Kategorie: Kurzmeldungen

  • DHS Jahrbuch Sucht 2024

    Was besagen aktuelle Daten zum Konsum von Cannabis und Tabak? Warum gibt es neue Empfehlungen zum Umgang mit Alkohol statt der bisherigen Grenzwerte? Wie hat sich die Zahl der Todesfälle durch den Konsum legaler und illegaler Drogen entwickelt? Welches sind die häufigsten Formen internetbezogener Verhaltenssüchte? Das am 24. April veröffentlichte DHS Jahrbuch Sucht 2024 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) bietet Antworten auf diese und zahlreiche weitere Fragen, bündelt Zahlen und Fakten und greift sucht- und drogenbezogene Themen der Zeit auf. In diesem Jahr liegt das DHS Jahrbuch Sucht erstmals als frei zugängliche Open Access Online-Publikation vor.

    Cannabis

    In den letzten drei Jahrzehnten zeigte sich ein insgesamt steigender Trend im Cannabiskonsum, auch des problematischen Gebrauchs. 4,5 Millionen erwachsene Deutsche (8,8 %) geben an, Cannabis in den letzten zwölf Monaten konsumiert zu haben. Männer tun dies etwas häufiger als Frauen. Sie sind auch nahezu doppelt so häufig von einem problematischen Cannabiskonsum (3,4 %) betroffen wie Frauen (1,6 %). Die Zahlen dazu stammen aus dem Jahr 2021. Problematischer Konsum ist beispielsweise gekennzeichnet durch Schwierigkeiten, den eigenen Konsum zu kontrollieren, zu beenden oder auch dadurch, dass bereits psychosoziale Folgen bemerkbar sind.

    Jungen konsumieren mehr als Mädchen

    9,3 % der Kinder und Jugendlichen zwischen zwölf und 25 Jahren geben an, im Lebenszeitraum bereits einmal Erfahrung mit Cannabis gemacht zu haben. Von den 12- bis 17-Jährigen hatten 7,6 % im letzten Jahr Cannabis konsumiert. In allen Altersgruppen konsumieren mehr Jungen als Mädchen Cannabis (Jahr 2021).

    Cannabiskonsum birgt Risiken

    Cannabiskonsum erhöht das Risiko für körperliche und vor allem für psychische Störungen. Er kann die Hirnleistung beeinträchtigen und die Fahrtüchtigkeit einschränken. Insbesondere für Kinder und Jugendliche kann Cannabis gefährlich werden. Ein frühes Einstiegsalter, intensiver Konsum und Co-Konsum von Tabak wurden als besondere Risikofaktoren identifiziert. Unter anderem sind Einbußen im Bildungserfolg (z. B. vorzeitige Schulabbrüche, seltener akademische Abschlüsse) als psychosoziale Risiken von häufigem Cannabiskonsum belegt. „Cannabis ist legal und hat Risiken. Diese Kernbotschaft ist für Kinder, Jugendliche und Erwachsene wichtig. Intensive Aufklärung und Prävention sind notwendig. Wir brauchen dafür viel mehr Ressourcen als bisher“, betont Prof. Dr. Eva Hoch, Autorin des Beitrags zu Cannabis im DHS Jahrbuch Sucht 2024 und Institutsleiterin des IFT München.

    Mehr cannabinoidbezogene Störungen

    Der Anteil an Betreuungen aufgrund von cannabinoidbezogenen Störungen im ambulanten Bereich der Suchthilfe hat sich seit der Jahrtausendwende verdreifacht. Im stationären Bereich kam es zu einer Verzehnfachung: Nach den alkoholbezogenen Störungen sind cannabinoidbezogene Störungen aktuell der zweithäufigste Anlass für den Zugang zu Suchthilfeangeboten (2022: ambulant: 18,5 %, stationär: 9,9 %).

    DHS fordert: Cannabisprävention ausbauen und Finanzierung sichern

    „In der Suchthilfe wurden parallel zu diesem Anstieg der Betreuungen zielgruppenspezifische Beratungs- und Behandlungsangebote entwickelt. Um diese auch flächendeckend und allen Hilfesuchenden anbieten zu können, braucht es einen Ausbau der örtlichen Suchthilfe“, fordert Dr. Peter Raiser, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). „Zwar gibt es gute Angebote zur Prävention des problematischen Cannabiskonsums. Es erscheint jedoch dringend erforderlich, auch diese deutlich auszubauen und weiterzuentwickeln. Um dem bestehenden und wahrscheinlich ansteigenden Bedarf der örtlichen Angebote der Suchtberatung, Frühintervention und Prävention gerecht werden zu können, muss es eine auskömmliche und nachhaltig gesicherte Finanzierung dieser Angebote geben.“

    Tabak

    Etwa ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland raucht. Der Anteil Rauchender beträgt bei Männern 38,2 % und bei Frauen 31,3 %. Das besagen aktuelle Ergebnisse der Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA-Studie) aus dem Jahr 2023. Mit 7 % ist der Anteil Rauchender bei Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren deutlich geringer als bei den Erwachsenen (Alkoholsurvey 2021, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung).

    Rauchverhalten: Tendenz fallend

    Tendenziell rauchen insgesamt weniger Erwachsene und Jugendliche. Allerdings fallen die Entwicklungen der letzten Jahre – je nach betrachteter Datenquelle – unterschiedlich aus. Dies hängt mit unterschiedlichen Erhebungsmethoden, Stichprobenziehungen und Befragungsinstrumenten der bundesweit repräsentativen Studien zur Verbreitung des Rauchens in der Bevölkerung zusammen. Insgesamt bilden die vorliegenden Studien das Rauchverhalten in Deutschland sehr gut ab. Es bedarf jedoch einer weiteren Beobachtung und Einordnung der Trends.

    Fertigzigaretten, Zigarren/Zigarillos, E-Zigaretten

    Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt aktuell bei 764 Zigaretten. Das ist der niedrigste Wert seit der Wiedervereinigung. Auch der Absatz von Feinschnitt und Zigarren/Zigarillos ist zurückgegangen. Der Pfeifentabak-Absatz hingegen stieg an: Er lag im Jahr 2023 bei 398 Tonnen. Höher lag der Absatz von Wasserpfeifentabak (728 Tonnen). 1,9 % der Personen ab einem Alter von 14 Jahren konsumieren E-Zigaretten (DEBRA Studie, 2023). Werden nur Jugendliche und junge Erwachsene betrachtet, liegt der prozentuale Anteil höher: Er beträgt aktuell 2,4 % bei den 14- bis 17-Jährigen und bei den 18- bis 24-Jährigen 3,5 %.

    DHS: Forderung nach effektiver Tabakprävention und Tabakkontrolle

    „Um den Tabakkonsum in Deutschland nachhaltig zu verringern, brauchen wir intensivierte Maßnahmen der Tabakprävention und eine wirksame Tabakkontrollpolitik“, fordert Christina Rummel, Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). „Im internationalen Vergleich zählt Deutschland immer noch zu den Schlusslichtern hinsichtlich der Bemühungen um effektive Tabakprävention und Tabakkontrolle. Platz 34 von 37 im Ländervergleich bei der Tabakkontrollskala ist beschämend. Wir kommen nicht weg von den hinteren Plätzen. Auch angesichts von gesamtwirtschaftlichen Kosten in Höhe von 97,2 Milliarden Euro, die Schätzungen zufolge pro Jahr auf das Rauchen zurückgehen, ist es ein wichtiges gesundheitspolitisches Ziel, den Tabakkonsum zu senken.“

    Klimaschutz ist Gesundheitsschutz

    Zudem hat die Produktions- und Konsumkette von Tabak starke negative Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima. Deshalb ist die Reduzierung des Tabakkonsums ein aktiver Beitrag zu Klima- und Umweltschutz. Die ökologischen Schäden entstehen vor allem in Niedrig- und Mitteleinkommensländern bei Tabakanbau und Tabaktrocknung, so das DHS Jahrbuch Sucht 2024.

