Kategorie: Kurzmeldungen

  • Was macht eine gute Führungskraft aus?

    Wodurch wird eine Führungskraft für verschiedene Personengruppen zu einer „guten“ Führungskraft? In einer Umfrage des Fachgebiets Unternehmensführung der Universität Osnabrück sollen Antworten gefunden werden. Teilnehmen kann jede Person, die arbeitet und eine direkte Führungskraft hat, unabhängig von Unternehmen, Branche und Jobbezeichnung.

    Die Umfrage findet sich unter: https://limesurvey.fh-muenster.de/index.php/235371?lang=de

    Im Zuge der demografischen Entwicklung in der Gesellschaft ändert sich auch die Altersstruktur in der Belegschaft eines Unternehmens. In der Regel steigt das Durchschnittsalter der Arbeitnehmenden, und es gehen mehr Mitarbeitende in den Ruhestand als junge Kräfte nachkommen. „Diese gesellschaftliche Entwicklung kann zu unbesetzten Stellen und einem Fachkräftemangel führen“, erklärt die Wirtschaftswissenschaftlerin an der Universität Osnabrück, Prof. Dr. Julia Müller. Laut aktuellen Befragungen des ifo Instituts spüren bereits 88 Prozent der deutschen Unternehmen den Fachkräftemangel mindestens in Teilen.

    Um entgegen diesem Trend weiterhin Fachkräfte zu beschäftigen, entsteht ein Wettkampf zwischen Arbeitgebern, neue Mitarbeitende zu gewinnen und bereits angestellte Personen zu halten. Ein entscheidender Faktor stellt die Arbeitsatmosphäre für die Fachkraft dar. Diese hängt maßgeblich von der Führungskraft ab. „Eine „gute“ Führungskraft kann (potenzielle) Mitarbeitende für sich gewinnen und an das Unternehmen binden. „Eine „schlechte“ Führungskraft dagegen ist für manche Mitarbeitende ein Kündigungsgrund und sorgt für einen schlechten Ruf unter Arbeitssuchenden“, erläutert Prof. Müller. Ergebnisse der Umfrage werden im kommenden Jahr vorliegen.

    Pressestelle der Universität Osnabrück, 27.8.2024

  • Frauen und Cannabis

    Eine Analyse von Daten Verstorbener zeigt: Im Vergleich zu Männern haben Frauen ein erhöhtes Risiko, an einer Herz-Kreislauferkrankung zu versterben, wenn sie stark kiffen.

    Die UK Biobank ist eine Kohortenstudie, die eine große Menge an Informationen zur Gesundheit der Teilnehmenden und ihrem Lebensstil sammelt. Einige der Teilnehmenden geben auch Auskunft zum Umfang des persönlichen Cannabiskonsums. Der französische Epidemiologe Alexandre Vallée hat die Daten genauer untersucht mit dem Ziel, Antworten auf die Frage zu bekommen, ob Kiffen bedeutsam zu Todesfällen infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beiträgt. Vallée konnte der Datenbank Informationen zu rund 121.000 Personen entnehmen, darunter 66.000 Frauen und 55.000 Männer. Bei der ersten Datenerhebung waren die Teilnehmenden im Schnitt 55 Jahre alt. Über rund zwölf Jahre wurden weitere Gesundheitsdaten sowie die Todesursache erfasst, wenn eine Person verstarb.

    Fast dreifach erhöhtes Risiko

    Der Einfluss von Cannabiskonsum auf die Gesundheit scheint den Analysen zufolge bei Männern und Frauen unterschiedlich zu sein. Während sich bei Männern Cannabiskonsum nicht bedeutsam auf die Lebenserwartung ausgewirkt hat, konnte Vallée für Frauen einen Zusammenhang zwischen starkem Cannabiskonsum und Sterblichkeit nachweisen: Im Vergleich zu abstinenten Frauen haben starke Kifferinnen ein 2,7-fach erhöhtes Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu versterben. Auch das Risiko, an Krebs zu versterben, war für Frauen größer, wenn sie stark kifften. In seiner Analyse hat Vallée auch weitere Risikofaktoren berücksichtigt, darunter Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht, Bildungsstand, Tabakrauchen, Alkoholkonsum und der Gebrauch von Antidepressiva.

    Cannabiswirkstoff THC als Risikofaktor für Gefäßerkrankungen

    Nach Einschätzung von Vallée sei es durchaus plausibel, dass Cannabis Herz-Kreislauf-Erkrankungen verschlimmern kann. So fördere der Wirkstoff THC Gefäßerkrankungen wie Atherosklerose. Dabei werden die Gefäße unelastisch. Durch Ablagerungen können sich die Gefäße schließlich verschließen und zu Herzinfarkt und Schlaganfällen führen.

    Warum Frauen stärker betroffen sind als Männer ist noch nicht geklärt. Denkbar sei laut Vallée, dass Geschlechtshormone eine Rolle spielen. Einschränkend muss aber erwähnt werden, dass nicht bekannt ist, wie viel Cannabis die Verstorbenen vor ihrem Tod konsumierten. Sie hatten lediglich bei der Erstbefragung Angaben zu ihrem Cannabiskonsum gemacht. Der Konsum wurde als stark bezeichnet, wenn die Person mehr als 100-mal im Leben gekifft oder dies zumindest eine Zeit lang täglich oder fast täglich praktiziert hat. Die Analyse von Vallée kann aber zumindest als Hinweis genommen werden, dass Cannabis sich ungünstig auf das Herz-Kreislaufsystem auswirkt, wie es auch andere Studien bereits nahelegen.

