Autor: Simone Schwarzer

  • Schützen statt strafen: Die Drogenpolitik von morgen muss heute beginnen

    Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung haben gerade selbst darauf hingewiesen: Drogenhandel nimmt in Deutschland seit Jahren zu, das BKA registriert immer mehr Delikte. Polizei und Justiz können Drogenkonsum offenbar nicht aufhalten. In der Pressemitteilung vom 08.09.2020 zum „Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2019“ lautete das Fazit sinngemäß dennoch: Weiter so.

    Fachleute aus Wissenschaft und Drogenhilfe widersprechen: Es ist Zeit für neue Wege. Die Drogenpolitik von morgen muss heute beginnen. Das ist die zentrale Aussage des 7. Alternativen Drogen- und Suchtberichts. Die Herausgeber, der akzept Bundesverband und die Deutsche Aidshilfe, haben ihn am 7. Oktober in Berlin vorgestellt. Sie nannten dabei drei zentrale Neuerungen, die die hohe Zahl der Todesfälle durch legale und illegale Drogen senken, schädliche Folgen von Abhängigkeit reduzieren und gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Folgekosten drastisch reduzieren könnten:

    • Ansätze der so genannten „Schadensminimierung“ beim Drogenkonsum müssen überall verfügbar sein und auch bei Tabak und Alkohol angeboten werden.
    • Die staatlich regulierte Abgabe von bisher illegalen Substanzen kann kriminellen Drogenhandel reduzieren, Menschen vor den Gefahren der Illegalität bewahren und Jugend- und Verbraucherschutz ermöglichen.
    • Eine effiziente Drogenpolitik würde rasch gelingen, wenn die Bundesregierung Kompetenz in einem drogenpolitischen Fachbeirat zusammenführen würde.

    Dazu erklärt Prof. Dr. Heino Stöver, Vorstandsvorsitzender des akzept Bundesverbandes und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences: „Die Politik der Strafverfolgung ist nur noch ein schädlicher Kampf gegen Windmühlen. Betroffene werden marginalisiert statt unterstützt – oft mit tödlichem Ausgang. Die Drogenpolitik von morgen agiert menschlicher und geschickter: Sie minimiert gesundheitliche Risiken beim Konsum und entzieht kriminellen Strukturen durch regulierte Abgabe von Substanzen die Basis. Eine zeitgemäße Drogenpolitik folgt der Devise: Schützen statt strafen!“

    Neue Strategien auch bei Tabak und Alkohol

    Strategien der „Schadensminimierung“ sind bei illegalen Substanzen sehr erfolgreich. Drogenkonsumräume retten jährlich hunderte Leben. Die Vergabe sauberer Spritzen hat die Zahl der HIV- und Hepatitis-Infektionen enorm gesenkt. Hilfreich sind auch Informationen über weniger riskante Konsumformen. Dank solcher Maßnahmen rauchen zum Beispiel heute mehr Konsument*innen ihre Drogen, statt sie zu spritzen. Derartige Angebote erreichen auch Menschen, die ihren Konsum nicht einstellen wollen oder können. Von diesen Erfolgen gilt es zu lernen: Bei Alltagsdrogen zielen Aufklärung und Therapie bisher meist darauf, dass Abhängige ganz aufhören.

    Prof. Stöver betont: „Abstinenz ist nicht alles! Neben der klassischen Prävention müssen wir auch bei Alkohol und Tabak Alternativen anbieten. Die E-Zigarette könnte vielen Menschen das Leben retten, denn sie ist weniger schädlich als die Verbrennung von Tabak. Wir brauchen auch mehr Maßnahmen zum kontrollierten Trinken.“

    Schäden vorbeugen – für alle!

    Zugleich muss die Politik bestehende Angebote allen Menschen zugänglich machen. In der Hälfte der Bundesländer gibt es keine Drogenkonsumräume. In Gefängnissen sind keine sauberen Spritzen verfügbar. Für Substanzen wie Amphetamine und Kokain, die in der Mitte der Gesellschaft konsumiert werden, sind dringend Drug-Checking-Angebote erforderlich, zum Beispiel vor Ort im Nachtleben. Dabei werden Stoffe auf ihren Wirkstoffgehalt und schädliche Beimengungen untersucht – in Kombination mit einem Beratungsangebot.

    Holger Wicht, Sprecher der Deutschen Aidshilfe, sagt: „Deutschland war bei den Maßnahmen der Schadensminderung einmal Vorreiter, ist aber auf halbem Wege stehen geblieben. Die Drogenpolitik hat nicht Schritt gehalten mit aktuellen Entwicklungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Was Leben rettet, darf nicht ungenutzt bleiben. Wir brauchen jetzt einen Innovationsschub – im Bund und in den Ländern. Wir können viel mehr Menschen erreichen!“

    Auch bei der Substitutionstherapie ist noch viel Luft nach oben. akzept, die Deutsche Aidshilfe und der Selbsthilfeverband JES haben das Ziel von 100.000 Substituierten im Jahr 2022 ausgerufen. Das wären 20.000 mehr als bisher und etwa 60 Prozent der knapp 170.000 Opioidabhängigen in Deutschland. Nachbarländer wie Frankreich kommen bei der Versorgung mit der medizinischen Standardtherapie schon heute auf über 80 Prozent.

