Kategorie: Kurzmeldungen

  • Wie geht es den Menschen in Deutschland?

    Seit 20. November ist das Webportal der Gesundheitsberichterstattung www.gbe.rki.de online. Die Plattform stellt Daten zur gesundheitlichen Lage der Bevölkerung in Form von Kennzahlen (Indikatoren) zur Verfügung, ergänzt durch ausgewählte Publikationen zum Thema. Die Indikatoren werden interaktiv dargestellt und textlich kurz eingeordnet.

    Der Fokus liegt auf nichtübertragbaren Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und psychischen Störungen. Weiterhin geht es um Einflussfaktoren auf die Gesundheit wie soziale Einflussfaktoren und das Gesundheitsverhalten. Darüber hinaus werden Rahmenbedingungen und die Versorgung in den Blick genommen.

    Das Portal ist thematisch aufgebaut, über den Menüpunkt „Themen“ sind alle Inhalte erreichbar. Neben dem thematischen Zugang ermöglicht der Menüpunkt „Indikatoren A-Z“ einen direkten Einstieg zu den Indikatoren, diese können nach Themen und Lebensphase gefiltert werden. Über den Menüpunkt „Publikationen“ erhalten Nutzende einen Zugang zu den Berichten der GBE, den Artikeln des „Journal of Health Monitoring“ und ausgewählten Fachartikeln.

    Im kommenden Jahr wird das Webportal ausgebaut und auch in englischer Sprache verfügbar sein.

    Pressestelle der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE), 20.11.2024

  • Der Film VENA

    Am 28. November ging der Film VENA in den deutschen Kinos an den Start. Jenny erwartet ungewollt ein Kind von ihrem geliebten Freund Bolle. Was für andere das größte Glück bedeutet, löst in Jenny ambivalente Gefühle aus. Sie und Bolle sind abhängig von Crystal Meth, außerdem ist Jenny mit der Justiz und dem Jugendamt aneinandergeraten. Als ihr die Familienhebamme Marla zugewiesen wird, reagiert Jenny zunächst wenig begeistert. Doch Marla verurteilt sie nicht und schafft es mit stoischer Geduld, ihr Vertrauen zu gewinnen. Je mehr Jenny Marla in ihr Leben lässt, desto mehr begreift sie, dass sie Verantwortung übernehmen muss – für sich selbst und das neue Leben, das in ihr heranwächst.

    Emma Nova als Jenny und Paul Wollin als Bolle zeigen den schweren Kampf des jungen Paares um Normalität für sich und das Ungeborene. Für ihr Baby und eine bessere Zukunft stellt sich Jenny mit Unterstützung der Familienhebamme (Friederike Becht als Marla) ihrer Sucht, muss aber trotzdem schwanger ihre Gefängnisstrafe antreten. Nach der Geburt in einem Justizsystem, das nicht auf Mütter ausgelegt ist, wird sie von ihrem Baby getrennt.

    VENA ist ein Film über die Notwendigkeit von Familienhilfe, von Hilfen für Frauen in Notlagen und über den notwendigen Schutz der Mutter-Kind-Bindung auch in belastenden Situationen. Das Filmgeschehen entfaltet das gesamte Dilemma, was es bedeutet, aus dysfunktionalen Strukturen ausbrechen und sich aus der Sucht befreien zu wollen, aber immer wieder durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zurückgeworfen zu werden.

    Nach ihrem eigenen, preisgekrönten Drehbuch gelang Chiara Fleischhacker eine Milieustudie voller Kraft, Hoffnung und Zärtlichkeit.

    Quelle: Deutsches Presseheft zum Filmstart

  • HIV-Zahlen zeigen Erfolge und Versorgungslücken

    Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland lag 2023 wieder ungefähr auf dem Niveau wie vor der Covid-19-Pandemie. Die geschätzten Zahlen liegen bei allen Übertragungswegen wieder höher als während der Corona-Jahre, die von Kontaktbeschränkungen und ausgedünnten Testangeboten geprägt waren. Das hat das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem Epidemiologischen Bulletin im Juli mitgeteilt.

    Der rückläufige Trend der Jahre zuvor hat sich demnach nur bei Männern, die Sex mit Männern haben, fortgesetzt. Die Zahl der HIV-Infektionen bei intravenös Drogen konsumierenden Menschen hingegen steigt seit 2010 kontinuierlich an. Eine leichte Steigerung gab es auch bei heterosexuellen Übertragungen, wobei die Schätzzahl laut RKI mit methodischen Unsicherheiten behaftet ist. Ob ein realer Anstieg dahinterstecke, müsse sich erst noch zeigen.

    „Die neuen Zahlen verweisen deutlich auf Stärken und Schwächen der deutschen HIV-Prävention. Wirksame Methoden gilt es nun zu verstärken, Lücken dringend zu schließen“, sagt Sven Warminsky vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe (DAH). „Die Erfolge bei schwulen Männern machen Mut, könnten aber noch größer sein. Der Anstieg bei Drogen konsumierenden Menschen ist besorgniserregend und verlangt dringend nach Antworten in der Prävention.“

    Drogenhilfe stärken

    Die Vergabe steriler Spritzen und Konsumutensilien ist die Grundlage für die Präventionserfolge in dieser Gruppe in den letzten 40 Jahren. In einer RKI-Studie gab jedoch kürzlich ein Drittel der befragten Drogenhilfeeinrichtungen an, nicht genug Geld für eine bedarfsgerechte Versorgung zu haben. Die Finanzierung der kommunalen Drogenhilfe, immer schon zu gering, geht weiter zurück.

