieser Stelle die Suchthilfe einen expliziten Platz finden würde. Insbesondere Kinder aus Suchtfamilien sind auf beide Hilfesysteme angewiesen. Die Ausstellung lädt jedenfalls sehr dazu ein, die Arbeit des Jugendamtes kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen.
Liebe Leserinnen und Leser,
vielleicht geht es Ihnen ja wie mir – vielleicht können Sie das Thema „Corona“ inzwischen nicht mehr hören. Gerade jetzt, wo sich die Situation zu entspannen scheint und wir uns über Lockerungen freuen. Doch Corona bestimmt seit über einem Jahr unser aller Leben und Arbeiten – immer noch – und es wird Spuren hinterlassen.
Herausgeber und Fachbeirat von KONTUREN online haben vor diesem Hintergrund beschlossen, die für unser Arbeitsfeld wichtigsten Veränderungen der letzten Monate zusammenzufassen und in einer Artikelserie zu veröffentlichen. Dabei möchten wir den Blick in die Zukunft richten, über das Ende dieser Pandemie hinaus. Uns interessiert, welche Veränderungen nach dem Ende der Pandemie dauerhaft Bestand haben könnten oder sollten, Stichwort Verschreibung von Substitutionspräparaten oder Therapie per Video.
Unter der Überschrift „Zukunftstrends – Was bleibt von Corona?“ erwartet Sie eine lose Abfolge von Beiträgen. Bei vielen der behandelten Themen ist Corona der Katalysator zur Beschleunigung von Entwicklungen, die sich vermutlich in ähnlicher Art und Weise sowieso ergeben hätten.
Die Artikelserie startet nächste Woche, am 22. Juni, mit einem Bericht der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. über Veränderungen in der Hamburger Suchthilfe in Zeiten der Pandemie. Dazu hat die Landesstelle im März 2021 – also ganz aktuell und auf Basis einiger gesammelter Erfahrungen – ihre Mitglieder befragt. Die Ergebnisse dieser Umfrage werden hier dargestellt.
Die später folgenden Artikel befassen sich mit Digitalisierung und Medien(sucht), mit digitalen Strategien in der Fort- und Weiterbildung inklusive Bezügen zum vielzitierten Fachkräftemangel, mit Sucht und Arbeit in Zeiten von Homeoffice sowie mit den Auswirkungen von Corona auf die Substitution.
Ich hoffe, Sie sind ähnlich gespannt auf diese Statements wie wir!
Schüler*innen litten im zweiten Schul-Lockdown vor allem unter dem eingeschränkten persönlichen Kontakt zu Freunden. Das zeigt der aktuelle Ergebnisbericht einer Befragung im Rahmen des Projektes SOCIALBOND unter Leitung von Clemens Kroneberg, Professor für Soziologie und Mitglied im Exzellenzcluster ECONtribute: Markets & Public Policy an der Universität zu Köln.
Das Forschungsteam befragte knapp 600 Neuntklässler*innen aus 29 Schulen in NRW, darunter Gesamt-, Haupt-, Real-, und Sekundarschulen sowie Gymnasien, mit einem 20-minütigen Fragebogen zu ihrem Schulalltag und Freizeitverhalten. Zusätzlich erhielt etwa die Hälfte der Schüler*innen während des Homeschoolings über vier Wochen hinweg acht Mini-Fragebögen zur tagesaktuellen Stimmungslage und Aktivitäten auf ihr Smartphone geschickt.
Das Ergebnis: Die Mehrheit der Schüler*innen (70 Prozent) belastete es am stärksten, weniger Kontakt zu für sie wichtigen Personen zu haben. Die Einschränkungen in ihrer Freizeit nahmen sie als deutlich schlimmer wahr als das selbstständige Lernen im Homeschooling oder den Familienalltag während der Schulschließungen. An Tagen, an denen sie das Haus verlassen haben oder persönlichen Kontakt zu Freunden hatten, gaben die Jugendlichen eher an, glücklich und begeistert gewesen zu sein, und waren weniger traurig, niedergeschlagen, einsam und gelangweilt. Reiner Onlinekontakt – die mit Abstand häufigste Form des Austauschs während des zweiten Schul-Lockdowns – besserte die Stimmung hingegen nicht. „Eltern können unseren Ergebnissen zufolge im Zuge des täglichen Präsenzunterrichts, der nun für viele Schüler*innen wieder gestartet ist, also auf besser gelaunte Kinder hoffen“, sagt Kroneberg.