    Aus der Corona-Krise lernen

    Der Zuwachs wird möglich durch veränderte Regularien, die Substitution einfacher und attraktiver machen. Erleichterungen bei Zugang und Versorgung aus der Corona-Zeit gilt es zu erhalten und auszubauen. Um eine Überfüllung von Praxen und Ambulanzen während der Pandemie zu vermeiden und persönliche Begegnungen zu reduzieren, gab es eine Reihe von Veränderungen. So dürfen jetzt zum Beispiel auch Drogenhilfeeinrichtungen und Apotheken die Medikamente vergeben. Mehr Patient*innen können ihr Präparat eigenverantwortlich zu Hause, statt jeden Tag in der Arztpraxis, einnehmen. Zudem wurden telemedizinische Termine ermöglicht.

    Nina Pritszens, Geschäftsführerin von vista Berlin – Verbund für integrative soziale und therapeutische Arbeit, berichtet: „Die Corona-Krise hat gezeigt, wie es geht: Drogenhilfe und medizinische Versorgung standen vor dem Kollaps, doch wir haben uns schnell angepasst. Politik und Behörden haben umsichtig und unbürokratisch reagiert. Mit den neuen Möglichkeiten bei der Substitution haben wir gute Erfahrungen gemacht: Nach unserer Einschätzung werden jetzt mehr Menschen behandelt als vor der Pandemie. Diesen Weg müssen wir konsequent fortsetzen.“

    Verbieten verbietet sich

    Erfolge der Schadensminimierung werden zugleich konterkariert von Schäden durch die Kriminalisierung drogenkonsumierender Menschen. Substanzen vom Schwarzmarkt und Haftstrafen ziehen enorme Gesundheitsrisiken nach sich. Viele Menschen verlieren aufgrund von Haft, Obdachlosigkeit, Infektionen und Ausgrenzung ihre Lebensgrundlage oder sogar ihr Leben. Eine staatlich regulierte Abgabe, je nach Substanz zum Beispiel über Fachgeschäfte oder das Medizinsystem, würde hingegen Qualitätskontrollen ermöglichen. Polizei und Justiz könnten enorme Ressourcen sparen – insbesondere bei der massenhaften, aber völlig nutzlosen Strafverfolgung von Cannabiskonsument*innen. 2019 wurden 186.000 Delikte im Zusammenhang mit dem Konsum verfolgt.

    Dazu sagte Dr. Bernd Werse, Vorstandsmitglied der European Society for Social Drug Research sowie Mitbegründer des Centre for Drug Research an der Goethe-Universität Frankfurt: „Millionen Menschen, darunter viele junge, konsumieren Cannabis, nicht wenige machen auch Erfahrungen mit anderen Drogen. Die meisten entwickeln keine nennenswerten Probleme. Es ist vor allem das Strafrecht, das oft Leben oder Karrieren zerstört. Verfolgung durch eine regulierte Abgabe der Substanzen zu ersetzen, würde den Konsumierenden Produktsicherheit bieten und Milliarden Euro für sinnvolle Präventions- und Behandlungsangebote freisetzen.“

    Fachliche Kompetenz einbinden

    Eine zentrale Forderung der Fachwelt ist, Kompetenz aus Wissenschaft, Praxis und Selbsthilfe auf offiziellem Wege in die Drogenpolitik einbringen zu können: in einem interministeriellen Fachbeirat. Frankreich und die Schweiz verfügen bereits über solche Gremien.

    „Unser Ziel ist, Fortschritte in Kooperation mit politisch Verantwortlichen zu entwickeln und zu realisieren. Ein Fachbeirat könnte die Drogenbeauftragte gerade bei schwierigen politischen Vorhaben unterstützen“, betont Prof. Dr. Heino Stöver.

    Der Alternative Drogen- und Suchtbericht erscheint seit 2014. Er versteht sich als konstruktiv-kritische Ergänzung zum Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung. Zu den Autor*innen zählen Wissenschaftler*innen ebenso wie Praktiker*innen aus der Drogenhilfe und Selbsthilfevertreter*innen.

    Mehr Informationen:

    Gemeinsame Pressemitteilung der Deutschen Aidshilfe und von akzept e.V., 07.10.2020

  • Psychotherapie der Alkoholabhängigkeit

    Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2020, 119 Seiten, 29,00 €, ISBN 978-3-17-036833-0, auch als E-Book erhältlich

    Das Manual präsentiert eine umfassende, übersichtliche und flexibel anpassbare Therapieeinheit für die strukturierte Behandlung von Alkoholabhängigkeit. Die von den Autoren entwickelte und evaluierte Psychiatrische Kurz-Psychotherapie (PKP) eignet sich sowohl für die Richtlinienbehandlung durch Psychologische Psychotherapeuten und -therapeutinnen als auch als Einzel- und Gruppentherapie in Klinik, Praxis und in der Suchtberatungsstelle. Die Leistungen können in jedem Setting abgerechnet werden. Im integrativen Manual wird der verhaltenstherapeutische Ansatz um eine systemische und psychodynamische Perspektive ergänzt.