    Mit Crack und dem Aufkommen von Fentanyl und anderen synthetischen Opioiden hat sich die Situation verschärft. Noch immer betreiben sieben Bundesländer keine Drogenkonsumräume, obwohl diese Todesfälle und Infektionen verhindern könnten. Deutlich mehr Opioidabhängige als bisher sollten mit Substitutionsbehandlungen versorgt werden, zugleich geht die Zahl der spezialisierten Ärzt:innen zurück.

    „Wir sehen, dass die Erfolge der letzten Jahrzehnte in Drogenbereich bereits bröckeln und immer mehr in Gefahr geraten. Wir brauchen in dieser besonderen Situation dringend einen beherzten Einsatz aller erprobten Mittel. Bund, Länder und Kommunen müssen dabei engagiert zusammenarbeiten“, sagt DAH-Vorstand Sven Warminsky.

    HIV-Prophylaxe PrEP ausbauen

    Laut RKI ist die medikamentöse HIV-Prophylaxe PrEP erfolgreich, erreicht aber noch lange nicht alle Menschen, die sich damit vor HIV schützen könnten. Bisher wird die so genannte Prä-Expositionsprophylaxe vor allem von schwulen Männern genutzt. Aber auch andere Menschen könnten davon profitieren. So ergab kürzlich beispielsweise eine Studie der Deutschen Aidshilfe, dass viele Sexarbeiterinnen wenig über die PrEP wissen, teilweise aber großes Interesse daran haben, wenn sie davon hören.

    „Bei der PrEP müssen wir zweigleisig fahren: Zum einen ist es wichtig, dass alle Menschen davon erfahren, für die PrEP in Frage kommt. Zum anderen ist die Versorgungsstruktur noch nicht stark genug. Wir brauchen mehr PrEP-verordnende Praxen, um lange Fahrwege und Wartezeiten zu vermeiden. Dafür müssen die Hürden für Ärzt:innen, die PrEP als Kassenleistung verordnen wollen, weiter gesenkt werden“, erklärt DAH-Vorstand Warminsky.

     HIV-Behandlung für alle

    Eine dramatische Versorgungslücke besteht weiterhin bei Menschen ohne Krankenversicherung beziehungsweise Aufenthaltspapiere. Sie haben oft keinen Zugang zur HIV-Therapie. Die Folge sind vermeidbare Aids-Erkrankungen und, da HIV ohne Therapie übertragbar bleibt, weitere HIV-Infektionen. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag eine Lösung versprochen, ist diese bisher aber schuldig geblieben. Auch das RKI betont, dass alle Menschen in Deutschland Zugang zur HIV-Behandlung erhalten sollten.

    Testangebote ausbauen

    Die Zahl der HIV-Diagnosen, die erst nach schweren Immunerkrankungen gestellt werden, ist mit einem Drittel der HIV-Neudiagnosen weiterhin zu hoch. Die Zahl der Menschen, die ohne ihr Wissen mit HIV leben, ist allerdings gesunken, sie liegt jetzt laut RKI bei etwa 8.200. Rund 92 Prozent der HIV-Infektionen in Deutschland sind bereits diagnostiziert, von den Diagnostizierten sind 99 Prozent in Behandlung, bei 96 Prozent der Behandelten ist die Therapie erfolgreich, HIV ist dann auch nicht mehr übertragbar.

    Insbesondere bei schwulen Männern haben spezifische Testangebote Erfolg gezeigt: HIV wird bei vielen früher diagnostiziert und behandelt. Dies schützt deren Gesundheit und verhindert weitere HIV-Übertragungen. „Dieses Erfolgsmodell sollte noch stärker auf andere Gruppen übertragen werden: Passgenaue, vertrauenswürdige Testangebote für spezielle Communitys sind ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg“, betont Sven Warminsky.

    Bei intravenös Drogen konsumierenden Menschen ist ein Ausbau dringend geboten: Dort steigt die Zahl der Spätdiagnosen. Die Studie zur sexuellen Gesundheit von Sexarbeiter:innen ergab, dass die Angebote des Öffentlichen Gesundheitsdienstes für diese Gruppe eine wichtige Rolle spielen, aber noch besser auf deren Bedürfnisse ausgerichtet werden sollten.

    Das Robert Koch-Institut betont außerdem, Einsende- und Selbsttestangebote sollten gestärkt werden. Die Deutsche Aidshilfe bietet seriöse Einsendetests unter dem Namen s.a.m health an. In den rund 70 Community-basierten Testeinrichtungen des Verbandes gehören sowohl klassische Tests auf HIV und Geschlechtskrankheiten als auch HIV-Selbsttests unter fachkundiger Anleitung zum Programm (Bericht).

    Pressestelle der Deutschen Aidshilfe, 11.7.2024

  • Weniger Erkrankungen und Todesfälle durch Alkohol

    Seit 2012 zeichnet sich ein rückläufiger Trend bei den alkoholbedingten Erkrankungen und Todesfällen ab, wie eine aktuelle Studie nahelegt. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Ludwig Kraus hat untersucht, wie sich die Anzahl der Erkrankungen und Todesfälle infolge von Alkohol in den Jahren 2000 bis 2021 entwickelt hat.

