Kategorie: Kurzmeldungen

  • Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt

    Eine interdisziplinäre Expertenkommission soll Handlungsmöglichkeiten und die notwendigen Schritte für einen effektiven Kinder- und Jugendmedienschutz prüfen. Bundesbildungsministerin Karin Prien hat am 4. September 2025 gemeinsam mit den beiden Co-Vorsitzenden Prof. Dr. Olaf Köller und Nadine Schön die Expertenkommission „Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt“ vorgestellt. Die Kommission wird noch im Herbst 2025 ihre Arbeit aufnehmen.

    Ziel der Kommission ist es, eine Strategie für den „Kinder- und Jugendschutz in der digitalen Welt“ mit konkreten Handlungsempfehlungen für die zuständigen Akteure wie Bund, Länder und Zivilgesellschaft zu erarbeiten. Die Kommission wird sich unter anderem mit den notwendigen Voraussetzungen für ein sicheres digitales Umfeld für Kinder und Jugendliche sowie mit den gesundheitlichen Folgen von Medienkonsum und der Stärkung von Medienkompetenz bei Kindern, Jugendlichen, Eltern und Fachkräften auseinandersetzen.

    Bundesministerin Karin Prien: „Unser Ziel ist eine digitale Umgebung, in der junge Menschen sicher aufwachsen und sich frei entfalten können. Dabei setzen wir bewusst darauf, die Kommission wissenschaftlich interdisziplinär und unter Einbeziehung der Fachpraxis zu besetzen und von Anfang an alle staatlichen Ebenen und relevanten Akteure einzubinden.“

    Die Bundesländer sollen in einem Länderbeirat in den Arbeitsprozess der Kommission mit eingebunden werden. Die Unabhängige Bundesbeauftragte gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen (UBSKM), der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen und der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sollen als Beobachter mit eingebunden werden. Durch geeignete Beteiligungsformate wird die Einbeziehung weiterer Expertinnen und Experten aus den betroffenen Themenbereichen, von Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft sowie der Rundfunkkommission der Länder sichergestellt. Zudem ist eine aktive Jugendbeteiligung vorgesehen.

    Mit insgesamt 16 Expertinnen und Experten sowie zwei Vorsitzenden aus Wissenschaft und Praxis weist die Kommission eine breite, interdisziplinäre Kompetenz und Expertise aus.

    Mitglieder der Kommission:

    • Nadine Schön (Vorsitzende), ehemalige MdB, Jugend-, Bildungs- und Digitalpolitikerin
    • Dr. Olaf Köller (Vorsitzender), Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Kiel
    • Dr. Yvonne Anders, Inhaberin des Lehrstuhls „Frühkindliche Bildung und Erziehung“ an der Universität Bamberg
    • Dr. Dr. h.c. Sabine Andresen, Professorin für Familienforschung und Sozialpädagogik im Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Frankfurt am Main
    • Annika Baumann, Leiterin der Forschungsgruppe „Wohlbefinden in der digitalen Welt“ am Weizenbaum-Institut, Berlin
    • Dr. Reinhard Berner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Carl-Gustav-Carus, Dresden
    • Susanne Eggert, Leiterin der Abteilung „Forschung“ am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, München
    • Marc Jan Eumann, Direktor der Medienanstalt Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz
    • Dr. Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm; Präsident der europäischen Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie
    • Stefan Glaser, Leiter von jugendschutz.net
    • Sebastian Gutknecht, Direktor der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz
    • Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzt*innen, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin/Schwerpunkt Neuropädiatrie in einer Gemeinschaftspraxis
    • Claudia Lampert, Senior Researcher Mediensozialisation und Gesundheitskommunikation am Leibniz-Institut für Medienforschung│Hans-Bredow-Institut, Hamburg
    • Dr. Marc Liesching, Professor für Medienrecht und Medientheorie an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig
    • Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger, Leiter des Instituts für Cyberkriminologie an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg
    • Dr. Judith Simon, Inhaberin des Lehrstuhls „Ethik in der Informationstechnologie“ an der Universität Hamburg
    • Dr. Rolf Schwartmann, Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der Technischen Hochschule Köln und Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) e.V.
    • Dr. Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg

    Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums, 4.9.2025

  • Hörtipp: „Kokain am Strand“

    Ein Beitrag im Deutschlandfunk beleuchtet, wie kleine Häfen in Ostfriesland – sie heißen Bensersiel oder Carolinensiel o.ä. – Ziele des internationalen Kokainschmuggels geworden sind. In Fischerbooten kommen Drogenpakete dort an. Geht eins verloren, stolpern auch mal Urlauber am Strand darüber.

    Ein Beitrag von Vanja Budde, gesendet am 9. September 2025, 18:40 Uhr, in der Rubrik „Hintergrund“

    Hören:
    https://www.deutschlandfunk.de/kokain-am-strand-ostfriesland-und-der-internationale-drogenschmuggel-100.html

    Quelle: Website DLF

  • Welttag: Fetale Alkoholspektrumstörungen

    Der 9. September erinnert weltweit an Kinder, die während der Schwangerschaft Alkohol ausgesetzt waren. Jährlich kommen in der Schweiz über 1.700 Kinder mit Fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) zur Welt (in Deutschland rund 10.000 Kinder). Die Stiftung Sucht Schweiz schließt sich der Botschaft von Fachpersonen an, bei einer Schwangerschaft gar keinen Alkohol zu trinken, und präsentiert Erkenntnisse ihrer Studie zu den online verfügbaren Informationen über Schwangerschaft und Alkohol.

