Autor: Simone Schwarzer

  • Suchtpotenzial von Einweg-E-Zigaretten höher als erwartet

    Unterschiedliche Disposables. Foto: Oksana Lyskova, adobestock.com

    Eine neue Studie des LMU Klinikums München in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) spricht für ein hohes Suchtpotenzial von Einweg-E-Zigaretten. Die im Vorfeld des Weltnichtrauchertags am 31. Mai veröffentlichte Studie zeigt: Moderne „Vapes“ setzen Nikotin nahezu so schnell und effizient frei wie herkömmliche Zigaretten – mit dramatischen Folgen für das Abhängigkeitsrisiko.

    Tabakkonsum bleibt weltweit die führende vermeidbare Todesursache – allein in Deutschland sterben nach Schätzungen des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) jedes Jahr rund 127.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Weltweit sind es laut WHO über acht Millionen. Parallel drängen neue Nikotinpräparate auf den Markt: Neben Tabakerhitzern und Nikotinbeuteln finden E-Zigaretten, die Nikotinflüssigkeit verdampfen, großen Absatz. Vor allem Einweg-E-Zigaretten, sog. Disposables, werden für Jugendliche und junge Erwachsene ansprechend in bunten Farben und mit attraktiven Aromen angeboten und als weniger schädliche Alternative zu herkömmlichen Zigaretten vermarktet. Wie groß ihr Suchtpotenzial tatsächlich ist, ist bislang wenig untersucht.

    Nikotinwerte erreichen schnell Zigaretten-Niveau

    Ein Forscherteam des LMU Klinikums unter Leitung von Privat-Dozent Dr. Tobias Rüther und Dr. Andrea Rabenstein hat in Zusammenarbeit mit Dr. Elke Pieper vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erste Ergebnisse zu diesen Produkten veröffentlicht: In einer randomisierten, vierarmigen Crossover-Studie mit 18 Probandinnen und Probanden im Alter von 19 bis 28 Jahren wurden zwei E-Zigaretten mit einer herkömmlichen Zigarettenmarke verglichen. Verwendet wurden die Einweg E-Zigaretten „Elfbar 600“ mit 20 mg/ml Nikotin (Erdbeere-Kiwi-Aroma sowie Tabak-Aroma), die Pod E-Zigarette „myBlu“ mit 18 mg/ml Nikotin (Tobacco-Roasted-Blend-Aroma) sowie herkömmliche Zigaretten mit 0,8 mg Nikotin (Marlboro Red).

    Alle Produkte wurden unter standardisierten Bedingungen fünf Minuten lang ad libitum konsumiert. Während des 30-minütigen Versuchsablaufs wurden fortlaufend Zugparameter, Herz-Kreislauf-Daten und subjektive Empfindungen erfasst. Parallel dazu wurden mehrere Blutproben zur Bestimmung der Nikotinkinetik abgenommen.

    Das alarmierende Ergebnis der Studie: Die getesteten Disposables der Marke Elfbar erreichten Höchstkonzentrationen Nikotin im Blutplasma von 7,1 ng/ml (Erdbeere-Kiwi-Aroma) und 6,9 ng/ml (Tabak-Aroma) – das entspricht nahezu dem Niveau herkömmlicher Zigaretten mit 8,1 ng/ml. Wiederbefüllbare Pod-Systeme (myBlu) lagen mit 3,1 ng/ml deutlich darunter.

    Besonders beunruhigend: Der Nikotinspiegel stieg bei den Einwegprodukten bereits in der ersten Minute nach Konsumbeginn am stärksten an. Die maximale Nikotinkonzentration wurde nach nur fünf Minuten (Elfbar 600 Strawberry-Kiwi) bzw. sechs (Elfbar 600 Tobacco) Minuten erreicht – schneller als bei klassischen Zigaretten (acht Minuten). Für das Suchtpotenzial eines Produkts ist vor allem der schnelle Anstieg der Nikotinkonzentration in der akuten Phase – also in den ersten Minuten nach Beginn des Konsums – entscheidend. Die Forscher vermuten daher, dass Einweg-E-Zigaretten aufgrund ihrer schnellen Nikotinanflutung die Konsumvariante mit dem stärksten Suchtpotential von allen getesteten Produkten darstellten.

    Die Probanden bewerteten die Disposables außerdem als befriedigender und äußerten eine höhere Lust zum erneuten Konsum im Vergleich zu einer herkömmlichen Zigarette. Besonders die Erdbeere-Kiwi-Variante erfreute sich großer Beliebtheit.

    Forderung nach verstärkter Regulierung

    „Dass die neuen Einweg-E-Zigaretten eine so schnelle und hohe Nikotinabgabe bieten, überrascht nicht nur, es beunruhigt uns sehr“, sagt Letztautor PD Dr. Tobias Rüther, Oberarzt am LMU Klinikum. „Gerade junge Erwachsene laufen Gefahr, durch die hohe, schnelle Nikotinabgabe dieser Produkte in eine dauerhafte Abhängigkeit zu geraten.“ Die weiteren Autorinnen der Studie vom LMU Klinikum Dr. Andrea Rabenstein, Christin Falarowski und Anna Rahofer betonen: „In unserer klinischen Arbeit in der Tabakambulanz sehen wir zunehmend junge Erwachsene, die von diesen neuen Produkten stark abhängig sind und vorher nicht geraucht haben. Viele berichten dabei, sie hätten über Influencer auf Social-Media-Kanälen von diesen neuen Produkten erfahren.“

    Mit Blick auf den Weltnichtrauchertag fordern die Forschenden eine verstärkte Beobachtung von Verkaufs- und Konsumtrends sowie eine Verschärfung der Regulierungen – etwa durch Beschränkungen bei Aromen, Verpackungsgestaltung und Werbeformen inklusive Social Media. Zusätzlich empfiehlt das Forschungsteam flächendeckende Aufklärungskampagnen über die Risiken von Einweg-E-Zigaretten. „Nur mit klaren Regeln und gezielter Prävention können wir verhindern, dass eine neue Generation ungewollt in die Nikotinsucht abrutscht“, so Rüther.

    Originalpublikation:
    Falarowski, C., Pieper, E., Rabenstein, A., Mallock-Ohnesorg, N., Burgmann, N., Franzen, K., Gertzen, M., Koller, G., Nowak, D., Rahofer, A., Rieder, B., de Oliveira Pinto Kise, G. R., Schulz, T., Strohmeyer, E., Laux, P., Luch, A., & Rüther, T. (2025). Disposable e-cigarettes and their nicotine delivery, usage pattern, and subjective effects in occasionally smoking adults. Scientific reports, 15(1), 16270. https://doi.org/10.1038/s41598-025-97491-5

    Pressestelle des Klinikums der Universität München, 27.5.2025

  • Weltnichtrauchertag 2025

    Der 31. Mai ist Weltnichtrauchertag (WNTD). 2025 wollen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Gesundheitsexpert:innen aus aller Welt anlässlich des Weltnichtrauchertages gemeinsam auf die schädlichen Praktiken der Tabakindustrie aufmerksam machen.

    Den Reiz entlarven: Enthüllung der Taktiken der Hersteller von Tabak- und Nikotinprodukten

    Die diesjährige Kampagne zum WNTD zielt darauf ab, die Strategien der Tabak- und Nikotinindustrie aufzudecken, mit denen sie ihre schädlichen Produkte vor allem jungen Menschen schmackhaft machen will. Durch die Enthüllung dieser Taktiken will die WHO das Bewusstsein der Menschen schärfen, sich für strengere politische Maßnahmen einsetzen, namentlich ein Verbot von Aromen, die Tabak- und Nikotinprodukte attraktiver machen, erwirken und somit die öffentliche Gesundheit schützen.