    Alkohol für eine Vielzahl an Erkrankungen und Todesfällen verantwortlich

    Die Forschenden haben verschiedene Datenquellen genutzt, die Informationen über die gesellschaftlichen Folgen des übermäßigen Alkoholkonsums liefern. Darunter waren Daten aus Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen. Denn Alkohol ist für eine ganze Reihe von Erkrankungen verantwortlich. Neben den offensichtlichen Erkrankungen wie einer Alkoholabhängigkeit oder einer durch Alkohol verursachten Leberzirrhose, ist Alkohol beispielsweise auch für Krebs, Herz-Kreislaufleiden oder neurologische Erkrankungen verantwortlich oder zumindest an deren Entstehung beteiligt.

    Im Ergebnis zeigt sich, dass die Behandlungen aufgrund von alkoholbedingten Erkrankungen bis etwa 2012 ansteigen, seitdem aber rückläufig sind. Bei den Todesfällen infolge von Alkohol gibt es von 2000 bis 2019 eine fast stetige Abnahme. Während der Corona-Jahre 2020 und 2021nahmen die Alkohol-Todesfälle zwar wieder leicht zu, blieben aber deutlich unter dem Niveau von 2000.

    Deutschland trotz Rückgang beim Alkoholkonsum unter den Top 10

    Dem liegt eine generelle Abnahme des Pro-Kopf-Konsums in den letzten Jahrzehnten zugrunde. Seit 1980 sank dieser Wert um 29 Prozent von 14,4 Liter Alkohol pro Kopf und Jahr bis auf 10,2 Liter im Jahr 2019. Nach Aussagen der Forschenden nehme damit die Rolle von Alkohol als führender Faktor bei vorzeitigen Todesfällen zwar ab, Deutschland sei aber immer noch ein Hochkonsumland und gehöre zu den zen Ländern weltweit mit den höchsten Alkoholkonsumraten. So hatte ein anderes deutsches Forschungsteam in einer 2020 publizierten Studie Alkohol als die viertschädlichste Droge eingestuft, nach Crack, Methamphetamin und Heroin.

    Kraus und sein Team mahnen, dass in Deutschland noch mehr dafür getan werden müsse, den schädlichen Alkoholkonsum einzudämmen. Dazu könnten die Preise für alkoholische Getränke angehoben oder die Werbung und die Verfügbarkeit für Alkohol eingeschränkt werden.

    Originalpublikation:
    Kraus, L, Möckl, J., Manthey, J., Rovira, P., Olderbak, S. & Rehm, J. (2024). Trends in alcohol-attributable morbidity and mortality in Germany from 2000 to 2021: A modelling study. Drug and Alcohol Review, https://doi.org/10.1111/dar.13928

    Quelle: https://www.drugcom.de/, 9.10.2024

  • Sprache verzerrt ChatGPT-Informationen bei bewaffneten Konflikten

    Wird ChatGPT auf Arabisch nach der Anzahl getöteter Zivilisten im Nahostkonflikt gefragt, gibt es deutlich höhere Opferzahlen an als bei derselben Frage auf Hebräisch, wie eine neue Studie der Universitäten Zürich und Konstanz zeigt. Diese systematischen Verzerrungen können Vorurteile in bewaffneten Konflikten verstärken und Informationsblasen befeuern.

    Millionen von Menschen kommunizieren täglich mit ChatGPT und anderen Large Language Models, etwa um Informationen zu erhalten. Doch wie werden die Antworten, welche die Sprachmodelle liefern, durch die Sprache der Suchanfrage beeinflusst? Macht es einen Unterschied, ob man dieselbe Frage auf Englisch oder Deutsch, Arabisch oder Hebräisch stellt? Christoph Steinert, Postdoc am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich (UZH), und Physiker Daniel Kazenwadel von der Universität Konstanz haben diese Frage systematisch untersucht.

    Informationen beeinflussen Verlauf bewaffneter Konflikte

    Gewählt haben die Forscher ein sowohl aktuelles wie auch heikles Thema: bewaffnete Auseinandersetzungen wie der Nahostkonflikt oder der türkisch-kurdische Konflikt. Sie haben ChatGPT in einem automatisierten Verfahren wiederholt die gleichen Fragen in unterschiedlichen Sprachen gestellt. So haben die Wissenschaftler sowohl auf Hebräisch als auch auf Arabisch wiederholt gefragt, wie viele Opfer es bei 50 zufallsbasiert ausgewählten Luftangriffen – etwa dem israelischen Luftangriff auf das Nuseirat Flüchtlingscamp am 21. August 2014 – gegeben habe.

    „Wir haben herausgefunden, dass ChatGPT systematisch höhere Opferzahlen angibt, wenn es auf Arabisch gefragt wird im Vergleich zu Hebräisch. Im Schnitt sind es 34 Prozent mehr“, sagt Steinert. Wird ChatGPT zu israelischen Luftangriffen in Gaza befragt, erwähnt es auf Arabisch im Durchschnitt doppelt so häufig zivile Opfer und sechsmal häufiger getötete Kinder als auf Hebräisch. Das gleiche Muster fanden die Forscher auch, wenn sie nach Luftangriffen der türkischen Regierung auf kurdische Gebiete fragten und diese Fragen sowohl auf Türkisch als auch auf Kurdisch stellten.