    Alkohol

    Deutschland bleibt weiterhin ein Alkohol-Hochkonsumland: Durchschnittlich 10,6 Liter Reinalkohol konsumiert jede Person der Bevölkerung ab 15 Jahren. Damit liegt der Alkoholkonsum hierzulande zwei Liter über dem durchschnittlichen Konsum in den Ländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD, 2023).

    Alkoholkonsum ist gesundheitsschädlich

    Das Kuratorium und der Vorstand der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) haben im Herbst 2023 neue Empfehlungen zum Umgang mit Alkohol veröffentlicht. Diese wurden auf Grundlage des aktuellen Forschungsstands entwickelt. In der Praxis führen sie zu der Botschaft an alle Menschen: „Wenn Sie Alkohol trinken, reduzieren Sie Ihren Konsum, gleichgültig wie viel Sie trinken! Wenn Sie keinen Alkohol trinken, bleiben Sie dabei!“

    DHS: Weniger Alkohol ist besser

    „Wer keinen Alkohol (mehr) trinkt, ist klar im Vorteil. Körperliche und psychische Gewinne können sein: Weniger Infektionen, weniger Krebsrisiko, weniger Unfallrisiko, weniger Konflikte in sozialen Beziehungen, ein gesünderes Herz, besserer Schlaf, verbesserter Blutdruck“, erläutert Christina Rummel, Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen.

    Todesfälle durch Konsum legaler und illegaler Suchtmittel

    Bei Todesfällen in Folge von Suchtmittelkonsum stehen meist Konsumierende illegaler Drogen im Mittelpunkt. Nicht zuletzt, weil die Zahl der „Drogen- bzw. Rauschgifttoten“ in den letzten Jahren gestiegen ist.

    Mehr Rauschgifttote

    Im Jahr 2022 wurden 1.990 Rauschgifttote registriert. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einer Zunahme um 9 % (2021: 1.826). Zum Teil lässt sich dieser Anstieg dadurch erklären, dass ein Anteil an Personen aufgrund von Folgeerkrankungen einer langjährigen Drogenabhängigkeit verstirbt. Zu einer Verlängerung der Lebensdauer haben ganz entscheidend Maßnahmen der Harm Reduction beigetragen: Darunter niedrigschwellige Hilfen, medizinische Notfallversorgung oder die Naloxonmitgabe und Schulungen zur Anwendung.

    Viele Todesfälle durch Rauchen und Alkoholkonsum

    Insgesamt gibt die Zahl der Drogentoten nur einen Ausschnitt der Todesfälle aufgrund von Substanzkonsum wieder. Die Zahl der Tabak- und Alkoholtoten übersteigt die Zahl der Drogentoten um ein Vielfaches. Berichte über Todesfälle in Folge von Substanzkonsum sollten auch Alkohol und Tabak berücksichtigen. Rauchen ist in den Industrienationen das bedeutendste einzelne Gesundheitsrisiko und die führende Ursache vorzeitiger Sterblichkeit. In Deutschland steht der Tabakkonsum an erster Stelle der Risikofaktoren, die am meisten zu Tod und zu Behinderung (DALYs, disability adjusted life years) beitragen. Nach den Daten der Global Burden of Disease-Studie 2019 starben in Deutschland rund 144.000 Menschen an den Folgen des Rauchens.

    Alkoholbezogene Todesursachen

    Für das Jahr 2016 bezeichnete eine Arbeitsgruppe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Alkoholkonsum weltweit als einen von sieben führenden Risikofaktoren für Mortalität. Unter den 15- bis 49-jährigen Menschen wurde Alkoholkonsum weltweit als führender Risikofaktor bewertet. Die Auswertung der WHO-Arbeitsgruppe von Daten zu 23 alkoholbezogenen Todesursachen umfasste fünf Herz-Kreislauf-Krankheiten, sieben Krebserkrankungen, zwei weitere Erkrankungen innerer Organe, Diabetes, zwei Erkrankungen der Atemwege, eine Krankheit des Zentralnervensystems, eine Gruppe psychiatrischer Erkrankungen, vier Todesursachen durch Gewalt. In Deutschland starben an einer dieser ausschließlich auf Alkohol zurückzuführenden Todesursachen 19.000 Frauen und 43.000 Männer im Jahr 2016. Das waren 4,0 % aller Todesfälle unter Frauen und 9,9 % aller Todesfälle unter Männern.

    Internetbezogene Störungen

    Digitale Medien sind allgegenwärtig. Ihre Nutzung reicht von schulischen, universitären oder beruflichen Lern- und Weiterbildungsplattformen über vielzählige Einkaufsmöglichkeiten, Kommunikations-Apps, Streaming-Plattformen, Nachrichtenseiten bis hin zu Unterhaltungsangeboten jeglicher Art. Synchron zum Anstieg der Nutzung von digitalen Medien, die mittlerweile in vielen Bereichen einen eingebauten Spielcharakter aufweisen, ist auch ein Anstieg von onlinebezogenen Verhaltensabhängigkeiten zu beobachten. Die Online-Glücksspielstörung, die Online-Computerspielstörung, die Online-Pornografie-Nutzungsstörung, die Online-Shoppingstörung sowie die Soziale-Netzwerkseiten-Nutzungsstörung sind laut DHS Jahrbuch Sucht 2024 die häufigsten Formen der onlinebezogenen Verhaltensabhängigkeiten in Deutschland.

    Download DHS Jahrbuch Sucht 2024

    Das DHS Jahrbuch Sucht 2024 steht zum Download auf der DHS Website zur Verfügung: https://www.dhs.de/unsere-arbeit/dhs-jahrbuch-sucht. Die Printversion ist beim Verlag Pabst Science Publishers kostenpflichtig erhältlich: www.pabst-publishers.com.

    Pressestelle der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 24.4.2024

  • Patientenzeitung „SuchtGlocke“

    Titelseite der ersten Ausgabe aus dem Jahr 1984

    Vor 40 Jahren entstand am Fachkrankenhaus Vielbach, einer Reha-Klinik für alkoholkranke und sozial besonders benachteiligte Männer, die Patientenzeitung „SuchtGlocke“. Initiator war der Sozialpädagoge Joachim Jösch, der Anfang 1984, direkt nach seiner Diplom-Prüfung, die Stelle in Vielbach angetreten hatte.

    Er brachte mehrere Jahre Erfahrung als Redakteur einer Jugendzeitung mit und hatte die Idee, eine Schreibwerkstatt für und mit Rehabilitanden ins Leben zu rufen. Seine Kolleg:innen zweifelten am Interesse und der Schreibkompetenz der Patienten, doch der Chef gab sein OK.