    Werdende Mütter finden im Internet zahlreiche verlässliche Informationen zum Thema Schwangerschaft und Alkohol. Wie eine neue Untersuchung (in Französisch) von Sucht Schweiz zeigt, ist die Botschaft „kein Alkohol während der Schwangerschaft” im digitalen Raum weit verbreitet. Gleichzeitig finden sich aber widersprüchliche Angaben oder Diskussionen, die das Thema bagatellisieren – in seltenen Fällen sehr problematische Inhalte wie Witze über alkoholbedingte Schädigungen beim Kind. Die in vier Sprachen (D/F/I/E) untersuchten Informationswebsites, Diskussionsforen, Facebook-Gruppen, YouTube-Videos und sozialen Netzwerke ergeben ein sehr heterogenes Bild, das für Ratsuchende verwirrend sein kann.

    Kein Alkoholkonsum während der Schwangerschaft

    Anlässlich des Welttags zur Fetalen Alkoholspektrumstörung vom 9. September erinnert Sucht Schweiz an die Empfehlung, keinen Alkohol während oder bei einer geplanten Schwangerschaft zu trinken. Zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft kann Alkohol ein Gesundheitsrisiko für das werdende Kind darstellen. Keinen Alkohol zu trinken, ist daher die sicherste Haltung.

    In der Schweiz kommen jährlich über 1.700 Kinder mit Fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) zur Welt. Diese können u. a. zu Gedächtnis- und Lernproblemen, psycho-motorischen Störungen, Schwierigkeiten beim Sprachverständnis oder in sozialen Beziehungen führen. Schwere Formen von FASD erfordern oft eine individuelle Betreuung bei den täglichen Aufgaben.

    Die Fülle an unterschiedlichen, z. T. veralteten und falschen Informationen im Internet ist problematisch, weil sie den spezifischen Bedürfnissen der Frauen nur unzureichend gerecht wird. Zum einen suchen manche Frauen im Nachhinein nach beruhigenden Botschaften, wenn sie ohne Kenntnis ihrer Schwangerschaft getrunken haben. Sie finden online Aussagen von anderen, die darin kein Risiko sehen, wie auch solche, die das Schlimmste prophezeien. Weitgehend unsichtbar sind Frauen mit problematischem oder abhängigem Konsum, denen es schwerfällt, während der Schwangerschaft das Trinken einzustellen. Sie finden kaum Anlaufstellen in ihrer Wohnregion oder andere Ressourcen, welche die Risiken minimieren könnten.

    Schweiz mit großem Nachholbedarf

    Sucht Schweiz setzt sich dafür ein, dass verlässliche Informationen zum Thema sichtbarer werden und Hilfsangebote in der Schweiz besser aufgefunden werden. Dafür liefert die aktuelle Untersuchung zu den online verfügbaren Informationen über Schwangerschaft und Alkohol wichtige Grundlagen.

    Die Prävention von FASD, die Früherkennung und die Unterstützung von Betroffenen und ihren Familien sind in der Schweiz zurzeit ungenügend. Es ist wichtig, diese Lücken zu schließen. Ein laufendes Projekt von Sucht Schweiz zielt auf eine Prävention ab, die auch jene Personen erreicht, die am stärksten gefährdet sind, Abstinenzempfehlungen während der Schwangerschaft zu ignorieren.

    Weiterführende Links:

    Pressemitteilung von Sucht Schweiz, 8.9.2025

  • Rigide Vorgabe der Suchtmittelfreiheit in der Psychotherapie streichen!

    Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) kritisiert den jüngsten Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der Patient:innen mit Abhängigkeitserkrankungen mit 24 statt wie bisher zehn Behandlungsstunden künftig ein längeres Zeitfenster einräumt, um im Verlauf ihrer Psychotherapie Suchtmittelfreiheit zu erreichen. „Die starre Forderung nach Abstinenz als Voraussetzung für eine psychotherapeutische Behandlung muss grundsätzlich abgeschafft werden“, sagt BPtK-Präsidentin Dr. Andrea Benecke. „Sie entspricht seit langem nicht mehr dem Stand der Wissenschaft und blockiert gerade für Patient:innen mit schweren Abhängigkeitserkrankungen den Zugang zu dringend notwendiger Hilfe.“

    Gemäß internationalen wie nationalen Leitlinien für die Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen sind neben einer vollständigen Abstinenz auch kontrollierter Konsum und Harm-Reduction-Ansätze geeignete Behandlungsziele. „Die Versorgungsrealität zeigt, dass viele Betroffene sich zunächst nicht für die Abstinenz entscheiden können oder wollen. Ihnen deshalb eine Psychotherapie zu verwehren, ist fachlich nicht haltbar“, betont BPtK-Vorstandsmitglied Wolfgang Schreck.