    Auseinandersetzung mit den Taktiken der Industrie

    Trotz erheblicher Fortschritte bei der weltweiten Eindämmung des Tabakkonsums passt die Tabak- und Nikotinindustrie ihre Strategien zur Gewinnung und Bindung von Konsument:innen weiter an. Diese Bemühungen untergraben die öffentliche Gesundheit und zielen auf gefährdete Gruppen, insbesondere Jugendliche, ab.

    Zu den üblichen Taktiken gehören:

    • Aromen und Zusatzstoffe: verstärken den Geschmack und überdecken die Schärfe des Tabaks, um seine Attraktivität zu erhöhen
    • gezieltes Marketing: mit elegantem Design, attraktiven Verpackungen und digitalen Medienkampagnen, um schädliche Produkte zu verherrlichen
    • täuschendes Produktdesign: Herstellung von Produkten, die wie Süßigkeiten oder Spielzeug aussehen und Kinder und Jugendliche direkt ansprechen

    Diese Taktiken fördern nicht nur den Einstieg in den Konsum, sondern erschweren auch den Ausstieg und erhöhen das Risiko einer Abhängigkeit und langfristiger gesundheitlicher Folgen.

    Strengere Maßnahmen zum Schutz der Jugend in Europa erforderlich

    2022 offenbarten Daten aus der Europäischen Region der WHO erhebliche Lücken beim Schutz von Kindern vor elektronischen Zigaretten. So verbieten nur vier Länder alle Aromen in E-Zigaretten, während vier weitere Länder bestimmte Aromen erlauben bzw. einschränken. Nur elf Länder verbieten alle Formen von Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring für E-Zigaretten, in 36 Ländern gelten partielle Verbote, und sechs Länder haben keinerlei Vorschriften. Diese Defizite machen junge Menschen besonders anfällig für die gezielte Vermarktung von E-Zigaretten.

    Der Konsum von Nikotinprodukten wie elektronischen Zigaretten und Nikotinbeuteln nimmt unter Jugendlichen zu. Schätzungen zufolge haben im Jahr 2022 12,5 Prozent der Jugendlichen,  jedoch nur zwei Prozent der Erwachsenen in der Europäischen Region E-Zigaretten benutzt. In einigen Ländern war der Konsum von E-Zigaretten bei Kindern im Schulalter zwei- bis dreimal höher als der Konsum herkömmlicher Zigaretten, was auf einen besorgniserregenden Trend hinweist, der Handeln dringend erfordert.

    Der WNTD 2025 bietet eine Gelegenheit, die Strategien zu beleuchten, die den Tabak- und Nikotinkonsum aufrechterhalten, und das gemeinsame Engagement für eine gesündere Zukunft zu stärken.

    Meldung der WHO zum 31 Mai 2025, Quelle: Website who.int

  • Geschichte Sozialer Arbeit I

    Wochenschau Verlag, Frankfurt am Main 2025, 5. überarbeitete Auflage, 184 Seiten, 14,90 €, ISBN 978-3-7344-1689-7

    In der fünften, überarbeiteten und erweiterten Auflage ihres Lehrbuchs gibt Carola Kuhlmann einen Überblick über die Entwicklung von der Armenfürsorge über die Wohlfahrtspflege zur Sozialen Arbeit. Die Darstellung der Vorgeschichte umfasst Mittelalter und Neuzeit. Im 19. Jahrhundert entstand die „Soziale Frage“, es folgten Reformen, Institutionalisierung und Professionalisierung Sozialer Arbeit sowie das Konzept der „Volkspflege“ im Nationalsozialismus. Schließlich werden die Nachkriegszeit und die Entwicklungen in der Bundesrepublik und der DDR dargestellt. In den 1970er Jahren kam es zur Politisierung und Demokratisierung, auch in der Sozialen Arbeit. Das vermittelte Wissen ist für Studierende und Berufstätige in diesem Bereich wichtig.

  • ESPAD 2024

    Die wichtigsten Ergebnisse der 8. Erhebungswelle der Europäischen Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen (European School Survey Project on Alcohol and Other Drugs, ESPAD) wurden aktuell in einem Kurzbericht veröffentlicht, der auch auf Deutsch zur Verfügung steht. Der Bericht kann auf der Website der EUDA European Union Drugs Agency heruntergeladen werden. Die folgende Pressemitteilung auf Englisch stellt die wesentlichen Inhalte heraus:

    European School Survey Project on Alcohol and Other Drugs (ESPAD): 30 Years

    New ESPAD survey results: Teen substance use down, but new risks emerging

    While substance use among 15–16-year-old students in Europe continues its long-term decline, new behavioural and health risks are on the rise. The latest findings from the European School Survey Project on Alcohol and Other Drugs (ESPAD), released 20th of may, flag growing concerns over increasing e-cigarette use, the non-medical use of pharmaceutical drugs and a sharp uptick in online gaming and gambling among teenagers. The findings also reveal a noticeable increase in risky behaviours among girls across several areas. The study, carried out in collaboration with the European Union Drugs Agency (EUDA) and coordinated by the Italian National Research Council, is based on a 2024 survey in 37 European countries, including 25 EU Member States.

    This is the eighth data-collection wave conducted by the ESPAD project since 1995. A total of 113 882 students (aged 15–16-years) participated in this latest survey round, responding to an anonymous questionnaire. This edition marks 30 years of monitoring adolescent risky behaviours across Europe.

    The 2024 ESPAD findings relate to students’ experience of, and perceptions about, a variety of substances, including: tobacco, alcohol, illicit drugs, inhalants, pharmaceuticals and new psychoactive substances (NPS). Social media use, gaming and gambling are also covered. In the aftermath of the COVID-19 pandemic and amid ongoing conflicts in Europe and the Middle East, ESPAD has also strengthened its focus on adolescent mental well-being. This survey round included a new focus on mental well-being and prevention activities, recognising the growing importance of these factors in shaping adolescent health outcomes.

    Teenage drinking and cigarette smoking decline, but e-cigarette use on the rise

    Fewer European teenagers are drinking alcohol and smoking traditional cigarettes, but e-cigarette use is rising, according to the 2024 ESPAD survey.

    Lifetime alcohol use among 15-16-years-olds has steadily declined over 30 years — from 88 % in 1995 to 74 % in 2024 (data referring to 32 countries included in the trend analyses). Current use (last 30 days) also fell from 55 % to 43 % in the same period (32-country trend). Despite an overall decline, alcohol remains widely used. Nearly three-quarters of the students from the 37 European countries (73 %) reported to have tried alcohol at least once in their lifetime, while almost half (42 %) reported drinking in the past month. The prevalence of ‘heavy episodic drinking’ (‚binge drinking‘) – defined as five or more drinks on at least one occasion in the last 30 days – also fell from 36 % in 1995 to 30 % in 2024 (32-country trend), the lowest level recorded by ESPAD.

    Cigarette smoking is following a similar downward trend, against a backdrop of tobacco policy measures introduced over the last two decades. Lifetime cigarette use among students fell by more than half, from 68 % in 1995 to 32 % in 2024 (32-country trend). The most significant decline was between 2019 and 2024, with a 10-percentage-point drop.

    In contrast e-cigarette use is on the rise. Since ESPAD first began measuring their use in 2019, e-cigarette use has increased in most countries. Data from 32 countries that collected information on e-cigarette use for both 2019 and 2024 show that current use rose from 14 % to 22 % during this period (lifetime use increased from 41 % to 43 %). In 30 countries, girls (46 %) report more lifetime use than boys (41 %).