  • Stellungnahme des buss zur Reform der Psychotherapeutenausbildung

    Der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss) begrüßt das Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung. Mit dem neuen Verfahren, das aus einem zur Approbation führenden Studium und einer nachfolgenden Weiterbildung in stationären oder ambulanten Einrichtungen besteht, wird die Ausbildung von Psychotherapeuten an die von Ärzten angeglichen. (Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger sind hiermit ausdrücklich immer alle Geschlechter gemeint.)

    Der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. möchte mit dieser Stellungnahme hervorheben, welches Potenzial das neue Gesetz für die Qualität sowohl der Psychotherapeutenausbildung als auch für die Behandlung in der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitserkrankungen, Psychosomatik hat. Dieses Potenzial gründet sich auf die berufspraktischen Einsätze während des Studiums und den Einsatz der Psychotherapeuten im Rahmen der anschließenden Weiterbildung auf bereits hohem Niveau.

    Die medizinische Rehabilitation stellt in den Indikationsbereichen Abhängigkeitserkrankungen und Psychosomatik ein wichtiges Arbeitsfeld für Psychotherapeuten dar. Psychotherapie ist in diesen Bereichen sowohl im stationären als auch im ambulanten Setting ein wesentliches, hochwirksames Behandlungselement. Insbesondere Personen mit Abhängigkeitserkrankungen weisen häufig noch weitere schwerwiegende psychische Störungen auf. In der Behandlung dieser komplexen Störungsbilder hat sich die Psychotherapie über Jahrzehnte bewährt und trägt entscheidend zum Behandlungserfolg bei. Dementsprechend sind Stellen für ärztliche und psychologische Psychotherapeuten mit Approbation und fachtherapeutischer Weiterbildung (VT, TP und systemisch) in den Stellenplänen der Leistungsträger (Deutsche Rentenversicherung) für Klinken der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitserkrankungen und Psychosomatik in ausreichender Zahl fest verankert.

    Ein besonderes Qualitätsmerkmal der Weiterbildung in der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker ist für die Weiterbildungsassistenten die Möglichkeit, den Entwicklungsprozess von Rehabilitanden über mehrere Monate psychotherapeutisch zu begleiten.

    Psychotherapeuten, die ihre Praxisausbildung in Reha-Kliniken für Abhängigkeitserkrankungen oder Psychosomatik absolvieren, durchlaufen eine sehr anspruchsvolle Ausbildung. Gleichzeitig haben die Kliniken und Einrichtungen die Gelegenheit, geeignete Nachwuchskräfte kennenzulernen, zu qualifizieren und später als fertig ausgebildete Mitarbeiter zu gewinnen. Als Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe sprechen wir uns deutlich dafür aus, dass Psychotherapeuten ihre Weiterbildung in Kliniken der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker erbringen.

    Somit ist es uns sehr wichtig, die berufspraktischen Abschnitte der Ausbildung zum Psychotherapeuten mitzugestalten und dafür Impulse zu geben. Im Folgenden haben wir wesentliche Aspekte zusammengestellt, die beim Einsatz von Psychotherapeuten in der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker berücksichtigt werden sollten, um:

    • Psychotherapeuten bestmöglich auszubilden,
    • langfristig eine hohe Behandlungsqualität in Einrichtungen der Suchthilfe zu garantieren und
    • als Folge aus den ersten beiden Punkten die bestmögliche Versorgung von abhängigkeitskranken Menschen sicherzustellen und den Therapieerfolg zu erhöhen.

    Außerdem wird deutlich gemacht, welche Leistungen die Reha-Kliniken erbringen, um eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung von Psychotherapeuten zu unterstützen und die genannten Ziele zu erreichen.

    Wichtige Aspekte beim Einsatz von Psychotherapeuten in der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitserkrankungen und Psychosomatik

    1. Praktika im Rahmen der Hochschulausbildung

    • Sowohl im Bachelor- als auch im Masterstudium soll verpflichtend ein mehrwöchiges Praktikum in der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitserkrankungen oder Psychosomatik erbracht werden.
    • Die medizinische Rehabilitation allgemein und die medizinische Rehabilitation Abhängigkeitskranker im Besonderen soll im Rahmen des Studiums als anspruchsvoller und interessanter Tätigkeitsbereich für Psychotherapeuten vorgestellt und ins Bewusstsein gerückt werden. Damit soll sich schon in der Ausbildung der hohe Stellenwert widerspiegeln, den die Rehabilitation im Gesamtzusammenhang des Versorgungssystems besitzt.
    • Den Studierenden wird in der medizinischen Rehabilitation eine ganzheitliche, auf die Teilhabe an der Arbeitswelt sowie am gesellschaftlichen Leben abzielende Diagnostik, Behandlungsplanung und Behandlungsdurchführung unter der besonderen Berücksichtigung der vorliegenden psychischen Erkrankungen nahegebracht.
    • Die Studierenden werden sowohl von der Hochschule als auch von der Reha-Klinik angemessen auf ihr Praktikum vorbereitet und dabei begleitet. Nach dem Praktikum erstellen die Praktikanten einen Praktikumsbericht. Die Rehabilitationseinrichtung stellt eine Bescheinigung aus, die Dauer und Inhalte des Praktikums bescheinigt.
    • Hochschule und Rehabilitationseinrichtung sollen in regem Austausch und engem Kontakt stehen, um Studien- und Praktikumsinhalte aufeinander abzustimmen. Dies unterstützt auch die Durchführung von Forschungsvorhaben in der Praxis und die Anwendung von Forschungsergebnissen.