    Die bestehende Abstinenzregel führt seit Jahren dazu, dass Patient:innen mit Abhängigkeitserkrankungen, die ohnehin unter erheblichen Zugangsbarrieren leiden, systematisch von der Versorgung ausgeschlossen werden. „Menschen mit Suchterkrankungen erleben oft Scham, Stigmatisierung und vielfältige soziale Probleme“, so Benecke. „Gerade diese Menschen brauchen einen unkomplizierten Zugang zu psychotherapeutischer Hilfe.“

    Die strikte Abstinenzregel konterkariert die Bestrebungen des Gesetzgebers, für schwer psychisch erkrankte Patient:innen ein ambulant-intensives, multiprofessionelles Versorgungsangebot auf den Weg zu bringen. Die Richtlinie zur koordinierten und strukturierten Versorgung psychisch kranker Menschen (KSVPsych-RL) soll eine ambulante Komplexbehandlung auch für schwer abhängigkeitserkrankte Patient:innen ermöglichen. Auch die seit Februar geltende neue Ermächtigungsregel in der Ärzte-Zulassungsverordnung soll erweiterte Möglichkeiten der Versorgung von Patient:innen mit schweren Abhängigkeitserkrankungen schaffen. Die psychotherapeutische Mitbehandlung wird durch die fortbestehenden Vorgaben der Psychotherapie-Richtlinie jedoch massiv eingeschränkt. „Wenn der G-BA in diesen Strukturen weiter an der Abstinenz festhält, sabotiert er die Reformen des Gesetzgebers“, so Schreck.

    Patient:innen mit Suchterkrankungen brauchen vor allem einen niedrigschwelligen Zugang zur Psychotherapie. „Wir benötigen flexible, individuelle Behandlungsziele, die sich an den Lebenslagen und Krankheitsphasen der Patient:innen orientieren, und somit eine vollständige Streichung der Abstinenzregel“, betont Benecke. „Nur so schaffen wir eine Versorgung, die Vertrauen schafft, statt Barrieren zu errichten.“

    Pressemitteilung der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), 21.8.2025

  • Richtlinien-Psychotherapie bei Abhängigkeitserkrankungen

    Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat seine Regelungen zur Suchtmittelfreiheit als Voraussetzung für eine ambulante Psychotherapie angepasst: Bei einer durch psychotrope Substanzen wie Alkohol oder Medikamente (z. B. Benzodiazepin) verursachten Abhängigkeitserkrankung kann eine Psychotherapie künftig bis zu zwölf Behandlungsstunden umfassen, um eine Suchtmittelfreiheit bzw. Abstinenz zu erreichen. Bisher waren maximal zehn Behandlungsstunden möglich. Neu hinzukommt: Weitere zwölf Behandlungsstunden sind möglich, wenn die Suchtmittelfreiheit bis zu diesem Zeitpunkt zwar nicht erreicht, dieses Therapieziel aber weiter realistisch ist und konkrete therapeutische Schritte zum Erreichen dieses Ziels vereinbart wurden. Den entsprechenden Beschluss zur Änderung der Psychotherapie-Richtlinie hat der G-BA in seiner Plenumssitzung vom 21. August gefasst. Die Anpassungen bauen auf aktuellen Empfehlungen aus medizinischen S3-Leitlinien auf.

    Vor dem Hintergrund der Legalisierung von Cannabis wird künftig außerdem in der Richtlinie beim Anwendungsbereich „Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ auf die in Klammern hinzugefügte Erläuterung „Alkohol, Medikamente und Drogen“ verzichtet, weil dies Fragen hinsichtlich der Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen aufgeworfen hatte. Der G-BA stellt klar, dass von dem Anwendungsbereich alle psychotropen Substanzen außer Tabak, Nikotin und Koffein umfasst sind.

    Dr. med. Bernhard van Treeck, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Psychotherapie und psychiatrische Versorgung:
    „Nicht für jedes Stadium einer Abhängigkeitserkrankung ist die Richtlinien-Psychotherapie geeignet. Fortgesetzter Suchtmittelkonsum kann den Erfolg einer Psychotherapie erschweren oder ganz verhindern. Für Menschen mit einer Suchterkrankung gibt es daher in Deutschland eine Vielzahl von unterschiedlichen bedarfsgerechten Hilfsangeboten, Behandlungen und Leistungen. Bei schwerer Abhängigkeit ist oft eine vorhergehende stationäre Entzugsbehandlung unumgänglich und danach eine ambulante, ganztägig ambulante oder stationäre Entwöhnungsbehandlung, in der Suchttherapeutinnen und -therapeuten psychotherapeutische Hilfe anbieten. Neben Selbsthilfegruppen ist die ambulante Richtlinien-Psychotherapie ein weiterer möglicher Baustein der Behandlung. Sie kann Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung unterstützen, dauerhaft vom Suchtmittel loszukommen.

    Der heutige Beschluss ermöglicht den behandelnden Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, flexibler auf den individuellen Bedarf dieser Betroffenen einzugehen. Wenn mit Hilfe der Kurzzeittherapie keine Suchtmittelfreiheit erreicht werden konnte, muss die Patientin oder der Patient zu alternativen Behandlungsmöglichkeiten wie Entzugs- oder Entwöhnungsbehandlung und auch darüber informiert werden, dass es möglicherweise sinnvoll sein kann, nach Erreichen der Abstinenz die ambulante Psychotherapie wieder aufzunehmen.“

    Der Beschluss zur Änderung der Psychotherapie-Richtlinie wird zunächst dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur rechtlichen Prüfung vorgelegt. Er tritt nach Nichtbeanstandung durch das BMG und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

    Hintergrund: Ambulante Psychotherapie

    Gesetzlich Versicherte haben bei einer psychischen Erkrankung Anspruch auf eine psychotherapeutische Behandlung. Welche psychotherapeutischen Verfahren und Methoden zum ambulanten Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung gehören, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen sie in Anspruch genommen werden können, legt der G-BA in der Psychotherapie-Richtlinie fest.