    Illicit drug use falls, but concerns over non-medical use of pharmaceutical drugs

    In 2024, on average, 1 in 8 school students aged 15-16 years (14 %) reported having used an illicit drug at least once in their life, with levels varying considerably across the ESPAD countries (range: 4 %–25 %). Data show a continued decline in illicit drug use in this group, with lifetime prevalence dropping from 19 % in 2015 to 14 % in 2024 (32-country trend). Cannabis is still the most commonly used illicit drug, although lifetime use has declined to 12 % (32-country trend) from a peak of 18 % in 2003 (11 % in 1995). Early initiation and high-risk cannabis use remain concerns, yet, overall, the average current use (past 30 days) has dropped to 5 %, reflecting a long-term declining trend.

    On average, around 3 % of students reported having used NPS in their lifetime (3.4 % in 2019) representing higher levels of use than for amphetamine (1.8 %), MDMA (2.1 %), cocaine (2.3 %) or LSD/hallucinogens (1.8 %) taken individually. For the first time, the survey covered nitrous oxide (‚laughing gas‘), which was used by an average 3.1 % of respondents. The majority (67 %) of countries now show higher prevalence of inhalant use among girls than boys.

    Non-medical use of pharmaceutical drugs is a growing concern, with lifetime use now standing at 14 %. Girls consistently report higher rates (16 % vs. 11 %). Tranquillisers and sedatives are the most frequently misused (8.5 %), followed by painkillers (6.9 %) and attention/hyperactivity medications (3.4 %). The perceived ease of obtaining these substances – 1 in 5 students say tranquillisers are easy to access – underscores the need for targeted prevention and monitoring of prescription drug misuse among teens.

    Rise in online and risky gambling behaviour

    While overall gambling rates have remained relatively stable since 2015, online gambling has risen sharply, with 14 % of respondents reporting this practice in 2024, nearly doubling from 8 % in 2019. The growth is especially pronounced among girls, whose online gambling tripled from 3 % in 2019 to 9 % in 2024 (32-country trend).

    Boys remain more active gamblers overall (29 % vs. 16 % for girls) and are twice as likely to gamble online (20 % vs. 8.7 %). Despite stricter gambling regulations across Europe, harmful gambling behaviour has nearly doubled (from 4.7 % in 2019 to 9 % in 2024 – 32-country trend), with the steepest rise seen among girls.

    These trends highlight the urgent need for continued monitoring and targeted prevention efforts.

    Surge in gaming, particularly among girls

    Gaming has become more popular over the last two decades, largely driven by the popularity of smartphones and tablets. The latest findings show a significant increase in gaming among students, with 80 % reporting gaming in 2024 (up from 47 % in 2015, 32-country trend). Once a predominantly male activity, this practice has become increasingly common among girls, whose engagement tripled from 22 % in 2015 to 71 % in 2024 (32-country trend). Boys consistently report higher gaming rates, but the increase was more gradual (up from 71 % in 2015 to 89 % in 2024 – 32-country trend). ESPAD found that 22 % of students believed they had a gaming problem.

    On social media use, nearly half of the students (47 %) self-reported problematic use (38 % in 2015). Girls consistently reported higher levels of self-perceived problematic social media use across countries.

    Mental health: geographical and gender differences

    Amid ongoing social and economic challenges, the 2024 ESPAD survey used the WHO-5 Well-Being Index to assess youth mental health for the first time. Overall, 59 % of students reported good well-being (a score above 50 out of 100), with boys (70 %) consistently scoring higher than girls (49 %) across all countries. Northern Europe reported the highest self-reported well-being levels, while Ukraine showed the lowest (43 %), potentially resulting from the impact of conflict on young people’s mental health and access to care.

    Almost three-quarters of students took part in prevention programmes

    This was the first ESPAD survey to include information on youth engagement in prevention programmes, with the aim of providing new insights to support more effective prevention strategies. The study reveals that 72 % of students participated in at least one prevention programme in the two years preceding the survey. Awareness-raising initiatives, focusing solely on providing information, were more common in Eastern Europe, while skills-based programmes, which develop personal and social skills, were more prevalent in Western and Southern Europe. Alcohol was the most commonly addressed topic, with illicit substances and behavioural risks receiving less attention. These results, while not focusing on the quality of programmes provided, do lay the groundwork for future research into the evidence base of prevention efforts across Europe.

    News Release, EUDA European Union Drugs Agency + ESPAD, 20.05.2025

  • Notfallpläne für die wachsende Bedrohung durch Fentanyl & Co.

    Synthetische Opioide bedrohen Leben und Gesundheit von Drogen konsumierenden Menschen und stellen Drogenhilfe und Städte vor neue Herausforderungen. Gemeinsam mit Berlin, Hannover und Essen entwickelt ab sofort das neue Projekt so-par Lösungen, wie Städte sich wappnen können. Durchgeführt wird so-par (Synthetic Opioids Prepare and Response) gemeinschaftlich von der Deutschen Aidshilfe (DAH) und dem Deutsch-Europäischen Forum für Urbane Sicherheit e.V. (DEFUS).

    Opioide drängen auf den Markt

    Fentanyl, Nitazene und ähnliche Substanzen finden immer mehr Verbreitung: Als Beimengung im Heroin und in anderen Drogen, in Form gefälschter Medikamente und als bewusst konsumierte Substanz. Die Opioide sind billig herzustellen und leichter zu schmuggeln als Heroin. Zudem wird in Afghanistan der Schlafmohnanbau unterbunden – synthetische Substanzen füllen die Lücke. Die Substanzen aus dem Labor haben eine sehr starke, kaum berechenbare Wirkung. Das Risiko für tödliche Überdosierungen ist hoch.

    Die Vereinten Nationen und EU-Institutionen warnen vor der wachsenden Gefahr. In Großbritannien und Irland gab es bereits Wellen von Überdosierungen mit Fentanyl und Nitazenen. Nun droht auch in Deutschland eine Zunahme von Notfällen. In Bayern wurden bereits vermehrt Todesfälle und schwere Intoxikationen gemeldet. In Hamburg, Bremen und Frankfurt wurden Beimengungen synthetischer Opioide im Heroin nachgewiesen. Einen ersten Nachweis der Verbreitung lieferte im letzten Jahr bereits die Deutsche Aidshilfe mit ihrer Studie RaFT (Rapid Fentanyl Testing in Drogenkonsumräumen).

    Kommunale Notfallpläne

    „Es ist höchste Zeit, dass sich alle Beteiligten auf die neuen Gefahren vorbereiten. Die fortschreitende Verbreitung synthetischer Opioide erfordert koordinierte Maßnahmen. Noch fehlt es an Strategien und Notfallplänen auf kommunaler Ebene“, erläutert Maria Kuban, Projektkoordinatorin bei der DAH.

    Wie bei Pandemien oder Naturkatastrophen sind klare Abläufe wichtig: Rettungswesen, Ordnungsbehörden, Notfall- und Suchtmedizin, Drogenhilfeeinrichtungen und Konsumierende sollen im Ernstfall schnell und koordiniert handeln können. Kernelemente des Projekts so-par sind daher:

    • Krisenkommunikationspläne für Städte und Gemeinden
    • Awareness-Kampagnen für Fachkräfte und Öffentlichkeit
    • schadensminimierende Maßnahmen wie Aufklärung von Betroffenen, Untersuchung der Zusammensetzung von Drogen, Schulungen zum Einsatz des lebensrettenden Medikaments Naloxon

    Darüber hinaus bietet so-par Informations- und Weiterbildungs-Webinare zu synthetischen Opioiden und den damit verbundenen Herausforderungen für das kommunale Handeln an.

    Von Modellstädten lernen

    „Unser Ziel ist es, gemeinsam mit den drei Modellstädten praxistaugliche Lösungen zu entwickeln, die anderen Kommunen als Blaupause dienen können. Je mehr Städte unsere Erkenntnisse übernehmen, desto höher ist die Chance, im Ernstfall Menschenleben zu retten“, erläutert Anna Mühlen, Projektkoordinatorin bei DEFUS.