    Der Einladung zum ersten Treffen folgten vier Patienten. Diese waren sehr interessiert daran, Erfahrungen aus ihrem von materieller und emotionaler Entbehrung sowie von Sucht geprägten Leben niederzuschreiben. Es wurden 14-tägige Treffen und das Vorlesen von mitgebrachten Texten vereinbart. Schon bald kam der Wunsch auf, Texte, Bilder oder Grafiken zeitungsartig zusammenzustellen und zur Lektüre für die Mitpatienten zu vervielfältigen. Schnell sprach man bei den Treffen der Teilnehmer des Schreibprojekts von „Redaktionssitzungen“.

    Joachim Jösch übernahm die Aufgabe, die Sitzungen zu leiten und Beiträge zu sammeln. Die erste Zeitung erschien im Dezember 1984. 100 Exemplare à 12 Seiten wurden mit dem Klinikkopierer „gedruckt“. Die Beiträge, einschließlich eines Gedichtes, waren überwiegend handgeschrieben, hinzu kamen kopierte und selbstgezeichnete Cartoons sowie eine Rätselseite. Bei den Mitpatienten, aber auch im Therapieteam, war die Resonanz überaus positiv. Und die Zeitungsmacher waren mächtig stolz.

    Nicht Klinik-, sondern Patientenzeitung – und ganz ohne Zensur

    36 Jahre später: Titelseite einer Ausgabe aus dem Jahr 2020

    In einem Namenswettbewerb wurde der Name SuchtGlocke (SG) für die Patientenzeitung gefunden. Dem Wunsch, unzensiert schreiben und veröffentlichen zu können, wurde von der Klinikleitung (unter Vorbehalt eines „Notfall-Vetos“) entsprochen. Außerdem sollten ausschließlich Beiträge von Patienten erscheinen.

    Joachim Jösch übernahm die Aufgabe, Redaktionsmitglieder und die, die es werden wollten, zu motivieren, zu ermutigen und zu unterstützen. Er koordinierte die Abläufe, kümmerte sich um das Layout und den Druck der Zeitung. Inhaltlich beschränkte er sich darauf, die Beiträge behutsam zu redigieren und Schreibfehler zu eliminieren, so dass eine Scham-Barriere hinsichtlich möglicher Schreibschwächen ausgeräumt wurde. Das Layout gestaltete ab 1985 bis zum Schluss der ehemalige Zivildienstleistende Frank Schmieder.

    In den Redaktionssitzungen wurde regelmäßig das Schreiben selbst thematisiert, z. B. „Wie finde ich einen Anfang“, oder es ging um Schreibblockaden. Damit auch Beiträge von Analphabeten Berücksichtigung finden konnten, schrieben Redaktions- oder Therapiegruppenmitglieder deren Geschichten auf. Schnell zeigten auch Patienten außerhalb der Redaktion und Ex-Patienten Interesse an einer Mitarbeit und reichten ebenfalls Beiträge ein. Ein ehemaliges Mitglied der SG-Redaktion, der in der Zeit nach seiner Reha zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war, sendete der Redaktion über mehrere Jahre Schilderungen aus seinem Haftalltag.

    Mit vorab kommunizierten Schwerpunktthemen wie z. B. „Leben wofür?“, „Einsamkeit“, „Brief an meinen Vater“, „Warum sich Abstinenz lohnt“ und „Sucht und Sexualität“ gelang es den Zeitungsmachern regelmäßig, viele ihrer Mitpatienten in das SG-Projekt einzubinden.

    Schon die dritte Ausgabe der SG wurde in einer Druckerei produziert, in Schwarzweiß mit farbigem Umschlag. Ab 2010 war Vierfarbdruck möglich, 48 Seiten wurden Standard. Die Auflage war zu diesem Zeitpunkt schon auf 5.000 Exemplare gestiegen. Grund hierfür waren ein bundesweit großes Interesse seitens der Suchthilfe und der Wohnungslosenhilfe sowie die Entscheidung, die SuchtGlocke allen ehemaligen Patienten kostenfrei zuzustellen – eine kreative Form der Abstinenzunterstützung, wie vielfach rückgemeldet wurde.

    Schreibwerkstatt und Zeitung fördern Therapie und Abstinenz

    Mit dem Wechsel von Joachim Jösch in den Ruhestand im März 2024 endet nach vier Jahrzehnten das deutschlandweit einmalige Schreibprojekt einer Suchtklinik. Zuletzt aktive und ehemalige Redaktionsmitglieder äußerten sich abschließend überaus positiv über das schreibgestützte Therapieangebot. Viele von ihnen hatten ein von Schicksalsschlägen und Sucht geprägtes Leben hinter sich. Das therapeutisch begleitete Schreiben habe es ihnen ermöglicht, sich viel Schmerzhaftes, teils Verdrängtes, von der Seele zu schreiben. In vielen Fällen habe ihnen das Schreiben den Anstoß dazu gegeben, sich in den Psychotherapie-Sitzungen vertiefend mit den entsprechenden Themen zu beschäftigen. Übereinstimmend haben alle beteiligten Patienten berichtet, wie ihre veröffentlichten Beiträge sie erstmals Stolz haben fühlen lassen. Ihre Mitarbeit in der SG-Redaktion habe ihr Selbstbewusstsein und ihr Selbstvertrauen deutlich wachsen lassen.

    Therapeutisch begleitetes Schreiben in der Suchttherapie besitzt das Potenzial, die Reha-Behandlung wirksam zu unterstützen. Dieses Potenzial lohnt es sich auszuschöpfen. Die positiven Vielbacher Projekterfahrungen laden zur Nachahmung – in vielfältiger Form – ein.

    Kontakt:

    Joachim Jösch
    joachim.joesch(at)t-online.de

    Redaktion KONTUREN, 22.4.2024

  • Krebsrisiko ansteigend

    Raucher:innen und Konsument:innen von E-Zigaretten teilen nicht nur eine Gewohnheit, sondern auch ähnliche, mit Krebs assoziierte Veränderungen an Zellen, so eine neue Studie von Wissenschaftler:innen der Universität Innsbruck und dem University College London (UCL), veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Cancer Research“.

    Dass der Konsum von Tabak negative gesundheitliche Folgen birgt, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Schätzungen zufolge verursachte er im Jahr 2019 weltweit 7,69 Millionen Todesfälle – Tendenz steigend. Auf der Suche nach Alternativen zur klassischen Zigarette steigen Menschen vermehrt auf (Einweg-)E-Zigaretten um. Besonders ausgeprägt ist der Anstieg des E-Zigaretten-Konsums Studien zufolge unter den 18- bis 24-Jährigen sowie bei aktiven Raucher:innen und Personen, die im letzten Jahr mit dem Rauchen aufgehört haben.

    Neue Einblicke in rauchbedingte Zellveränderungen

    Eine neue Studie des European Translational Oncology Prevention & Screening (EUTOPS) Institut, das 2020 in Kooperation von Land Tirol und Uni Innsbruck gegründet wurde, erforschte in Zusammenarbeit mit dem University College London (UCL), der Universität Bristol und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) die molekularen Auswirkungen von Tabak und E-Zigaretten auf das Epigenom verschiedener Zellen. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „Cancer Research“ veröffentlicht. Die Studie wurde mit Mitteln aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union, The Eve Appeal und Cancer Research UK unterstützt.