    „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“, lautet ein Kommentar, der dem US-Republikaner Hiram Johnson (1866-1945) zugeschrieben wird. Im Lauf der Geschichte haben selektive Informationspolitiken, Propaganda und Falschinformationen zahlreiche bewaffnete Konflikte beeinflusst. Was heutige kriegerische Auseinandersetzungen auszeichnet, ist die Verfügbarkeit einer noch nie dagewesenen Fülle von Informationsquellen – wie ChatGPT.

    Übertreibung in der einen, Beschönigung in der anderen Sprache

    Die Ergebnisse zeigen generell, dass ChatGPT höhere Opferzahlen angibt, wenn die Suchanfragen in der Sprache der angegriffenen Gruppe gestellt werden. Außerdem neigt ChatGPT dazu, in der Sprache der angegriffenen Gruppe über mehr getötete Kinder und Frauen zu berichten und die Luftangriffe eher als wahllos und willkürlich zu beschreiben. „Unsere Resultate zeigen gleichzeitig, dass die Luftangriffe in der Sprache des Aggressors von ChatGPT mit einer höheren Wahrscheinlichkeit bestritten werden“, ergänzt Steinert.

    Dies hat nach Ansicht der Forschenden weitreichende gesellschaftliche Implikationen: ChatGPT und andere Large Language Models spielen eine zunehmend zentrale Rolle in Prozessen der Informationsverbreitung. Implementiert in Suchmaschinen wie Google Gemini oder Microsoft Bing beeinflussen sie die Informationen, die man anhand von Suchanfragen zu den unterschiedlichsten Themen erhält, grundlegend.

    „Wenn Menschen mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen durch diese Technologien unterschiedliche Informationen erhalten, dann hat das einen zentralen Einfluss auf ihre Wahrnehmungen der Welt“, sagt Christoph Steinert. Solche Sprachbiases könnten dazu führen, dass Menschen in Israel auf Grundlage der Informationen, die sie von Large Language Models erhalten, die Luftangriffe auf Gaza als weniger verlustreich einschätzen als die arabischsprachige Bevölkerung.

    Vorurteile werden verstärkt, Informationsblasen befeuert

    Auch klassische Nachrichtenmedien können die Berichterstattung verzerren. Im Unterschied dazu sind aber die sprachbedingten systematischen Verzerrungen von Large Language Models für die meisten Anwenderinnen und Anwender schwer zu durchschauen. „Es besteht die Gefahr, dass die zunehmende Implementierung von Large Language Models in Suchmaschinen unterschiedliche Wahrnehmungen, Vorurteile und Informationsblasen entlang von Sprachgrenzen verstärkt“, sagt Steinert, was bewaffnete Auseinandersetzungen wie den Nahostkonflikt in Zukunft weiter befeuern könnte.

    Originalpublikation:
    Christoph Valentin Steinert, Daniel Kazenwadel. How user language affects conflict fatality estimates in ChatGPT. Journal of Peace Research. 4 November 2024. DOI: https://doi.org/10.1177/00223433241279381

    Pressestelle der Universität Zürich, 25.11.2024

  • Ausländerfeindlichkeit und antisemitische Einstellungen steigen auch im Westen Deutschlands

    „Vereint im Ressentiment. Autoritäre Dynamiken und rechtsextreme Einstellungen / Leipziger Autoritarismus Studie 2024“, erschienen im Psychosozial-Verlag

    Im Westen Deutschlands hat die Zustimmung zu ausländerfeindlichen Aussagen deutlich zugenommen und nähert sich damit den Einstellungen im Osten an. In den ostdeutschen Bundesländern ist die Zufriedenheit mit der Demokratie, wie sie in Deutschland gelebt wird, so gering wie zuletzt 2006. Das sind zentrale Ergebnisse der Leipziger Autoritarismus Studie 2024, die am 13. November unter dem Titel „Vereint im Ressentiment“ von Prof. Dr. Oliver Decker und Prof. Dr. Elmar Brähler vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig vorgestellt wurde. Die Studie entstand in Kooperation mit der Heinrich-Böll- und der Otto Brenner Stiftung.

    Seit Beginn der Studienreihe im Jahr 2002 ging die Zustimmung zu ausländerfeindlichen und chauvinistischen Aussagen im Westen zurück, während sie im Osten schwankte. Studienleiter Prof. Dr. Oliver Decker stellt fest: „Die Studie erfasst in diesem Jahr vor allem im Westen eine deutliche atmosphärische Verschiebung.“ Der Sozialpsychologe hat die Studie gemeinsam mit Prof. Dr. Elmar Brähler, Dr. Johannes Kiess und Dr. Ayline Heller veröffentlicht.

    Im Westen ist der Anteil mit einem geschlossen ausländerfeindlichen Weltbild von 12,6 Prozent (2022) auf 19,3 Prozent gestiegen. „Die Ausländerfeindlichkeit hat sich damit zu einem bundesweit geteilten Ressentiment entwickelt“, erklärt Co-Leiter Elmar Brähler. 31,1 Prozent der Befragten im Westen stimmten der Aussage zu, dass Deutschland durch „die vielen Ausländer überfremdet“ sei. Vor zwei Jahren waren es noch 22,7 Prozent. In den ostdeutschen Bundesländern ist die manifeste Zustimmung im selben Zeitraum von 38,4 auf 44,3 Prozent gestiegen. Ein geschlossen ausländerfeindliches Weltbild weisen mit 61 Prozent vor allem Wähler:innen der AfD auf.