Durchschnittlich gaben die Jugendlichen an, während des Homeschoolings weder besonders unglücklich oder unausgeglichen noch sehr glücklich oder ausgeglichen gewesen zu sein. Die befragten Mädchen empfanden die Einschränkungen im Schnitt als belastender als die Jungen und gaben eher an traurig, niedergeschlagen, einsam oder besorgt zu sein. Die Forschenden merken an, dass sich aus ihren Ergebnissen keine direkten Schlüsse auf die Gesamtheit aller Neuntklässler*innen in NRW ziehen lassen.
Die Befragung fand im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat geförderten Projektes SOCIALBOND statt. SOCIALBOND soll dazu beitragen, die soziale Integration von Jugendlichen besser zu verstehen. Seit 2018 befragt SOCIALBOND jährlich Schüler*innen an weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Dresden initiierten im März 2020 nach Ausbruch der Pandemie mit großem Engagement und ohne externe Fördermittel eine Forschungskollaboration mit mehr als 20 teilnehmenden europäischen Forschungsinstitutionen. Ziel der großangelegten Studie „European Survey on Alcohol Use and COVID-19“ war die Untersuchung des Alkoholkonsums während der Pandemie in 21 Ländern. Nun liegen die Studienergebnisse vor, die zeigen, dass der durchschnittliche Alkoholkonsum in allen Ländern mit Ausnahme von Irland und Großbritannien zurückging. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Addiction“ veröffentlicht.
Die COVID-19-Pandemie hat unseren Alltag stark verändert, was sich auch im Konsum von Alkohol widerspiegelt. Das Alkohol-Konsumverhalten während dieser Zeit genauer und länderübergreifend zu untersuchen, war das erklärte Ziel von Prof. Jürgen Rehm, Dr. Jakob Manthey und M. Sc. Carolin Kilian vom Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Technischen Universität Dresden. Unmittelbar nachdem die Weltgesundheitsorganisation die Ausbreitung des Coronavirus im März 2020 zur globalen Pandemie erklärte, gründete sich das Projekt unter der Leitung von M. Sc. Carolin Kilian und in Zusammenarbeit mit dem Hospital Clinic Barcelona, Spanien. Zur Realisierung des Forschungsvorhabens etablierte sich rasch ein europäisches Forschungsnetzwerk, welches eine Bevölkerungsbefragung von Erwachsenen in mehr als 20 europäischen Ländern ermöglichte.
Die Forschungskollaboration sammelte von Ende April bis Ende Juli 2020 Daten von fast 32.000 Alkoholkonsumierenden in Europa. Die Teilnehmenden wurden gefragt, ob sich (1) ihre Häufigkeit von Trinkanlässen, (2) die Menge des pro Anlass konsumierten Alkohols und (3) die Häufigkeit des Rauschtrinkens im letzten Monat verändert hatten. Sie berichteten auch über ihren Alkoholkonsum vor der Pandemie, über ihr monatliches Haushaltsnettoeinkommen vor der Pandemie und darüber, ob sie finanzielle Schwierigkeiten oder andere pandemiebedingte Notlagen erlebt hatten.
Als Ergebnis wurde in fast allen Ländern im Durchschnitt ein Rückgang des Alkoholkonsums festgestellt. Die einzigen Ausnahmen waren Irland, wo sich Rückgang und Anstieg die Waage hielten, und das Vereinigte Königreich, wo ein Anstieg des mittleren Gesamtalkoholkonsums gemeldet wurde. Der größte Teil des Rückgangs wurde durch die Abnahme der Anzahl von Rauschtrinkepisoden verursacht. Projektleiterin Carolin Kilian fügt hinzu: „Dass in den ersten Monaten der Pandemie viele Trinkgelegenheiten weggefallen sind, hat wohl mit dazu beigetragen, dass viele Menschen in dieser Zeit weniger Alkohol getrunken haben.“
Die Rolle von Pandemie-bedingtem Stress
Einer von fünf Befragten berichtete über ein erhebliches oder hohes Maß an finanzieller Notlage im Zusammenhang mit der Pandemie, und mehr als die Hälfte berichteten über Sorgen und Nöte aufgrund von Veränderungen in ihrem täglichen Leben. Diejenigen, die von einer Notlage berichteten, hatten eine geringere Wahrscheinlichkeit, ihren Alkoholkonsum zu verringern, als diejenigen, die von keiner Notlage berichteten.