    Das Vorhaben wird unterstützt von Prof. Dr. Daniel Deimel, Suchtforscher an der Technischen Hochschule Nürnberg, sowie – im Rahmen des Frühwarnsystems NEWS – vom Institut für Therapieforschung (IFT) in München.

    Gemeinsame Pressemitteilung der Deutschen Aidshilfe (DAH) und dem Deutsch-Europäischen Forum für Urbane Sicherheit e. V. (DEFUS), 22.5.2025

  • Jugendliche sind gut informiert – und seelisch belastet

    Jugendliche und junge Erwachsene brauchen in Krisenzeiten mehr Kommunikation, mehr Social-Media-Kompetenz, mehr psychologische Hilfe: Ergebnisse einer im März 2025 durchgeführten deutschlandweiten bevölkerungsrepräsentativen Umfrage unter 2.000 Jugendlichen und Erwachsenen zwischen 16 und 21 Jahren, die der Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universität Regensburg vorlegt, zeigen: Jugendliche sind in diesen Zeiten stark seelisch belastet.

    Die globalen Krisen, etwa Kriegsereignisse, Anschläge oder der Klimawandel, verursachen seelische Beeinträchtigungen. Die Forschenden erhoben auch indirekt vermittelte posttraumatische Symptome in ihrer Studie. Untersucht wurde z. B., „durch welche Faktoren Belastungen wie stark vermittelt werden, etwa Bildkonsum und Dauer der Konfrontation, aber auch Resilienzfaktoren,“ erläutert Professor Dr. Romuald Brunner, an dessen Lehrstuhl die Studie entstand. „Wir haben zudem Ideen entwickelt, wie die Belastungen gemildert werden können“, berichtet der Erstautor der Studie, Dr. Daniel Schleicher.

    Denn: Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind gut informiert, oft stark belastet und fühlen sich alleingelassen. Befragt wurden 2.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 21 Jahren zu ihren Erfahrungen, Einstellungen und Bedürfnissen in Bezug auf aktuelle politische Entwicklungen. Unterstützt wurde der Lehrstuhl vom Marktforschungsinstitut Appinio GmbH. Ziel der Erhebung war es, ein aktuelles Stimmungsbild junger Menschen in Deutschland zu den Themen politische Krisen und seelische Gesundheit zu zeichnen.

    Kriege machen Angst, Vertrauen fehlt

    Über die Hälfte der Jugendlichen und jungen Erwachsenen fühlt sich durch die Geschehnisse auf der Welt wie politische Krisen, internationale Konflikte (z. B. Ukraine, Naher Osten) und Gewalttaten im öffentlichen Raum belastet. Dabei erleben die Jugendlichen dies meist stark als persönliche, sie selbst betreffende Bedrohung.

    Beispielsweise meiden 23 Prozent der Befragten öffentliche Plätze wie Märkte, Konzerte oder kulturelle Veranstaltungen. Zudem fühlt sich nur gut die Hälfte in den Sorgen und Befürchtungen von Erwachsenen oder älteren Personen gehört. Etwa 60 Prozent haben wenig Vertrauen in die Politik, dass die Krisen bewältigt werden – über 50 Prozent haben sogar die Befürchtung, dass sich die politische Lage verschlechtern wird.

    Die meisten hören mehrmals pro Woche bis täglich von diesen politischen Entwicklungen, hauptsächlich über soziale Medien (siehe Abb. 1), Fernsehberichte oder Gespräche mit anderen. Verstörende Videos oder Bilder von Kriegen und Konflikten, die Verwundung, Folterung, Tötung, Geiselnahme oder ähnliches zeigen, werden dabei von fast der Hälfte der Jugendlichen mindestens wöchentlich gesehen – fast jeder fünfte Jugendliche sieht solche Aufnahmen sogar täglich, männliche Jugendliche bzw. junge Erwachsene häufiger als weibliche. Dabei werden diese belastenden Szenen meist nicht absichtlich gesucht, sondern überwiegend ungewollt gesehen, z. B. durch Social-Media-Feeds oder weil ihnen die Videos zugeschickt werden.

    Abb.1: Bilder von Gewalt über Social-Media-Feeds, Grafik: Lehrstuhl für KJPP,Universität Regensburg

    Gewaltdarstellungen verursachen posttraumatische Stressbelastung

    Die Gewaltdarstellungen führten bei vielen zu ersten Anzeichen einer posttraumatischen Stressbelastung, beispielsweise gekennzeichnet durch Nachhallerinnerungen an die Szenen (20 Prozent), Schlafprobleme (10 Prozent) sowie Schreckhaftigkeit (14 Prozent).

    Die Studienergebnisse weisen darauf hin, dass auch eine indirekte Konfrontation über die bildhafte Darstellung in den Medien psychische Belastungen von Krankheitswert auslösen kann. Allerdings würden unter den Befragten, welche sich aufgrund der politischen Entwicklungen stark belastet fühlen, etwa 70 Prozent nicht beabsichtigen, sich psychologische Hilfe zu suchen.

    Schlafprobleme und körperliche Beschwerden

    Im Allgemeinen gaben 48 Prozent der Jugendlichen bzw. der jungen Erwachsenen eine ausgeprägte depressive Symptombelastung an, wobei weibliche Jugendliche bzw. junge Erwachsene stärkere Ausprägungen zeigten. Zusätzlich berichteten 56 Prozent von Schlafproblemen und 48 Prozent von körperlichen Beschwerden ohne bekannte Ursache (z. B. Schmerzen, Übelkeit oder Hautausschläge).

    Aber wohin wenden sich nun junge Menschen, wenn sie sich belastet fühlen? Sie öffnen sich vorrangig privat, gegenüber dem Freundeskreis oder den Eltern. Professionelle Hilfe bei Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen sowie Ärzt:innen ist bei nur etwa 20 Prozent eine wichtige Anlaufstelle.

    Laut den Befragten sind Hindernisse für die Suche nach psychologischer Unterstützung besonders strukturelle Probleme (zu lange Wartezeiten, wenig Anlaufstellen), aber auch Fehlannahmen der Jugendlichen wie: Bedenken zur Vertraulichkeit, Therapie sei zu teuer, Angst vor Behandlungen oder Therapie sei nicht hilfreich. Die Mehrheit der Jugendlichen bevorzugt, dass eine Therapie in Person (und nicht online) stattfindet. Fast 80 Prozent der Befragten wünscht sich generell mehr Auseinandersetzung mit dem Thema seelische Gesundheit, beispielsweise in Schulen, Universitäten oder Ausbildungsstätten.

    Empfehlungen: Jugendgerechte Kommunikation, Aufklärung zu psychischer Gesundheit, Social-Media-Schutz

    Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass auf gesamtgesellschaftlicher Ebene das Vertrauen in die Politik durch transparente und jugendgerechte Kommunikation gestärkt werden muss. Hierbei sollten Erwachsene dahingehend sensibilisiert werden, wie sie Jugendliche beispielsweise durch aktives, empathisches und wertfreies Zuhören in Krisenzeiten unterstützen können.

    Des Weiteren ist mehr Aufklärung beim Thema psychische Gesundheit notwendig, um Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen und therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten abbauen zu können. Gleichzeitig wäre der Ausbau von Therapieangeboten und niedrigschwelligen Hilfeleistungen ein wichtiges Ziel für die Zukunft.

    Im Hinblick auf die sozialen Medien scheinen auf der strukturellen Seite die Stärkung von Schutzfiltern in den Social-Media-Feeds, auf der individuellen Ebene die Förderung der eigenen Medienkompetenz wichtige Ansatzpunkte zu sein. Dazu gehört mitunter die inhaltliche Begrenzung des persönlichen Nachrichtenkonsums und der Einsatz digitaler Pausen zur Unterstützung der Selbstfürsorge durch Hobbys, Bewegung und Entspannung.