    Nähere Informationen auf der Website des G-BA: Ambulante Psychotherapie

    Beschluss zu dieser Pressemitteilung: Psychotherapie-Richtlinie: Anpassung in § 27

    Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), 21.8.2025

  • BAG Wohnungslosenhilfe veröffentlicht Statistikbericht – Berichtsjahr 2023

    Die BAG Wohnungslosenhilfe (BAG W) hat am 21. August ihre jährlichen Zahlen und Analysen zur Lage wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen veröffentlicht. Der Bericht gibt Aufschluss über die Situation der Klient:innen der freiverbandlichen Wohnungsnotfallhilfe und offenbart einen besorgniserregenden Trend: 13 Prozent aller Klient:innen sind erwerbstätig. Beunruhigend ist auch der anhaltend hohe Anteil von Familien in der Wohnungsnotfallhilfe: elf Prozent aller erfassten Personen leben 2023 mit mindestens einem Kind im Haushalt. Diese Zahlen zeigen, dass Wohnungsnot weitreichende Folgen für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe hat.

    Risikofaktor Migration

    Aus dem Bericht geht außerdem hervor, dass insbesondere Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit stark von Wohnungsnot betroffen sind. Im Berichtsjahr verfügen gut 38 Prozent aller Klient:innen der Wohnungsnotfallhilfe über keine deutsche Staatsangehörigkeit – ein neuer Höchststand.

    Auffällig ist, dass 20 Prozent der nicht-deutschen Klient:innen trotz Erwerbstätigkeit weiterhin in Wohnungsnot leben. Unter den nicht-deutschen Klient:innen finden sich auch häufiger Familien (18 Prozent). Betrachtet man nur die Gruppe der nicht-deutschen Frauen, zeigt sich, dass fast ein Viertel (24 Prozent) allein mit den Kindern lebt. Insgesamt haben 48 Prozent aller weiblichen Klientinnen einen Migrationshintergrund. Auch beim Zugang zur gesundheitlichen Versorgung zeigen sich gravierende Lücken: Im Jahr 2023 verfügten rund 17 Prozent der nicht-deutschen Klient:innen über keinerlei Krankenversicherungsschutz. Bei Unionsbürger:innen liegt dieser Anteil sogar bei 27,5 Prozent.

    „Wir sehen, dass fehlende Anerkennung ausländischer Abschlüsse, Sprachbarrieren und ein eingeschränkter Zugang zu Sozialleistungen vielfach zu prekären, teils ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen führen, die den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zusätzlich erschweren. Dadurch wirkt Migration zunehmend als eigenständiger Risikofaktor für Wohnungsnot“, erklärt Joachim Krauß, Fachreferent für Migration bei der BAG W.

    Anstieg von Menschen in absoluter Armut

    Allgemeine Daten des Statistikberichts zeigen weitere wichtige Entwicklungen: Fast drei Viertel der erfassten Klient:innen sind zum Zeitpunkt der Hilfe von Wohnungslosigkeit betroffen – und verfügen somit nicht über abgesicherten Wohnraum. Von ihnen lebt knapp die Hälfte bei Familie, Partner:in oder Bekannten (47,5 Prozent). Diese Beobachtung deckt sich mit Praxiserfahrungen: Viele betroffene Menschen versuchen zunächst, aus eigener Kraft eine Lösung zu finden. Ansteigend seit 2013 lebt nunmehr über ein Drittel in absoluter Armut. Das bedeutet, dass diese Menschen keinerlei finanzielle Unterstützung erhalten. Bei den unter 25-Jährigen akut wohnungslosen Personen betrifft dies sogar 45 Prozent, die über kein eigenes Einkommen verfügen.

    Wohnungslosigkeit hat viele Gesichter – Was folgt daraus?

    Die BAG W fordert einen deutlichen Ausbau des sozialen Wohnraums, um Wohnungslosigkeit wirksam bekämpfen zu können. Zudem braucht es einen stärkeren Fokus auf präventive Maßnahmen, um Wohnungsverlust frühzeitig zu verhindern. Ein zentraler Punkt ist außerdem der uneingeschränkte Zugang zu Hilfen, der unabhängig vom Aufenthaltsstatus der betroffenen Personen gewährleistet sein muss.

    „Wir brauchen gezielte, migrationssensible Angebote in der Wohnungslosenhilfe und einen diskriminierungsfreien Zugang zum regulären Wohnungsmarkt“, fordert Susanne Hahmann, Vorsitzende der BAG W. „Aber das allein reicht nicht. Solange es in Deutschland keinen ausreichenden Bestand an bezahlbarem Wohnraum gibt, wird es auch keine wirksame Bekämpfung von Wohnungslosigkeit geben.“

    „Wir müssen uns bewusst machen, was Wohnungslosigkeit für jede einzelne Person bedeutet: den Verlust von Privatsphäre, Stabilität, Sicherheit und Geborgenheit. Wenn wir bedenken, dass auch Kinder davon betroffen sind, müssen wir uns fragen, ob wir als Gesellschaft diesen Zustand wirklich akzeptieren wollen“, so Sarah Lotties, Fachreferentin der BAG W.

    Der Statistikbericht der BAG W
    Die BAG W veröffentlicht einmal jährlich eine Statistik zur Lebenslage wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen. Sie gibt einen Überblick über ihre Situation und stützt sich für das Jahr 2023 auf mehr als 43.000 anonymisierte Datensätze aus 237 Einrichtungen.

    Zum vollständigen Statistikbericht gelangen Sie hier.

