Kategorie: Kurzmeldungen

  • Burden 2020 – Studie zur Krankheitslast in Deutschland

    Welche Krankheiten tragen in Deutschland maßgeblich zur Krankheitslast bei? Im Rahmen der Studie Burden 2020 haben Forschende des Robert Koch-Instituts gemeinsam mit weiteren Einrichtungen dies für Deutschland berechnet: Am meisten zur Krankheitslast tragen koronare Herzkrankheiten bei, gefolgt von Schmerzen im unteren Rücken und Lungenkrebs. „Krankheitslast-Studien liefern umfassende Daten zur Bevölkerungsgesundheit, und Burden 2020 ist inzwischen ein zentraler Baustein der Public-Health-Surveillance des Robert Koch-Instituts und damit für Deutschland“, sagt Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts.

    Krankheitslast wird in Form des Indikators DALY (Disability-adjusted life years) gemessen. DALY beziffern die Abweichung der Gesundheit der Bevölkerung von einem optimalen Gesundheitszustand und setzen sich aus der Krankheitslast durch Mortalität (Years of life lost, YLL) und Morbidität (Years lived with disability, YLD) zusammen. YLL messen die Lebenszeit, die durch vorzeitiges Versterben im Vergleich zur statistischen Lebenserwartung verloren geht. YLD misst die Lebenszeit, die in eingeschränkter Gesundheit (Krankheit/Behinderung) verbracht wird. Krankheitslast hat gegenüber der isolierten Betrachtung von Sterbefällen und Krankheitshäufigkeiten den Vorteil, dass die Bedeutung von Krankheit (YLD) und Tod (YLL) für die Bevölkerungsgesundheit vergleichbar wird, auch international und regional. Als Datenquellen für Burden 2020 dienen vor allem die Todesursachenstatistik, Befragungsdaten und GKV-Abrechnungsdaten.

    Die Analysen ergeben, dass pro Jahr rund zwölf Millionen DALY anfallen. Das entspricht 14.584 DALY je 100.000 Einwohner (EW). Im Vergleich aller betrachteten Krankheitslastursachen trägt die koronare Herzkrankheit insgesamt am meisten zur Krankheitslast bei (2.321 DALY je 100.000 EW), gefolgt von Schmerzen im unteren Rücken (1.735 DALY), Lungenkrebs (1.197 DALY/100.000 EW), Kopfschmerzerkrankungen (1.032 DALY/100.000 EW) und der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) (1.004 DALY/100.000 EW). Auch psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen sind unter den zehn häufigsten Krankheitslastursachen vertreten.

    Bei Frauen verursachten Schmerzerkrankungen und Demenzen mehr Krankheitslast als bei Männern. Männer hatten eine höhere Krankheitslast durch Lungenkrebs oder alkoholbezogene Störungen. Im jüngeren Erwachsenenalter führten neben Schmerzerkrankungen besonders auch alkoholbezogene Störungen bei beiden Geschlechtern bereits zu einer relativ hohen Krankheitslast. Neben den Altersverläufen stehen die Ergebnisse regional (Länder, 96 Raumordnungsregionen) und getrennt nach Männern und Frauen zur Verfügung.

    Die Ergebnisse sind im Deutschen Ärzteblatt (Ausgabe 46 vom 18.11.2022) erschienen. Die gesamten Ergebnisse werden unter http://www.daly.rki.de visualisiert und zum Download angeboten.

    Die Pilotstudie startete 2018 und liefert für zunächst 19 der wichtigsten Krankheitslastursachen für das Berichtsjahr 2017 einen Überblick, weitere sollen folgen. „BURDEN 2020 – Die Krankheitslast in Deutschland und seinen Regionen“ wurde gefördert vom Innovationsfonds beim Gemeinsamen Bundesausschuss. Beteiligt an der Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt sind neben dem RKI das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) und das Umweltbundesamt. Im Rahmen des Projekts hatte das RKI 2021 bereits die durch Mortalität verursachte Krankheitslast (YLL) berechnet und ebenfalls im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.

    Pressestelle des Robert Koch-Instituts (RKI), 18.11.2022

  • „Schieb den Gedanken nicht weg!“

    Kampagnen-Flyer

    Anlässlich des 8. Europäischen Tages zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexueller Gewalt am 18. November haben Bundesfamilienministerin Lisa Paus und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, die gemeinsame Aufklärungs- und Aktivierungskampagne „Schieb den Gedanken nicht weg!“ vorgestellt. Die Botschaft: Kinder und Jugendliche sind vor allem im eigenen Umfeld der Gefahr sexueller Gewalt ausgesetzt.