    Pressestelle der Universität Regensburg, 22.5.2025

  • Gewalt in der Suchthilfe

    Gewalt in der Suchthilfe

    Dr. Elke Alsago
    Prof. Dr. Nikolaus Meyer

    1. Suchthilfe: Eine Einführung ins Arbeitsfeld aus Sicht Sozialer Arbeit

    Die Suchthilfe ist ein eigenständiges, zugleich hochdifferenziertes Handlungsfeld der Sozialen Arbeit (Kempster 2021), das eng mit weiteren sozial- und gesundheitspolitischen Systemen verknüpft ist (Hansjürgens 2016; Hansjürgens et al. 2025). Charakteristisch ist die Einbindung von Angeboten der Suchthilfe direkt wie indirekt in unterschiedliche Sozialgesetzbücher (SGB II, III, V, VI, VIII, IX, XII), was sowohl Zuständigkeiten als auch Handlungskonzepte prägt (Pauly 2024; Abstein 2012). Daraus ergibt sich ein multiprofessionelles Feld, in dem verschiedene Berufsgruppen in differenzierten Zuständigkeiten agieren (Deimel & Hornig 2024).

    Die ambulante Suchthilfe wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vorrangig durch Fachkräfte der Sozialen Arbeit professionalisiert (Helas 1997). Sie ist meist Teil kommunaler Daseinsvorsorge und folgt damit einer sozialarbeiterischen Logik. Demgegenüber ist die stationäre Suchthilfe im Gesundheitssektor verortet, dominiert von medizinischen Berufsgruppen und durch Regelungen der Renten- und Krankenversicherung (SGB V, VI) strukturiert (Deimel & Hornig 2024; Hansjürgens 2016).

    Das ambulante Hilfespektrum reicht von niederschwelligen Kontaktläden und Drogenkonsumräumen über psychosoziale Beratungsstellen – die mit rund 1.500 Einrichtungen den Hauptanteil ausmachen (Deimel & Hornig 2024, S. 20) – bis hin zu betreutem Wohnen und Nachsorgeprojekten. Die ambulanten Einrichtungen sind die erste Anlaufstelle für Betroffene und Angehörige, sie bieten Motivationsklärung, Beratung und Vermittlung in weiterführende Hilfen. Fachkräfte übernehmen hier Einzelfallhilfe, Netzwerkarbeit, Arbeit im Gemeinwesen und in der Prävention (Hansjürgens 2015; Laging 2023). Die stationäre Suchthilfe umfasst qualifizierte Entzugsbehandlungen, Rehabilitation und sozialtherapeutische Wohnangebote. Zwar werden die beiden erstgenannten Leistungen primär medizinisch verantwortet, zunehmend wirken jedoch Sozialarbeiter:innen bei Reintegration, Krisenintervention und Nachsorge mit (Hansjürgens 2015; Hansjürgens 2016).

    Die Trägerlandschaft ist vielfältig: Neben kommunalen Einrichtungen dominieren freie Träger, insbesondere Wohlfahrtsverbände (Abstein 2012). Die Finanzierung erfolgt je nach Angebot über kommunale Mittel, gesetzliche Renten- und Krankenversicherung, Eingliederungshilfe, Landesmittel oder projektbezogene Förderungen. Diese Strukturvielfalt bringt zugleich erhebliche Steuerungsprobleme mit sich, insbesondere bei Übergängen zwischen Hilfeformen.

    Trotz multiprofessioneller Ausrichtung kommt Fachkräften der Sozialen Arbeit eine zentrale Rolle zu. In ambulanten Suchthilfe-Einrichtungen machen sie mit 63,5 Prozent die größte akademische Berufsgruppe aus, während der Anteil an Psycholog:innen (8,3 Prozent) und Ärzt:innen (2,3 Prozent) deutlich geringer ist (Deimel & Hornig 2024, S. 20). Ihre Aufgaben umfassen die Bearbeitung sozialer Problemlagen, Fallsteuerung, Beziehungsgestaltung, sozialrechtliche Beratung und Netzwerkarbeit (Laging 2023). Insbesondere bei vulnerablen Gruppen (z. B. wohnungslose, migrantische oder psychisch erkrankte Personen) sind sie zentral, um Teilhabe zu ermöglichen (Hansjürgens 2016).

    Das Arbeitsfeld Suchthilfe ist nicht nur komplex, sondern auch fragmentiert (Deimel, Moesgen & Schecke 2024): Die Vielfalt an Sozialgesetzbüchern führt zu Überschneidungen, Leerstellen und Zuständigkeitskonflikten, etwa bei jugendlichen Konsument:innen oder Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus. Für Fachkräfte bedeutet das, auch zwischen Systemen zu agieren (Abstein 2012).

    2. Suchthilfe und verletzendes Verhalten

    Gewaltphänomene im Kontext Suchthilfe werden bisher primär bezogen auf das Verhalten von Klient:innen thematisiert (Laging 2023; Sommerfeld 2021). Eine systematische Differenzierung des Auftretens von Gewalt bleibt in vielen Beiträgen jedoch aus (Hornig 2023; Klein 2022; Vogt 2022; DHS 2021). Hier werden entweder einzelne Gewaltformen untersucht oder nur solche, die innerhalb einer spezifischen Gruppe oder zwischen zwei spezifischen Gruppen auftreten. Diese vorliegende Studie greift diese Forschungslücke auf und untersucht anhand einer bundesweiten Online-Befragung, wie häufig Beschäftigte in der Sozialen Arbeit – darunter auch in der Suchthilfe – mit Gewalt konfrontiert sind, wie sie diese bewerten und welche strukturellen Bedingungen verletzendes Verhalten begünstigen (Meyer & Alsago 2025a–e).

    Zur systematischen Erhebung wurden fünf Gewaltformen im Fragebogen definiert und mit Beispielen versehen (Bundschuh 2023):

    • Sexualisierte Gewalt: Dies sind schwerwiegende, nicht einvernehmliche Handlungen wie das Zeigen von Pornografie gegenüber Kindern, das Erzwingen sexueller Handlungen an sich selbst oder Dritten, exhibitionistische Handlungen, ungewollte Berührungen oder Penetration gegen den Willen der Betroffenen (ebd., S. 28).
    • Sexuelle Übergriffe: Dies sind gezielte, grenzüberschreitende Handlungen mit sexuellem Bezug, darunter anzügliche Bemerkungen, Witze über den Körper, unerwünschte Berührungen an Brust, Gesäß oder Genitalien sowie das Aufdrängen von Gesprächen über Sexualität (ebd., S. 30f.).
    • Sexuelle Grenzverletzungen: Diese umfassen unbeabsichtigte oder unangemessene Handlungen, die die Intimsphäre der Betroffenen verletzen (ebd., S. 28f.).
    • Physische Gewalt: Diese Gewaltform beinhaltet beispielhaft Schubsen, Ohrfeigen, Schlagen, hartes Anpacken oder das Werfen von Gegenständen (ebd., S. 26).
    • Psychische Gewalt: Sie umfasst Verhaltensweisen wie das absichtliche Ignorieren von Fragen, das Unterbinden sozialer Kontakte, soziale Isolation, aggressives Anbrüllen, Beschimpfungen, Drohungen oder anhaltendes Schweigen (ebd., S. 27).