    Pressemitteilung der BAG W, 21.8.2025

  • Mehr graue Zellen durch Psychotherapie

    Psychotherapie führt zu messbaren Veränderungen der Hirnstruktur. Das haben Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Universität Münster erstmals in einer Studie am Beispiel der kognitiven Verhaltenstherapie nachgewiesen. Die Arbeit erschien im Fachjournal „Translational Psychiatry“. Hierfür untersuchte das Team die Gehirne von 30 Patientinnen und Patienten mit einer akuten Depression. Die meisten davon zeigten nach der Therapie Veränderungen in Bereichen, die für die Verarbeitung von Emotionen zuständig sind. Die beobachteten Effekte ähneln denen, die bereits aus Studien zu Medikamenten bekannt sind.

    Funktionelle und strukturelle Veränderungen im Gehirn

    Weltweit sind rund 280 Millionen Menschen von einer schweren Depression betroffen. Dabei kommt es zu Veränderungen der Hirnmasse des vorderen Hippocampus und der Amygdala – beide Areale sind Teil des limbischen Systems und vorwiegend für die Verarbeitung und Kontrolle von Emotionen verantwortlich. Eine in der Psychotherapie etablierte Behandlungsmethode ist die kognitive Verhaltenstherapie. „Die kognitive Verhaltenstherapie bewirkt eine positive Veränderung der Denkmuster, Emotionen und Verhaltensweisen. Wir gehen davon aus, dass dieser Prozess auch mit funktionellen und strukturellen Veränderungen im Gehirn verbunden ist. Für Therapien mit Medikamenten oder Elektrostimulationen ist dieser Effekt bereits nachgewiesen, für die Psychotherapie allgemein bislang jedoch nicht valide“, sagt Prof. Dr. Dr. Ronny Redlich, Leiter der Abteilung Biologische und Klinische Psychologie an der MLU.

    Nachweis mit MRT

    Dieser Nachweis ist den Forschenden der MLU und der Universität Münster nun gelungen – in einer umfangreichen Studie mit 30 an einer akuten Depression leidenden Menschen. Die Gehirne der Betroffenen wurden vor und nach 20 Sitzungen einer Verhaltenstherapie mit der strukturellen Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht. „MRT-Aufnahmen liefern Informationen über Form, Größe und Lage von Gewebe“, erklärt die Psychologin Esther Zwiky von der MLU. Zusätzlich zu den MRT-Aufnahmen wurden klinische Interviews geführt, um die Symptome der Erkrankung, etwa Schwierigkeiten beim Identifizieren und Beschreiben von Gefühlen, zu analysieren. Außerdem nahmen zu Vergleichszwecken 30 gesunde Kontrollpersonen an der Studie teil, die keine Therapie durchliefen.

    Die Ergebnisse der Studie sind deutlich: 19 von 30 Patientinnen und Patienten hatten nach der Therapie kaum noch eine akute depressive Symptomatik. Erstmals haben die Forschenden auch konkrete anatomische Veränderungen dokumentiert. „Wir haben eine deutliche Zunahme des Volumens grauer Hirnmasse in der linken Amygdala und im vorderen rechten Hippocampus festgestellt“, sagt Esther Zwiky. Die Forschenden sehen hier einen klaren Zusammenhang mit den Symptomen: Personen mit höherem Zuwachs grauer Hirnmasse in der Amygdala zeigten auch einen stärkeren Rückgang ihrer Gefühlsstörungen.

    Psychotherapie ist gleichwertige Alternative zu Medikamenten oder Elektrostimulationen

    „Dass die kognitive Verhaltenstherapie wirkt, war bereits bekannt. Jetzt haben wir erstmals einen validen Biomarker für den Effekt von Psychotherapie auf die Hirnstruktur. Einfacher ausgedrückt: Psychotherapie verändert das Gehirn“, erklärt Ronny Redlich. Redlich betont, dass es keine grundsätzlich bessere oder schlechtere Therapie gibt – bei manchen Menschen schlagen Medikamente besser an, bei anderen funktionieren Elektrostimulationen sehr gut, dritten wiederum hilft Psychotherapie am besten. „Umso erfreulicher ist, dass wir durch unsere Studie zeigen konnten, dass Psychotherapie auch aus medizinisch-naturwissenschaftlicher Sicht eine gleichwertige Alternative ist“, so Redlich.

    Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) und dem Land Sachsen-Anhalt gefördert.

    Originalpublikation:
    Studie: Zwiky E. et al. Limbic gray matter increases in response to cognitive behavioural therapy in major depressive disordner. Translational Psychiatry (2025). doi: 10.1038/s41398-025-03545-7

    Pressestelle der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 27.8.2025

  • Mehr Aufmerksamkeit für Kinder aus sucht- und psychisch belasteten Familien

    Die Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) und der Bundesdrogenbeauftragte Hendrick Streeck (CDU) haben eine positive Bilanz der von dem Außenwerber Wall GmbH gesponsorten Plakatkampagne für „Hilfen im Netz“ gezogen. „Das ist ein voller Erfolg“, sagte Prien am 21. August bei einem Gespräch mit Vertretern und Vertreterinnen des Projekts, das betroffenen Kindern- und Jugendlichen und Fachkräften kostenlose und anonyme Hilfe über das Internet anbietet. „Diese Erfahrung müssen wir mitnehmen in die Zukunft. Wir wollen gerne dazu beitragen, dass das Thema ‚Aufwachsen mit sucht- und psychisch kranken Eltern‘ eine größere Aufmerksamkeit bekommt.“ Der Bundesdrogenbeauftragte Hendrik Streeck ergänzte: „Wenn wir bei der Prävention gegen Suchterkrankungen wirklich etwas erreichen wollen, dann müssen wir bei den Kindern und Jugendlichen ansetzen.“

    In Deutschland leben rund 3,8 Millionen Kinder und Jugendliche mit mindestens einem sucht- oder psychisch kranken Elternteil zusammen. Dies führt zu vielen belastenden Erfahrungen von Isolation, Stigmatisierung und häufig auch von psychischer und körperlicher Gewalt. Die betroffen Kinder- und Jugendliche tragen ein mehrfach erhöhtes Risiko, selbst im Laufe ihres Lebens eine Sucht oder andere psychische Erkrankung zu entwickeln.