    Originalpublikation:
    Vallée, A. (2024). Heavy Lifetime Cannabis Use and Mortality by Sex. JAMA Network Open, 7(6), e2415227. http://dx.doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2024.15227

    Quelle: https://www.drugcom.de/, 10.7.2024

  • SINUS-Jugendstudie 2024

    Die qualitative Jugendstudie „Wie ticken Jugendliche?“ untersucht alle vier Jahre auf Basis von mehrstündigen Einzelexplorationen die Lebenswelten der 14- bis 17-Jährigen und berichtet über die aktuelle Verfassung der jungen Generation in den unterschiedlichen Lebenswelten. Die Studie ist im Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) als Buch zu bestellen (Band-Nr. 11133, 4,50 €, http://www.bpb.de/11133 ). (Anm. d. Red.: Ein kostenfreier Download wird angeboten, funktioniert aber nicht.)

    Die 14- bis 17-Jährigen sind besorgter denn je.

    Die Vielzahl von Krisen und Problemen wie Kriege, Energieknappheit, Inflation oder Klimawandel, die sich mitunter überlagern und verstärken, stimmt die Jugendlichen in ihrem Allgemeinbefinden ernster und besorgter denn je. Die Sorge um Umwelt und Klima, die schon in der Vorgängerstudie 2020 als virulent beschrieben wurde, wächst in der jungen Generation weiter an. Auch die Verunsicherung durch die schwer einzuschätzende Migrationsdynamik und die dadurch angestoßene Zunahme von Rassismus und Diskriminierung ist unter den Teenagern beträchtlich. Und nicht zuletzt ist für viele Jugendliche der Übergang ins Berufs- und Erwachsenenleben aufgrund der unkalkulierbaren gesellschaftlichen Entwicklungen angstbesetzt.

    Die Teenager haben ihren Optimismus und ihre Alltagszufriedenheit dennoch nicht verloren.

    Wie die aktuelle Studie zeigt, ist der für die junge Generation typische Optimismus noch nicht verloren gegangen. Viele bewahren sich eine (zweck)optimistische Grundhaltung und schauen für sich persönlich positiv in die Zukunft. Viele der befragten Jugendlichen haben „Copingstrategien“ entwickelt und wirken insgesamt resilient.

    Fast niemand ist unzufrieden mit dem eigenen Alltag – aber nur wenige sind enthusiastisch. Eine Rolle spielt dabei, dass die Befragten „seit sie denken können“ mit vielfältigen Krisen leben. Entsprechend wird ihr Optimismus nicht eingeschränkt durch die Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die es so für sie nie gab. Vielen geht es nach eigener Auskunft gut, weil ihre Grundbedürfnisse gedeckt sind und sie sich sozial gut eingebunden fühlen. Die Weltsicht der jungen Generation entspricht keineswegs dem Klischee der verwöhnten Jugend, sondern ist von Realismus und Bodenhaftung geprägt. Das zeigen auch die angestrebten Lebensentwürfe.

    Die „bürgerliche Normalbiografie“ ist immer noch Leitmotiv vieler Teenager.

    An der Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt und Geborgenheit und der hohen Wertschätzung von Familie hat sich nichts geändert. Dieses als „Regrounding“ bekannte Phänomen ist nach wie vor ein starker Trend. Der Aspekt des Bewahrenden und Nachhaltigen ist für viele Jugendliche sogar noch wichtiger geworden. Auch der Rückgang des einstmals jugendprägenden Hedonismus und der damit einhergehende Bedeutungsverlust jugendsubkultureller Stilisierungen hält an. Das zeigt sich auch im Streben nach der „Normalbiografie“ und in der Renaissance klassischer Tugenden. Was viele wollen, ist, einen Platz in der Mitte der Gesellschaft zu finden. Und wovon viele träumen, sind eine glückliche und feste Partnerschaft oder Ehe, Kinder, Haustiere, ein eigenes Haus oder eine Wohnung, ein guter Job und genug Geld für ein sorgenfreies Leben.

    Die Akzeptanz von Diversität nimmt zu. Die Jugendlichen sind „aware“, aber nicht „woke“.

    Im Wertespektrum der jungen Generation sind neben Sicherheit und Geborgenheit (Familie, Freunde, Treue) besonders soziale Werte wie Altruismus und Toleranz stark ausgeprägt. Auffällig ist, dass zunehmend deutlicher nicht nur die Toleranz in Bezug auf unterschiedliche Kulturen als Selbstverständlichkeit betont wird, sondern auch die Akzeptanz pluralisierter Lebensformen und Rollenbilder (Diversität). Neu gegenüber den Vorgängerstudien ist, dass die Jugendlichen besonders stark für die Gender-Gerechtigkeit sensibilisiert sind. Die meisten Befragten zeigen sich demonstrativ offen dafür, wenn (vor allem junge) Menschen ihr Geschlecht non-binär definieren. Zudem sind sich die Jugendlichen fortdauernder Geschlechterstereotype und Rollenerwartungen bewusst.

    Die Sensibilität für Diskriminierung ist groß.

    Die aktuellen politischen Krisen (wie Krieg oder Inflation) werden von den Jugendlichen registriert, emotional stärker treiben sie allerdings Probleme wie Klimawandel und Diskriminierung um. Gerade Diskriminierung gehört für viele zum Alltag, insbesondere in der Schule. Unabhängig von Schultyp und Herkunft haben die meisten Jugendlichen Diskriminierung schon selbst erlebt oder im unmittelbaren Umfeld beobachtet. Die Institution Schule vermag dem Problem oftmals nicht beizukommen.

    Die Jugendlichen sind sehr sensibel für strukturelle Ungleichheiten. Sie beobachten und kritisieren offene oder verdeckte Diskriminierung. Demokratische Bildung und Praxis scheint in den Schulen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Viele Jugendliche sehen Schule nicht als Ort, wo sie Mitbestimmung lernen und wirklich gehört werden. Nicht wenige der Befragten sprechen spontan die Ungleichheit der Bildungschancen an: Sie nehmen wahr, dass vor allem die soziale Lage über den Bildungserfolg mitentscheidet und sehen besonders migrantische Familien im Nachteil.