    Leistungen der Rehabilitationseinrichtung:

    • Die Klinik übernimmt Verantwortung dafür, dass der Studierende
      während des Praktikums einen wesentlichen Gewinn an Kenntnissen erfährt.
    • Die Einrichtung stellt sicher, dass der Studierende angemessen in das Arbeitsfeld eingeführt und während des Praktikums dauerhaft qualifiziert begleitet wird. Dafür stellt sie eine geeignete Mitarbeiterin oder einen geeigneten Mitarbeiter zur Verfügung.
    • Dem Praktikanten wird ein angemessener Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Die Einrichtung gewährleistet, dass der Praktikant in die gängigen Arbeitsabläufe und Teamstrukturen eingebunden wird. Außerdem gewährleistet sie, dass er angemessene Aufgaben übertragen bekommt.
    • Zum Abschluss des Praktikums erstellt der Praxisanleiter eine qualifizierte Beurteilung, die mit dem Praktikanten besprochen wird.

    2. Weiterbildung von Psychotherapeuten

    • Stellen für Psychotherapeuten in Weiterbildung müssen in den Stellenplänen der Reha-Einrichtungen fest verankert werden. Entsprechend sind Fachaufsicht, Supervision und Anleitung zu planen.
    • Die Weiterbildungsassistenten sind gemäß ihres Einsatzes als Psychotherapeuten und Bezugstherapeuten mit Approbation ausreichend und entsprechend der tariflichen Vorgaben zu vergüten. Für den Bereich des SGB 6 sind noch entsprechende Regelungen festzulegen.
    • Die Rahmenbedingungen (Finanzierung, Aufgaben) zum Einsatz von Psychotherapeuten in Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker werden in einem Abstimmungsprozess zwischen den Verbänden der Leistungserbringer, den Kostenträgern, den zuständigen Kammern und den Weiterbildungsinstituten vereinbart. Die konkrete Ausgestaltung regeln die einzelnen Rehabilitationseinrichtungen in direkter Absprache mit dem federführenden Leistungs-/Kostenträger.
    • In Bezug auf die Dauer der Anerkennung als Weiterbildungsstätte müssen Einrichtungen der medizinische Rehabilitation Abhängigkeitskranker Reha-Einrichtungen anderer Indikationen gleichgestellt werden. Das bedeutet, dass die Weiterbildungsermächtigung für nicht weniger als ein Jahr anerkannt wird, damit die Psychotherapeuten in Weiterbildung dort ausreichend lange ihre Ausbildung absolvieren können.
    • Die Reha-Kliniken erfüllen die vereinbarten Strukturvorgaben, z. B. stehen geeignete Praxisanleiter (Fachpsychotherapeuten aus den Richtlinienverfahren) für Theorie, Praxis und Supervision zur Verfügung, es liegen ausreichende Fallzahlen mit einem differenzierten Fallspektrum vor, die Einrichtungen sind als Weiterbildungsstätten anerkannt.
    • Zwischen Reha-Einrichtung und Weiterbildungsinstitut soll ein regelhafter Austausch bestehen.

    3. Qualität der psychotherapeutischen Aus‐ und Weiterbildung

    Um gemeinsam mit den Hochschulen und den Weiterbildungsinstituten die Qualität der psychotherapeutischen Aus‐ und Weiterbildung zu sichern, stellen sich die Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker der regelhaften Überprüfung.

    Als Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe und damit als Expertinnen und Experten für die stationäre und ganztägig ambulante Entwöhnungsbehandlung ist es unser Ziel, konstruktiv die Weiterentwicklung der Psychotherapeutenausbildung zu unterstützen. Unser konkreter Beitrag hierfür besteht in der Bereitstellung eines hoch spannenden, anspruchsvollen Tätigkeitsbereichs und natürlich im Angebot zur Teilnahme an entsprechenden Expertenrunden.

    Wir appellieren explizit an die Universitäten und Landesärztekammern, von der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitserkrankungen und Psychosomatik als wichtigem Praxisfeld in der Psychotherapeutenausbildung zu profitieren!

    • gez. Dr. Wibke Voigt, Vorstandsvorsitzende Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V.
    • gez. Gero Skowronek, Geschäftsführer Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V.

    Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss)
    Wilhelmshöher Allee 273 | 34131 Kassel
    Tel. 0561/77 93 51 | Fax 0561/10 28 83
    buss@suchthilfe.de | www.suchthilfe.de

    Download der Stellungnahme als PDF

  • Liberalisierung des Glücksspielmarkts in Deutschland

    Zum 1. Juli 2021 soll der neue Glücksspielstaatsvertrag (GlüNeuRStV) in Kraft treten, seit vielen Wochen wirft er für die Suchthilfe und -prävention bereits seine Schatten voraus. In dem Vertrag ist eine umfangreiche, mit EU-Recht kompatible Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vorgesehen.

    Über Monate hinweg haben die Bundesländer über die Inhalte des neuen Vertrags diskutiert, im Sommer 2020 haben die Ministerpräsident*innen der Bundesländer in Berlin dem Vertragsentwurf zugestimmt. Nun müssen die Landesparlamente den Vertrag ratifizieren. Da dies voraussichtlich in den kommenden Monaten geschieht, wird sich möglicherweise zum Leidwesen der Spieler*innen und der Suchthilfe und -prävention Einiges im deutschen Glücksspielwesen ändern.