    „City-Light“-Kampagne

    Dem will das vom Bundesfamilienministerium finanzierte Projekt „Hilfen im Netz“ mit einer kostenlosen und anonymen Online-Beratung präventiv entgegenwirken. Im Juli und August hat nun eine bundesweite „City-Light“-Kampagne, gesponsort vom Außenwerber Wall, in rund 4.000 Plakatvitrinen an Nahverkehrs-Haltestellen und anderen Standorten Kinder und Jugendliche auf dieses Hilfsangebot aufmerksam gemacht. „Das war eine der größten Kampagnen für Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche, die wir in den vergangenen Jahren unterstützt haben“, sagte Harriet Vahldieck, Leiterin Team Städtemarketing & Public Affairs bei Wall. „Aber wir wissen um die große gesellschaftliche Relevanz des Themas und freuen uns, einen Beitrag geleistet zu haben, dieses wichtige Hilfsangebot bekannter zu machen. Denn Außenwerbung schließt niemanden aus.“

    „Die Kampagne hat enorme Auswirkungen auf Wahrnehmung von hilfenimnetz.de“, sagt Anna Buning von der Drogenhilfe Köln, einem der beiden Verbundpartner von „Hilfen im Netz“. „Die Anmeldezahlen zur Online-Beratung sind im Juli um das 3,5-fache gestiegen.“ Timo Kliche von NACOA Deutschland, dem zweiten Projektpartner, ergänzt: „Dies macht deutlich, wie wichtig die Bekanntmachung von niedrigschwelligen Zugangswegen zu Beratung und Hilfe für betroffene Kinder und Jugendliche ist und wie notwendig eine Sensibilisierung der Gesellschaft zu den Themen Sucht und Psychische Erkrankungen in der Familie ist.

    Das Angebot: kostenlose und anonyme Online- und Telefon-Beratung

    „Hilfen im Netz“ ist eine Online-Plattform für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus sucht- und psychisch belasteten Familien. Das Projekt bietet den Betroffenen, ihren Angehörigen und auch Fachkräften, die sich mit den Herausforderungen dieser Kinder und Jugendlichen auseinandersetzen, kostenlose und anonyme Online- und Telefon-Beratung an. Durch die Bereitstellung einer digitalen Landkarte mit bundesweiten Hilfeangeboten ist es auch möglich, über eine PLZ-Recherche eigenständig nach analogen Hilfeangeboten vor Ort zu suchen. Fachkräfte können zusätzlich über die Plattform COA.KOM an kostenlosen Fortbildungen und Supervisionen rund um die Themen Sucht und psychische Erkrankungen in der Familie teilnehmen.

    „Hilfen im Netz“ wird als Verbundprojekt von NACOA Deutschland e.V. und der Drogenhilfe Köln (KidKit) durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) gefördert (Laufzeit: 01.07.2023 – 30.06.2026). Mit dem Projekt soll die Empfehlung Nr. 6 der Arbeitsgruppe Kinder psychisch und suchtkranker Eltern (AG KpkE) umgesetzt werden.

    Ausblick – Antrag „Prävention stärken – Kinder mit psychisch oder suchtkranken Eltern unterstützen“

    Die Vertreter und Vertreterinnen des Projektes sprachen mit der Bundesfamilienministerin und dem Bundesdrogenbeauftragten auch über die in diesem Jahr geschaffenen politischen Grundlagen, die neben der grundsätzlichen Notwendigkeit zur Weiterführung des Projekts dafürsprechen, die Online-Plattform langfristig aufrecht zu erhalten. Dabei verwiesen sie zum einen auf den Antrag „Prävention stärken – Kinder mit psychisch oder suchtkranken Eltern unterstützen“, der durch die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP am 31. Januar 2025 einstimmig angenommen wurde. In diesem wird unter anderem eine nachhaltig wirkende Entstigmatisierungskampagne für Familien mit psychisch oder suchtkranken Elternteilen gefordert. Zum anderen sollen laut des aktuellen Koalitionsvertrages Strategien zur Prävention und Früherkennung psychischer Erkrankungen, insbesondere durch Aufklärung und niedrigschwellige Beratung sowie durch Fortbildung von Pädagogen und Fachkräften, entwickelt werden.

    Pressemitteilung von NACOA Deutschland e.V., 21.8.2025

  • Besserer Schutz von Heranwachsenden auf Social Media

    Zwar kann die Nutzung sozialer Medien durchaus positive Effekte für Heranwachsende haben – bei intensiver Nutzung können jedoch negative Auswirkungen auf das psychische, emotionale und soziale Wohlbefinden auftreten wie Depressions- und Angstsymptome, Aufmerksamkeits- oder Schlafprobleme. In dem Mitte August veröffentlichten Diskussionspapier „Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina schlagen die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Maßnahmen vor, um Kinder und Jugendliche vor negativen Folgen sozialer Medien zu schützen, beispielsweise durch altersabhängige Zugangs- und Funktionsbeschränkungen.