    Leichte Trendumkehr bei den antisemitischen Einstellungen in Westdeutschland

    Von 2002 bis 2022 waren die im Westen Deutschlands gemessenen antisemitischen Einstellungen von 13,8 Prozent auf 3 Prozent gesunken. In diesem Jahr zeigt sich bei der manifesten Zustimmung zu antisemitischen Aussagen ein leichter Anstieg auf 4,6 Prozent. Im Osten sinkt die Anzahl der manifesten Antisemit:innen von 3 Prozent im Jahr 2022 auf 1,8 Prozent. Die latente Einstellung zu einzelnen Aussagen liegt höher. So stimmen nur 10,2 Prozent der Westdeutschen und 5 Prozent der Ostdeutschen ausdrücklich zu, dass Jüdinnen und Juden „auch heute noch“ zu viel Einfluss hätten.

    Erstmals wurden in diesem Jahr postkolonialer und antizionistischer Antisemitismus untersucht. „Vor dem Hintergrund des 7. Oktober 2023 wollten wir erfassen, wie antisemitische Einstellungen in linken Milieus geäußert werden können“, erklärt Co-Herausgeberin Dr. Ayline Heller. 13,2 Prozent stimmen voll und ganz zu, dass es besser wäre, „wenn die Juden den Nahen Osten verlassen würden“. Weitere 24 Prozent stimmen zudem latent zu. „Der Antisemitismus funktioniert als Brückenideologie, er verbindet linke und rechte Milieus“, sagt Co-Herausgeber Dr. Johannes Kiess.

    Rückgang der Zufriedenheit mit der Demokratie

    Die Zufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland nimmt ab. Zwar stimmen 90,4 Prozent aller Befragten der Demokratie als Idee zu (2022 waren es noch 94,3 Prozent). Die Zustimmung zur „Demokratie, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert“ findet aber nur noch bei 42,3 Prozent der Befragten Anklang. Vor allem im Osten lässt sich ein rapider Abstieg der Akzeptanz beobachten. Sprachen sich 2022 noch 53,5 Prozent für die Demokratie, wie sie in Deutschland funktioniert, aus, sind es in diesem Jahr nur noch 29,7 Prozent. Aber auch im Westen geben sich nur noch 46 Prozent mit dem Funktionieren der Staatsform zufrieden, gegenüber 58,8 Prozent im Jahr 2022. Auch das ist der geringste Wert seit 2006.

    Erstmals konnten die Teilnehmer:innen der Studie in diesem Jahr Gedanken zur Demokratie in Freitextfeldern teilen. Die Antworten thematisierten am häufigsten eine Verdrossenheit mit Parteien und Politiker:innen und fehlende Möglichkeiten der Partizipation.

    Antimoderne Ressentiments und die Flucht in den Autoritarismus

    Antimoderne Ressentiments geben durch die Abwertung „Fremder“ die Möglichkeit, autoritäre Aggressionen zu befriedigen. Dazu gehören neben Antisemitismus auch Muslimfeindschaft, Antiziganismus und Antifeminismus. Antiziganismus und Muslimfeindschaft sind im Westen seit 2022 angestiegen. Im Jahr der letzten Erhebung zeigten sich Westdeutsche nur zu einem Viertel bis einem Drittel bereit, Muslime abzuwerten. Heute ist es knapp die Hälfte, während sich das Bild im Osten kaum verändert hat. In diesem Jahr wurden neue Dimensionen wie Antiamerikanismus, Antikapitalismus und Transfeindlichkeit untersucht. Vor allem letztere ist weit verbreitet.

    Ausblick und gesellschaftliche Herausforderungen

    Die Studie verdeutlicht, dass viele Menschen die Zukunft als ungewiss empfinden. „Obwohl die Demokratie skeptisch betrachtet wird, ist unklar, ob der Wunsch nach autoritären oder extrem-rechten Lösungen länger andauert. Es zeigt sich aber eine Neigung zum Abschied von der Realität“, sagt Prof. Dr. Oliver Decker. „Diese Entwicklung ist nicht auf Ostdeutschland beschränkt“, ergänzt Brähler. „Auch in Westdeutschland zeigen sich Ressentiments nun offener.“

    Zur Methode

    Die Leipziger Autoritarismus Studie wird seit 2002 regelmäßig durchgeführt und erfasst die Einstellungen der Bevölkerung zu autoritären und demokratiefeindlichen Tendenzen. Befragt wurden für die repräsentative Stichprobe von Ende März bis Mitte Juni dieses Jahres 2.500 Menschen. Diese werden von den Interviewer:innen zuhause aufgesucht. Die Befragten bekommen den Fragebogen mit den politischen Einstellungsfragebögen ausgehändigt, füllen ihn selbst aus und übergeben diesen danach den Interviewer:innen – auf Wunsch auch in einem Umschlag. Mit diesem Vorgehen gelingt es, in etwas mehr als der Hälfte der angesteuerten Haushalte Personen zur Teilnahme an der Untersuchung zu gewinnen.

    Weitere Informationen, auch zur Methodik und zu den neuen Fragen der diesjährigen Erhebung, bietet auch das Interview mit Studienleiter Oliver Decker im Leipziger Universitätsmagazin: https://uni-l.de/autoritarismus-interview

    Die Leipziger Autoritarismus Studie 2024 ist unter dem Titel „Vereint im Ressentiment. Autoritäre Dynamiken und rechtsextreme Einstellungen“ im Psychosozial-Verlag erschienen.