    Die Fakten: Bestimmte Glücksspiele im Internet sollen erlaubt werden wie zum Beispiel Online-Casinospiele, Online-Poker, virtuelle Automatenspiele und Sportwetten. Für die Vergabe von Konzessionen an Sportwetten-Anbieter ist keine Begrenzung auf eine bestimmte Anzahl vorgesehen. „Diese Spiele zählen seit vielen Jahren zu den Glücksspielen mit dem höchsten Suchtpotenzial. Ein großer Teil der Menschen, die Hilfe in der Suchtberatung suchen, haben Probleme genau mit diesen Spielen“, sagt Christiane Lieb, Geschäftsführerin von SUCHT.HAMBURG.

    Im Gegenzug sollen diese Spiele zwar mit Hilfe eines „Spielerkontos“ mit Einzahllimit reguliert werden, das Limit von maximal 1.000 Euro pro Monat wird von vielen aber als zu hoch kritisiert. Darüber hinaus ist unklar, wie dieses anbieterübergreifende Limit umgesetzt werden kann. Neben Einsatzlimits ist aber auch ein bundesweites zentrales spielformübergreifendes Sperrsystem geplant. Bislang konnten Spieler*innen, die beispielsweise von einer Spielbank gesperrt wurden, auf andere Anbieter wie etwa Spielhallen ausweichen. Mit dem neuen Sperrsystem, das für (fast) alle Glücksspielformen gilt, soll das verhindert werden. Die Anbieter haben jeweils sicherzustellen, dass keine gesperrten Spieler*innen ihre Angebote nutzen.

    Im Rahmen einer Online-Fortbildung von SUCHT.HAMBURG am Aktionstag gegen Glücksspielsucht am 30. September setzten sich Suchtberatungsfachkräfte intensiv mit der geplanten Liberalisierung und deren Risiken für die Spieler*innen auseinander.

    Informationen, Selbsttests und Materialien zum Thema Glücksspielsucht finden Hilfesuchende und Interessierte unter www.automatisch-verloren.de.

    „Automatisch Verloren“ ist eine Kampagne der Sozialbehörde und von SUCHT.HAMBURG.

    Pressestelle von SUCHT.HAMBURG, 29.09.2020

  • Das Ende verhindern

    Während der Corona-Pandemie ist die Versorgung von Reha-Patienten dramatisch eingebrochen. Die Reha-Einrichtungen appellieren deshalb an die Bundesregierung, den am 30. September beendeten Rettungsschirm für Reha-Einrichtungen zu verlängern.

    Die Zahl der in Reha-Einrichtungen versorgten Patientinnen und Patienten ist im April und Mai dieses Jahres pandemiebedingt um bis zu 70 Prozent zurückgegangen. Im Juni und Juli wurden im Vergleich zum Vorjahr rund 30 Prozent weniger Reha-Maßnahmen durchgeführt. Die in der Arbeitsgemeinschaft Medizinische Rehabilitation SGB IX (AG MedReha) zusammengeschlossenen Spitzenverbände der Reha-Leistungserbringer warnen vor den Folgen, wenn der Rettungsschirm im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung für die Reha-Einrichtungen nicht weiter verlängert wird: „Unter dem Rückgang leidet als erstes natürlich die Gesundheit der behandlungsbedürftigen Patienten. Allerdings hätten zahlreiche Reha-Einrichtungen die Einnahmeausfälle ohne Rettungsschirm nicht überlebt.“ Den Ausfall von dringend benötigten Versorgungsstrukturen verhindern könne jetzt nur der Gesetzgeber, der jedoch den im März beschlossenen Rettungsschirm für die Reha-Einrichtungen nicht über den 30. September 2020 hinaus verlängert hat.

    Die AG MedReha bezieht sich in ihrem Appell an die Bundesregierung auch auf deren Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, die in der vergangenen Woche bekannt wurde. Darin räumt die Bundesregierung ein, dass die Reha-Einrichtungen Corona bedingte Belegungs- und Erlöseinbußen erlitten hätten, verweist aber auf verschiedene Zuschläge für die Reha. Damit sei das Problem aber nicht gelöst, erklären die Mitglieder der AG MedReha: „Eine Finanzierung für nicht belegte Betten ist nicht vorgesehen. Auch der Zuschlag von den Kostenträgern in Höhe von sechs bis acht Euro erstattet nur höhere Ausgaben für Sachkosten im Hygienebereich je erbrachter Rehabilitationsleistung. Kommen die Patienten erst gar nicht in die Einrichtung, greift der Zuschlag nicht.“ Unzutreffend sei zudem die Annahme, die Kliniken könnten die Problematik mit den Krankenkassen in Vertragsverhandlungen lösen. „Hier fehlt schlicht die gesetzliche Grundlage. Zum einen regeln die Verträge lediglich die Vergütung und keine Ausgleichsleistungen für Minderbelegung und zum anderen besteht meist eine längere Vertragslaufzeit ohne vorzeitige Kündigungsmöglichkeit“, so die AG MedReha.

