Kategorie: Kurzmeldungen

  • Prävention und Behandlung von Medienabhängigkeit

    FVM_LogoDas Phänomen Smartphone-Sucht wird aktuell umfassend besprochen. Als bundesweiter Fachverband mit mehr als 100 Mitgliedern und neun kooperierenden Arbeitskreisen/-gruppen aus neun Bundesländern in den Bereichen Prävention, Behandlung und Diagnostik begrüßen wir diese öffentliche Diskussion. Um ein gesundes Aufwachsen und Leben mit technischen Innovationen sicherzustellen, ist es notwendig, effektive präventive Maßnahmen anzubieten. So ist es begrüßenswert, dass die Kinderkommission des Deutschen Bundestages am 14.10.2015 eine Stellungnahme veröffentlichte, in der das Thema „Exzessive Mediennutzung und Medienabhängigkeit“ mit einem politischen und präventiven Handlungsauftrag versehen ist. Am 16.10.2015 erklärte die Drogenbeauftragte, dass im Drogen- und Suchtrat die Einrichtung einer Arbeitsgruppe „Computerspielsucht und Internetabhängigkeit“ beschlossen wurde. Diese soll konkrete Empfehlungen zur Hilfe und Prävention erarbeiten.

    Das Thema Prävention ist eine der tragendenden Säulen des Fachverbandes Medienabhängigkeit. Es wurde in den Symposien der letzten Jahre und in unserem „Let’s Play“-Methodenreader thematisiert. Im Rahmen der 5. Mediensuchtkonferenz in Berlin am 13.11.2015 und unserem ersten Onlinesymposium „Virtuelle Welten – Reale Probleme. Medienabhängigkeit als Herausforderung für Prävention und Behandlung“ am 21.11.2015 findet sich das Thema in aktuellster Form wieder.

    Die schnelle technische Veränderung resultiert aktuell in gesellschaftlichen Problemen. Um Betroffenen zu helfen, den Weg in eine nahegelegene Beratungsstelle oder Hilfeeinrichtung zu finden, bietet der Fachverband Medienabhängigkeit e. V. allen Einrichtungen an, sich kostenlos als Hilfeeinrichtung für Medienabhängigkeit registrieren zu lassen. Bei der Diagnostik unterstützen wir gerne mit der uns freundlicherweise von der Ambulanz für Spielsucht, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, zur Verfügung gestellten Skala zum Onlinesuchtverhalten (OSV-S) und leiten Ihre entsprechenden Fragen gerne weiter.

    Weitere Informationen auch über Twitter: @OnSymposium2015
    www.fv-medienabhaengigkeit.de > Hilfe finden

    Der Vorstand
    Andreas Gohlke, Markus Wirtz, Detlef Scholz, Michael Dreier & Michael Knothe, 12.11.2015

  • DAK-Psychoreport 2015

    Foto©DAK
    Foto©DAK

    In Deutschland war im vergangenen Jahr jeder 20. Arbeitnehmer mit einer psychischen Erkrankung krankgeschrieben. Ausgehend von den Daten der DAK-Gesundheit sind damit hochgerechnet 1,9 Millionen Menschen betroffen. Seit 1997 hat sich die Anzahl der Fehltage, die von Diagnosen wie Depressionen oder Anpassungsstörungen verursacht werden, verdreifacht. DAK-versicherte Arbeitnehmer blieben 2014 deshalb an mehr als 6,3 Millionen Tagen der Arbeit fern. Das sind zentrale Ergebnisse des neuen Psychoreports 2015 der DAK-Gesundheit. Um den steigenden Behandlungsbedarf zu decken und lange Wartezeiten zu verhindern, setzt die Krankenkasse verstärkt auf qualitätsgeprüfte Online-Therapien. Eine noch unveröffentlichte Studie zum webbasierten Programm Deprexis zeigt: Sowohl der Grad der Depression als auch die Lebensqualität verbessern sich mit der Online-Unterstützung deutlich.

    Für den DAK-Psychoreport hat das IGES Institut die anonymisierten Daten von rund 2,6 Millionen erwerbstätigen Versicherten ausgewertet. Ein zentrales Ergebnis: Die Fehltage haben ein neues Rekordniveau erreicht. Bundesweit lagen Seelenleiden 2014 erstmals auf dem zweiten Platz der Krankheitsarten, was nicht zuletzt auch auf einen offeneren Umgang seitens der Ärzte und Patienten zurückzuführen ist. Der Blick auf die Diagnosen zeigt, dass Depressionen und Anpassungsstörungen die meisten Ausfalltage verursachen. 2014 gingen 112 Fehltage je 100 Versicherte auf das Konto von Depressionen, bei den Anpassungsstörungen waren es 42. Die Zusatzdiagnose Burnout hingegen verliert deutlich an Relevanz: Im vergangenen Jahr entfielen nur 5,2 Ausfalltage darauf. Im Vergleich zu 2011 hat sich die Anzahl fast halbiert. „Burnout ist mittlerweile eher zur Beschreibung eines Risikozustands geworden“, erklärt Dr. Hans-Peter Unger, Chefarzt am Zentrum für seelische Gesundheit der Asklepios Klinik Hamburg-Harburg. „Von chronischem Stress verursachte psychische Krankheiten werden heute als Anpassungsstörungen oder Depressionen erkannt.“

    Frauen sind fast doppelt so oft mit psychischen Problemen krankgeschrieben wie Männer (Betroffenenquote 2014: 6,5 zu 3,6 Prozent). Der DAK-Psychoreport zeigt aber auch deutliche Steigerungsraten bei Männern: So erhöhte sich beispielsweise die Anzahl der Ausfalltage aufgrund von Anpassungsstörungen bei den 15- bis 19-Jährigen innerhalb von neun Jahren um fast 250 Prozent. „Bei Männern äußern sich psychische Erkrankungen anders als bei Frauen, deshalb werden sie oft nicht richtig erkannt“, sagt Unger. „Dazu kommt eine höhere Stigmatisierung – Männer gelten noch immer als das starke Geschlecht.“