Die Rolle des Einkommens
Befragte mit hohem Einkommen meldeten die stärkste Verringerung des Alkoholkonsums; bei diesen Befragten schienen die Veränderungen des Alkoholkonsums jedoch von ihren Erfahrungen mit finanzieller Notlage abzuhängen: Befragte mit hohem Einkommen und ohne finanzielle Notlage waren die Gruppe, die am ehesten eine Verringerung ihres Alkoholkonsums meldete, während Befragte mit hohem Einkommen, die eine finanzielle Notlage erlebten, tendenziell eine weniger starke Abnahme des Konsums meldeten. Im Gegensatz dazu schienen die Veränderungen des Alkoholkonsums bei Befragten mit niedrigem Einkommen unabhängig von finanzieller Notlage zu sein.
Ergebnisse pro Land
Die Anzahl der Teilnehmenden pro Land schwankte zwischen 349 in Albanien und 15.686 in Norwegen. Wie bereits angedeutet, war der zusammenfassende Wert, der die durchschnittliche Veränderung des Alkoholkonsums ausdrückte, in allen Ländern außer zwei (Irland und Großbritannien) negativ, was auf einen gesunkenen Gesamtkonsum in allen anderen Ländern in diesem Stadium der Pandemie hindeutet. Die größten durchschnittlichen Rückgänge wurden in Albanien, Finnland, Griechenland, Italien, der Slowakei und Spanien festgestellt.
Originalpublikation:
Kilian C, Rehm J, Allebeck P, Braddick F, Gual A, Barták M, Bloomfield K, Gil A, Neufeld M, O’Donnell A, Petruzelka B, Rogalewicz V, Schulte B, Manthey J, and the European Study Group on Alcohol Use and COVID-19 (2021) Alcohol consumption during the COVID-19 pandemic in Europe: a large-scale cross-sectional study in 21 countries. Addiction 116: doi:10.1111/add.15530
Pressestelle der Technischen Universität Dresden, 11.6.2021
Hogrefe Verlag, Göttingen, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2020, 207 Seiten inkl. CD-ROM, € 54,95, ISBN 978-3-8017-2905-9, auch als E-Book erhältlich
Das Manual bietet ein strukturiertes Trainingsprogramm zur Rückfallprophylaxe bei Drogenabhängigkeit (RPT). Es greift zentrale Aspekte des Rückfallgeschehens auf und kann sowohl in Gruppen als auch im Einzelsetting eingesetzt werden. In die vorliegende überarbeitete und erweiterte Neuauflage sind Erfahrungen aus der Praxis sowie neue Forschungsergebnisse eingeflossen.
Das Trainingsprogramm gliedert sich nun in zehn Basismodule und zwölf indikative Module. In den Basismodulen werden grundlegende Informationen zum Krankheitsbild und zum Rückfallgeschehen vermittelt und es wird ein persönliches Risikoprofil erarbeitet. Es werden Strategien zum Rückfallmanagement sowie zur Ressourcenorientierung vorgestellt, um die Betroffenen auf drohende bzw. eintretende Rückfälle angemessen vorzubereiten. Daneben zielt das Training auf eine realistische Selbstwirksamkeitserwartung, eine Steigerung der Fähigkeit zu Antizipation, eine Reduzierung des Abstinenzverletzungseffektes sowie auf die Einübung von Bewältigungsstrategien.
Die indikativen Module können zusätzlich zu den Basismodulen nach Bedarf eingesetzt werden. Sie ermöglichen beispielsweise eine Vertiefung von ausgewählten Themen aus den Basismodulen oder eine Auseinandersetzung mit spezifischen rückfallbezogenen Faktoren wie Alkoholkonsum und Kriminalität. Neu in das Training aufgenommene Inhalte umfassen den Zusammenhang von Sucht und komorbiden Störungen sowie die Themen Identität und Zukunftsentwürfe.
Neben einer praxisorientierten Anleitung enthält das Manual auf der beiliegenden CD-ROM zahlreiche Arbeitsmaterialien zur Durchführung des Trainings.
Am 9.6.2021 veröffentlichte die EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) ihren „Europäischen Drogenbericht 2021: Trends und Entwicklungen“, den aktuellsten jährlichen Überblick über die Drogensituation in Europa. Die Publikation ist in 24 Sprachen abrufbar unter www.emcdda.europa.eu/edr2021.