    In der Online-Befragung wurden die verschiedenen Gewaltformen vorgestellt und mit Beispielen versehen. Die Befragung fand vom 18.09. bis 23.10.2024 statt und wurde von 6.383 Beschäftigten aus verschiedenen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit beantwortet. Im Fokus standen Gewalterfahrungen der letzten zwölf Monate in der eigenen Einrichtung sowie das berufliche Alltagserleben. Nach der Bereinigung des Datensatzes – etwa durch den Ausschluss unvollständiger oder doppelter Fragebögen sowie von Personen mit weniger als einem Jahr Berufstätigkeit in der Einrichtung – blieben 3.234 auswertbare Fragebögen. Diese wiederum konnten durch die Angabe des Arbeitsfeldes nach diesen geclustert werden. Die Auswertung für die Suchthilfe basiert auf Angaben von 103 Beschäftigten. Trotz der geringen Größe der Stichprobe ist die Teilnehmendenzahl für den explorativen Charakter der Untersuchung zunächst ausreichend. Die Auswertung erfolgte mittels deskriptivstatistischer Verfahren.

    Innerhalb der Suchthilfe-Gruppe verfügen 69,5 Prozent der Befragten über mehr als sechs Jahre Berufserfahrung; 65,2 Prozent arbeiten in Teilzeit, 95,7 Prozent sind unbefristet angestellt. Die Befragten sind zu 86,4 Prozent weiblich. Bezüglich der Trägerschaft arbeiten 33,3 Prozent der Befragten bei freigemeinnützigen Trägern, ebenso viele bei kirchlichen Trägern, 23,8 Prozent sind bei öffentlichen, 9,5 Prozent bei privatwirtschaftlichen Anbietern beschäftigt. Die überwiegende Mehrheit (87 Prozent) arbeitet in ambulanten, 8,7 Prozent in stationären und 4,3 Prozent in teilstationären Einrichtungen. 78,3 Prozent der Befragten sind Sozialarbeiter:innen, gefolgt von Erziehungswissenschaftler:innen (8,7 Prozent) und Heilerziehungspfleger:innen (4,3 Prozent). Die größte Altersgruppe stellen mit 39,1 Prozent die 25- bis 34-Jährigen dar, während die 45- bis 54-Jährigen mit 8,7 Prozent die kleinste Gruppe bilden. Ob diese Verteilung der tatsächlichen Altersstruktur im Arbeitsfeld entspricht, lässt sich mangels amtlicher Daten – wie auch in anderen Bereichen der Sozialen Arbeit – nicht abschließend klären (Meyer 2024).

    3. Gewalt in der Suchthilfe

    Bei den Angaben der Beschäftigten zur erlebten Gewalt in der eigenen Einrichtung während der letzten zwölf Monate zeigen auch die Beschäftigten aus der Suchthilfe, dass gewaltförmige Konstellationen im Alltag vorkommen.

    Abbildung 1: Gewalterfahrungen der Beschäftigten mit Schwerpunkt in der Sozialen Arbeit der Suchthilfe in den vergangenen zwölf Monaten (Angaben in Prozent, eigene Darstellung)

    Abbildung 1 verdeutlicht, dass insbesondere zwischen den Klient:innen alle Formen von Gewalt häufig auftreten, wobei psychische Gewalt mit 91,3 Prozent und physische Gewalt mit 56,5 Prozent besonders häufig genannt werden. Auch verletzendes Verhalten von Klient:innen gegenüber Beschäftigten wird häufig berichtet. Hier zeigt sich die gleiche Verteilung: Am häufigsten tritt psychische Gewalt auf (87 Prozent), gefolgt von physischen Übergriffen (45,5 Prozent) sowie sexuellen Grenzverletzungen (45,5 Prozent). Auch hier zeigt sich – ähnlich wie beim verletzenden Verhalten unter Klient:innen (sexuelle Grenzverletzungen 33,3 Prozent, sexuelle Übergriffe 31,6 Prozent und sexualisierte Gewalt 21,1 Prozent) –, dass sexuelle Gewaltformen keineswegs selten sind: 45,5 Prozent der befragten Beschäftigten berichten von sexuellen Grenzverletzungen durch Klient:innen, 13,6 Prozent von sexuellen Übergriffen und 4,5 Prozent von sexualisierter Gewalt.

    Auffällig sind Unterschiede zwischen den Settings: Psychische und physische Gewalt unter Klient:innen treten besonders häufig in teilstationären Einrichtungen auf. Sexualisierte Gewalt wird hingegen am häufigsten aus stationären Einrichtungen gemeldet – sowohl unter Nutzer:innen als auch in der Beziehung zwischen Nutzer:innen und Beschäftigten. Auch Gewalt durch Nutzer:innen gegen Fachkräfte sowie Gewalt durch Fachkräfte gegenüber Nutzer:innen zeigt sich stärker in stationären Kontexten. Zwischen Trägerarten (kirchlich, frei, öffentlich) ergaben sich hingegen keine signifikanten Unterschiede.

    Ein Vergleich mit der Gesamtstichprobe der Sozialen Arbeit (n = 6.380) macht deutlich, dass die Suchthilfe besonders stark belastet ist. Während im Gesamtdatensatz 80,5 Prozent der Befragten psychische Gewalt durch Nutzer:innen gegenüber Beschäftigten angaben, waren es in der Suchthilfe 87 Prozent. Im Verhältnis zur gesamten Sozialen Arbeit geringer waren dagegen die Angaben zu physischer Gewalt unter Klient:innen (66,1 Prozent vs. 56,5 Prozent).

    4. Gewalt, Belastungen und institutionelle Kontexte – Zusammenhänge und Wechselwirkungen

    Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung machen deutlich, dass gewaltförmige Dynamiken auch in der Suchthilfe eine reale und verbreitete Herausforderung darstellen. Eine vertiefende Auswertung der erhobenen Daten zeigt signifikante statistische Zusammenhänge auf mittlerem Korrelationsniveau zwischen gewaltbezogenen Erfahrungen und verschiedenen Aspekten der Arbeitsbedingungen. Besonders deutlich wird der Zusammenhang zwischen Gewalt (psychische und physische Gewalt sowohl unter Klient:innen als auch durch diese Gruppe gegenüber Beschäftigten) und Faktoren wie Arbeitsüberlastung, unzureichende Beteiligung, fehlende fachliche Rückendeckung sowie strukturelle Defizite im Arbeitsumfeld.

    Psychische Gewalt durch Klient:innen tritt gehäuft dort auf, wo Beschäftigte regelmäßig unbezahlte Mehrarbeit leisten und Arbeitsbedingungen als belastend empfunden werden. In solchen Einrichtungen sind oftmals auch die räumlichen Rahmenbedingungen unzureichend, der Arbeitsalltag ist durch hohen Zeitdruck geprägt (95,9 Prozent) und das Erleben von Ohnmacht und fehlender Wirksamkeit in der eigenen Tätigkeit ist weitverbreitet. 95,7 Prozent der Befragten geben an, sich regelmäßig an der Grenze ihrer Belastbarkeit zu bewegen, während 87 Prozent berichten, dass sie ihre professionellen Standards nicht in vollem Umfang aufrechterhalten können – vielfach (45,5 Prozent) könnte dies durch ein bis zwei zusätzliche Fachkräfte vermieden werden.

    Gewalt und mangelnde Beteiligungsstrukturen

    Ein besonders prägnanter Zusammenhang zeigt sich zwischen dem Erleben von Gewalt und mangelnden Beteiligungsstrukturen: Dort, wo Klient:innen kaum oder gar nicht in Entscheidungsprozesse einbezogen werden (laut 94,1 Prozent der Befragten findet dies nicht statt) und wo Beschäftigte über relevante Veränderungen am Arbeitsplatz nur selten informiert werden (60,9 Prozent), sind psychische, physische und sexualisierte Übergriffe durch Klient:innen signifikant häufiger. Zugleich ist das Kommunikationsklima angespannt: Nur 45,4 Prozent der Beschäftigten geben an, offen über Probleme sprechen zu können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.