    Das Epigenom überlagert unser genetisches Material (DNA) wie eine Schicht aus Informationen. Stellt man sich die DNA als „Hardware“ eines Computers vor, so ist die Epigenetik ihre „Software“: Sie bestimmt wie, wo und wann die vom Computer verwendeten Programme ausgeführt werden. Das Epigenom kann sich im Laufe unseres Lebens durch eine Vielzahl genetischer und nichtgenetischer Faktoren verändern. Dazu gehören der Alterungsprozess, unsere Lebensweise und der Kontakt mit Chemikalien und anderen Umweltfaktoren.

    „Das Epigenom erlaubt uns einerseits einen Blick zurück und gibt Aufschluss darüber, wie unser Körper auf eine frühere Umwelteinwirkung reagiert hat. Andererseits kann die Erforschung des Epigenoms auch eine Vorhersage über künftige Gesundheit und Krankheit ermöglichen“, erklärt Studienautor Martin Widschwendter, Professor für Krebsprävention und Screening an der Universität Innsbruck und Leiter des EUTOPS-Instituts.

    DNA-Methylierung

    Eine häufig untersuchte Art von epigenetischen Veränderungen ist die sogenannte DNA-Methylierung. Dabei wird die Erbsubstanz durch die enzymatische Übertragung von Methylgruppen auf ausgewählte DNA-Basen modifiziert. Die Forscher:innen analysierten nun in mehr als 3.500 Proben, wie sich das Rauchen von klassischen und elektronischen Zigaretten auf die DNA-Methylierung in Zellen auswirkt, die dem Tabak direkt ausgesetzt sind (z. B. Zellen in der Mundhöhle) und auf solche, die ihm indirekt ausgesetzt sind (z. B. Gebärmutterhalszellen).

    Präzise Rauchgeschichte im Epigenom erkennbar

    Wie computergestützte Analysen der Proben zeigten, blieben durch das Rauchen hervorgerufene epigenetische Veränderungen in vielen Zellen jahrelang stabil. So konnten die Forscher:innen durch epigenetische Auswertung in Proben der Mundschleimhaut mit über 90 Prozent Genauigkeit sagen, ob eine Person aktuell raucht, früher geraucht hat oder niemals geraucht hat.

    Die Forscher:innen fanden zudem heraus, dass sogenannte Epithelzellen, die normalerweise Organe auskleiden und meist die Ursprungszellen für Krebs sind, im Mund von Raucher:innen ein „pro-karzinogenes“ Epigenom verursachen – das heißt, dass sie ähnliche Veränderungen aufweisen wie Krebszellen. Dieselben epigenetischen Veränderungen wurden auch in den Mundzellen von E-Zigaretten-Nutzer:innen mit einer sehr begrenzten Rauch-Vorgeschichte und bei Benutzer:innen von Schnupftabak (Snus) beobachtet. Anhand dieser Veränderungen konnte mit einer Genauigkeit von über 90 Prozent festgestellt werden, ob eine Person E-Zigaretten oder Snus konsumiert.

    E-Zigaretten nicht so harmlos wie angenommen?

    Es ist die erste Studie, die die epigenetischen Auswirkungen des Rauchens und des Konsums von E-Zigaretten auf verschiedene Zellen im Körper untersucht – inklusive der Zellen, die durch den Tabakkonsum häufig Krebs entwickeln, zum Beispiel Mundschleimhautzellen. Sie ist außerdem eine der ersten Studien, die sich der Untersuchung potenziell längerfristiger Gesundheitsfolgen des E-Zigarettenkonsums widmet.

    „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass E-Zigaretten und insbesondere deren Langzeitfolgen noch genauer geprüft werden müssen, bevor sie allgemein als ‚95 Prozent sicherer als Zigaretten‘ zur Raucherentwöhnung empfohlen werden. Während sie ein wichtiges Mittel zur Zigarettenentwöhnung darstellen können, ist es wichtig, ihre Risiken und potenzielle Verbindung zu langfristigen Gesundheitskonsequenzen zu erforschen“, erklärt Erstautorin Chiara Herzog, Molekularmedizinerin am EUTOPS-Institut. „Wir hoffen, dass diese Studie zu einer breiteren Diskussion beiträgt, warum es wichtig ist, sowohl Tabak- als auch den E-Zigarettenkonsum einzuschränken – insbesondere bei Jugendlichen und Menschen, die noch nie geraucht haben.“

    Implikationen für die Risikovorhersage

    In Zukunft wollen die Forscher:innen sich intensiver mit der Bewertung der langfristigen Gesundheitsrisiken von (E-)Zigaretten auseinandersetzen, indem sie untersuchen, wie die per Mundabstrich gewonnenen Ergebnisse zu epigenetischen Veränderungen dazu genutzt werden könnten, Personen mit dem höchsten Krebsrisiko zu identifizieren.

    „Veränderungen, die in Lungenkrebsgewebe beobachtet werden, können auch in Mundzellen von Raucher:innen festgestellt werden, die (noch) nicht selbst krebsartig sind. Wichtig ist, dass unsere Forschung darauf hinweist, dass Nutzer:innen von E-Zigaretten dieselben Veränderungen aufweisen und dass diese neuen Produkte möglicherweise nicht so harmlos sind, wie ursprünglich angenommen. Langfristige Studien über E-Zigaretten sind erforderlich“, betont Martin Widschwendter.

    Originalpublikation:
    DNA methylation changes in response to cigarette smoking are cell- and exposure-specific and indicate shared carcinogenic mechanisms with e-cigarette use. Herzog, C. Jones, A., Evans, I., Raut, J.R., Zikan, M., Cibula, D., Wong, A., Brenner, H., Richmond, R.C., and Widschwendter, M. Cancer Reseach 2024 DOI: https://doi.org/10.1158/0008-5472.CAN-23-2957

    Pressestelle der Universität Innsbruck, 20.3.2024

  • 150 Jahre Alida Schmidt-Stiftung

    Senatsempfang aus Anlass des 150-jährigen Bestehens der Alida Schmidt-Stiftung am 15.04.2024

    Ab April 2024 feiert die Alida Schmidt-Stiftung mit einer Reihe von Fachveranstaltungen ihr 150-jähriges Bestehen. Vorstandsvorsitzender Hans-Peter Strenge: „Wissen neu aufzunehmen, zu teilen und sich weiterzuentwickeln, liegt im Wesen der Alida Schmidt-Stiftung, die von einem Wohnstift mit 34 Wohnungen zu einem großen sozialwirtschaftlichen Unternehmen wurde.“ Nach dem gestrigen Senatsempfang und einem Fest für alle Mitarbeitenden (24. April) folgen drei Fachtage. Ausführliche Informationen hierzu im Veranstaltungsflyer.

    • 16. Mai 2024 im Fachkrankenhaus Hansenbarg in Hanstedt bei Buchholz: „Teilhabe statt Stigmatisierung von Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen“
    • 26. Juni 2024 in der Therapeutischen Gemeinschaft Jenfeld: „Stoffungebundene Süchte / Glücksspiel, Medien- und Internetsucht“
    • 27. August 2024 auf Einladung des Bereichs Kinder-, Jugend -und Eingliederungshilfe im Gemeindehaus der St. Michaeliskirche: „Bedarfsermittlung und -orientierung in den Hilfen für Familien / Wie kann gute Hilfe zur Erziehung gelingen?“

    Am 15. April vor 150 Jahren: Hamburger Senat genehmigt Statuten für Wohnstift

    Einen Überblick über die Stiftung und ihre Geschichte, dargestellt im Wechsel zwischen früheren Entwicklungen und der Praxis im Heute, bietet die Stiftungsbroschüre. Die Historikerin Dr. Kristina Vagt hat die Geschichte der Stiftung erforscht und für die Broschüre textlich aufbereitet. Dazu kommen aktuelle Text und Interviews.