    Bei den Fehltagen durch psychische Erkrankungen gibt es deutliche regionale Unterschiede: Während im Saarland im vergangenen Jahr 306 Fehltage je 100 Versicherte mit den entsprechenden Diagnosen begründet wurden, waren es in Bayern lediglich 193. Auch die Baden-Württemberger blieben mit 197 Fehltagen je 100 Versicherte vergleichsweise selten mit psychischen Problemen der Arbeit fern. Die Großstädte Berlin und Hamburg belegen mit 292 und 289 Fehltagen je 100 Versicherte die Plätze zwei und drei der Psycho-Statistik. Die ostdeutschen Bundesländer bewegen sich bei den Ausfalltagen im Mittelfeld – hier sind aber die Anstiege besonders stark: In Brandenburg beispielsweise hat sich der Wert von 2000 bis 2014 fast verdreifacht.

    Der Behandlungsbedarf ist groß, doch Betroffene warten im Schnitt sechs Monate auf einen Therapieplatz. Dazu kommt die Schwierigkeit, sich im System zurechtzufinden und die passende Behandlung zu bekommen. Um Betroffenen schnell, gezielt und ortsunabhängig zu helfen, bietet die DAK-Gesundheit Online-Therapie mit Deprexis an. Deprexis ist ein webbasiertes Selbsthilfeprogramm zur Unterstützung von Menschen mit leichten bis mittelschweren Depressionen. Es ist über Computer, Laptop oder Smartphone nutzbar und basiert auf etablierten Methoden der Kognitiven Verhaltenstherapie. Die Patienten können dabei anonym bleiben. Therapeuten, die Deprexis behandlungsbegleitend einsetzen, können sich online über die bearbeiteten Inhalte und Übungen informieren – vorausgesetzt der Patient stimmt dem Austausch zu.

    Eine bisher noch unveröffentlichte Studie, die die Universität Bielefeld gemeinsam mit der DAK-Gesundheit durchgeführt hat, hat das Programm Deprexis auf seine Wirksamkeit untersucht. An der Studie haben 3.800 Menschen mit unterschiedlich starker depressiver Symptomatik teilgenommen. Sie wurden über ein Jahr regelmäßig befragt. Das Ergebnis ist positiv: „Mit der Unterstützung von Deprexis schwächt sich der Depressionsgrad in relativ kurzer Zeit deutlich ab“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Wolfgang Greiner. „Das zeigt, dass das Programm den Patienten in der Regel unmittelbar hilft.“ Außerdem hat sich die berufliche und soziale Funktionsfähigkeit signifikant verbessert. Greiner: „Gerade bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen ist es gut, wenn die Betroffenen am sozialen Leben teilnehmen können. Das verbessert die Symptomatik offenbar entscheidend.“

    Die DAK-Gesundheit setzt deshalb auch in Zukunft noch stärker auf die Online-Therapie. Die Versicherten können Deprexis zur Selbsthilfe nutzen. Das Programm kann jedoch auch zur Therapieunterstützung in bestehende Behandlungsangebote eingebunden werden. Dieses Vorgehen hat sich bereits in Nord- und Ostdeutschland bewährt, wo Deprexis schon heute fester Bestandteil des Spezialisten-Netzwerks Veovita ist – ein Behandlungskonzept, das DAK-Versicherten mit Depressionen und Angststörungen hilft.

    Weitere Informationen finden Sie hier.

    Pressestelle der DAK, 27.10.2015

  • Mit vereinten Kräften gegen die Adipositas-Epidemie

    Adipositas-LogosVom 15. bis 17. Oktober 2015 trafen sich über 500 Experten auf der 31. Jahrestagung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft e. V. (DAG) in Berlin. Die vorwiegend deutschsprachigen Vorträge beschäftigten sich mit Themen aus der Grundlagen- und klinischen Forschung sowie aus den Bereichen Epidemiologie und Psychologie. Darüber hinaus diskutierten die Teilnehmer auch gesundheitspolitische Fragen.

    Nach aktueller Datenlage sind über die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland übergewichtig (BMI > 25 kg/m²). Von diesen ist jeder Vierte bis Fünfte adipös (BMI > 30 kg/m²) – Tendenz steigend. Auch bei Kindern und Jugendlichen lässt sich dieser Trend beobachten. Laut der letztverfügbaren Daten des Robert Koch-Instituts in Berlin waren 2007 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig. Etwa sechs Prozent leiden unter Adipositas, wobei sich deren Anteil in der Gruppe der 14- bis 17-Jährigen sogar auf über acht Prozent erhöht.

    Mit zunehmender Verbreitung der Adipositas steigt auch die Zahl der Menschen, die an schwerwiegenden Folgekrankheiten leiden. Zu diesen gehören vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bestimmte Krebsarten wie Leber- und Darmkrebs sowie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) vom Typ 2. Mehr als sechs Millionen Menschen sind in Deutschland an einem Diabetes erkrankt. Adipositas hat eine genetische Grundlage, wird aber wesentlich durch den in unserer heutigen Gesellschaft weit verbreiteten, ungesunden Lebensstil begünstigt. Dieser ist durch mangelnde Bewegung sowie eine hochkalorische, aber wenig sättigende Ernährung charakterisiert.