    Das politische Interesse und Engagement der Jugendlichen ist limitiert.

    Die Jugendlichen haben ein Bewusstsein für soziale Ungleichheit, zeigen aber kein gesteigertes Interesse an diesem Thema. Dasselbe trifft auf das Thema Politik generell zu. Eine gestiegene Politisierung der Jugendlichen im Vergleich zur letzten Erhebung 2020 ist nicht festzustellen. Eher hat Politik – trotz der allgegenwärtigen Krisen – einen geringen Stellenwert in ihrem Leben.

    Das Bewusstsein für politische Themen wird vor allem durch deren mediale Präsenz beeinflusst, aber selten fühlt man sich persönlich betroffen (Ausnahme: Klimakrise, Diskriminierung). Krisen aktivieren einen Teil der Jugendlichen, wenn auch nur kurzfristig (z. B. Gespräche mit Vertrauten, Info-Recherchen) und führen kaum zu langfristigem politischem Engagement. Der andere Teil der Jugendlichen tendiert zur Verdrängung, weil er sich kognitiv oder emotional überfordert fühlt.

    Hauptgründe für die Distanz zu politischen Themen und Beteiligungsformen sind die gefühlte Einflusslosigkeit und die als gering empfundene persönliche Kompetenz. Die Mehrheit der Jugendlichen befürwortet das Wahlrecht ab 16 Jahren. Einige fühlen sich aber nicht ausreichend dafür vorbereitet.

    Jugendliche wollen gehört und ernstgenommen werden, aber nicht alle wollen mitgestalten.

    Die Mehrzahl der Jugendlichen, quer durch alle Lebenswelten, möchte mitreden und Gehör finden – ob in der Familie, im (Sport)Verein, in der Jugendgruppe oder der religiösen Gemeinschaft. Was aber Mitbestimmung und Mitgestaltung angeht, sind die Einschätzungen kontrovers und, insbesondere hinsichtlich der angenommenen Erfolgschancen, stark lebensweltlich geprägt. Barriere Nr. 1, an der Mitsprache und Mitgestaltung der jungen Generation oft scheitern, sind „die Erwachsenen“, von denen sich viele Jugendliche nicht ernstgenommen und respektiert fühlen.

    Awareness für Fake News und die negativen Folgen des Social Media-Konsums

    Ein Leben ohne Social Media (insbesondere TikTok, Instagram und YouTube) ist für die meisten Jugendlichen nur schwer vorstellbar. Soziale Medien werden zum Zeitvertreib, zur Inspiration für Lifestyle-Themen und zum Socializing genutzt – aber auch als Tool, um Themen und Dinge, die Sinn im Leben geben, (besser) kennenzulernen und zu verfolgen.

    Soziale Medien sind für die meisten Teenager die bei weitem wichtigste Informationsquelle. Dies gilt auch für politische Nachrichten, die meist zufällig – sozusagen als „Beifang“ – rezipiert werden. Vorteile der Informationsaufbereitung in den sozialen Medien sind aus Sicht der Jugendlichen ihre Aktualität, ihre gute Verständlichkeit (Prägnanz) und ihr Unterhaltungswert. Dagegen stehen die Nachteile zweifelhafter Glaubwürdigkeit und die verbreiteten Fake News.

    Die Gefahr, Falschinformationen, Übertreibungen und manipuliertem Content ausgesetzt zu sein oder sich in Filterblasen zu bewegen, ist den befragten Jugendlichen bewusst. Die meisten gehen davon aus, Fake News zu erkennen, vor allem mittels „gesundem Menschenverstand“. Sind Jugendliche mit Fake News konfrontiert, werden diese meist ignoriert. Aktive Recherchen zur Glaubwürdigkeit oder Richtigkeit von Beiträgen, Nachrichten oder Meldungen kommen eher selten vor.

    Die Auswirkungen des Social Media-Konsums auf das eigene Befinden und die (psychische) Gesundheit sehen viele der befragten Jugendlichen durchaus kritisch. Viele haben das Gefühl, zu viel Zeit in den sozialen Medien zu verbringen, was ihnen – wie sie glauben – nicht guttut: „verplemperte Lebenszeit“, Reizüberflutung, Suchtverhalten und Stress auch durch den Vergleich geschönter Darstellungen im Internet mit der eigenen (körperlichen und sozialen) Realität.

    Auch wenn vieles in den sozialen Medien nicht hinterfragt bzw. unkritisch konsumiert wird, zeigt sich in der jugendlichen Zielgruppe ein wachsendes Unbehagen. Viele (v. a. bildungsnahe) Jugendliche versuchen inzwischen, ihre Social Media-Nutzung zu begrenzen bzw. aktiv zu steuern: Handy ausschalten, bestimmte Apps löschen, problematische Aspekte mit Nahestehenden besprechen.

    Trotz des DigitalPakts Schule bleibt die Digitalisierung von Schulen uneinheitlich und wird von vielen Jugendlichen als unzureichend empfunden. Jugendliche wünschen sich oft mehr Engagement von Lehrkräften, wenn es um die Integration digitaler Elemente im Unterricht geht. Oftmals haben sie das Gefühl, die Lehrkräfte seien gegenüber digitalen Möglichkeiten nicht genug aufgeschlossen.

    Sport als „Droge gegen Stress“

    Auch Sport und Bewegung dienen Jugendlichen, um dem Alltagsstress entgegenzuwirken und Probleme zu vergessen. Auf die Nachfrage, welche Rolle Sport und Bewegung für das eigene Wohlbefinden spielt, berichten die meisten – unabhängig von Geschlecht, Bildung und Lebenswelt – von einem „guten Gefühl“, das sich sowohl während als auch nach dem Sport einstellt. Zudem steht das Motiv der Vergemeinschaftung im Fokus: Sport- und Bewegungsstätten sind für Jugendliche wichtige Orte der Begegnung und des Zusammenkommens. Aber: Viele beklagen, dass es ihnen an öffentlichen Bewegungsorten fehlt.