    Errichtet wurde die Stiftung von der Hamburgerin Ida Schmidt im Gedenken an ihre früh verstorbenen Tochter Alida. Sie baute auch das Alida Schmidt-Wohnstift in der Bürgerweide 23 für bedürftige „Witwen und Jungfrauen“.

    Über Jahrzehnte betrieb die Stiftung ausschließlich das Wohnstift. Nach 1945 half sie durch neue Wohnheime z. B. für alleinstehende junge Frauen, Tbc-kranke Männer oder schwerbehinderte Ältere beim Wiederaufbau Hamburgs. In den 70erJahren wurden die Hilfeangebote professionalisiert und neue Aufgaben insbesondere in der Suchtkrankenhilfe kamen hinzu.

    Heute haben über 300 Seniorinnen und Senioren mit geringem Einkommen in einer der stiftungseigenen Seniorenwohnanlagen eine eigene Wohnung gemietet und erhalten Betreuungsleistungen. Darüber hinaus wohnen in 40 weiteren stiftungseigenen Wohnungen Mieterinnen und Mieter mit niedrigem Einkommen.

    Im Bereich Kinder-, Jugend- und Eingliederungshilfe betreut die Stiftung laufend stationär oder ambulant etwa 200 Familien mit ihren Kindern und junge Frauen mit psychischen Erkrankungen.

    Rund 1.700 Klienten und Klientinnen mit einer Abhängigkeit von Alkohol, Medikamenten und mit anderen Suchterkrankungen werden durch die Alida Schmidt-Stiftung in ihren Suchthilfeeinrichtungen jährlich unterstützt.

    Hans-Peter Strenge, Vorstandsvorsitzender: „Fast 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreuen diese Zielgruppen in den Facheinrichtungen und Wohnanlagen der Stiftung und bringen täglich ihre fachliche Kompetenz und ihr Engagement in die Stiftung ein. Dafür sagen wir DANKE an alle, die heute und früher in den Stiftungen wirk(t)en!“

    Quellen:
    • Pressemitteilung der Alida-Schmidt-Stiftung, 9.4.2024
    • Jubiläumsbroschüre: Alida Schmidt-Stiftung (Hg.), Vom Hamburger Wohnstift zum sozialwirtschaftlichen Unternehmen. Alida Schmidt-Stiftung 1874-2024, Hamburg 2024

  • Potente Wirkstoffe

    Täglich sterben weltweit tausende Menschen an der Überdosierung von Opioiden wie Fentanyl. Medikamente, die auf den Opioid-Rezeptor wirken, haben teils heftige Nebenwirkungen. Ein internationales Forschungsteam hat sich die molekularen Mechanismen dieser Wirkstoffe genauer angeschaut. Die Ergebnisse, die mit Beteiligung von Dr. Matthias Elgeti, Biophysiker der Universität Leipzig, in Kooperation mit Forschergruppen aus den USA und China entstanden sind, wurden im renommierten Wissenschaftsjournal „Nature“ veröffentlicht.

    Opioid-Rezeptoren sind von sehr großem pharmakologischem Interesse, denn Opioid-Wirkstoffe regulieren die Schmerzwahrnehmung. „Unsere Ergebnisse geben einen Einblick, wie ein Opioid-Rezeptor unterschiedliche Funktionen ausführen kann. Er ist in der Lage, Schmerzen zu mindern, aber auch die Verdauung oder die Atmung zu regulieren“, erklärt Dr. Elgeti, Co-Erstautor der Studie, vom Institut für Wirkstoffentwicklung der Medizinischen Fakultät.

    Der Biophysiker hat in der aktuellen Studie mit internationalen Wissenschaftler:innen zusammengearbeitet, unter anderem der Forschungsgruppe des Nobelpreisträgers Brian Kobilka von der Stanford University. Dabei fanden sie heraus, dass sogenannte Super-Agonisten wie Fentanyl einen Zustand des Rezeptors stabilisieren, der eine besonders effektive und andauernde Signalweiterleitung hervorruft. Dies macht Super-Agonisten besonders potent und deshalb gefährlich.

    Wie die Rezeptor-vermittelte Signalweiterleitung funktioniert, zeigt die Abbildung: Opioid-Rezeptoren befinden sich in der Zellmembran und binden Wirkstoffe auf der Außenseite. Dies bewirkt Strukturänderungen im Rezeptor, die dann auf der Innenseite durch unterschiedliche Signalproteine erkannt werden.

    Rezeptor-vermittelte Signalweiterleitung. Abbildung: Matthias Elgeti

    Die Opioid-Rezeptoren sind Mitglieder der großen Familie der „G-Protein-gekoppelten Rezeptoren“ (GPCRs), die viele Signalprozesse im Körper steuern, zum Beispiel Geschmack und Geruch, wieder andere binden Neurotransmitter oder Hormone oder werden durch Licht aktiviert. Das Verständnis der molekularen Interaktionen dieser Rezeptoren mit Medikamenten und anderen Signalproteinen ist sehr wichtig für die Entwicklung von Medikamenten. Da alle GPCRs große strukturelle Ähnlichkeiten aufweisen, erhoffen sich die Forscher, die Erkenntnisse zum Opioid-Rezeptor auch auf andere Rezeptoren übertragen zu können.

    „Für die aktuelle Studie wurden die Opioid-Rezeptoren isoliert. Normalerweise sind sie in den Zellen des Körpers im Zusammenspiel mit vielen anderen Proteinen und Molekülen. Die Erforschung weiterer molekularer Interaktionen ist also wichtig, um ein volles Verständnis der Regulierungsmechanismen zu erlangen“, erklärt Dr. Elgeti. Die neue Studie stellt einen wichtigen Baustein aus der Grundlagenforschung dar, weitere Studien sind notwendig, um letztendlich bessere und sicherere Medikamente zu entwickeln.

    Originalpublikation in Nature: Ligand efficacy modulates conformational dynamics of the µ-opioid receptor. DOI: 10.1038/s41586-024-07295-2

    Pressestelle der Universität Leipzig, 11.4.2024

  • Positionspapier zur aktuellen Situation in der Arbeitsmarktpolitik

    Die „Landesfachstelle berufliche und soziale Integration der Suchtkooperation NRW“ hat gemeinsam mit dem „Arbeitskreis der Arbeitsmaßnahmen für Menschen mit Suchterkrankungen in NRW“ das „Positionspapier zur aktuellen Situation in der Arbeitsmarktpolitik“ verfasst.

    Landesstelle und unterzeichnende Träger stellen darin ihre Forderungen zur Aufrechterhaltung der Angebots-/Beschäftigungsstrukturen für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen im Bürgergeldbezug dar. Hintergrund des Positionspapiers sind die in den letzten Jahren erfolgten faktischen Kürzungen im Eingliederungstitel für die Arbeitsmarktförderung.