    Auch innerhalb von Teams, in denen es in den letzten zwölf Monaten verstärkt zu Konflikten mit Klient:innen oder häufigen Beschwerden gegen Mitarbeitende kam (45,5 Prozent), wird psychische Gewalt durch Klient:innen überdurchschnittlich häufig berichtet. Auffällig ist zudem, dass in nur 39,1 Prozent dieser Fälle eine systematische Aufarbeitung im Team erfolgt – ein Indikator für fehlende institutionelle Reflexionsräume.

    Die hohe Belastung spiegelt sich auch in einer auffälligen Personalfluktuation: Durchschnittlich bestand ein Team aus vier Personen, von denen zwei innerhalb eines Jahres die Einrichtung verlassen haben. Lediglich 30,4 Prozent der Teams blieben personell stabil. 30,3 Prozent der Beschäftigten beabsichtigen einen Arbeitsplatzwechsel, 4,3 Prozent zogen sogar einen vollständigen Berufsausstieg in Erwägung.

    Sexualisierte Gewaltphänomene lassen sich ebenfalls in Zusammenhang mit bestimmten institutionellen Rahmenbedingungen bringen. So treten sexuelle Grenzverletzungen durch Klient:innen besonders häufig dort auf, wo Nachtarbeit gefordert ist, wo Fachkräfte auch außerhalb ihrer Arbeitszeit erreichbar sein müssen (52,2 Prozent) und wo es an regelmäßiger Supervision oder externer Beratung mangelt. Auch eine fehlende Unterstützung durch Vorgesetzte erhöht das Risiko: In Einrichtungen, in denen respektloses Verhalten durch Führungskräfte berichtet wird oder die Anerkennung für die geleistete Arbeit ausbleibt, steigt die Wahrscheinlichkeit sexualisierter Gewalt gegen Beschäftigte signifikant.

    Darüber hinaus zeigen die Daten, dass auch Gewalt durch Fachkräfte gegenüber Klient:innen kein randständiges Phänomen darstellt. Insbesondere in Einrichtungen mit strukturellen Mängeln – etwa fehlenden Mitbestimmungsmöglichkeiten bei methodischen Entscheidungen, geringem Zugang zu Fortbildungen, fehlender Supervision, geringer kollegialer Unterstützung und intransparenten Leitungsentscheidungen – häufen sich Berichte über psychische oder sexualisierte Gewalt durch Beschäftigte. Diese Befunde deuten auf wechselseitige Dynamiken hin, strukturelle Defizite können sich in beide Richtungen der Interaktion gewaltsam entladen – ein Hinweis auf ein institutionell dysfunktionales System.

    Besonders verdichtet treten Gewaltphänomene – etwa sexuelle Übergriffe oder sexualisierte Gewalt zwischen Klient:innen – dort auf, wo schlechte Arbeitsbedingungen, Nachtarbeit sowie belastende Umweltfaktoren den Alltag bestimmen. Auch strukturelle Unklarheiten wie unzureichend geklärte Zuständigkeiten, das Fehlen von Rückzugsräumen (nur 5,8 Prozent der Einrichtungen bieten diese für Klient:innen, nur 4,3 Prozent für Beschäftigte) und ein Mangel an Risikoanalysen der Räumlichkeiten (nur in 15,3 Prozent der Schutzkonzepte enthalten) verschärfen die Gefährdungslage.

    Gewalt innerhalb des Teams

    Ein besonders bemerkenswerter Befund der vorliegenden Studie ist der hohe Anteil an Beschäftigten, die von Gewalt innerhalb des Teams, also zwischen Kolleg:innen, berichten. Mehr als jede zweite befragte Person (62,2 Prozent) gibt an, psychische Gewalt durch Kolleg:innen erlebt zu haben, weitere 15,2 Prozent berichten von sexualisierten Grenzverletzungen innerhalb des Teams. Diese Zahlen sind nicht nur auffällig, sondern auch professionspolitisch von Relevanz: Gewalt in der Arbeitsbeziehung zwischen Beschäftigten ist bislang kaum systematisch untersucht worden – weder in der Suchthilfe noch in der Sozialen Arbeit insgesamt.

    Dabei handelt es sich keineswegs um ein exklusives Phänomen der Sozialen Arbeit: Auch in anderen Bereichen wird deutlich, dass betriebsinterne Gewalt – insbesondere psychische Übergriffe – eine unterschätzte, oft tabuisierte Belastung darstellt. Laut Arbeitsunfallstatistik der DGUV werden etwa 30 Prozent der gemeldeten Gewaltunfälle durch betriebsinterne Personen verursacht, wobei davon ausgegangen werden muss, dass die tatsächliche Zahl deutlich höher liegt (DGUV 2023, S. 89; iwd 2021). Gerade Fälle von Mobbing, systematischer Ausgrenzung oder psychischem Druck bleiben häufig unsichtbar, weil sie nicht als meldepflichtige Unfälle erfasst oder von den Betroffenen aus Angst vor Repressalien nicht zur Anzeige gebracht werden (ebd.).

    Fachveröffentlichungen zeigen zudem, dass Gewalt zwischen Kolleg:innen häufig dort auftritt, wo Strukturen der Überforderung, Hierarchie und mangelnden Kommunikation vorherrschen. Wenn Rückhalt durch Leitung fehlt, Konflikte nicht bearbeitet und psychisch belastende Situationen nicht ausreichend reflektiert werden, entsteht ein Klima, in dem Eskalationen wahrscheinlicher werden (Paefgen-Laß 2021). Dies deckt sich mit den vorliegenden Befunden: In Einrichtungen mit angespanntem Kommunikationsklima, fehlender Supervision und geringem Vertrauen in die Leitung berichten Beschäftigte signifikant häufiger von psychischer Gewalt durch Kolleg:innen.

    Schutzkonzepte bekannt machen und umsetzen

    Aus den Daten lassen sich zusammenfassend klare Muster ableiten: Gewalt tritt besonders häufig dort auf, wo strukturelle Unterstützung fehlt, Partizipation unterbleibt, institutionelle Schutzsysteme nicht greifen und die personelle Ausstattung unzureichend ist. Zwar existieren in vielen Einrichtungen formal Schutzkonzepte, jedoch sind diese nur 52,2 Prozent der befragten Personen bekannt. Präventive Maßnahmen sind lediglich in 14 Prozent der Konzepte verankert, konkrete Interventionsstrategien finden sich in 13 Prozent. Systematische Risikoanalysen – bezogen auf räumliche Gegebenheiten sowie auf Interaktionen zwischen Klient:innen und Fachkräften – sind nur in 11,7 Prozent der Schutzkonzepte enthalten.

    Die Suchthilfe hebt sich von anderen Arbeitsfeldern ab, da sie Schutzkonzepten eine vergleichsweise hohe Bedeutung beimisst. Jedoch zeigt sich, dass Risikoanalysen zu zwischenmenschlichen Gefährdungslagen trotz hoher Prävalenz verletzenden Verhaltens nur selten vorgenommen werden (9,2 Prozent). Auch bleibt die praktische Umsetzung häufig unkonkret, was die Wirksamkeit dieser Konzepte erheblich einschränkt.

    Insgesamt wird deutlich: Gewalt stellt in der Suchthilfe kein individuelles, sondern ein strukturell verankertes Risiko dar. Ihre wirksame Reduktion erfordert daher tiefgreifende Reformen bei der Arbeitsorganisation, der Ausstattung mit personellen Ressourcen sowie der Trägerkultur.