    Um ein reduziertes Körpergewicht dauerhaft halten zu können, müssen betroffene Personen lebenslang auf einen gesunden Lebensstil achten. „Kurzfristige Reduktionsdiäten verringern nur für eine kurze Zeit das Körpergewicht und schaden langfristig mehr, als sie nützen. Gewichthalten nach erfolgreicher Gewichtsabnahme ist meist nur mit Unterstützung des sozialen Umfelds und einer langfristigen, verhaltenstherapeutischen Betreuung möglich oder mit Hilfe der metabolischen Chirurgie. Diese kommt für Kinder allerdings nicht in Frage“, sagt Prof. Dr. med. Martin Wabitsch, Präsident der DAG sowie ärztlicher Leiter des Hormonzentrums und des endokrinologischen Forschungslabors an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Ulm. „Wissenschaftler und Therapeuten sind daher mehr denn je gefordert, interdisziplinär zusammenzuarbeiten, um verbesserte Präventionsmaßnahmen und neue therapeutische Ansätze zu entwickeln, die diesem wachsenden Problem entgegenwirken“, so Wabitsch weiter. Immer deutlicher werde auch die Notwendigkeit, die Politik von der Umsetzung verhältnispräventiver Maßnahmen zu überzeugen, wie sie bereits in zahlreichen Ländern mit zunehmendem Erfolg angewendet werden. „Wir werden die Adipositas-Epidemie nur mit Hilfe der Politik eindämmen können, denn wir haben es mit einem komplexen, gesamtgesellschaftlichen Phänomen zu tun“, ist Wabitsch überzeugt.

    „Hierfür ist es unter anderem auch wichtig, mehr über die molekularen und biochemischen Zusammenhänge zwischen Lebensstil, Adipositas und deren Folgeerkrankungen zu erfahren“, sagt die diesjährige Tagungspräsidentin Prof. Dr. Annette Schürmann vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE). Auf diese Weise sei es möglich, neue Behandlungsstrategien zu entwickeln. Wenn man zum Beispiel die Frage beantworten könne, warum nicht jeder adipöse Mensch automatisch auch an einer Stoffwechselstörung leide, ließen sich Personen leichter identifizieren, die zum Beispiel besonders gefährdet sind, an einem Diabetes zu erkranken. Präventionsmaßnahmen seien so gezielter umzusetzen, erklärt die Wissenschaftlerin.

    Wie eine kürzlich von Schürmann veröffentlichte Studie annehmen lässt, beeinflussen bei adipösen Mäusen vier Gene die Teilungsfähigkeit der insulinproduzierenden Zellen in Abhängigkeit von der Kohlenhydratzufuhr. Je nachdem, über welche Genvarianten die Tiere verfügen, entwickeln sie einen Diabetes oder auch nicht. Das nächste Ziel der Wissenschaftler ist nun, die Funktionen der identifizierten Gene aufzuklären, um einen tieferen Einblick in die biochemischen Mechanismen der adipositas- und ernährungsabhängigen Diabetesentstehung zu erhalten. Wie eigene und andere Humanstudien zeigen, sind drei der entsprechenden menschlichen Gene ebenfalls mit Übergewicht und Insulinresistenz, der Vorstufe zum Diabetes, assoziiert.

    Deutsche Adipositas-Gesellschaft e. V. (DAG), Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE), Kompetenznetz Adipositas, 12.10.2015

  • Neues aktiva-Gutachten zur Kostenentwicklung in der Reha erschienen

    Cover aktiva-gutachten-20152016Die Arbeitsgemeinschaft Medizinische Rehabilitation SGB IX (AG MedReha) hat wie in den letzten Jahren zu den vergütungsrelevanten Kostensteigerungen für medizinische Rehabilitationseinrichtungen eine Expertise bei der aktiva – Beratung im Gesundheitswesen GmbH in Auftrag gegeben: das „Gutachten zur aktuellen und perspektivischen Situation der Einrichtungen im Bereich der medizinischen Rehabilitation – Neuauflage 2015“.

    Insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Investitionsbedarfe in der Rehabilitation, die erstmalig auch durch eine bundesweite Befragung bestätigt wurden, empfehlen die Gutachter eine Anhebung der Vergütungssätze in Höhe der Veränderungsrate um 2,95 Prozent für das Jahr 2016. Für eine Erhöhung der Vergütungssätze in mindestens diesem Umfang sprechen insbesondere folgende Aspekte:

    • der größtenteils nicht refinanzierte jährliche Investitionsbedarf von rund 930 Millionen Euro in der Rehabilitation, der mit dieser Anhebung etwas gemildert werden könnte, bis andere politische Lösungen entwickelt werden – in diesem Sinne könnte die Investitionskostenlücke etwas reduziert werden –,
    • die Finanzierungslücken in den absoluten Vergütungssatzhöhen, die aufgrund der Kosten-Erlös-Schere in den letzten Jahren weiter gewachsen sind,
    • die deutliche Erhöhung der Personalbeschaffungskosten sowie die Personalkosten für knappe Berufsgruppen, die deutlich über den vereinbarten Tarifsteigerungen und damit über der Kalkulation liegen,
    • die spezifischen Anforderungen im Bereich der Rehabilitation wie z. B. die Zunahme isolationspflichtiger Patienten oder auch Mehraufwände, welche im Rahmen des elektronischen Datenaustauschs nach § 301 Abs. 4 SGB V und der Umstellung der Verfahrensweise entstehen können,
    • das Vorgehen im Krankenhausbereich, wo auch aktuell die Veränderungsrate gilt, sobald sie den Orientierungswert überschreitet.