    Auf der einen Seite verstärken diverse Gesetzgebungen der Sozialgesetzbücher bspw. SGB II und IX (BTHG) die soziale und berufliche Eingliederung, z. B. die Entfristung des Teilhabechancengesetzes (§ 16i SGB II), die zu einer Stabilisierung des Sozialen Arbeitsmarktes führt. Auf der anderen Seite wurden und werden Mittel aus dem Eingliederungstitel für den nicht auskömmlich geplanten Haushaltstitel umgewidmet. Es standen und stehen somit weniger Mittel für die Integration Langzeitarbeitsloser zur Verfügung. Diese Situation führt zur Reduzierung der niedrigschwelligen

    Platzkontingente und verunsichert die Trägerlandschaft von Bildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen. Dazu kommt die neue „Vermittlungsoffensive“, von der die Gruppe der Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen im Bürgergeldbezug nur wenig bis gar nicht profitieren wird.

    Das vollständige Positionspapier steht auf der Website der Landesstelle zum Download zur Verfügung.

    Landesfachstelle berufliche und soziale Integration der Suchtkooperation NRW, 2.4.2024

  • Wolfram-Keup-Förderpreis 2024 verliehen

    Dr. Isabel Brandhorst und bus.-Vorstandsmitglied Dr. Chahmoradi Tabatabai bei der Preisverleihung im Rahmen der Wissenschaftlichen Jahrestagung des bus. am 20./21. März in Berlin

    Dr. Isabel Brandhorst vom Universitätsklinikum Tübingen und ihr Team haben ein Trainingsprogramm für Eltern von Jugendlichen mit Internetnutzungsstörungen entwickelt und evaluiert. Für die entstandene Arbeit „Randomized Controlled Evaluation of a Group-Based Training for Parents of Adolescents with Gaming Disorder or Social Network Use Disorder“ wurde Frau Dr. Brandhorst am 20. März 2024 im Rahmen der 108. Wissenschaftlichen Jahrestagung des Bundesverbandes Suchthilfe (bus.) mit dem Wolfram-Keup-Förderpreis 2024 ausgezeichnet. Zur Preisverleihung gehörte auch ein Kurzvortrag über die prämierte Arbeit.

    Trainingsprogramm „Internetsucht: Eltern stärken!“

    Internetnutzungsstörungen wie Computerspielstörung oder Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung treten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen – in unterschiedlicher Ausprägung – häufig auf. Das sorgt auch für Stress im Familiensystem. Wie können Eltern hier positiv einwirken? Das Trainingsprogramm „Internetsucht: Eltern stärken!“ setzt darauf, Eltern mit Kenntnissen und Kompetenzen auszustatten, die dabei helfen, die häusliche Situation zu entspannen, eine wertschätzende Familienkommunikation zu etablieren und eine gute Beziehung zu den Kindern zu festigen.

    Um die Wirksamkeit des Programms zu untersuchen, wurden insgesamt 76 Eltern von Jugendlichen (12 bis 20 Jahre) nach dem Zufallsprinzip der Interventionsgruppe oder der Kontrollgruppe mit Warteliste zugewiesen. Die Eltern der Interventionsgruppe nahmen in einem Zeitraum von acht Wochen an sechs Schulungssitzungen teil, in denen es um die Themen Psychoedukation, Erziehungsverhalten, Eltern-Kind-Beziehung, Eltern-Kind-Kommunikation sowie Stress und Entspannung ging. Vor und nach der Interventionsphase bzw. Wartezeit machten die Eltern per Online-Fragebogen Angaben zur Symptomatik der Jugendlichen, zur Eltern-Kind-Beziehung und zur elterlichen Belastung.

    Die Auswertung ergab, dass das Training aus Sicht der befragten Eltern die Symptomatik der Internetnutzungsstörungen bei den Jugendlichen reduzierte. Bei der Computerspielstörung verbesserte sich die Symptomatik bei Risikonutzer:innen, nicht jedoch bei pathologischen Nutzer:innen. Einige Aspekte der Eltern-Kind-Beziehung verbesserten sich nach Einschätzung der Mütter. Das Manual zum Trainingsprogramm wird dieses Jahr im Kohlhammer Verlag erscheinen.

    Wolfram-Keup-Förderpreis

    Der Wolfram-Keup-Förderpreis wird alle zwei Jahre vom Bundesverband Suchthilfe (bus.) für eine wegweisende wissenschaftliche oder praxisorientierte Arbeit auf dem Gebiet der Entstehung und Behandlung von substanz- und verhaltensbezogenen Störungen und Beeinträchtigungen vergeben und ist mit einem Preisgeld von 2.000 Euro ausgestattet. Er wurde dieses Jahr zum achten Mal verliehen.

    Zur Jury des Wolfram-Keup-Förderpreises 2024 gehörten die bus.-Vorstandsmitglieder Dr. Wibke Voigt (Vorsitzende), Hans Joachim Abstein, Thomas Hempel und Sebastian Winkelnkemper sowie folgende externe Gutachter:innen:

    • Dr. Rita Hansjürgens, Professorin für Handlungstheorien und Methoden Sozialer Arbeit und Allgemeiner Pädagogik, Alice-Salomon-Hochschule, Berlin
    • PD Dr. Larissa Schwarzkopf, Leiterin der Forschungsgruppe „Therapie und Versorgung“ und der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern, IFT Institut für Therapieforschung, München
    • Dr. Heino Stöver, Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung, Studiengangsleitung Suchttherapie und Sozialmanagement in der Suchthilfe (M.A.), Geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung Frankfurt (ISFF), Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt am Main

    Die prämierte Arbeit steht auf der Website des bus. unter https://suchthilfe.de/verband/foerderpreis/ zum Download zur Verfügung. Ebenso finden Sie hier Informationen über die vorangegangenen Preisträger:innen und prämierten Arbeiten.

    Pressemitteilung des bus., 8.4.2024

  • Neurologische Komplikationen nach Lachgaskonsum

    Lachgas erobert derzeit als Partydroge Deutschland. Es gilt als vermeintlich risikoarm, da die Wirkung bereits nach wenigen Minuten nachlässt – doch das ist ein massiver Trugschluss! Immer mehr Menschen stellen sich mit schweren, unklaren neurologischen Beschwerden oder Blutbildstörungen nach Lachgaskonsum in Kliniken vor. Eine Diagnose ist nicht immer einfach und schnell zu stellen, zumal viele Betroffenen den behandelnden Ärztinnen und Ärzten den Lachgaskonsum verschweigen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e. V. (DGN) und die Deutsche Hirnstiftung fordern nun eine Informationsoffensive, um gerade auch die jüngere Bevölkerung für die Gefahren von Lachgas zu sensibilisieren.

    Das neue Partyrauschmittel N2O (Distickstoffmonoxid), umgangssprachlich als Lachgas bekannt, stellte vor über 200 Jahren einen medizinischen Durchbruch dar: Erstmals wurde schmerzfreies Operieren möglich, denn die zu inhalierende Substanz wirkt in höheren Mengen betäubend. Durch die Weiterentwicklung der Narkosetechnik spielte Lachgas in den Operationssälen irgendwann zwar keine Rolle mehr, es wurde aber bis in die 1970er Jahre und heute auch wieder zunehmend in der Zahnmedizin eingesetzt, da es zahlreiche Vorteile bietet: Die Substanz ist schmerzfrei anzuwenden (Inhalation statt Injektion), reduziert Anspannung, Angst und Schmerz, ist auch für längere Behandlungen geeignet und kann sogar schon bei Kindern eingesetzt werden. Wenn die Gabe beendet wird, ist die Wirkung nach wenigen Minuten vorbei und die Behandelten sind wieder verkehrstüchtig.