    5. Fazit und Ausblick: Gewalt als strukturelle Herausforderung der Suchthilfe

    Die Daten machen deutlich, dass gewaltförmige Konstellationen in der Suchthilfe nicht nur punktuell auftreten, sondern mit hoher Regelmäßigkeit und unter bestimmten strukturellen Bedingungen gehäuft vorkommen. Die Suchthilfe stellt ein besonders vulnerables Handlungsfeld dar – nicht zuletzt aufgrund der häufigen Nähe zu akuten Krisen, zur existenziellen Not ihrer Nutzer:innen und zu enthemmenden Wirkungen psychotroper Substanzen. Hinzu kommen prekäre Arbeitsbedingungen, fragmentierte Finanzierungslogiken und institutionelle Unklarheiten in Zuständigkeit und Steuerung. Die Kombination aus diesen Faktoren schafft ein Spannungsfeld, in dem Fachkräfte mit komplexen Herausforderungen konfrontiert sind, jedoch gleichzeitig selten über ausreichende strukturelle Rückendeckung verfügen. Gewalt tritt besonders häufig dort auf, wo Personal fehlt, Partizipation eingeschränkt ist, Leitungskulturen autoritär oder konfliktmeidend sind und Schutzkonzepte nicht greifen oder unbekannt sind.

    Der Vergleich mit anderen Feldern Sozialer Arbeit bestätigt diese strukturelle Lesart: Auch in der Wohnungslosenhilfe berichten Beschäftigte von einer hohen Quote von verletzendem Verhalten (Meyer & Alsago 2025e). Doch die Daten zeigen zugleich arbeitsfeldspezifische Unterschiede. So ist das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der Wohnungslosenhilfe noch deutlich höher.

    Gewalt ist in der Suchthilfe kein Ausnahmefall, sondern Ausdruck eines Systems, das unter struktureller Dauerbelastung steht. Für Praxis und Träger ergibt sich daraus ein klarer Handlungsauftrag: Um Klient:innen und Beschäftigte zu schützen und damit den Grundstein für gelingende Arbeitsbeziehungen zu legen, wird eine grundlegende Neuausrichtung der Rahmenbedingungen der Suchthilfe benötigt. Dazu gehören verbindliche Schutzstandards, ausreichende Personalausstattung, regelmäßige Supervision, niedrigschwellige Beschwerdestrukturen und vor allem eine Trägerkultur, die Gewalt als systemisches Problem anerkennt und aktiv bearbeitet. Die Stärkung von Beteiligung – sowohl der Nutzer:innen als auch der Beschäftigten – ist dabei ebenso zentral wie eine bessere Verzahnung von Schutz- und Unterstützungssystemen.

    Auch die verantwortlichen Politiker:innen sind gefordert. Die derzeitige Unterfinanzierung sowie die projektbasierte Struktur vieler Angebote in der Suchthilfe behindern nachhaltige Qualitätsentwicklung und erhöhen die strukturelle Verwundbarkeit des Systems. Eine auskömmliche, verlässliche und an Schutzstandards geknüpfte Finanzierung ist unerlässlich, wenn die Suchthilfe wirksam schützen und begleiten soll.

    Zur Weiterentwicklung und Reflexion des Systems ist weitergehende Forschung notwendig: Die hier vorgestellten Befunde eröffnen wichtige Einblicke, werfen aber zugleich neue Fragen auf. Künftige Studien sollten vertiefend analysieren, wie sich Gewalt in unterschiedlichen Teilbereichen der Suchthilfe zeigt, welche Rolle Leitung, Geschlecht oder biografische Vorerfahrungen spielen – und wie Schutzmechanismen konkret gestaltet sein müssen, um wirksam zu sein. Insbesondere die Perspektiven der Nutzer:innen und ihre Erfahrungen mit Macht, Grenzziehung und Sicherheit in Einrichtungen der Suchthilfe sind bislang weitgehend unerforscht.

    Weitere Informationen sowie Analysen aus anderen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit können hier aufgerufen werden: https://avasa.verdi.de

    Angaben zu den Autor:innen und Kontakt:

    Prof. Dr. Nikolaus Meyer ist Professor für „Profession und Professionalisierung Sozialer Arbeit“ an der Hochschule Fulda. Kontakt: nikolaus.meyer(at)sw.hs-fulda.de

    Dr. Elke Alsago ist Bundesfachgruppenleiterin Erziehung, Bildung und Soziale Arbeit bei ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft. Kontakt: elke.alsago(at)verdi.de

    Literatur
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    • Deimel, D., Moesgen, D. & Dirks, H. T. (Hrsg.) (2024). Soziale Arbeit in der Suchthilfe. Lehrbuch (utb Soziale Arbeit Suchthilfe, Bd. 6123). Köln: Psychiatrie Verlag.
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  • Suchtkranke Eltern

    Beltz Verlag, Weinheim 2024, 172 Seiten mit Online-Material, 45,00 €, ISBN 978-3-621-28959-7

    In bestehenden Therapieangeboten für abhängigkeits- sowie psychisch erkrankte Eltern fehlen weitgehend eltern- und familienspezifische Themen. Das ambulant sowie stationär einsetzbare Therapieprogramm STAERKE (Suchttherapeutisches Akutprogramm zur ressourcenorientierten Kompetenzstärkung in der Erziehung) richtet sich an (werdende) Eltern mit einer Abhängigkeitserkrankung oder einem schädlichen Substanzgebrauch. Es zielt darauf ab, Eltern in ihrer Erziehungskompetenz und gleichzeitig in ihrer Abstinenzfähigkeit zu stärken. Themen der in sich abgeschlossenen Module sind:

    • Achtsamkeits-, Entspannungs- und Skillstraining,
    • Stress- und Emotionsregulation,
    • Erziehungskompetenzen,
    • kindliche Grundbedürfnisse und Entwicklung,
    • Kommunikation in der Familie.

    Das Buch beschreibt das sechsmonatige Programm mit gruppen- und einzeltherapeutischen Sitzungen und bietet umfangreiche Materialien wie Arbeits- und Informationsblätter sowie Folienpräsentationen.

    Aus dem Inhalt:
    Auswirkungen substanzbezogener Störungen auf Familien • Risikoprofil der Kinder von Eltern mit substanzbezogener Störung • Abstinenz und Elternschaft • Behandlungsmanual (23 Sitzungen) • Evaluation

  • Interviews mit wohnungslosen oder suchtkranken Menschen auf Social Media

    Informationsflyer für Klient:innen

    Auf verschiedenen Social-Media-Plattformen veröffentlichen unterschiedliche Accounts regelmäßig Interviews mit wohnungslosen oder suchtkranken Menschen – darunter auch viele unserer Klient:innen. Diese Interviews enthalten häufig sehr persönliche und private Informationen, die nicht nur die Interviewten selbst, sondern auch deren Angehörige betreffen können.

    Uns ist bewusst, dass solche Formate Aufmerksamkeit für wichtige gesellschaftliche Themen schaffen können. Gleichzeitig sehen wir jedoch vor allem erhebliche Risiken für die betroffenen Personen – etwa im Hinblick auf Datenschutz, Würde und mögliche Stigmatisierung.

    Um unsere Klient:innen etwas aufzuklären, haben wir einen Informationsflyer entwickelt, der auf die möglichen Folgen solcher Interviews aufmerksam macht. Diesen findet ihr HIER zum Download, ihr könnt ihn gerne nutzen und weitergeben.

    Gerne würden wir uns mit euch austauschen, um gemeinsam zu überlegen, welche weiteren Ansätze sinnvoll wären, um unsere Klient:innen besser zu schützen oder im Nachhinein zu beraten.

    Wir treffen uns online am 11.06.25 um 11 Uhr. Wer Interesse hat, meldet sich gerne bei Marlene Kamolz (kamolz@akzept-nrw.eu) vom Indro oder Franzisca Klar (klar@drobs-bielefeld.de) von der Drogenberatung Bielefeld.

    Vielen lieben Dank und liebe Grüße
    Marlene und Franzisca

    Mitteilung vom 16.5.2025