    Studiendesign

    Die vorliegende Studie ist eine qualitativ-empirische Bestandsaufnahme der soziokulturellen Verfassung der jungen Generation. Unterschiedlichste Aspekte der jugendlichen Alltags- und Lebenswirklichkeit (Schule, Gesundheit, Sport, Politik etc.) werden in der Publikation nicht nur beschrieben, sondern mittels einer Vielzahl persönlicher Zeugnisse der Jugendlichen illustriert. Wie in den Vorgängerstudien greift das SINUS-Institut hierbei auf ein breites methodisches Spektrum zurück: Neben den Analysen der explorativen Interviews enthält der Forschungsbericht zahlreiche Bilddokumente wie Skizzen, Fotos und Collagen sowie eine Vielzahl von O-Tönen der befragten Jugendlichen, die authentische Einblicke quer durch alle jungen Lebenswelten liefern.

    Insgesamt wurden 72 qualitative Fallstudien mit Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren durchgeführt. Die Datenerhebung erfolgte deutschlandweit von Anfang Juni bis Ende September 2023. „Wie ticken Jugendliche?“ wurde im Auftrag folgender Studienpartner (in alphabetischer Reihenfolge) durchgeführt:

    • Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz
    • Bund der Deutschen Katholischen Jugend
    • Bundeszentrale für politische Bildung
    • Deutsche Kinder- und Jugendstiftung
    • DFL Stiftung

    Pressestelle der Bundeszentrale für politische Bildung, 12.6.2024

  • Online-Beratung bei Internetnutzungsstörung

    Vom 1. November 2019 bis 31. Oktober 2022 förderte der Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) Deutschland das Projekt „Onlinebasiertes Motivationsprogramm zur Reduktion des problematischen Medienkonsums und Förderung der Behandlungsmotivation bei Menschen mit Computerspielabhängigkeit und Internetsucht“ (OMPRIS). Die Ergebnisse waren positiv, sodass der Innovationsausschuss am 16. August 2024 den Beschluss gefasst hat, die im Projekt erzielten Erkenntnisse an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und verschiedene Fachverbände weiterzuleiten mit der Bitte um Prüfung einer möglichen Verwertung im Rahmen niedrigschwelliger Beratungsangebote.

    Zusammenfassung im Ergebnisbericht:

    Zielsetzung: Mit OMPRIS wurde erstmals eine innovative und kompakte, onlinebasierte Kurzzeit-Intervention entwickelt, die zur Reduktion des problematischen Medienkonsums und Förderung der Behandlungsmotivation bei Menschen mit Computerspielabhängigkeit und Internetsucht führen soll. Betroffene wurden also dort therapeutisch abgeholt, wo sie „süchtig“ waren – im Internet. Im Rahmen dieser Versorgungsforschungsstudie wurden die Annahme der Versorgungsform, die Effektivität der Intervention sowie die gesundheits-ökonomischen Faktoren methodisch hochwertig untersucht.

    Methodik: Kern der OMPRIS Versorgung bildete eine 4-wöchige telemedizinische Intervention mit bis zu zwei webcambasierten psychotherapeutischen Sitzungen pro Woche im 1:1 Setting zwischen Betroffenen mit INS [Internetnutzungsstörung] und Therapierenden sowie einer webcambasierten Sozialberatung. Die Wirksamkeit von OMPRIS wurde im Zuge einer qualitativ hochwertigen randomisierten, kontrollierten, prospektiven Studie (RCT) im Wartegruppendesign untersucht. In der Analyse wurde zudem für mögliche Störfaktoren (Schwere der Störung, psychische Komorbidität, Art der Internetstörung) kontrolliert.

    Primärer Outcome der OMPRIS-Studie war die Reduktion der Suchtsymptomatik gemessen mit der Skala zum Onlinesuchtverhalten bei Erwachsenen. Sekundäre Outcomes waren die Reduktion von psychischen Belastungen (Depressivität und Ängstlichkeit), die Steigerung der Veränderungsmotivation bzgl. der Mediennutzung und der Lebensqualität/-zufriedenheit sowie des globalen Funktionsniveaus. Explorativ sollte zudem untersucht werden, ob es prädiktive Faktoren gibt, die einen Erfolg der Intervention voraussagen.

    Ergebnisse: Insgesamt füllten vom 16. August 2020 bis zum 11. März 2022 3.007 Menschen einen standardisierten Screeningfragebogen zur Internetnutzung über die Projektplattform aus. Von diesen wurden insgesamt 180 Betroffene entweder in die Interventionsgruppe (n=89) oder die Wartegruppe (n=91) randomisiert. Damit konnten die notwendigen Rekrutierungszahlen übertroffen werden. Die abschließenden Analysen nach Abschluss der Studienrekrutierung zeigten eine statistische und klinische relevante Wirksamkeit der telemedizinischen OMPRIS Intervention. Betroffene mit INS zeigten im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikante Reduktion der Suchtsymptomatik, Mediennutzungszeiten, Depressivität und Ängstlichkeit sowie eine Steigerung der Veränderungsmotivation und Lebenszufriedenheit. Zudem konnten die gefundenen therapeutischen Effekte auch sechs Wochen und sechs Monate später noch gleichbleibend nachgewiesen werden, sodass von einem klinisch wirksamen Effekt auszugehen ist.