    Konsum steigt

    Die betäubenden Eigenschaften machten Lachgas schon früh zur Partydroge. Bereits vor 200 Jahren wurde es auf Jahrmärkten zur Vergnügung konsumiert – und erlebt derzeit eine unheilvolle Renaissance. Die berauschende Wirkung hat sich schnell in den sozialen Medien herumgesprochen, und so wird das Narkosegas zunehmend genutzt, um die Stimmung aufzuhellen und Glücksgefühle und Halluzinationen (bis hin zur Euphorie) zu erzeugen. Was besonders Sorge bereitet: Der Konsum steigt insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen: Von 2022 bis 2023 hat sich beispielsweise in Nordrhein-Westfalen die Zahl der dem Landeskriminalamt bekannten Missbrauchsfälle mehr als verdreifacht [1]. Die Lebenszeitprävalenz für Lachgaskonsum wird in Deutschland mit elf Prozent angegeben [2].

    Konsumrisiken

    Der Konsum von Lachgas ist nicht ungefährlich: Bei der Verwendung werden die Gaskartuschen extrem kalt (bis zu -55° C), so dass bei direkter Inhalation schwerste Verletzungen an Fingern oder Lippen möglich sind, aber auch Lungenrisse (Pneumothorax) durch den hohen Druck des komprimierten, sich ausdehnenden Gases. Was allerdings Neurologinnen und Neurologen besorgt, sind die neurologischen Folgen: Sie reichen von Bewusstlosigkeit (durch Verdrängung des Sauerstoffs in der Lunge) über Lähmungserscheinungen bis hin zu hypoxischen Hirnschäden. Bei chronischem Konsum kommt es zu Störungen im Zellstoffwechsel, wodurch Vitamin B12 in seiner Funktion beeinträchtigt wird, d. h., es entsteht ein funktioneller B12-Mangel (laut Literatur in 20 bis 40 Prozent der Fälle). Ein solcher kann schwere hämatologische Schäden wie Leukopenie, Thrombozytopenie oder Anämie verursachen, aber auch neurologische Störungen wie die funikuläre Myelose (Rückenmarkschaden) und periphere Neuropathie auslösen. Wird der B12-Mangel nicht rechtzeitig erkannt, sind diese Folgen mitunter nicht mehr reversibel.

    In der Fachzeitschrift „Der Nervenarzt“ [2] schilderten Meißner et al. den Fall eines 45-jährigen Patienten, der mit zunehmendem Taubheitsgefühl der Hände und Füße sowie Lähmungserscheinungen der Extremitäten in die Klinik kam, so dass klinisch zunächst an ein Guillain-Barré-Syndrom gedacht wurde. Die Liquordiagnostik war dahingehend unauffällig, und es wurden eine axonal-demyelinisierende Polyneuropathie sowie eine Rückenmarkschädigung in der Magnetresonanztomographie (MRT) diagnostiziert. Der Vitamin B12-Blutspiegel war normal, jedoch war die Aminosäure Homocystein stark erhöht. Der Homocystein-Stoffwechsel ist Vitamin-B12-abhängig und kann durch Lachgaskonsum gestört werden; gleichzeitig kommt es zu einem Mangel der Aminosäuren Methionin und Methylmalonsäure, was zur Zerstörung der Nervenscheiden (Demyelinisierung) führt und damit die Lähmungserscheinungen erklärt. Auf Nachfragen berichtete der Mann von einer Lachgasinhalation vor sieben Wochen. Er hatte Glück: Durch eine Vitamin-B12-Substitution besserte sich die Symptomatik.

    „Dies ist leider kein Einzelfall. Wir sehen in der Klinik immer mehr Menschen, die mit neurologischen Akut-, Subakut- oder Spätfolgen ärztlichen Rat suchen. Den Lachgaskonsum erwähnen sie in der Regel bei Erstvorstellung nicht, wohl auch, weil die meisten gar keinen Zusammenhang herstellen, erst recht, wenn es sich um Spätfolgen handelt“, erklärte Prof. Gereon Fink, Vorstandsmitglied der Deutschen Hirnstiftung und ehemaliger Präsident der DGN. Dabei sei die Offenheit der Patientin bzw. des Patienten von besonderer Wichtigkeit für eine schnelle Diagnose, da der funktionelle Vitaminmangel meistens nicht direkt im Blut nachweisbar ist, sondern erst bei Bestimmung weiterer Stoffwechselmarker auffällt. Zur Diagnostik werden ergänzend Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit (Elektroneurographie) und eine MRT durchgeführt.

    „Je früher die Diagnose bekannt ist und eine Therapie begonnen werden kann, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass keine Schäden bleiben“, so der Experte. Die Therapie besteht in der hochdosierten Vitamin-B12-Gabe und ggf. anderer, im körpereigenen B12-Stoffwechsel involvierter Substanzen wie Methionin [3].

    Informieren und sensibilisieren

    nsgesamt wird nach Ansicht der DGN und der Deutschen Hirnstiftung die Gefahr durch Lachgas unterschätzt; die wenigsten Menschen wissen, dass sie schwere, möglicherweise auch lebenslange Folgen davontragen können. In Deutschland sind Verkauf und Konsum von Lachgas nicht verboten [1]. In anderen Ländern hingegen, wie in den Niederlanden oder Großbritannien, wurde es bereits als Droge eingestuft, in Frankreich ist der Verkauf an Minderjährige verboten.

    „Es ist an der Zeit, großangelegte Informationskampagnen zu starten, um auf die Gefahren von Lachgas hinzuweisen und gerade die junge Bevölkerung zu sensibilisieren. Die DGN und die Deutsche Hirnstiftung suchen hier den Schulterschluss mit Politik und BZgA“, erklärte Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN.

    Literatur:
    • [1] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/145866/Missbrauch-von-Lachgas-nimmt-zu
    • [2] Meißner JN, Hill K, Lakghomi A, Nitsch L. Funikuläre Myelose und Polyneuropathie durch Lachgasinhalation – eine Differenzialdiagnose des Guillain-Barré-Syndroms. Nervenarzt. 2023 Oct;94(10):951-955. German. doi: 10.1007/s00115-023-01443-1. Epub 2023 Feb 17. PMID: 36799957; PMCID: PMC10575797.
    • [3] De Halleux C, Juurlink DN. Diagnosis and management of toxicity associated with the recreational use of nitrous oxide. CMAJ. 2023 Aug 21;195(32):E1075-E1081. doi: 10.1503/cmaj.230196. PMID: 37604519; PMCID: PMC10442242. https://www.cmaj.ca/content/195/32/E1075

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V., 22.3.2024

  • Pregabalin und Gabapentin in Kombination mit anderen Drogen

    Die Suchtgefahr von Pregabalin ist bekannt. Aufgrund der entspannenden und euphorisierenden Wirkung wird Pregabalin (sowie auch Gabapentin) zunehmend als Droge missbraucht. Unheilvoll wird die Einnahme zusammen mit anderen Drogen, die Zahl der Pregabalin- und Gabapentin-assoziierten Todesfälle hat laut einer aktuellen Auswertung aus Großbritannien zugenommen, und ein entsprechender Anstieg ist auch in Deutschland zu vermuten. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) warnt vor dem missbräuchlichen Medikamentenkonsum und diskutiert eine BtM-Pflicht für die Substanzen.