    Anwendung des Vorsorgeprinzips

    Das Diskussionspapier gibt einen Einblick in die aktuelle Studienlage zum Einfluss sozialer Medien auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Der Großteil der verfügbaren Evidenz ist korrelativer und nicht kausaler Natur: Querschnittstudien belegen einen statistischen Zusammenhang zwischen der Nutzung sozialer Medien und einer zunehmenden psychischen Belastung. Einige Längsschnittstudien über längere Zeiträume hinweg liefern zudem Hinweise darauf, dass die intensive Nutzung sozialer Medien ursächlich für diese Belastungen sein kann. Die Autorinnen und Autoren sprechen sich deshalb für die Anwendung des Vorsorgeprinzips aus: Es besagt, dass vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden sollten, wenn es Hinweise auf mögliche schädliche Auswirkungen gibt, auch wenn wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt ist, wie groß das Risiko tatsächlich ist.

    Konkrete Handlungsempfehlungen

    Laut den Autorinnen und Autoren besteht politischer Handlungsbedarf zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, da die möglichen Gefährdungen durch eine intensive Social-Media-Nutzung erheblich sind. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler formulieren im Diskussionspapier konkrete Handlungsempfehlungen, um Kinder und Jugendliche vor den Gefahren sozialer Medien zu schützen und sie gleichzeitig zu einem reflektierten und kompetenten Umgang mit ihnen zu befähigen.

    • Sie sprechen sich dafür aus, dass Kinder unter 13 Jahren keine Social-Media-Accounts einrichten dürfen. Für 13- bis 15-jährige Jugendliche sollten soziale Medien nur nach gesetzlich vorgeschriebener elterlicher Zustimmung nutzbar sein.
    • Für 13- bis 17-Jährige sollen soziale Netzwerke zudem altersgerecht gestaltet werden – beispielsweise bei den algorithmischen Vorschlägen, durch ein Verbot von personalisierter Werbung oder durch die Unterbindung besonders suchterzeugender Funktionen wie Push-Nachrichten und endloses Scrollen.
    • Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfehlen außerdem, die Nutzung von Smartphones in Kitas und Schulen bis einschließlich Klasse 10 nicht zuzulassen.

    Regulierung auf politischer Ebene

    Das Diskussionspapier erläutert auch die mögliche Umsetzung der Altersgrenzen und altersgerechten Einschränkungen auf Social Media. Hier sehen die Autorinnen und Autoren vor allem auf EU-Ebene Möglichkeiten der Regulierung. Die deutsche Bundesregierung sollte sich dort für entsprechende gesetzliche Regelungen einsetzen.

    • Ein vielversprechender Ansatz ist bereits die geplante Einführung der „EUDI-Wallet“, die einen datenschutzkonformen digitalen Altersnachweis ermöglichen soll.
    • Um einen reflektierten Umgang mit sozialen Medien zu fördern, schlagen die Autorinnen und Autoren vor, einen digitalen Bildungskanon in Kitas und Schulen zu verankern, der Kinder und Jugendliche auf Themen des digitalen Lebens vorbereitet.
    • Die Kompetenzen von Lehr- und Erziehungsfachkräften sollten gestärkt werden, um riskantes bzw. suchtartiges Nutzungsverhalten frühzeitig erkennen und adressieren zu können.
    • Niedrigschwellige Public-Health-Kampagnen sollten Familien zudem über die Einflüsse sozialer Medien auf die psychische Gesundheit sowie über die Möglichkeiten einer positiven Gestaltung der Social-Media-Nutzung informieren.
    • Zudem bedarf es weiterer Forschung, um die Wirkmechanismen der Nutzung sozialer Medien in dieser Altersgruppe besser zu verstehen und die Effektivität der Schutzmaßnahmen zu evaluieren.

    Das Diskussionspapier „Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ ist auf der Website der Leopoldina veröffentlicht: https://www.leopoldina.org/socialmedia-kinder

    In einem Video stellt Prof. Dr. Ralph Hertwig, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin und Mitautor des Diskussionspapiers, die Handlungsempfehlungen vor: https://youtu.be/2l5Qcu1_Fpc

    Publikationen in der Reihe „Leopoldina-Diskussion“ sind Beiträge der genannten Autorinnen und Autoren. Mit den Diskussionspapieren bietet die Akademie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, flexibel und ohne einen formellen Arbeitsgruppen-Prozess Denkanstöße zu geben oder Diskurse anzuregen und hierfür auch Empfehlungen zu formulieren. Die in Diskussionspapieren vertretenen Thesen und Empfehlungen stellen daher keine inhaltliche Positionierung der Akademie dar.

    Das Diskussionspapier wurde auf Anregung der Leopoldina-Fokusgruppe Digitalisierung von einer interdisziplinär besetzten Arbeitsgruppe verfasst. Zur Fokusgruppe Digitalisierung: https://www.leopoldina.org/politikberatung/fokusgruppen/digitalisierung /

    Über die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina:

    Als Nationale Akademie der Wissenschaften leistet die Leopoldina unabhängige wissenschaftsbasierte Politikberatung zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Dazu erarbeitet die Akademie interdisziplinäre Stellungnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. In diesen Veröffentlichungen werden Handlungsoptionen aufgezeigt, zu entscheiden ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik. Die Expertinnen und Experten, die Stellungnahmen verfassen, arbeiten ehrenamtlich und ergebnisoffen. Die Leopoldina vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien, unter anderem bei der wissenschaftsbasierten Beratung der jährlichen G7- und G20-Gipfel. Sie hat rund 1.700 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern und vereinigt Expertise aus nahezu allen Forschungsbereichen. Sie wurde 1652 gegründet und 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt. Die Leopoldina ist als unabhängige Wissenschaftsakademie dem Gemeinwohl verpflichtet.