    Die therapeutische Effektstärke der Kurzzeitintervention bzgl. der Suchtsymptomreduktion lag mit d = 0.92 in einem relevanten Wirkungsbereich und ist damit mit vielen anderen analogen psychotherapeutischen Effektstärken vergleichbar. Zudem zeigte die Intervention eine erfreulich geringe Abbruchquote (9 %) und eine hohe Zufriedenheit bei den Betroffenen, was die exzellente Akzeptanz auf Seiten der Betroffenen belegt.

    Diskussion: Zusammenfassend belegt die OMPRIS Studie erstmals, dass die Behandlung von Betroffenen mit INS mittels einer telemedizinischen, webcambasierten Intervention wirksam ist und von den Betroffenen angenommen wird. Aus unserer Sicht ist die Integration in das kassenärztliche Versorgungssystem damit dringend zu empfehlen, um frühzeitig Menschen mit problematischem Internetnutzungsverhalten durch ein niedrigschwelliges und wohnortunabhängiges Therapieangebot zu versorgen und der Chronifizierung einer INS frühzeitig und schnell entgegenzuwirken. OMPRIS könnte somit in unterschiedlichen Phasen der kassenärztlichen Versorgung (z. B. prästationär als Motivationsförderung, poststationär als Nachsorge oder gar als alleinige Intervention) eingesetzt werden, um INS-Patienten wohnortunabhängig und zentral durch vorhandene universitäre INS-Spezialambulanzen versorgen zu lassen. OMPRIS schließt damit die bestehende Versorgungslücke für diese Patientengruppe. Perspektivisch könnte die OMPRIS Versorgungsstruktur auch auf artverwandte andere Störungsbilder angepasst und modifiziert werden.
    (Quelle: OMPRIS-Ergebnisbericht, S. 5 f.)

    Der vollständige Ergebnisbericht kann HIER heruntergeladen werden.

    Redaktion KONTUREN online, 22.8.2024

  • Wohnungslosigkeit: Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind alarmierend

    Die aktuelle Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes zeigt einen neuen Höchststand der Zahl untergebrachter wohnungsloser Menschen in Deutschland. Laut den neuesten Daten ist die Zahl der Menschen, die zum Stichtag 31. Januar 2024 entweder durch die Kommunen ordnungsrechtlich oder in Einrichtungen der freiverbandlichen Wohnungsnotfallhilfe untergebracht waren, gegenüber dem Vorjahr um +18 % auf 439.500 gestiegen. Dabei bildet diese Zahl nur einen Teil des Ausmaßes der Wohnungsnot ab. Nicht erfasst sind diejenigen, die in verdeckter Wohnungslosigkeit bei Familienmitgliedern, Freund:innen oder Bekannten unterkommen, sowie obdachlose Menschen, die ganz ohne Unterkunft auf der Straße leben. Auch Personen, die in Frauen- und Gewaltschutzhäusern unterkommen, ganzjährig in Wohnwagen, auf Campingplätzen oder auf Kleingartenparzellen leben oder auf eigene Kosten in Billigpensionen, Schlichthotels oder Monteurswohnungen wohnen, sind nicht enthalten. Sie alle sind wohnungslos, wenn ihnen kein mietrechtlich abgesicherter Wohnraum oder Wohneigentum zur Verfügung steht.

    Sabine Bösing, Geschäftsführerin der BAG W, macht deutlich: „Diese extrem hohe Zahl ist besorgniserregend. Wir dürfen nicht vergessen, dass hinter jeder Zahl ein persönliches Schicksal steckt – Menschen, die ihr Zuhause verloren haben und in große Not geraten sind.“

    In der Statistik machen Ukrainer:innen knapp ein Drittel (31 %) aller untergebrachten wohnungslosen Menschen aus. Paul Neupert, Referent der BAG W, ordnet die veröffentlichten Zahlen so ein: „Wir dürfen aber nicht der Mär der ‚problematischen Zuwanderung‘ als Grund für Wohnungsnot auf den Leim gehen. Das Problem liegt vielmehr darin, dass der Wohnungsmarkt seit langem nicht genug bezahlbaren und bedarfsgerechten Wohnraum bereitstellt, wo er benötigt wird. Viele Haushalte können sich die steigenden Mieten einfach nicht mehr leisten. Unter diesen Bedingungen finden deutsche wie nicht-deutsche Personen kaum noch eine eigene Wohnung und verharren lange in Notunterkünften. Es wäre aber fatal, diese Betroffenengruppen nun gegeneinander auszuspielen.“

    Der Anstieg der Zahl der Betroffenen von 372.000 im Jahr 2023 auf 439.500 im Jahr 2024 ist, wie schon im Vorjahr, auch das Ergebnis einer verbesserten Erfassung. Gleichwohl erhöht die steigende Zahl den Handlungsdruck auf die Regierung, den verabschiedeten Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit „Gemeinsam für ein Zuhause“ (NAP) schnell mit effektiven Maßnahmen in die Umsetzung zu bringen.

    „Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist nach wie vor extrem angespannt und führt dazu, dass immer mehr Menschen in Bedrängnis geraten“, so Susanne Hahmann, Vorsitzende der BAG W. „Wir appellieren an die Bundesregierung, vereinbarte Maßnahmen zur Überwindung der Wohnungslosigkeit zügig und direkt umzusetzen.“

    Die BAG W fordert deshalb:

    1. Wohnraum: Es braucht mehr bezahlbaren Wohnraum. Der Bestand an Sozialwohnungen muss deutlich erhöht werden. Sozialbindungen müssen dauerhaft gesichert sein. Um auch wohnungslosen Menschen die Chance auf eine Wohnung zu geben, braucht es in diesem Segment zudem angemessene Quoten für akut wohnungslose Menschen.
    2. Hilfen: Um den Weg von der Unterkunft oder der Straße in die eigene Wohnung zu ermöglichen, brauchen die Betroffenen einen niedrigschwelligen Zugang zum professionellen Hilfe- und Unterstützungssystem sowie passgenaue Hilfen. Der Rechtsanspruch gilt auch für Menschen in ordnungsrechtlichen Unterkünften und muss konsequent umgesetzt werden.
    3. Prävention: Jede Gemeinde oder Stadt, zumindest aber jeder Landkreis, sollte eine zentrale Fachstelle zur Verhinderung und Behebung von Wohnungslosigkeit haben. Zentrale Fachstellen helfen nachweislich, weitere Wohnungsverluste zu verhindern. Hierfür braucht es ein Förderprogramm zur Initiierung durch den Bund.
    4. Wohnkosten: Die Ausnahmen bei der Mietpreisbremse wie Kurzzeitvermietungen oder möblierte Vermietungen müssen beendet werden. Die Kappungsgrenze muss zudem auf 11 % reduziert werden, um den rasanten Mietanstieg in vielen Regionen abzumildern. Sie muss auch als Grenze für Indexmietverträge gelten.
    5. Schonfrist: Der Gesetzgeber muss klarstellen, dass bei einer Mietschuldenbefriedigung nicht nur die außerordentliche (fristlose) Kündigung, sondern auch die hilfsweise erklärte ordentliche (und fristgerechte) Kündigung des Mietverhältnisses geheilt ist. Wer seine Miete nachzahlt, darf seine Wohnung nicht verlieren.

    Weitere Forderungen der BAG W finden Sie unter https://www.bagw.de/de/nationale-strategie/globale-ziele.

    Pressestelle der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe BAG W, 15.7.2024

  • Familien in Wohnungsnot

    Ein landesweites Forschungsprojekt der Hochschule Esslingen hat die Situation von wohnungslosen Familienhaushalten betrachtet und fünf Handlungsempfehlungen aufgestellt.

    Das Statistische Bundesamt meldete im Jahr 2023, dass in Baden-Württemberg 76.510 wohnungslose Personen in Kommunen untergebracht wurden. In Zeiten von Inflation, Kriegen und nicht vorhandenem bezahlbarem Wohnraum sind immer häufiger Familienhaushalte von Wohnungslosigkeit betroffen. Dabei ist die Unterkunftssituation wohnungsloser Familien alarmierend: Knapp 60 Prozent leben bei Familienangehörigen, Partnern und Bekannten in prekären Mit-Wohnverhältnissen. Die zweite Wohnmöglichkeit sind Notunterkünfte bzw. eine ordnungsrechtliche Unterbringung, zu der alle Gemeinden verpflichtet sind. Die Hälfte der dort untergebrachten Personen sind unter 25 Jahre alt, Tendenz steigend.

    In einem Forschungsprojekt hat sich die Hochschule Esslingen seit Dezember 2021 mit „Familien in Wohnungslosigkeit“ beschäftigt und ein gleichnamiges Förderprogramm des baden-württembergischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration wissenschaftlich begleitet. Ziel der wissenschaftlichen Begleitung unter der Leitung von Professorin Dr.in Claudia Daigler ist es, Erkenntnisse zur Lebens- und Versorgungssituation von Familien in Wohnungslosigkeit zu gewinnen. Zudem möchten die Wissenschaftler:innen Aussagen dazu treffen, welche Impulse durch das Förderprogramm in verschiedenen Kommunen gegeben werden konnten.

    Was sind die Ergebnisse?

    Das Projektteam hat fünf Handlungsempfehlungen gegeben:

    1. Prävention ist sehr wichtig: Kommunen sollten sich verstärkt bemühen, Wohnraum zu erhalten und zu sichern.
    2. Niederschwellige Angebote werden benötigt – dazu gehören beispielsweise Sozialarbeiter:innen, die in Unterkünfte gehen.
    3. Die Wohnungsnotfall-Hilfe muss sich für die Zielgruppe Familien öffnen.
    4. Die Jugendhilfe ist bisher außen vor. Sie müsste gerade in Notunterkünften viel präsenter sein und niederschwelliger helfen.
    5. Die Nachhaltigkeit der Angebote muss gesichert sein. Dazu gehören eine besser ausgestattete Sozialplanung in den Kommunen ebenso wie mehr bezahlbarer Wohnraum.

    Wie sind die Wissenschaftler:innen vorgegangen?

    In dem 2,5 Jahre dauernden landesweiten Forschungsprojekt, das das Sozialministerium mit 115.000 Euro gefördert hat, haben die Wissenschaftler:innen mit 20 Kommunen zusammengearbeitet. Dazu gehören große Städte wie Stuttgart und Mannheim. Aber auch mittlere und kleine Städte waren dabei wie beispielsweise Kirchheim/Teck, Ostfildern, Ludwigsburg, Böblingen, Reutlingen, Tübingen und Offenburg.

    Die Professorin und ihr Team haben Gruppen-Interviews geführt, Fragebögen ausfüllen lassen, Austauschforen organisiert und zudem mit vielen Akteurinnen und Akteuren persönlich gesprochen. Im Projekt waren Studierende der Fakultät Soziale Arbeit, Bildung und Pflege der Hochschule Esslingen eingebunden. Zudem hat die studentische Mitarbeiterin Maja Mörgenthaler bei dem Projekt unterstützt.

    Welche Gründe gibt es für Wohnungslosigkeit von Familien?

    Die Gründe sind vielfältig: Trennung, Scheidung, Flucht, Arbeitslosigkeit und Krankheit gehören genauso dazu wie Verschuldung oder Eigenbedarfskündigungen.