    Zusätzlich wurde in diesem Jahr eine Aktualisierung zur Berechnung der erforderlichen ‚absoluten Vergütungssatzhöhen‘ vorgenommen. Die 2012 ermittelten Werte für drei Beispielindikationen (Orthopädie, Kardiologie und Psychosomatik) wurden fortgeschrieben, und eine Kalkulation für den Indikationsbereich Sucht wurde ergänzt. Bei der entsprechenden Simulation wurden folgende Tagessätze ermittelt, die im Jahr 2015 für einen kostendeckenden Betrieb erforderlich wären:

    • Orthopädie = 145 Euro
    • Kardiologie = 135 Euro
    • Psychosomatik = 150 Euro
    • Sucht = 134 Euro

    Bereits in den Gutachten der Vorjahre konnte gezeigt werden, dass in den letzten Jahren die Vergütungssatzanpassungen zum Teil deutlich unter den ermittelten durchschnittlichen Kostensteigerungen in der Rehabilitation lagen. Aufgrund dieses Finanzierungsdefizits sind die Rehabilitationskliniken seit Jahren gezwungen, Wirtschaftlichkeitsreserven im erheblichen Ausmaß zu schöpfen. Gleichzeitig müssen sie sich im Wettbewerb um qualifiziertes Personal gegenüber anderen Sektoren und Branchen behaupten. Angesichts dieser Entwicklung sind heute eine Vielzahl von Einrichtungen an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen. Einige Kliniken mussten bereits schließen. Es ist zu erwarten, dass ohne angemessene Berücksichtigung der realen Kostenentwicklungen sich diese Entwicklung auf breiter Front fortsetzt. Eine weitere Unterfinanzierung des rehabilitativen Sektors gefährdet die qualitative Versorgung der Versicherten mit medizinischen Rehabilitationsleistungen.

    In der AG MedReha sind die maßgeblichen Spitzenverbände der Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation zusammengeschlossen: Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken e. V. (BDPK), der Bundesverband Geriatrie e. V. (BV Geriatrie), der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V. (buss), die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation e. V. (DEGEMED) sowie der Fachverband Sucht e. V. (FVS). Die AG MedReha vertritt in Deutschland somit rund 800 Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen mit ca. 80.000 Behandlungsplätzen.

    Weitere Informationen zu den jährlichen Gutachten finden sie hier.

    AG MedReha, 02.11.2015

  • Kinder ohne Aufenthaltspapiere dürfen zur Schule gehen

    Cover Es darf nicht an Papieren scheiternDürfen Kinder, die keine Aufenthaltspapiere haben – so genannte papierlose Kinder – in Deutschland zur Schule gehen? Nein, meinen sechs von zehn Grundschulen in einer aktuellen Studie der Universität Bremen. Und damit liegen sie falsch. Jedes Kind darf zur Schule gehen – so verlangt es internationales Recht. „Der Rechtsanspruch auf Schule gilt für alle Kinder, unabhängig von ihrer aufenthaltsrechtlichen Situation“, sagt die Bildungsexpertin Yasemin Karakasoglu, Professorin im Fachbereich Erziehungswissenschaften und Konrektorin für Internationalität und Diversität der Universität Bremen. Zusammen mit Dr. Dita Vogel und Barbara Funck, beide ebenfalls aus dem Arbeitsbereich Interkulturelle Bildung, hat sie die Schulaufnahmemöglichkeit eines papierlosen Kindes in 100 Grundschulen im gesamten Bundesgebiet untersucht. Ein Ergebnis: Bei 62 Prozent der Schulen wurde keine Möglichkeit zur Schulanmeldung dieser Kinder aufgezeigt. In einigen Schulen und Schulbehörden wurde sogar irrtümlich angenommen, dass die Polizei informiert werden müsse.

    Die Zahl der papierlosen Kinder in Deutschland wird auf einige Tausend bis einige Zehntausend geschätzt. Wie viele Kinder davon tatsächlich die Schule besuchen, ist unklar. Lange war umstritten, ob Schulen an die Ausländerbehörden melden müssen, wenn sie mitbekommen, dass ein Kind ohne Aufenthaltspapiere in Deutschland lebt. Eine prekäre Situation: Die Familien mussten befürchten, wegen illegalen Aufenthaltes abgeschoben zu werden, wenn sie versuchen, ihr Kind in einer Schule anzumelden. Damit aber jedes Kind ohne Angst zur Schule gehen kann, wurde 2011 bundesgesetzlich klargestellt, dass Bildungseinrichtungen keine Informationen an die Ausländerbehörden weitergeben müssen. „Jedoch gab es Hinweise von Beratungsstellen, dass die Schulanmeldung papierloser Kinder nach wie vor nicht gelingt. Dem wollten wir auf den Grund gehen“, erklärt Dr. Dita Vogel. Die Studie mit dem Titel „Es darf nicht an Papieren scheitern“ wurde von der Max-Traeger-Stiftung in Auftrag gegeben.

    Mit einer telefonischen Umfrage von Mai bis Juli 2015 untersuchten die Bremer Wissenschaftlerinnen, ob und wie die Schulaufnahme aufenthaltsrechtlich nicht registrierter Kinder in Deutschland funktioniert. Nach einem Zufallsprinzip wurden in allen Landeshauptstädten und in allen Großstädten mit über einer halben Million Einwohnern die Schulen ausgewählt. Wegen ihrer Vergleichbarkeit wurden Öffentliche Grundschulen ausgesucht. Um eine hohe Antwortquote zu erreichen, wurden nur drei kurze Fragen zu Beispielfällen gestellt.