    Die Einrichtungen appellieren deshalb an die Bundesregierung, die Ausgleichszahlungsregelung des § 111d Absatz 8 SGB V für stationäre Reha-Einrichtungen durch Rechtsverordnung zu verlängern oder Erlösausgleichsregelungen zu schaffen, wie mit dem kürzlich beschlossenen Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) für Krankenhäuser. Gleichzeitig müssen dringend analoge Lösungen für ambulante Reha-Einrichtungen eingeführt werden, welche bislang im GKV-Bereich nicht vorgesehen waren. Die AG MedReha verweist darauf, dass auch das BMAS den Rettungsschirm für die ambulante und stationäre Rehabilitation der Rentenversicherung im Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) bis zum Jahresende 2020 verlängert hat.

    AG MedReha SGB IX

    Die Arbeitsgemeinschaft Medizinische Rehabilitation SGB IX (AG MedReha SGB IX) ist ein Zusammenschluss von maßgeblichen, bundesweit tätigen Spitzenverbänden der Leistungserbringer in der medizinischen Rehabilitation. Die Mitglieder der AG MedReha vertreten die Interessen von rund 800 Rehabilitations-Einrichtungen mit mehr als 80.000 Betten/Behandlungsplätzen. Mitglieder sind: Bundesverband ambulanter medizinischer Rehabilitationszentren e.V. (BamR), Berlin, Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V. (BDPK), Berlin, Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss), Kassel, Bundesverband Geriatrie e.V., Berlin, Deutsche Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation e. V. (DEGEMED), Berlin, Fachverband Sucht (FVS), Bonn

    Pressemitteilung der AG MedReha, 01.10.2020

  • Bündnis gegen psychische Erkrankungen

    Psychische Erkrankungen sind – mit steigender Tendenz – der häufigste Grund für Frühverrentungen und die zweithäufigste Ursache für Krankheitstage im Beruf. Ein Bündnis von 20 bundesweit tätigen Organisationen und Verbänden ruft deshalb zu einem neuen Umgang mit psychischen Erkrankungen auf.

    An Angststörungen, Depressionen oder Störungen durch Alkohol- oder Medikamentengebrauch leiden jährlich rund 18 Millionen Menschen in Deutschland. Nach einer aktuellen Krankenkassenstatistik verursachten psychisch bedingte Krankschreibungen im vergangenen Jahr durchschnittlich 260 Fehltage pro 100 Versicherten. So viele wie nie. Das Aktionsbündnis „Deutscher Reha-Tag“ stellt deshalb die Rehabilitation psychischer Erkrankungen in den Mittelpunkt seiner diesjährigen Aktivitäten. Unter der Schirmherrschaft von Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Vorsitzender der Aktion Psychisch Kranke e.V. , will das Bündnis erreichen, dass in Politik und Gesellschaft ein Umdenken einsetzt und eine neue Offenheit für den Umgang mit psychischen Erkrankungen erreicht wird. Denn nach wie vor werden psychische Erkrankungen anders als körperliche Beeinträchtigungen gewertet. Häufig erfahren Patienten aufgrund ihrer Erkrankung eine Stigmatisierung im beruflichen und familiären Umfeld. Das kann dazu führen, dass sich psychisch kranke Menschen noch weiter isolieren, ihre Erkrankung verschweigen und somit auch keine Behandlung in Anspruch nehmen. Dabei können eine frühe Diagnose und eine entsprechende Therapie den Patienten helfen, wieder aktiv am Leben teilzunehmen.

    Mehr Verständnis und Offenheit für die Erkrankung und die Erkrankten zu erreichen, ist das Ziel des „Deutschen Reha-Tages“. Dieser wird getragen von einem Initiatorenkreis aus 20 Organisationen und Verbänden der Leistungserbringer und Leistungsträger der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation. Der Initiatorenkreis hat den vierten Samstag im September zum Deutschen Reha-Tag erklärt, an dem Kliniken, Einrichtungen und Organisationen der Rehabilitation bundesweit über die Bedeutung der Rehabilitation für die medizinische Versorgung informieren. Eine ursprünglich für September dieses Jahres geplante Auftaktveranstaltung für den bundesweiten Start der Aktionen wurde aufgrund der Corona-Pandemie auf den 24. Februar 2021 verschoben und soll in der Klinik für Psychosomatische Medizin, Alexianer Krefeld GmbH in Krefeld stattfinden.

    Kontakt:

    Initiatorenkreis Deutscher Reha-Tag
    c/o Antonia Walch
    Tel. 030/24 00 899-0
    info@rehatag.de

    Pressemitteilung des Initiatorenkreises Deutscher Reha-Tag, 25.09.2020

  • Handbuch Drogen in sozial- und kulturwissenschaftlicher Perspektive

    Springer VS, Wiesbaden 2019, 713 Seiten, 79,99 €, ISBN 978-3-658-22137-9, auch als E-Book erhältlich

    Die Beiträge dieses Bandes kartographieren das soziologische und kulturwissenschaftliche Feld in Bezug auf Drogen und die mit ihnen verbundenen sozialen, gesellschaftlichen und politischen Praktiken.