    Prof. Christof Wolfmaier, Rektor der Hochschule Esslingen: „Es ist erschreckend, dass in unserem reichen Land so viele Familien in prekärer Situation leben und diese Lebenslage bisher so wenig betrachtet wird. Umso wichtiger ist es, dass wir als Hochschule Esslingen mit einer stark aufgestellten Fakultät Soziale Arbeit, Bildung und Pflege ein Förderprogramm wissenschaftlich begleiten. Mit unserer Forschung rücken wir das wichtige Thema Familien in Wohnungsnot ein großes Stück mehr in den Fokus der Öffentlichkeit.“

    Professorin Dr.in Claudia Daigler, Projektleiterin: „Mit unserer Forschung ist es uns gelungen, nicht nur wichtige Antworten zu erhalten und ein Förderprogramm auszuwerten. Sondern wir haben auch viele Akteurinnen und Akteure an einen Tisch bekommen. Denn für die Lösung des Problems sind gesamtheitliche Konzepte in den Kommunen notwendig. Dazu gehören eine politisch gestärkte, ausreichend ausgestattete Sozialplanung, die mit Stadt- und Bauplanung, mit Jugendhilfeplanung, Gesundheitswesen und Immobilienwirtschaft zusammenarbeitet.“

    Die Ergebnisse des Projekts wurden beim öffentlichen Fachtag „Familien in Wohnungsnot“ am 18. Juni , an der Hochschule Esslingen vorgestellt.

    Pressestelle der Hochschule Esslingen, 6.6.2024

  • Deutscher Suchtkongress – Einladung an Selbsthilfegruppen

    Der Deutsche Suchtkongress möchte die Beteiligung von Menschen mit einer Abhängigkeitsproblematik am Diskurs zum Thema Sucht erhöhen. Er lädt Betroffene deshalb ein, bei der diesjährigen Veranstaltung kostenlos die online übertragenen Hauptvorträge zu verfolgen, darüber zu diskutieren und die eigene Perspektive am dritten Kongresstag in die Podiumsdiskussion einzubringen. Der Deutsche Suchtkongress findet vom 23. bis 25. September in Köln statt.

    Details und Kontakt auf der Kongresswebsite

    Quelle: https://www.suchtkongress.org/

  • Wie Yoga beim Drogenausstieg helfen kann

    Neurobiologische Wirkung von Yoga kann helfen, Abhängigkeit zu überwinden. Foto©wayhome.studio – stock.adobe.com

    Tief einatmen, langsam ausatmen. Beim Yoga spielt nicht nur die Atmung eine wichtige Rolle. Es geht auch um das Einnehmen bestimmter Körperhaltungen, um meditative Übungen und andere Aspekte, die sowohl den Körper als auch den Geist ansprechen. Yoga habe daher Einfluss auf den Hirnstoffwechsel und könne beim Entzug von einer Drogenabhängigkeit helfen, erläutert der Forscher Nilkamal Singh in einem Fachartikel. Singh ist Professor am Institut für Yoga an der Manipur Universität in Indien.

    Wirkung von Yoga auf den Dopaminhaushalt

    Singhs Recherchen zufolge habe Yoga unter anderem einen neurobiologischen Effekt auf das Belohnungssystem. Der Hirnbotenstoff Dopamin ist in diesem Zusammenhang wichtig. Eine verstärkte Dopaminausschüttung erleben wir als angenehm, also als belohnend. Durch Drogenmissbrauch wird das Belohnungssystem jedoch unempfindlicher gegenüber der Wirkung von Dopamin. Die Folge ist, dass die Person immer mehr von der Droge konsumieren muss. Andere weniger belohnende Dinge werden unwichtiger. Bestimmte Yoga-Meditationsübungen können nun laut Singh dabei helfen, die Dopaminkonzentration im Gehirn wieder zu erhöhen.

    Studien zufolge würden auch Bereiche im Frontalhirn durch Yoga gestärkt. Das Frontalhirn gilt als Sitz höherer geistiger Funktionen wie Entscheiden oder Nachdenken. Diese Hirnregion ist dafür zuständig, dass wir uns vernünftig verhalten und den Verlockungen des Belohnungssystems trotzen.

    Yoga könnte Entzugssymptome lindern

    Kennzeichen einer Abhängigkeit sind vor allem Entzugssymptome. Diese können Stress auslösen, wobei bestimmte Hormone wie Cortisol ausgeschüttet werden. Eine Studie habe laut Singh nachweisen können, dass Yoga die Ausschüttung von Stresshormonen reduziert. Dabei spiele vor allem die Atemkontrolle beim Yoga eine Rolle. Diese aktiviere den Vagus-Nerv, der eine beruhigende Wirkung auf den Organismus hat.

    Auch die beim Yoga praktizierte Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper und die eigenen mentalen Vorgänge haben laut Singh einen positiven Effekt auf Sucht. Denn Sucht sei auch ein Problem mangelnder Impulskontrolle. Durch die verbesserte Wahrnehmung innerer Zustände hätten Betroffene die Chance, aufkommende Impulse wie beispielsweise den Wunsch nach Drogenkonsum besser in den Griff zu kriegen. Dieser Effekt sei im Rahmen von Studien bestätigt worden, in denen die Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz kam. Teilnehmende, die Yoga praktizierten, waren bei einer geistig anspruchsvollen Aufgabe besser als Kontrollpersonen in der Lage, Bereiche im Frontalhirn zu aktivieren, und haben sich weniger ablenken lassen.

    Wenige Studien zur Wirkung von Yoga bei Drogenabhängigen

    Studien zur Wirkung von Yoga seien aber bislang meist mit Menschen durchgeführt worden, die keine Abhängigkeitserkrankung haben sind, erklärt Singh. Ob Yoga Drogenabhängigen hilft, sei daher noch offen. Insgesamt würde die Studienlage laut Singh aber dafürsprechen. Gut untersucht ist hingegen, dass Sport generell den Drogenentzug unterstützt. Das kann für den einen Jogging und für die andere Yoga sein.