    Die Studie zeigt, dass Schulleitungen oft unsicher sind, wie die rechtliche Grundlage in solchen Fällen ist. Oftmals verweisen sie an höherrangige oder spezialisierte Stellen in der Bildungsadministration. Aber auch dort wird von der Hälfte der Stellen keine positive Aussage zur Schulaufnahmemöglichkeit getroffen. Darüber hinaus verweisen viele Schulen darauf, dass es bürokratische oder technische Hindernisse gibt, so dass sie die Kinder nicht aufnehmen können. So sei eine Meldebestätigung „definitiv“ erforderlich und ohne sie eine computertechnische Erfassung nicht möglich. „Bei einigen Reaktionen klangen Vorbehalte gegenüber Zuwanderung durch“, so Dita Vogel. „Eine Antwort lautete: ‚Man kann ja nicht einfach in eine Schule reinwandern.‘ Das klingt nicht danach, als ob für jedes Kind eine Lösung gesucht wird.“

    Zum Schluss haben die Bremer Wissenschaftlerinnen konkrete Handlungsempfehlungen entwickelt, wie eine verbesserte Informationspolitik die Situation für beide Seiten entlasten kann:

    • Ein Zusatz in den Landesschulgesetzen, dass alle Kinder unabhängig vom Aufenthaltsstatus einen Anspruch auf Einschulung haben, stellt das Schulrecht von papierlosen Kindern unmissverständlich klar.
    • Wenn Daten nicht gemeldet werden müssen, dürfen diese auch nicht weitergegeben werden.
    • Schulleitungen müssen auch bei schwierigen Fällen auf Einschulungsanfragen reagieren und sich um passende Wege kümmern. Dazu müssen die Schulbehörden und Ministerien Verfahren bereitstellen.
    • Das Schulpersonal sollte die Botschaft, dass jedes Kind zur Schule gehen kann, auch an Eltern in prekären Situationen vermitteln.

    Pressestelle der Universität Bremen, 29.10.2015

  • Smartphone-Nutzung von Kindern und Jugendlichen

    csm_Teaser_Always_on_0560d46b4c64 Prozent der 8- bis 14-Jährigen können über das Handy bzw. Smartphone auf das Internet zugreifen. Bei den 13- und 14-Jährigen sind es bereits 86 Prozent. Zahlen, die verdeutlichen, wie präsent mobile (Online-)Kommunikation für Kinder und Jugendliche geworden ist. Was bedeuten diese Zahlen für die Lebenswelt von Heranwachsenden? Wie wird das Smartphone im Alltag genutzt? Welche Potenziale und Gefahren stecken dahinter? Wie wirkt sich die digitale Kommunikation auf das Miteinander im Freundeskreis und in der Familie aus? Diesen und weiteren Fragen sind Forscher der Universität Mannheim im Auftrag der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) nachgegangen. Die Ergebnisse der neuen LfM-Studie „Mediatisierung mobil. Handy- und mobile Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen“ präsentierten die Wissenschaftler am 1. Oktober 2015 im Rahmen der Fachtagung „Always On! Wie Kinder und Jugendliche Smartphones nutzen“ in Düsseldorf.

    Hinsichtlich der Bindung zu ihrem Mobiltelefon zeigen sich bei den befragten Kindern und Jugendlichen erkennbare Unterschiede. Prof. Dr. Peter Vorderer: „Viele sind in der Lage, auch längere Zeit ohne das Handy oder Smartphone auszukommen. Etwa 21 Prozent der Kinder und Jugendlichen weisen jedoch eine sehr starke Bindung auf.“ Dies äußere sich unter anderem dadurch, dass sie „ständig an das Mobiltelefon denken, es auf neue Nachrichten überprüfen oder zum unspezifischen Zeitvertreib nutzen.“ Acht Prozent von ihnen seien so stark involviert, dass sie „als suchtgefährdet bezeichnet werden müssen“.

    Die hohe Smartphone-Nutzung hat deutliche Auswirkungen auf die Beziehung zu Gleichaltrigen: Als positive Effekte für Freundschaften untereinander nennen die Wissenschaftler z. B. das gemeinsame Anschauen von Fotos und Videos oder das gemeinsame Handyspielen. Allem voran kommt dem Handy aber eine herausragende Bedeutung als Kommunikationsmittel zu, das die Bindungen untereinander stärkt, so Dr. Dorothée Hefner. Hier liegt aber auch die Schattenseite der vermehrten Handynutzung: Cybermobbing, Sexting und Happy Slapping (körperlicher Angriff, der gefilmt und über das Internet veröffentlicht wird) sind dabei Verhaltensweisen mit besonders weitreichenden Folgen für die Heranwachsenden. Etwa zehn Prozent haben Cybermobbing bereits als Täter oder Opfer erlebt, zwischen vier und sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen haben bereits Happy Slapping erfahren oder sexualisierte Fotos von sich verschickt. Auffällig ist laut Dr. Karin Knop auch die Angst, etwas zu verpassen und aus dem Kommunikationsfluss ausgeschlossen zu sein (Fear of missing out, FoMO): „Dies ist der stärkste Erklärungsfaktor für unkontrollierte, exzessive und risikobetonte Handynutzung. Wenn Kinder und Jugendliche zusätzlich einen hohen Anpassungsdruck an ihren Freundeskreis verspüren und dieser Freundeskreis eine ‚Always-on‘-Mentalität lebt, lassen sie sich besonders stark durch ihr Handy ablenken.“

    Handys und mobiles Internet bringen im familiären Alltag einerseits viele Erleichterungen. Der größte Vorteil ist die vereinfachte Kommunikation und Alltagsorganisation. Im alltäglichen Familienleben kommt es andererseits aber auch zu Reibungspunkten. So ist vor allem das zeitliche Ausmaß des kindlichen Handykonsums Grund für Konflikte. Aktive Handyerziehung, die über Restriktionen und Regelungen hinausgeht, wird offenbar auch dadurch erschwert, dass das Handy vorrangig ein mobil und individuell genutztes Medium mit kleiner Bildschirmgröße und privatem Charakter ist, und sich deshalb dem unmittelbaren Einfluss der Eltern entzieht.