    Der Inhalt:

    • Kulturgeschichtliche Zugänge zu Drogen und Rausch
    • Drogen und Sucht
    • Theorie der Drogen: Soziologische und kulturwissenschaftliche Perspektiven
    • Drogenmärkte und Prohibition
    • Ethnografische Streifzüge
    • Klassische Beiträge zur Drogenforschung

    Die Zielgruppen:

    • Studierende und Lehrende der Fächer Soziologie, Kultur- und Politikwissenschaft und angrenzende Fächer
    • Praktikerinnen und Praktiker der sozialen Arbeit
    • Drogenpolitisch Interessierte
  • Europäischer Drogenbericht 2020

    Die hohe Verfügbarkeit aller Arten von Drogen, die Drogenherstellung in Europa und die Existenz hochpotenter Stoffe zählen zu den Themen des von der EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) erstellten European Drug Report: Trends and Developments. In ihrer neuesten Jahresübersicht im 25. Jahr der Beobachtung beschreibt die Agentur die Drogensituation am Jahresende 2019 sowie die jüngsten Veränderungen aufgrund der COVID-19-Pandemie Anfang 2020.

    Der Bericht erscheint dieses Jahr ausschließlich auf Englisch, eine Zusammenfassung des Berichtes (Kernthemen) steht auf Deutsch, Englisch und 22 weiteren Sprachen auf der Website der EMCDDA zur Verfügung. Die dem Bericht zugrunde liegenden Daten sind dem Statistischen Bulletin entnommen. Der Bezugszeitraum für die Drogensituation ist die Zeit bis zum Jahresende 2019.

    Zu den neuen, im Bericht beschriebenen Entwicklungen gehören ein neuer Rekordwert bei den Kokainsicherstellungen und die Beschlagnahmung großer Heroinmengen, die zunehmende Herstellung synthetischer Drogen sowie Funde von hochpotentem Cannabis, neuen synthetischen Opioiden und Ecstasy-Tabletten mit einem hohen MDMA-Gehalt. Auf Basis von zeitnahen Studien der EMCDDA vom Frühjahr 2020 befasst sich der Bericht zudem mit COVID-19-bedingten Veränderungen in den Bereichen Drogenkonsum und Drogenmärkte. Die beobachteten Veränderungen könnten langfristig Auswirkungen auf die Arbeit europäischer Drogenhilfeeinrichtungen und Strafverfolgungsbehörden haben. Es wird befürchtet, dass die während des Lockdowns entstandenen neuartigen Modelle der Drogenverbreitung die bereits bestehende problematische Drogenverfügbarkeit noch verschärfen könnten.

    Die europäische Drogensituation bis zum Jahr 2020: die Kernthemen

    In der diesjährigen Analyse traten folgende Kernthemen zutage:

    • Immer häufiger werden große Drogenlieferungen abgefangen. Die vermehrte Sicherstellung großer Mengen an Kokain, Cannabisharz und zunehmend auch Heroin, die auf dem Seeweg transportiert werden, lässt befürchten, dass organisierte kriminelle Gruppen die Lieferketten, Schifffahrtswege und großen Häfen infiltriert haben.
    • Kokain spielt beim Drogenproblem in Europa eine zunehmende Rolle. Der Reinheitsgrad von Kokain hat sich erhöht und mehr Menschen haben eine Erstbehandlung aufgenommen. Die Zahl der Sicherstellungen von Kokain liegt auf Rekordniveau (181 Tonnen, 110 000 Sicherstellungen).
    • Das Potenzial für einen vermehrten Heroinkonsum und die bereits bestehenden Schäden geben Grund zur Sorge. Im Jahr 2018 wurde fast doppelt so viel Heroin in der EU sichergestellt wie 2017 (ein Anstieg von 5,2 auf 9,7 Tonnen). Zudem gibt es weitere Berichte über die Herstellung von Heroin innerhalb Europas. Es ist daher mehr Wachsamkeit geboten, um die Anzeichen für ein wachsendes Konsuminteresse an dieser Droge zu erkennen. Opioidgestützte Substitutionsbehandlungen sind in einigen Ländern weiterhin nur begrenzt zugänglich.
    • Es ist wichtig, die Folgen von hochpotentem Cannabis und neuen Produkten für die öffentliche Gesundheit zu verstehen. Cannabisharz und Cannabiskraut weisen heute im Schnitt doppelt so viel THC auf wie noch vor zehn Jahren. Zu einer Zeit, da zudem neue Cannabisformen in Erscheinung treten (z. B. als konzentrierte oder essbare Droge), muss der Markt genau beobachtet werden.
    • Die Drogenherstellung in Europa hat zugenommen und ist vielfältiger geworden. Es werden weiterhin bekannte, aber auch neue Drogen in Europa hergestellt, und zwar für lokale sowie globale Märkte, belegt durch verstärkte Funde von Laboren und Produktionsstätten sowie eines breiteren Spektrums an Substanzen.
    • Die anhaltende Verfügbarkeit hochpotenter MDMA-Produkte belegt die Notwendigkeit einer besseren Aufklärung der Konsumierenden. Innovationen im Bereich synthetischer Drogen und deren verstärkte Herstellung in Europa zeigen sich in der anhaltenden Verfügbarkeit hochdosierter MDMA-Tabletten und von hochreinen MDMA-Pulvern, die ein erhebliches Gesundheitsrisiko für Konsumierende darstellen. Daher sind Maßnahmen zur Verhinderung von Schäden durch den Konsum von Drogen im Freizeitbereich erforderlich.
    • Die zunehmende Komplexität des Drogenmarktes birgt regulatorische Herausforderungen und gesundheitliche Risiken. Weniger verbreitete und nicht kontrollierte Substanzen scheinen in einigen Ländern zunehmend zum Problem zu werden, da größere Mengen an Ketamin, GHB und LSD sichergestellt wurden. Auch der Konsum von Distickstoffmonoxid (Lachgas) und neuen Benzodiazepinen bereitet Sorge.
    • Es sind neue Instrumente und innovative Strategien nötig, um die Behandlung von Hepatitis C zu unterstützen und auszuweiten. Menschen, die Drogen injizieren, müssen bessseren Zugang zu Präventions-, Test- und Behandlungsmaßnahmen für Hepatitis C erhalten, um Infektionen in dieser Gruppe auszuschalten. Die Einführung besserer Diagnose- und Überwachungsmethoden zur Ermittlung von chronisch Infizierten ist für die gezielte Behandlung unerlässlich.
    • Drogenüberdosierungen sind zunehmend mit einer alternden Population verbunden. In der Gruppe der Über-50-Jährigen nahm die Zahl der Überdosierungen von 2012 bis 2018 um 75 Prozent zu; 2018 starben in der EU schätzungsweise 8.300 Menschen aufgrund einer Überdosis. Todesfälle durch die Überdosierung von Opioiden lassen sich durch die rechtzeitige Gabe von Naloxon verhindern.
    • Neue psychoaktive Substanzen haben sich zu einem dauerhaften Problem entwickelt. In den vergangenen drei Jahren wurde nahezu wöchentlich eine Neue Psychoaktive Substanz (NPS) erstmals in Europa entdeckt; 2019 belief sich diese Zahl auf insgesamt 53.
    • Das Auftauchen neuer synthetischer Opioide demonstriert auf beunruhigende Weise die fortlaufende Anpassungsfähigkeit der Märkte. 2019 wurden acht neue nicht kontrollierte synthetische Opioide, einige davon aus diversen und neuartigen Gruppen, erstmalig entdeckt – eine mit Blick auf die öffentliche Gesundheit besorgniserregende Entwicklung.