    Originalpublikation:
    Singh, N. (2024). Neurobiological basis for the application of yoga in drug addiction. Frontiers in Psychiatry, 15, 1373866. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2024.1373866

    Quelle: https://www.drugcom.de/, 3.7.2024

  • Aktionstag Suchtberatung am 14. November 2024

    Unter dem Motto „Suchtberatung stärken, Gesundheit schützen“ findet am 14. November 2024 der bundesweite Aktionstag Suchtberatung statt. Die DHS lädt Suchtberatungsstellen in ganz Deutschland herzlich ein, sich daran zu beteiligen. Ziel ist es, auf die Angebote der Suchtberatungsstellen aufmerksam zu machen sowie aktuelle Problemlagen und Herausforderungen zu thematisieren. Alle Infos rund um den Aktionstag Suchtberatung finden Sie auf der Website www.aktionstag-suchtberatung.de.

    Ideen für Aktionsformate liefert der Seitenbereich „Aktionsplanung“. Der Aktionsplaner ist aktuell noch in der Überarbeitung und steht demnächst zum Download zur Verfügung.

    Weiterführende Informationen rund um den Themenkomplex Suchtberatung finden Sie unter den „Materialien“. Dort können Sie auch das Logo und Sharepics zum Aktionstag Suchtberatung 2024 herunterladen.

    Pressemitteilung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 1.8.2024

  • Wenig Vertrauen in Dr. ChatGPT

    Menschen vertrauen medizinischen Ratschlägen weniger, wenn sie vermuten, dass eine künstliche Intelligenz an deren Erstellung beteiligt ist. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie Würzburger Psychologen.

    Früher haben die Menschen Dr. Google befragt, wenn sie wissen wollten, ob ihre Symptome für eine leichte Magenverstimmung sprechen oder doch für Krebs im Endstadium; heute wenden sich dafür zunehmend an ChatGPT. Mit der Folge, dass niedergelassene Mediziner sich über Patientinnen und Patienten beschweren, die mit fertigen Diagnosen aus dem Internet in die Sprechzimmer kommen und sich nur mit Mühe davon überzeugen lassen, dass sie nicht schwer erkrankt sind.

    Tatsächlich ist das Vertrauen in die medizinische Kompetenz einer künstlichen Intelligenz (KI) längst nicht so ausgeprägt, wie es den Anschein hat. Das ist zumindest das Ergebnis einer neuen Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht wurde.

    Ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber der KI

    Sie zeigt, dass Menschen medizinische Ratschläge als weniger zuverlässig und empathisch beurteilen, wann immer eine KI daran beteiligt war. Das war selbst dann der Fall, wenn die Studienteilnehmer annehmen konnten, dass ein Arzt oder eine Ärztin unter Zuhilfenahme einer KI diese Empfehlungen erstellt hatte. Konsequenterweise waren die Befragten bei KI-unterstützten Entscheidungen auch in geringerem Maße dazu bereit, diesen zu folgen – verglichen mit Ratschlägen, die ausschließlich auf ärztlicher Expertise basierten.

    Verantwortlich für diese Studie von Seiten der Julius-Maximilians-Universität (JMU) sind Moritz Reis und Professor Wilfried Kunde vom Lehrstuhl für Psychologie III. Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit Florian Reis von der Pfizer Pharma GmbH.

    „Das Setting unserer Studie ist angelehnt an eine Digital Health-Plattform, auf der Informationen zu medizinischen Fragestellungen eingeholt werden können – also ein Setting, welches mit der zunehmenden Digitalisierung an Relevanz dazugewinnen wird“, beschreiben die Autoren ihr Vorgehen.

    Keine Unterschiede in der Verständlichkeit

    Mehr als 2.000 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer erhielten im Rahmen des Experiments identische medizinische Ratschläge und sollten diese auf ihre Verlässlichkeit, Verständlichkeit und Empathie bewerten. Der einzige Unterschied: Während eine Gruppe die Information erhielt, diese Ratschläge stammten von einem Arzt beziehungsweise einer Ärztin, hieß es für die zweite Gruppe, ein KI-gestützter Chatbot sei dafür verantwortlich. Die dritte Gruppe wurde in dem Glauben gelassen, ein Arzt oder eine Ärztin habe die Empfehlung unter Zuhilfenahme einer KI erstellt.

    Die Ergebnisse sind eindeutig: Menschen vertrauen medizinischen Empfehlungen weniger, wenn sie vermuten, dass KI beteiligt ist. Das gilt auch dann, wenn sie glauben, dass ärztliches Personal daran mitgewirkt hat. Auch in der Kategorie „Empathie“ schneidet der ärztliche Rat besser ab als die beiden KI-Varianten. Einzig unter dem Aspekt der Verständlichkeit zeigen sich kaum Unterschiede zwischen den drei Gruppen. Anscheinend haben Menschen unter diesem Gesichtspunkt keine Vorbehalte gegen die Technik.

    Vertrauen ist wichtig für den Behandlungserfolg

    „Das ist ein wichtiger Befund, da Vertrauen in medizinische Diagnosen und Therapieempfehlungen bekanntermaßen ein sehr wichtiger Faktor für den Behandlungserfolg ist“, bewerten die Autoren das Studienergebnis. Gerade vor dem Hintergrund einer möglichen Entbürokratisierung und Entlastung des ärztlichen Arbeitsalltags durch eine Kooperation mit KI erhalten diese Erkenntnisse einen besonderen Stellenwert. Ihrer Ansicht nach bildet die Studie somit einen Startpunkt für eine detaillierte Erforschung der Bedingungen dafür, wie KI in Diagnostik und Therapie eingesetzt werden kann, ohne das Vertrauen und die Mitwirkung von Patientinnen und Patienten zu gefährden.

    Originalpublikation:
    Influence of believed AI involvement on the perception of digital medical advice. Moritz Reis, Florian Reis, Wilfried Kunde. DOI: 10.1038/s41591-024-03180-7

    Pressestelle der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 25.7.2024