    Die Studie bietet zahlreiche Impulse und Anknüpfungspunkte für Eltern und die pädagogische Arbeit. Zwar besitzen Kinder und Jugendliche bei der Handhabung von Geräten und Apps oft einen Wissens- bzw. Bedienungsvorsprung vor Eltern und Lehrkräften, aber, so LfM-Direktor Dr. Jürgen Brautmeier: „Die Studie zeigt, dass es beim Großteil dessen, was mit dem Handy und mobilen Internet betrieben wird, um Kommunikation und menschliches Miteinander geht. Hier haben Erziehende wiederum einen Vorsprung, der sie dazu ermuntern sollte, mit Kindern und Jugendlichen über die Nutzung ins Gespräch zu kommen.“

    Bibliografische Informationen: Knop, Karin; Hefner, Dorothée; Schmitt, Stefanie; Vorderer, Peter: Mediatisierung mobil. Handy- und Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen. Leipzig (Vistas), 2015. Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), Band 77. ISBN 978-3-89158-616-7.

    Eine Zusammenfassung der Studie und weitere Informationen finden Sie hier.

    Pressestelle der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen

  • Glücksspielmarkt

    Fotos©Forschungsstelle Glücksspiel/Uni Hohenheim
    Fotos©Forschungsstelle Glücksspiel/Uni Hohenheim

    Für den Verbraucher sind sie kaum zu erkennen: Illegale Lotterien, Sportwetten und Casinospiele im Internet gedeihen prächtig und sind sehr lukrativ. Nun hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof das Glücksspielkollegium, die oberste Glücksspielaufsicht der Länder, für verfassungswidrig erklärt. Mit dem Urteil stünde die derzeitige Form der Regulierung des Glücksspielmarktes nun vor dem Aus, meint Prof. Dr. Tilman Becker, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim.

    „Der Glücksspielstaatsvertrag von 2012 sah zwar erstmalig ein koordiniertes Vorgehen der Bundesländer gegen illegale Anbieter vor, doch das funktionierte leider nicht. Die staatliche Regulierung ist weitestgehend gescheitert, die verantwortlichen Behörden erscheinen machtlos. De facto existiert in Deutschland ein in weiten Bereichen nicht regulierter Glücksspielmarkt“, schildert der Experte die Lage. Er plädiert dafür, anstelle des Glücksspielkollegiums eine wesentlich effizientere Glücksspielkommission einzusetzen. Sie könnte wirkungsvoller Kontrollen ausüben und die Zahlungsströme zu illegalen Anbietern unterbinden: „Ziel ist es, die legalen Anbieter auf der einen Seite möglichst wenig einzuschränken, aber auf der anderen Seite möglichst viel für den Jugend- und Spielerschutz zu tun.“

    Derzeit wird bei Sportwetten mittlerweile fast der gesamte Umsatz durch nicht-legale Anbieter getätigt. „Diese bieten im Internet meist nicht nur Sportwetten, sondern auch die deutlich lukrativeren Online-Casinospiele an, die fast überall in Deutschland illegal sind“, berichtet Prof. Becker. „Die verantwortlichen Behörden erscheinen machtlos.“ Es bestünde offenbar ein strukturelles Vollzugsdefizit. Der Jugend- und Spielerschutz werde bei dem nicht-legalen Angebot kaum berücksichtigt. Es lohne sich für einen Anbieter, sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben zu halten, so Prof. Becker.

    Die einzelnen Glücksspielformen unterscheiden sich erheblich in Bezug auf ihr Suchtpotenzial. Am höchsten ist es bei Geldspielgeräten, Casinospielen und Sportwetten, am geringsten bei den traditionellen Lotterien. „Die Glücksspielaufsicht fordert bisher jedoch bei Lotterien die höchsten Standards für die Suchtprävention. Dadurch verschiebt sich das Angebot von den ungefährlicheren Spielen hin zu den gefährlichen“, umreißt Prof. Becker eines der Probleme. Online-Anbieter agieren außerdem in der Regel europaweit. Ordnungsrechtlich war bislang jedoch nur das jeweilige Bundesland zuständig. „Es stellt sich hier die Frage, ob eine föderale Struktur nicht grundsätzlich mit der Kontrolle und Überwachung dieser Anbieter überfordert ist“, gibt Prof. Becker zu bedenken. Die bisherige Situation sei für illegale Anbieter von erheblichem Vorteil. „Der Markt ist völlig unreguliert. Potenzielle Anbieter, die sich an die Gesetze halten wollen, werden vom Markt ferngehalten – und die eindeutig illegalen Angebote von Casinospielen anscheinend durch die Glücksspielaufsicht geduldet.“

    „Künftig kann der Glücksspielmarkt in Deutschland nur dann erfolgreich reguliert werden, wenn hierfür die institutionellen Voraussetzungen geschaffen werden“, meint Prof. Becker. Das bisherige Glücksspielkollegium mit einem einzigen Glücksspielreferenten aus jedem Bundesland, der daneben auch noch für andere Bereiche verantwortlich ist, sei zum Scheitern verurteilt gewesen. Prof. Becker schlägt als Abhilfe eine Glücksspielkommission vor, wie sie in den meisten Ländern Europas als Aufsichtsbehörde dient. „In diesen Kommissionen sind bis zu mehrere hundert Mitarbeiter tätig. Sie arbeiten mit den Zahlungsdienstleistern eng zusammen. In Belgien ist die Glücksspielkommission sogar mit Polizeirechten ausgestattet.“ Um den Glückspielmarkt nicht wie bisher nur auf dem Papier, sondern tatsächlich sinnvoll zu regulieren, sei eine Expertise in den Bereichen Verbraucher, Wirtschaft und Recht notwendig. Diese müsse eine Glücksspielkommission vorweisen können. „Und nicht zuletzt ist auch die Infrastruktur für die Kontrolle der Anbieter und den Schutz der Spieler zu schaffen“, mahnt der Experte.