Auf der Grundlage von Daten aus 29 Ländern (EU-27, Türkei und Norwegen) aus dem Jahr 2019 und, soweit verfügbar, aus dem Jahr 2020 bietet der Bericht neue Einblicke in die Auswirkungen eines komplexen Drogenproblems und eines Drogenmarktes, der gegen Störungen durch COVID-19 resistent ist. Der Bericht warnt vor den Risiken für die öffentliche Gesundheit, die durch die Verfügbarkeit und Verwendung einer breiteren Palette von Stoffen, welche oftmals von hoher Wirksamkeit oder Reinheit sind, entstehen.
Außerdem wird beschrieben, wie organisierte kriminelle Gruppen die illegale Drogenproduktion in Europa verstärkt haben, wie sie agieren, um Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels zu umgehen, und welche Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsrisiken dadurch entstehen. Gestützt auf die letzte Trendspotter-Studie der EMCDDA werden in dem Bericht die aktuellen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Drogenmärkte, Drogenkonsum und Drogenhilfe untersucht.
COVID-19: Auswirkungen auf das Drogenangebot und den Drogenkonsum
Ein robuster und digital besser funktionierender Drogenmarkt
Der aktuelle Bericht präsentiert die Ergebnisse der jüngsten Trendspotter-Studie der EMCDDA und veranschaulicht, wie sich der Drogenmarkt weiterhin an die COVID-19-Krise adaptiert, indem sich Drogenhändler an Reisebeschränkungen und Grenzschließungen anpassen. Auf der Großhandelsebene schlägt sich dies in einigen Änderungen bei den Schmuggelrouten und -methoden nieder, wobei der Schmuggel über intermodale Container und kommerzielle Lieferketten stärker in den Vordergrund rückt und weniger auf den Einsatz menschlicher Kuriere gesetzt wird. Der Cannabisanbau und die Herstellung synthetischer Drogen in der EU scheinen auf dem Niveau von vor der Pandemie stabil zu sein, wobei bei der Aushebung von Produktionsstätten kein Rückgang zu verzeichnen ist. Obwohl die Straßenmärkte für den Drogeneinzelhandel während der frühen Lockdowns gestört wurden und einige lokale Engpässe gemeldet wurden, haben sich Drogenverkäufer und -käufer angepasst, indem sie verstärkt auf verschlüsselte Nachrichtendienste, Social-Media-Apps, Online-Quellen sowie Post- und Lieferdienste zurückgreifen. Dies wirft die Frage auf, ob die weitere Digitalisierung der Drogenmärkte eine langfristige Auswirkung der Pandemie sein könnte.
Vom „Night Life“ zum „Home Life
Es gibt Hinweise darauf, dass in den frühen Lockdown-Phasen das Interesse der Verbraucher an Substanzen, die üblicherweise mit Freizeitveranstaltungen in Verbindung gebracht werden (z. B. MDMA), geringer war, da die Menschen zu Hause blieben. Die Analyse von Abwasserproben (die für einige europäische Städte verfügbar ist) legt jedoch nahe, dass sich der Konsum der meisten Drogen wieder erholt hat, nachdem die Beschränkungen für Reisen und gesellschaftliche Zusammenkünfte im Sommer 2020 gelockert wurden. Zu den besorgniserregenden Entwicklungen im Zusammenhang mit der Pandemie zählen Anzeichen für eine mögliche Zunahme der Verfügbarkeit und des Konsums von Crack in einigen Ländern.
Benzodiazepine im Fokus
Besondere Bedenken werden im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Benzodiazepinen geäußert, die entweder nicht für therapeutische Zwecke eingesetzt werden oder für medizinische Zwecke in Europa nicht zugelassen sind. Ein Anstieg des Konsums dieser Drogen ist bei Hochrisiko-Drogenkonsumierenden, Strafgefangenen und einigen Gruppen von Freizeitdrogen-Konsumierenden zu beobachten, was möglicherweise auf die hohe Verfügbarkeit und die niedrigen Kosten dieser Substanzen sowie auf pandemiebedingte psychische Gesundheitsprobleme zurückzuführen ist. Neben dem Drogenbericht veröffentlichte die EMCDDA zeitgleich eine Studie über die Risiken eines unkontrollierten Auftretens neuer Benzodiazepine auf dem Markt für neue psychoaktive Substanzen, die mit Vergiftungen und Todesfällen in Verbindung gebracht wurden.