    Pressestelle der Universität Leipzig, 13.11.2024

  • Die Schatten der Kindheit

    Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in einer aktuellen Analyse mit Daten der NAKO Gesundheitsstudie den Zusammenhang zwischen Kindheitstrauma und der Diagnosewahrscheinlichkeit ausgewählter Erkrankungen untersucht. Sie konnten zeigen, dass traumatische Erfahrungen im Kindesalter mit einem höheren Risiko für körperliche und psychische Erkrankungen im Erwachsenalter verbunden waren. Dieses Erkrankungsrisiko war bei jüngeren Menschen besonders stark ausgeprägt.

    Der Begriff „Kindheitstrauma“ umfasst verschiedene Arten von Missbrauch und Vernachlässigung in Kindheit und Jugend. Wie stark die Traumata mit Erkrankungen im Erwachsenenalter assoziiert sind, kann von verschiedenen Faktoren abhängen, wie zum Beispiel dem Alter, dem Geschlecht und der Art des Traumas, das erlebt wurde.

    Forschende unter Federführung der Universitätsmedizin Greifswald haben auf Basis der Daten von 156.807 teilnehmenden Erwachsenen der NAKO Gesundheitsstudie diese Zusammenhänge untersucht. Sie haben sich dabei auf Erkrankungen mit großer persönlicher Krankheitslast und gesellschaftlicher Relevanz fokussiert. Dazu gehörten Krebserkrankungen, Herzinfarkt, Schlaganfall, Typ-2-Diabetes, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Angsterkrankungen und Depression.

    Die Traumata wurden mittels eines standardisierten Fragebogens in fünf Kategorien erfasst: emotionaler, körperlicher und sexueller Missbrauch sowie emotionale und körperliche Vernachlässigung. Ein Drittel der Teilnehmenden mit Kindheitstraumata gab mehrere Trauma-Arten an, wobei die Kombination emotionaler und körperlicher Traumata am häufigsten geschildert wurde. Die Forschenden fanden heraus, dass Kindheitstraumata insgesamt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit verbunden waren, im Erwachsenenalter sowohl psychische als auch körperliche Krankheiten zu entwickeln. Dabei traten psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depression als Folge traumatischer Erlebnisse häufiger auf als körperliche. All diese Zusammenhänge waren bei jüngeren Erwachsenen besonders stark ausgeprägt, unabhängig von der Art des Kindheitstraumas.

    „Die Ergebnisse könnten darauf hinweisen, dass Kindheitstraumata umso stärker mit einer Diagnose assoziiert sind, je näher der Erkrankungsbeginn am Zeitpunkt der Traumatisierung liegt. So liegt das Erkrankungsalter bei einer Depression meist im frühen Erwachsenenalter“, sagt Dr. Johanna Klinger-König, Wissenschaftlerin der Universitätsmedizin Greifswald.

    Unterschiede zwischen den Geschlechtern wurden nur für einzelne Erkrankungen beobachtet. Frauen gaben bei den Erkrankungen als Erwachsene häufiger Krebs-, Angst- und Depressionsdiagnosen an. Männer berichteten häufiger über Diagnosen von Herzinfarkt und Diabetes.

    !Kindheitstraumata sind individuelle Ereignisse, über die das Opfer wenig bis gar keine Kontrolle hat. Die Krankheiten, die im Erwachsenenalter in Verbindung mit den Kindheitstraumata auftreten können, sind eine schwere Belastung für die Betroffenen und die Gesellschaft. Daher ist es wichtig, Kindheitstraumata frühzeitig zu erkennen und gezielte Therapien sowie Präventionsmaßnahmen anzubieten“, sagt Professor Dr. Hans Jörgen Grabe, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Greifswald.

    Zukünftige Forschungsprojekte sollen auf weitere psychische Störungen und Krankheiten im psychiatrischen Bereich ausgeweitet werden. Dabei möchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insbesondere die Faktoren unter die Lupe nehmen, die die Zusammenhänge zwischen Traumata und Folgeerkrankungen beeinflussen.

    Originalpublikation:
    Klinger-König J, Erhardt A, Streit F, et al. Childhood trauma and somatic and mental illness in adulthood—findings of the NAKO health study. Deutsches Ärzteblatt international. 2024. http://doi.org/10.3238/arztebl.m2023.0225

    Pressestelle der NAKO e. V. / NAKO Gesundheitsstudie, 10.10.2024

  • 100 Jahre Verhaltenstherapie

    Die Verhaltenstherapie ist heute eine der am häufigsten angewandten Formen der Psychotherapie. Ihren Ursprung verdankt sie der amerikanischen Psychologin Mary Cover Jones, die 1924 eine wegweisende Fallstudie zur Behandlung von Ängsten veröffentlichte. Doch obwohl ihr Artikel die Grundlagen für ein heute global verbreitetes Therapieverfahren legte, blieb dieses Jubiläum 2024 fast unbeachtet, wie der Mannheimer Psychologe Prof. Dr. Georg. W. Alpers in seiner jüngsten Veröffentlichung darlegt.