    Die Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim besteht seit 2004. Sie ist eine unabhängige universitäre Einrichtung, die keine privatwirtschaftlichen Ziele verfolgt. Weitere Informationen finden Sie hier.

    Pressestelle der Universität Hohenheim, 20.10.2015

  • Stationäre Rehabilitation bei Pathologischem Glücksspiel erfolgreich

    CoverDer Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe (buss) und die Grüsser-Sinopoli-Ambulanz für Spielsucht der Universitätsmedizin Mainz haben mit Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit das Forschungsprojekt „Katamnese-Erhebung zur stationären Rehabilitation bei Pathologischem Glücksspiel“ durchgeführt, um Effekte der stationären Behandlung von Patienten mit der Diagnose Pathologisches Glücksspiel genauer zu untersuchen.

    Die Wirksamkeit der stationären Reha bei Pathologischem Glücksspiel konnte in Deutschland bislang nur in eingeschränktem Umfang vertieft untersucht werden. Die hierzu verfügbaren Studien unterliegen häufig methodischen Schwächen, wie etwa einer eingeschränkten Operationalisierung von Behandlungszielkriterien (Endpunkten) oder Selektionseffekten auf Grund geringer Rückläuferquoten. Eine routinemäßige Wirksamkeitsüberprüfung im Rahmen der Standardkatamnese gemäß KDS (Deutscher Kerndatensatz) gestaltet sich zudem oft als schwierig, da die hierzu verfügbaren Fragen vor allem für den Bereich der Substanzabhängigkeit formuliert sind. Ziel des gemeinsamen Forschungsprojekts war die Entwicklung und Durchführung einer spezifischen Katamnese für Patienten mit der Diagnose Pathologisches Glücksspiel. Unter sorgfältiger Definition relevanter und gleichzeitig störungsspezifischer Endpunkte sollte eine möglichst objektive Quantifizierung der Effekte einer stationären Rehabilitation evaluiert werden. Zu diesem Zweck wurden innerhalb eines Jahres mittels eines multizentrischen Messwiederholungsdesigns mit drei Wellen (vor und nach der Therapie sowie ein Jahr nach Therapieende) Daten von 402 Patienten mit der Erstdiagnose Pathologisches Glücksspiel erhoben. Die erzielte Rücklaufquote zum Follow-up belief sich auf 67,7 Prozent.

    Die Ergebnisse verdeutlichen, dass 69 Prozent der Patienten im Follow-up nicht mehr die diagnostischen Kriterien des Pathologischen Glücksspiels erfüllen, obgleich die Abstinenzquoten (nach DGSS 1) mit 40,7 Prozent deutlich unter diesem Wert liegen. Hinsichtlich der sekundären Endpunkte erwies sich, dass bei allen Patienten nach der Therapie eine signifikante Verminderung der psychopathologischen Symptombelastung und des Cravings zu verzeichnen war. Sehr hohe Effektstärken im Follow-up waren hinsichtlich der Erhöhung des psychosozialen Funktionsniveaus zu beobachten. Die vor Therapieantritt erlebte psychosoziale Symptombelastung sagte teilweise den zu erwartenden Therapieerfolg voraus, ebenso wie der Persönlichkeitsfaktor Extraversion. Innerhalb der Gruppe der erfolgreich austherapierten Patienten zeigte sich zudem eine Nachreifung in den erhobenen Persönlichkeitsmerkmalen. Die Ergebnisse deuten auf eine insgesamt gute Therapierbarkeit des Pathologischen Glücksspiels durch die suchtspezifischen Therapiekonzepte der partizipierenden Kliniken hin. Vor dem Hintergrund, dass ca. ein Drittel der Patienten nach zwölf Monaten noch die Kriterien des Pathologischen Glücksspiels erfüllt, erscheint eine tiefergehende Charakterisierung dieser Klientel notwendig, um eine spezifische Adaption der bestehenden Therapiestrukturen im Indikationsfall realisieren und Rückfälle vermeiden zu können.

    Im Rahmen der nächsten Wissenschaftlichen Jahrestagung des buss  (16./17. März 2016) werden die Ergebnisse im Einzelnen vorgestellt und im Hinblick auf ihren Nutzen für die Weiterentwicklung der klinikinternen Therapiekonzepte diskutiert. Der Abschlussbericht zur Studie steht hier zum Download bereit.

    buss, 15.10.2015

  • Haaranalyse kein eindeutiger Beweis für Cannabiskonsum

    Foto©pe3check – Fotolia.com
    Foto©pe3check – Fotolia.com

    Bisher galt es als gesichert, dass zumindest der Nachweis spezifischer Abbauprodukte des Cannabis-Hauptwirkstoffs THC im Haar einen Konsum zweifelsfrei beweise. Forscher am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Freiburg um den Toxikologen Prof. Dr. Volker Auwärter zeigten nun durch experimentelle Arbeiten, dass dieser Schluss so nicht zulässig ist. Die Ergebnisse der Arbeit sind im renommierten Fachmagazin Scientific Reports der Nature Publishing Group erschienen.

    In der Freiburger Studie wurde nun gezeigt, dass eine Einlagerung von THC, das unter anderem für Abstinenzkontrollen im Rahmen von Fahreignungsüberprüfungen im Haar gemessen wird, bei Einnahme von THC nicht über den Blutkreislauf stattfindet. Auch ein Abbauprodukt von THC, das in Zweifelsfällen bisher zum eindeutigen Nachweis eines Konsums herangezogen wurde, kann über Schweiß und Hauttalg eines Konsumenten auf andere Personen übertragen werden. Um den experimentellen Beweis hierfür zu erbringen, führten zwei der Autoren einen einmonatigen Selbstversuch mit regelmäßiger Einnahme von Dronabinol (halbsynthetisch hergestelltem THC) und umfangreiche Messungen durch.