    Pregabalin ist ein Medikament, das häufig zur Behandlung der Epilepsie eingesetzt wird und dort zur Standardtherapie gehört. Auch bei schweren Angststörungen und neuropathischen Schmerzen kommt es häufig zum Einsatz. Das Medikament ist per se nicht gefährlich, kann aber zu einer Abhängigkeit führen, da es entspannend und euphorisierend wirkt. Daher wird es zunehmend auch als Droge missbraucht und dann in hohen, die normale Dosierung übersteigenden Mengen eingenommen.

    Besonders problematisch wird die Substanz in Kombination mit Drogen wie Opioiden und Benzodiazepinen und/oder Alkohol. „Daraus kann schnell ein tödlicher Cocktail entstehen“, mahnt DGN-Generalsekretär Prof. Dr. Peter Berlit. „Der Mischkonsum kann den Effekt der Drogen verstärken, außerdem auch zu lebensbedrohlichen Vergiftungen führen, mitunter auch zu Ateminsuffizienz und Tod. Leider ist davon auszugehen, dass diese Fälle zunehmen.“

    Von Missbrauch betroffen ist auch ein weiteres Medikament, Gabapentin, das ebenfalls zur Schmerztherapie und Therapie epileptischer Anfälle eingesetzt wird. Da es anders verstoffwechselt wird, galt es als sicherer und wurde oftmals als Alternative zu Pregabalin verschrieben. Allerdings wird es von drogenabhängigen Menschen intravenös oder rektal verwendet, was Rauschzustand und Toxizität deutlich erhöht.

    Eine behördliche Auswertung der Todesdaten aus Großbritannien [1] zeigte, dass im Jahr 2022 insgesamt 552 Todesfälle auf den Konsum von Gabapentin oder Pregabalin in Kombination mit anderen Drogen zurückgeführt werden konnten, 2018 waren es nur 272. Eine aktuelle Arbeit aus Nordirland [2] berichtet, dass Pregabalin-assoziierte Todesfälle vor allem bei Männern im Alter zwischen 30 und 40 Jahren beobachtet werden, aber die Fallzahl auch bei Frauen ansteigt. Bei 80 Prozent der Betroffenen war ein vorhergehender Drogenkonsum bekannt. Eine weitere Erkenntnis aus dieser Studie: Die letale Dosis scheint geringer zu sein, als bislang angenommen wurde.

    Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hat bereits 2020 in ihrem Informationsblatt „Arzneiverordnung in der Praxis“ [3] vor der Gefahr der Pregabalin-Abhängigkeit gewarnt und berichtete über einen sechsprozentigen Anstieg der Verordnungszahlen im Jahr 2018 gegenüber dem Vorjahr. Wie die Kassenärztliche Vereinigung Bremen bekannt gab [4], hat die Anzahl der Verordnungen in den letzten Jahren stark zugenommen, laut Arzneiverordnungsreport 2020 von 37 Mio. DDD in 2008 vs. 117 Mio. DDD in 2019. Die Ärzteschaft wurde über die Gefahren informiert und aufgefordert, bei Verschreibung genau zu prüfen, ob eine Abhängigkeit bzw. Koabhängigkeit von anderen Substanzen vorliegt, und die Patientinnen und Patienten über die Gefahren aufzuklären. Inzwischen sind entsprechende Warnhinweise auch in der Fachinformation nachzulesen.

    „Neurologinnen und Neurologen nehmen diese Verantwortung ernst, dennoch können sie einen Missbrauch nicht immer ausschließen“, erklärt Prof. Berlit. Pregabalin und Gabapentin seien unverzichtbare Medikamente bei der Behandlung neurologischer Krankheiten, für die bei vielen Indikationen keine wirksamen Therapiealternativen zur Verfügung stünden. Ein Verbot der Medikamente ist daher aus Sicht der neurologischen Fachgesellschaft keine Option. „Es müssen Auflagen für die Verordnung wie eine BtM-Pflicht diskutiert werden, so dass eine höhere Kontrolle gewährleistet ist und der Missbrauch erschwert wird“, erklärt Prof. Berlit.

    Literatur:

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e. V., 26.3.2024

  • Weiterbildung zur / zum Suchttherapeut:in jetzt auch in der Fachrichtung Systemische Therapie möglich

    Nachdem die Systemische Therapie im November 2019 als Richtlinienverfahren anerkannt wurde, legte die Deutsche Gesellschaft für Weiterbildung in der Suchttherapie gGmbH (DGWS) den Gremien der DRV / GKV im Dezember 2022 ein Curriculum der Weiterbildung zur / zum Suchttherapeut:in systemisch vor. Der Prüfprozess ist nun erfolgreich abgeschlossen und das Curriculum seit 18.03.2024 von den Leistungsträgern anerkannt. Die DGWS bietet nunmehr die erste von der Deutschen Rentenversicherung und der Gesetzlichen Krankenversicherung zur Anerkennung empfohlene Weiterbildung zur / zum Suchttherapeut:in auf systemischer Grundlage an.

    Staatlich anerkannte Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen sowie Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen und Ärzt:innen können sich ab sofort auf der Website der DGWS (https://suchttherapie-weiterbildung.de) zum ersten Kurs der Weiterbildung zur / zum Suchttherapeut:in – systemisch anmelden. Der Kurs startet am 18.11.2024 in Schallstatt (in unmittelbarer Nähe zu Freiburg). Das Curriculum sowie Informationen über die Zugangsvoraussetzungen und Konditionen der systemischen Weiterbildung Suchttherapie werden in Kürze auf der Homepage eingestellt.

    Corinna Mäder-Linke, Geschäftsführerin der DGWS, freut sich über die Anerkennung des systemischen Curriculums: „Die DGWS möchte mit dem neuen Angebot der systemischen Weiterbildung die Vielfalt der Verfahren und Methoden in der Behandlung von Menschen mit Substanzkonsumstörungen und Verhaltenssüchten unterstützen, sowohl in den Mitgliedseinrichtungen des Bundesverbandes Suchthilfe e. V., der der Gesellschafter der DGWS ist, als auch darüber hinaus. Durch die qualitativ hochwertige Weiterbildung von Fachkräften leistet die DGWS einen wertvollen Beitrag, um das Angebot der medizinischen Rehabilitation auch in Zukunft auf hohem fachlichen Niveau zu garantieren.“

    Über die DGWS

    Die Deutsche Gesellschaft für Weiterbildung in der Suchttherapie gGmbH (DGWS) mit Sitz in Kassel führt seit Oktober 2021 die von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) und der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) anerkannte dreijährige, berufsbegleitende Weiterbildung für Gruppen- und Einzeltherapeut:innen im Tätigkeitsfeld der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker (Weiterbildung zur / zum Suchttherapeut:in) in der psychoanalytischen und verhaltenstherapeutischen Fachrichtung durch. Jedes Jahr werden in mehr als zehn parallellaufenden Kursen an verschiedenen Standorten Deutschlands Mitarbeitende aus ambulanten, ganztägig ambulanten und stationären Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen oder der ambulanten Nachsorge für eine Tätigkeit als Einzel- und Gruppentherapeut:in qualifiziert.

    Der Gesellschafter der DGWS, der Bundesverband Suchthilfe e. V., vertritt ca. 170 stationäre und ganztägig ambulante Einrichtungen mit ca. 7.000 Plätzen zur Behandlung und Betreuung von Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung sowie 26 Suchtberatungsstellen und Einrichtungen der Ambulanten medizinischen Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen (ARS).

    Pressemitteilung der DGWS, 26.03.2024