    In ihrem allerersten Fall behandelte Mary Cover Jones vollkommen unkonventionell einen dreijährigen Jungen, der Angst vor Kaninchen und anderen pelzigen Tieren hatte. Mit ihrer innovativen Methode, die Sie aus Erkenntnissen der Lernpsychologie ableitete, gelang es ihr, das Kind Schritt für Schritt an den Umgang mit den Tieren zu gewöhnen und positive Assoziationen zu schaffen. 1924 veröffentlichte die US-amerikanische Psychologin die gut dokumentierte Fallstudie. Die Gewöhnung an Angst auslösende Reize – der Kern ihrer Methode – ist bis heute bei der Behandlung von Angst- und Zwangsstörungen sowie Suchterkrankungen und Essstörungen im Einsatz. Obwohl Mary Cover Jones ihrem Ansatz damals keinen Namen verlieh, kann sie als „Mutter“ der Verhaltenstherapie angesehen werden. An diese oft vergessene Pionierin erinnert Prof. Dr. Georg Alpers in seinem Aufsatz „Happy 100th Anniversary, Behavior Therapy!“, der im Oktober in der Zeitschrift „Behaviour Research and Therapy“ erschienen ist.

    „Mit ihrem Wissen aus der experimentellen Psychologie testete Mary Cover Jones gründlich die Vor- und Nachteile ihrer Behandlungsmethoden – Prinzipien, die bis heute gelten“, so der Autor. Verhaltenstherapie baut auf Erkenntnissen der Grundlagenwissenschaften auf und evaluiert wissenschaftlich ihre Ergebnisse. Neben der ersten dokumentierten Fallstudie des kleinen Peter führte Jones auch den ersten systematischen Vergleich verschiedener Verhaltensinterventionen an 70 Kindern durch, die in einer Anstalt lebten und zum Teil unter starken Ängsten litten. „Bei der Behandlung der Kinder agierte sie weise und mit methodischer Strenge“, so Alpers. Seit diesen Anfängen hat sich die Verhaltenstherapie weltweit etabliert: Fachzeitschriften wurden gegründet, Handbücher geschrieben und die Methode zum festen Bestandteil der universitären Ausbildung gemacht.

    In seinem Aufsatz geht Alpers auch der Frage nach, warum Mary Cover Jones heute kaum bekannt ist und das große Jubiläum fast übersehen wurde. Ein Grund dafür könnte sein, dass sie ihrer Methode keinen Namen gab und stattdessen auf die Verdienste ihrer Vorgänger verwies. Im Gegensatz zu Vertretern anderer psychotherapeutischer Ansätze, die oft die Verdienste der Begründer betonen, seien Verhaltenstherapeut:innen zudem weniger darauf bedacht, den Ruhm der Gründungsfiguren in den Vordergrund zu stellen. „Nichtdestotrotz sind wir dankbar für die intellektuelle Anregung, die uns die Arbeit von Mary Cover Jones bereitet hat. Wir sind zudem beeindruckt, wie viele verschiedene Richtungen die Reise der Verhaltenstherapie in den letzten 100 Jahren eingeschlagen hat“, stellt der Autor abschließend fest.

    Originalpublikation:
    Alpers, G.W. (2024). Happy 100th Anniversary, Behavior Therapy! Behaviour Research and Therapy: doi.org/10.1016/j.brat.2024.104642 

    Pressestelle der Universität Mannheim, 12.11.2024

  • 5. Bundesweiter Aktionstag Suchtberatung am 14. November 2024

    Rund 57 Milliarden Euro volkswirtschaftliche Kosten entstehen in Deutschland jährlich durch die Folgen von Alkoholkonsum. Der Tabakkonsum schlägt sogar mit rund 97 Milliarden Euro zu Buche. Belastet werden nicht nur das Gesundheitswesen und die Sozialkassen, sondern auch private Haushalte, Arbeitgeber, Familien und Sozialräume. Trotz der extremen gesellschaftlichen Kosten, die aus dem Abhängigkeits- und Schädigungspotenzial von alkoholischen Getränken und Tabakerzeugnissen erwachsen, werden Hersteller und Händler nicht an den enormen Kosten beteiligt, die durch den Gebrauch ihrer Produkte entstehen. Daher fordert die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) anlässlich des bundesweiten Aktionstags Suchtberatung, der am 14. November stattfindet, eine zweckgebundene Abgabe auf alle legalen Suchtmittel und Glücksspielangebote. Die Abgabe soll uneingeschränkt für die Vorbeugung, Behandlung und Erforschung von Abhängigkeitserkrankungen und anderen Konsumfolgen zur Verfügung stehen.

    Am Aktionstag Suchtberatung beteiligen sich Suchtberatungsstellen in ganz Deutschland mit Veranstaltungen. Sie machen auf aktuelle Problemlagen vor Ort aufmerksam und informieren unter dem diesjährigen thematischen Schwerpunkt „Suchtberatung stärken – Gesundheit schützen“ über ihre vielfältigen Angebote und ihren gesellschaftlichen Stellenwert.

    Zweckgebundene Abgabe auf legale Suchtmittel zugunsten von Prävention, Behandlung und Erforschung von Suchterkrankungen

    Zahlreichen Suchtberatungsstellen in Deutschland fällt es zunehmend schwerer, ihre Angebote, die auch der Vorbeugung dienen, aufrechtzuerhalten. „Kern des Problems ist, dass die kommunal finanzierte Suchtberatung keine verbindliche und gesetzlich gesicherte Leistung ist. Daher brauchen wir die zweckgebundene Abgabe auf legale Suchtmittel wie Alkohol und Tabak. Das Aufkommen der Verbrauchsteuern – die von den Konsumierenden entrichtet werden – ist nicht geeignet, um für die gesellschaftlichen Folgekosten aufzukommen. Beispiel Alkohol: Hier stehen Einnahmen von rund 3 Milliarden Euro Verbrauchsteuern für alkoholische Getränke volkswirtschaftliche Folgekosten in Höhe von 57 Milliarden gegenüber. Diese Schieflage dürfen wir nicht länger hinnehmen. Die wirtschaftlichen Profiteure müssen in die Pflicht genommen werden!“, sagt Dr. Peter Raiser, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen.