    „Die neuen Erkenntnisse sind insbesondere bei Analysen von Kinderhaarproben im Rahmen von Sorgerechtsfragen von Bedeutung, da eine Cannabinoid-Übertragung bei engem Körperkontakt besonders wahrscheinlich ist und zu völlig falschen Rückschlüssen führen kann“, sagt Prof. Auwärter. In Ländern, in denen bei Arbeitnehmern oder Bewerbern Drogenkontrollen durchgeführt werden, könne die Fehlinterpretation der Ergebnisse einer Haaranalyse zum Verlust des Arbeitsplatzes oder zum Ausschluss vom Bewerbungsverfahren führen, so der Experte.

    Bereits in früheren Studien konnten die Freiburger Forscher nachweisen, dass es zu einer von außen herbeigeführten THC-Kontamination der Haare durch Cannabisrauch von anderen Personen kommen kann, die auch nach zahlreichen Haarwäschen erhalten bleibt. Außerdem werden bereits durch das bloße Hantieren mit Cannabis relevante Mengen Cannabinoide auf das Haar übertragen. Die Originalarbeit „Finding cannabinoids in hair does not prove cannabis consumption“ (DOI: 10.1038/srep14906) finden Sie hier: http://www.nature.com/articles/srep14906 

    Pressestelle des Universitätsklinikums Freiburg, 07.10.2015

  • Alkoholwerbung verführt Jugendliche zum Komasaufen

    Foto©DAK
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    Alkoholwerbung im Fernsehen steigert das so genannte Komasaufen bei Kindern und Jugendlichen. Durch häufiges Sehen von TV-Werbespots über Bier oder Schnaps erhöht sich das Risiko für regelmäßiges Rauschtrinken bei Minderjährigen bis zu viermal. Das zeigt eine neue Studie der Krankenkasse DAK-Gesundheit und des Kieler Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) über die Wirkung von Alkoholwerbung.

    Für die repräsentative Langzeit-Untersuchung wurden 1.500 Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 16 Jahren über 30 Monate begleitet. Bei Studienbeginn hatten alle Schüler in ihrem Leben noch nie fünf oder mehr alkoholische Getränke bei einer Gelegenheit getrunken. Dieser Konsum gilt unter Fachleuten als Kriterium für „Binge Drinking“ (Rauschtrinken). Bei den Jugendlichen wurde untersucht, ob sie Alkoholwerbung wahrnehmen, und wie sich dies auf das Trinkverhalten auswirkt. Hauptergebnis der DAK-Studie: Die Wahrscheinlichkeit für riskanten Alkoholkonsum steigt mit dem Kontakt zu Alkoholwerbung deutlich an. Im Durchschnitt hatten die befragten Jugendlichen mehr als die Hälfte der präsentierten TV-Spots für Bier oder Schnaps schon einmal gesehen. „Bei den Schülern mit dem niedrigsten Alkoholwerbekontakt hatten 6,2 Prozent der Befragten mehr als fünf Rauscherlebnisse im Beobachtungszeitraum“, erklärt Professor Reiner Hanewinkel als Studienleiter des IFT-Nord. „Bei den Teilnehmern mit dem höchsten Werbekontakt lag die Rauschquote bei 24 Prozent und damit viermal so hoch.“

    Die Langzeituntersuchung bestätigt, dass riskanter Alkoholkonsum bei Jugendlichen in Deutschland ein weit verbreitetes Phänomen ist. Die Hälfte der teilnehmenden 1.500 Schüler berichtete über erstmaliges Rauschtrinken innerhalb der 30 Monate. Elf Prozent der weiblichen und 18 Prozent der männlichen Befragten berichteten über häufiges Rauschtrinken (mehr als fünfmal). Im Vergleich mit anderen Studien zum Thema Alkoholmissbrauch wurde mit dem 30-monatigen Untersuchungszeitraum eine relativ lange Beobachtungsphase gewählt. Ferner wurde als zentraler Ergebnisparameter das – klinisch wie gesellschaftlich besonders bedeutsame – häufige Rauschtrinken im Jugendalter gewählt.

    „Unsere Studie zeigt, dass Alkoholwerbung von Jugendlichen nicht nur wahrgenommen wird“, betont Ralf Kremer, Suchtexperte der DAK-Gesundheit. „Die Werbung kann vielmehr als unabhängiger Risikofaktor für die Initiierung des häufigen Rauschtrinkens im Jugendalter angesehen werden.“ Als Reaktion auf die Studienergebnisse plädieren DAK-Gesundheit und IFT-Nord für eine kombinierte Präventionsstrategie. Zum einen könnten Kinder, Jugendliche und deren Eltern bei einem kritischen Umgang mit Medien und Werbung unterstützt werden. Ferner sollten bestimmte Werbeverbote angestrebt werden. Vermutlich werde nur ein so genannter Policy-Mix aus beiden Ansätzen dazu führen, das Problem des häufigen jugendlichen Rauschtrinkens nachhaltig zu beeinflussen.

    Die Krankenkasse und das Kieler Institut betreiben unter dem Motto „bunt statt blau – Kunst gegen Komasaufen“ seit sechs Jahren eine Aufklärungskampagne zum Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen. An dem mehrfach ausgezeichneten Plakatwettbewerb unter Schirmherrschaft der Drogenbeauftragten der Bundesregierung haben sich bislang mehr als 72.500 Schüler im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren beteiligt. Weitere Informationen über die Kampagne unter www.dak.de/buntstattblau.

    Pressestelle der DAK, 06.10.2015