    Beschränkungen aufgrund von COVID-19: die Herausforderungen

    Gestützt auf die Ergebnisse zeitnaher EMCDDA-Studien zeigt der Bericht, wie zahlreiche Drogenhilfeeinrichtungen zu Beginn des Lockdowns zur Aufgabe oder Einschränkung ihrer Tätigkeit gezwungen waren, letztlich jedoch durch Anpassungen und Innovationen (z. B. Telemedizin) den schnellen Zugang zu Behandlungen und anderen Hilfsmaßnahmen sicherstellen konnten. Die Krise hatte anfänglich unterschiedliche Auswirkungen auf die Drogenkonsummuster. Es gab Hinweise auf ein nachlassendes Interesse an Stoffen, die häufig in Gesellschaft konsumiert werden (z. B. MDMA, Kokain), während der Konsum anderer Substanzen (z. B. Cannabis, neue Benzodiazepine) in einigen Gruppen zuzunehmen schien. Auf den lokalen Drogenmärkten war das Angebot zu Beginn eingeschränkt, was zu Verknappungen und Preisanstiegen führte. Dies dürfte sich mit der Lockerung der Maßnahmen zur sozialen Distanzierung jedoch wieder umkehren.

    Der Bericht zeigt auch, dass organisierte kriminelle Gruppen ihr Vorgehen rasch änderten, besonders auf Ebene des Einzelhandels. Da der Straßenverkauf von Drogen durch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit schwierig war, nutzten Konsumierende und Händler Onlinemärkte im Darknet, Social Media-Plattformen sowie Paket- und Heimlieferdienste. Die Beobachtung des Drogenmarktes zeigte, dass auf Großhandelsebene der Schmuggel auf dem Luftweg abnahm, während beim Schmuggel auf dem Seeweg gegenüber der Zeit vor der Pandemie keine Änderung erkennbar war. Auch die Herstellung synthetischer Drogen und der Cannabisanbau in Europa schienen weitgehend unbeeinflusst.

    Alexis Goosdeel, Direktor der EMCDDA, beschreibt die Lage so: „Die COVID-19-Pandemie hatte unmittelbar störende Auswirkungen auf den Drogenkonsum, das Drogenangebot und die Drogenhilfeeinrichtungen und brachte die besonderen Bedürfnisse von Menschen, die Drogen konsumieren, ans Licht. Wenngleich die Langzeitfolgen der Pandemie noch nicht bewertet werden können, sind schon jetzt kurzfristige Änderungen zu beobachten, etwa das gestiegene Interesse an der Verwendung digitaler Drogenmärkte sowie Innovationen bei der Behandlung von Drogenkonsumierenden mit Hilfe von Computer- und Smartphone-Lösungen. Wir müssen jedoch darauf gefasst sein, dass einige der betroffenen Gruppen im Zuge der wirtschaftlichen Folgen der Krise anfälliger für Drogen und eine Involvierung in den Drogenmarkt werden können, was unsere bereits ausgelasteten Einrichtungen noch stärker unter Druck setzen wird. Wir müssen daher rasch handeln, um neue Bedrohungen zu erkennen und zu bewältigen, die sich aus dieser im Fluss befindlichen Situation ergeben können.“

    Pressestelle der EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA), 22.09.2020