    Im internationalen Vergleich sind die Steuern für Alkohol- und Nikotinprodukte in Deutschland besonders niedrig. Insbesondere Alkoholprodukte sind in den vergangenen Jahren preiswerter geworden. Zur Stärkung der Prävention hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) angemahnt, die Preise für Alkohol anzuheben.

    Christina Rummel, DHS Geschäftsführerin und Autorin des DHS Berichts zur Finanzierung der Suchtberatungsstellen in Deutschland: „Es ist eine Minute vor zwölf! Die Politik muss endlich handeln, und zwar kurzfristig. Die zweckgebundene Abgabe auf legale Suchtmittel brauchen wir besonders dringend zur finanziellen Unterstützung von Suchtberatungsstellen. Angesichts leerer Kassen kommt es aktuell zu Einschränkungen bei den Beratungsangeboten. Schließungen von Suchtberatungsstellen sind bereits erfolgt. Weitere Schließungen stehen bevor, wie eine aktuelle Umfrage der DHS zeigt. Das ist dramatisch. Nicht nur für Menschen mit Suchtproblemen, sondern für uns alle. Denn: Suchtberatungsstellen leisten einen wertvollen gesamtgesellschaftlichen Beitrag, unter anderem auch, indem sie die öffentlichen Kassen entlasten. Für jeden eingesetzten Euro spart die Suchtberatung rund 17 Euro an Folgekosten ein.“

    Burkhard Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, ist der Schirmherr des Aktionstags Suchtberatung: „Mindestens 8 Millionen suchtkranke Menschen, hinter dieser Zahl stehen Millionen individuelle Erfahrungen. Diese sind vielfach verknüpft mit Einsamkeit, Armut, Wohnungslosigkeit. Dazu sind es Millionen Angehörige und insbesondere die Kinder, die mitbetroffen sind. Hinzu kommen erhebliche neue Herausforderungen, etwa durch Kokain, Crack, synthetische Opioide und immer riskantere digitale Angebote. Daher müssen wir die Themen Sucht und Drogen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sehen und die Anstrengungen zur Sicherung von Prävention und Suchtberatung verstärken. Wir brauchen dringend einen politischen und gesellschaftlichen Konsens, der Prävention, Suchtberatung und Suchthilfe dauerhaft sicher- und nicht infrage stellt. Unverzichtbar sind neben der Arbeit in den Suchtberatungsstellen auch die niedrigschwelligen Hilfen wie Drogenkonsumräume, Kontakt- und Übernachtungsstellen. Über neue Wege der Finanzierung nachzudenken, ist dringend geboten. Ein Weiter-So geht einfach nicht. Wer jetzt bei Suchtberatung und den niedrigschwelligen Hilfen spart, der spielt ein unverantwortliches Spiel. Oder anders: der riskiert unnötig das Leben vieler Menschen.“

    Weitere Informationen zum Aktionstag Suchtberatung:
    www.aktionstag-suchtberatung.de
    #aktionstagsuchtberatung

    Download des kompletten DHS-Berichts zur Finanzierung der Suchtberatungsstellen in Deutschland auf der Website DHS.

    Pressemitteilung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 12.11.2024

  • Filmstart: THE OUTRUN

    Ronas Heimat sind die entlegenen Orkney-Inseln. Nach einem ausschweifenden Jahrzehnt in London, das geprägt war von Eskapismus und Alkohol, kehrt die junge Frau zurück. Es vermischen sich Kindheitserinnerungen und Erlebnisse aus der letzten, von Sucht geprägten Zeit. In der rauen Schönheit der Landschaft und der Begegnung mit der Natur erfährt Rona die Chance auf einen Neuanfang und auf Selbstermächtigung. Sie kämpft gegen ihr Verlangen nach Alkohol und um innere Freiheit. Der Film beschönigt nicht, verurteilt aber auch nicht – Ronas Geschichte ist ein Plädoyer für das Leben, die Suche nach sich selbst und den Mut, sich den eigenen Dämonen zu stellen.

    Grundlage des Films ist Amy Liptrots Buch „Nachtlichter“ (erschienen 2016), in dem sie ihre eigene Geschichte verarbeitet. In Deutschland wurde „Nachtlichter“ 2017 im btb Verlag veröffentlicht. Bei der Verfilmung führte Nora Fingscheidt Regie, die mit ihrem mehrfach ausgezeichneten Kinofilm SYSTEMSPRENGER (2019) bekannt geworden ist. Die Hauptrolle der Rona wird gespielt von Saoirse Ronan.

    THE OUTRUN feierte seine Weltpremiere auf dem Sundance Film Festival in Utah 2024 und der diesjährigen Berlinale. Am 5. Dezember startet THE OUTRUN bundesweit in den deutschen Kinos!

    Quelle: Deutsches Presseheft zum Filmstart