    Pressestelle der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, 13.8.2025

  • Psilocybin-Therapie als Compassionate Use erstmals in Deutschland möglich

    Psilocybin-Therapie ist erstmals in Deutschland außerhalb von wissenschaftlichen Studien möglich. Im Rahmen eines behördlich genehmigten Arzneimittel-Härtefallprogramms ist die OVID Clinic Berlin ein spezialisierter Behandlungsstandort für Menschen mit therapieresistenter Depression. Das Härtefallprogramm ist kein Ersatz für eine Zulassung von Psilocybin. Wir gehen davon aus, dass der Behandlungsbedarf die Kapazität deutlich überschreiten wird.

    Depression zählt zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland. Obwohl es viele gute Therapiemethoden gibt, sprechen etwa 20 bis 30 Prozent der Betroffenen nicht ausreichend auf eine Behandlung an und gelten damit als therapieresistent. In zahlreichen wissenschaftlichen Studien hat sich in den vergangenen Jahren Psilocybin als erfolgversprechend zur Behandlung von therapieresistenten Depressionen gezeigt. Mit der Genehmigung eines Arzneimittel-Härtefallprogramms („Compassionate Use“) für Psilocybin durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist ein bedeutender Schritt in der psychiatrischen Versorgung gelungen. Die OVID Clinic Berlin zählt – neben dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim – zu den ersten beiden Einrichtungen in Deutschland und der Europäischen Union, die schwer depressiv erkrankte Patient:innen im Rahmen eines behördlich genehmigten Ausnahmeverfahrens mit Psilocybin behandeln dürfen. Das Projekt richtet sich ausschließlich an volljährige Patient:innen mit therapieresistenter Depression, bei denen bisherige Behandlungen nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben.

    Spezialisierte Tagesklinik für psychedelisch-unterstützte Therapien

    Die OVID Clinic Berlin ist auf die Anwendung psychedelischer Verfahren in einem psychotherapeutisch und medizinisch professionell strukturierten Kontext spezialisiert. Unter der ärztlichen Leitung von Dr. med. Andrea Jungaberle und Prof. Dr. med. Gerhard Gründer werden hier seit Jahren Patient:innen mit innovativen, achtsamkeitsbasierten und integrativen Behandlungsverfahren begleitet – unter anderem mit Ketamin-augmentierter Psychotherapie. Die nun mögliche Psilocybin-Therapie erfolgt tagesklinisch, eingebettet in ein sorgfältig abgestimmtes Setting mit intensiver therapeutischer Vorbereitung, Durchführung und Nachsorge. Das Compassionate Use-Programm für Psilocybin-Therapie wird vom Ärztlichen Direktor der OVID Clinic Berlin, Prof. Dr. med. Gerhard Gründer geleitet, der auch die erste deutsche Phase-II-Studie zu Psilocybin bei therapieresistenten Depressionen initiiert und abgeschlossen hat.

    „Die Behandlung mit Psilocybin erfolgt bei uns nicht isoliert, sondern immer im Rahmen eines multiprofessionellen und integrativen Therapieansatzes, der Psyche, Körper und Lebenskontext gleichermaßen berücksichtigt“, sagt Chefärztin Dr. med. Andrea Jungaberle, Fachärztin für Anästhesie und Ärztliche Psychotherapeutin, Mitgründerin der OVID Clinic Berlin. „Mit unserer langjährigen klinischen Erfahrung in der psychedelisch-gestützten Psychotherapie können wir Patient:innen in einem geschützten und professionell begleiteten Rahmen neue therapeutische Zugänge ermöglichen.“

    Komplementär zu Studien: medizinisch verantwortete Einzelfallbehandlung

    Im Gegensatz zu klinischen Studienprotokollen erlaubt das Compassionate Use-Verfahren eine individuellere und Patienten-zentrierte Herangehensweise an die Therapien. Die Behandlung unterliegt dennoch höchsten medizinischen und ethischen Standards und folgt behördlichen Vorgaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Der Wirkstoff Psilocybin entstammt einer Pilzart und wird vom kanadischen Hersteller Filament Health zur Verfügung gestellt.

    Verbindung zur MIND Foundation – Fachkompetenz aus Wissenschaft und Weiterbildung

    Die OVID Clinic ist eng verbunden mit der MIND Foundation – einer europäischen Organisation, die sich seit mehr als acht Jahren für die verantwortungsvolle Integration psychedelischer Verfahren in Medizin und Gesellschaft einsetzt. Dr. sc. hum. Henrik Jungaberle, Gründungsdirektor von MIND, ist maßgeblich an der Entwicklung des medizinisch-psychotherapeutischen Fortbildungsprogramms Augmented Psychotherapy Training (APT) beteiligt. Diese Weiterbildung für Ärzte und Psychotherapeuten startet zum achten Mal im November 2025. Die APT Inhalte sind auch die Grundlage für psychedelische Therapie in der OVID Clinic Berlin. „Mit dem Compassionate Use schaffen wir einen klinischen Anwendungsraum, in dem sich Forschungswissen, ärztliche Sorgfalt und psychotherapeutische Erfahrung sinnvoll verbinden lassen“, so Henrik Jungaberle.

    Weitere Informationen: https://www.ovid-clinics.de/

    Pressestelle der OVID Clinic, 28.7.2025