Der Cannabiskonsum bleibt auf hohem Niveau stabil. Es wurde jedoch ein Anstieg des THC-Gehalts von Cannabisharz (durchschnittliche Spanne: 20%–28%) beobachtet. Warnungen vor Gesundheitsschädlichkeit betreffen Cannabis, das mit hochpotenten synthetischen Cannabinoiden gestreckt wurde. 2019 wurde eine Rekordmenge von 213 Tonnen Kokain beschlagnahmt (gegenüber 177 Tonnen im Jahr 2018). Die Reinheit des Kokains hat sich erhöht, und mehr Menschen begeben sich zum ersten Mal in Behandlung. Vorläufige Daten zu Sicherstellungen im Jahr 2020 legen nahe, dass die Verfügbarkeit während der Pandemie nicht zurückgegangen ist.
Die stabile Amphetamin-Nachfrage macht die inländische Produktion in Verbrauchernähe profitabel. 2019 wurden in der EU Produktionsanlagen ausgehoben und auch chemische Stoffe zur Herstellung von Amphetamin sichergestellt, darunter 14.500 Liter BMK und 31 Tonnen MAPA (gegenüber sieben Tonnen im Jahr 2018). Die Herstellung und der Handel mit Methamphetamin weisen auf das Potenzial für einen vermehrten Konsum in Europa hin. Sowohl große als auch kleinere Produktionsstätten wurden in Europa entdeckt. Große Mengen der Droge wurden über die EU auf andere Märkte umverteilt. Neben dem Anstieg des durchschnittlichen MDMA-Gehalts in Tabletten und des Reinheitsgrads von Pulvern wurden auch Produkte mit sehr hohem MDMA-Gehalt gefunden. Vorläufige Daten aus dem Jahr 2020 deuten darauf hin, dass das Interesse an dieser Droge in Zeiten des Lockdowns zurückgegangen ist.
Schädliche potente neue psychoaktive Substanzen treten nach wie vor auf, darunter sind auch neue synthetische Cannabinoide und neue synthetische Opioide. Im Jahr 2020 wurden in Europa insgesamt 46 neue psychoaktive Substanzen (NPS) erstmals gemeldet, womit sich die von der EMCDDA überwachte Gesamtzahl auf 830 erhöhte. Für Halluzinogene, Ketamin und GHB wurden für manche Settings intensive Konsummuster gemeldet. Nach wie vor werden große Mengen Heroin in der EU sichergestellt (7,9 Tonnen im Jahr 2019). Dies gibt Anlass zur Sorge hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf die Konsumraten.
Organisierte kriminelle Gruppen intensivieren die illegale Drogenproduktion in Europa. 2019 wurden insgesamt 370 illegale Labore ausgehoben. Drogendelikte nehmen zu, wobei der Besitz und das Angebot von Cannabis überwiegen. 2019 wurden in der EU schätzungsweise 1,5 Millionen Drogendelikte gemeldet; 82 % davon standen im Zusammenhang mit dem Konsum oder Besitz für den Eigengebrauch. Konsumierende, die zum ersten Mal Heroin konsumiert haben, injizieren nach wie vor weniger.
Obwohl der injizierende Drogenkonsum in den letzten zehn Jahren in Europa zurückgegangen ist, ist er nach wie vor eine der Hauptursachen für drogenbedingte Schädigungen. Ein verbesserter Zugang zu integrierten Test- und Behandlungsmaßnahmen ist ein wichtiger Faktor für das Erreichen der Entwicklungsziele der UN für HIV und HCV. Durch Opioide und andere Drogen bedingte Todesfälle durch Überdosierung machen deutlich, dass Maßnahmen gegen Drogentodesfälle entwickelt bzw. umgesetzt werden müssen.
Interessierte, die tiefer in die europäischen Daten einsteigen möchten, können sich im neu erschienenen Statistischen Bulletin informieren.
Die Situation speziell für Deutschland wird ausführlich in den Workbooks des aktuellen deutschen Berichts zur Drogensituation (REITOX-Bericht der DBDD) dargestellt (KONTUREN online berichtete am 28.12.2020).
Pressemitteilung der EU-Drogenbeobachtungsstelle in Lissabon (EMCDDA), 9.6.2021
Ernst Reinhardt Verlag, München 2021, 190 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-497-03017-0, auch als E-Book erhältlich
Traumatisierte Menschen spalten ihre schlimmen Erfahrungen häufig ab, um nicht überwältigt zu werden. Hier können therapeutische Geschichten einen Zugang schaffen und verborgene Blockaden lösen. Mit Metaphern führen sie behutsam an die Erinnerung der traumatisierenden Ereignisse heran und vermitteln einen Moment des Innehaltens und der Fürsorge. Angelehnt an die Erickson’sche Hypnotherapie können mit inneren Bildern Symptome symbolhaft aufgelöst werden: Eiskalte Füße schmerzen beim langsamen Auftauen, bevor sie sich wieder gut anfühlen können. Das Bild des von Steinen befreiten Rucksacks lässt Erleichterung spürbar werden.
Jede Geschichte wird umrahmt von Anregungen für den therapeutischen Einsatz. Stichworte aus einem breiten Symptom- und Erlebensspektrum ermöglichen die Suche nach spezifischen Themen.
Das Kompetenzzentrum Öffentliche Informationstechnologie (ÖFIT) am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS untersucht seit 2017 im zweijährlich erscheinenden Deutschland-Index der Digitalisierung die Frage: „Wie digital ist Deutschland? Wie steht es aktuell um die Digitalisierung in Deutschland auf Ebene der Bundesländer?“ Am 6. Mai 2021 ist der Deutschland-Index der Digitalisierung zum dritten Mal erschienen.
Durch die Analyse einer Vielzahl von Indikatoren machen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von ÖFIT die Entwicklung der Digitalisierung begreifbar und zeigen dabei regionale Aspekte in den 16 Ländern auf. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf dem Stand der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) in den Kommunen. Aus diesem Grund wurde die regelmäßige Erhebung des Angebots von gut 300 ausgewählten kommunalen Webportalen um zusätzliche Aspekte erweitert. Eine regional repräsentative Bevölkerungsumfrage mit mehr als 5.500 Befragten ergänzt die Erhebung. Sie bildet neben der Angebots- nun auch die Nachfrageseite digitaler Angebote länderspezifisch ab. So zeigt sich im Index ein Gesamtbild der Nachfrage nach digitalen Verwaltungsleistungen und der kommunalen Angebote.
Dr. Markus Richter, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik: „Ich freue mich, dass immer mehr Menschen die digitale Verwaltung nutzen und die Angebote gut bewerten. Das Potenzial ist aber noch viel größer. Unser gemeinsames Ziel ist, dass die Menschen in allen 11.000 Kommunen in Deutschland einen vollwertigen Zugang zur digitalen Verwaltungswelt bekommen. Daran arbeiten wir im Bund gemeinsam mit den Ländern und Kommunen auf Hochtouren.“
Digitalisierung in Deutschland – das Zeitfenster nutzen
Darstellung und Analyse im Deutschland-Index der Digitalisierung orientieren sich eng am bewährten Vorgehen: Ein hoher Indexwert steht für eine weit fortgeschrittene Digitalisierung in den untersuchten fünf Themenfeldern: (1) Infrastruktur, (2) Nutzung digitaler Möglichkeiten im Alltag, (3) Wirtschaft und Forschung, (4) Bürgerservices und (5) digitale Kommunen. Der Index ist nicht als Benchmark gedacht, sondern soll bei der Analyse unterstützen, regionale Stärken und Schwächen zu identifizieren und Handlungsbedarfe aufzuzeigen. So eröffnet diese Betrachtungsweise neue Perspektiven auf die Digitalisierung und ihre erleb- und gestaltbaren Elemente.
Prof. Dr. Peter Parycek, Leiter des Kompetenzzentrums ÖFIT, betont: „Der Deutschland-Index der Digitalisierung erreicht 2021 einen Wert von 70,2 Punkten und fällt damit höher aus als 2019 mit 68,3 Punkten. Damit setzt sich auch jenseits kurzfristiger Corona-Effekte der langfristige Trend fort, der schon zwischen 2017 und 2019 zu beobachten war: Deutschland wird immer digitaler.“ Das Zeitfenster für die Ausweitung des digitalen Verwaltungsangebots ist günstig. In den Indexwerten zeigt sich: Eine digital affine Bevölkerung weiß digitale Services sehr zu schätzen.
Der Deutschland-Index der Digitalisierung steht auf der Webseite des Kompetenzzentrums Öffentliche IT, https://www.oeffentliche-it.de/digitalindex, zum Download zur Verfügung. Zusätzlich ist der Index über ein interaktives Onlinewerkzeug intuitiv erlebbar. Die Index-Werte lassen sich online mit den Indizes der Vorjahre vergleichen.
Das Kompetenzzentrum ÖFIT versteht sich als Ansprechpartner und Denkfabrik für Fragen der öffentlichen IT und untersucht staatliche Gestaltungs- und Regulierungsanforderungen zur Digitalisierung im öffentlichen Raum. Es wird vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gefördert.
Pressestelle des FOKUS – Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme, 6.5.2021