    Seit Jahren werden konstant tausende Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch zur Anzeige gebracht. Doch das ist nur das polizeiliche Hellfeld, das Dunkelfeld ist ungleich größer. Es wird geschätzt, dass ein bis zwei Kinder pro Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen sind – bei rund drei Viertel der Fälle geschieht das in der eigenen Familie oder im sozialen Nahfeld. Von den meisten Menschen wird dieses reale Risiko im eigenen Umfeld allerdings weitgehend verdrängt: 90 Prozent der Bevölkerung halten es zwar für wahrscheinlich, dass sexuelle Gewalt vor allem in Familien stattfindet. 85 Prozent halten es aber für unwahrscheinlich oder ausgeschlossen, dass sexuelle Gewalt in ihrer eigenen Familie passiert oder passieren kann, so das Ergebnis einer FORSA-Umfrage im Auftrag der Unabhängigen Beauftragten.

    Der Betroffenenrat bei der Unabhängigen Beauftragten: „Diese Kampagne soll Mut machen und dazu auffordern, selbst Verantwortung zu übernehmen und Teil einer gesellschaftlichen Selbstverständlichkeit zu werden: Immer da informiert zu handeln, wo Kinder und Jugendliche sexualisierte Gewalt erleben und erwachsene Betroffene sexualisierte Gewalterfahrungen in der Familie oder anderen Tatkontexten offenlegen. Sexualisierte Gewalt in der Familie ist keine Privatangelegenheit, sondern Unrecht. Dieses oft fehlende Unrechtsbewusstsein führt in großen Teilen der Gesellschaft zum Schweigen über den Tatort Familie. Jedoch hat das Umfeld die Verantwortung und vor allem die Möglichkeit, zu helfen und den Betroffenen zur Seite zu stehen.“

    Mit kontrastiven, irritierenden Aussagen wie: „Geh nicht mit Fremden mit! – Und wenn es gar kein Fremder ist?“ oder „Mach niemandem die Tür auf! – Und wenn die Gefahr schon drinnen ist?“ stellt die Kampagne gewohnte familiäre Denkmuster in Frage und weist auf die reale Gefahr von sexueller Gewalt im persönlichen Umfeld hin. Ziel ist es, Menschen zu befähigen, aktiv zu werden, wenn sie Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch schöpfen.

    „Schieb den Gedanken nicht weg!“ ist als mehrjährige Kampagne konzipiert. Neben einer Vielzahl von Informationsmaterialien stärkt die Kampagne lokale Netzwerke und kommunale Initiativen und unterstützt diese mit einem Kampagnenbüro. Durch die Zusammenarbeit von Fachpraxis, Politik und Zivilgesellschaft sollen nachhaltige Bündnisse vor Ort zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt erreicht werden. Auch der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiger Partner, der die Kampagne und die bundesweiten und lokalen Aktivierungsmaßnahmen unterstützt.

    Landingpage der Kampagne: www.hilfe-portal-missbrauch.de

    FORSA-Befragung sowie weitere Zahlen und Fakten zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen: https://beauftragte-missbrauch.de/service/publikationen/zahlen-und-fakten

    Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums, 17.11.2022

  • Cannabislegalisierung: Risiken nicht bagatellisieren

    Von Substanzabhängigkeit, kognitiven Beeinträchtigungen und affektiven Störungen über Psychosen bis hin zu erhöhter Suizidalität – intensiver Cannabiskonsum birgt erwiesenermaßen schwerwiegende Gesundheitsrisiken. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) zeigt in ihrem Positionspapier anhand des aktuellen Forschungsstandes auf, worauf bei einer kontrollierten Abgabe von Cannabis aus psychiatrischer Sicht zwingend zu achten ist.

    Ein Blick in europäische Nachbarländer oder die USA macht deutlich, dass eine Cannabislegalisierung die Zahl der regelmäßigen Konsumenten und in der Folge die Zahl der Menschen, die cannabisbezogene Störungen und Folgeerkrankungen entwickeln, erhöhen kann. Die größten gesundheitlichen Risiken bestehen vor allem bei einem intensiven und langjährigen Konsum sowie einem Konsumbeginn im Jugendalter. Etwa zehn Prozent aller Cannabiskonsumenten entwickeln über die Lebenszeit eine Abhängigkeit. Aus Sicht der DGPPN muss eine kontrollierte Abgabe daher eng medizinisch-wissenschaftlich begleitet werden und mit den folgenden Maßnahmen einhergehen:

    • Prävention: Sowohl spezifische verhaltens- als auch verhältnispräventive Maßnahmen müssen zum Tragen kommen.
    • Jugendschutz: Um einen schädlichen Einfluss auf die Hirnreifung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu vermindern, soll die Altersgrenze des Zugangs nicht unter 21 Jahren liegen.
    • Beratung und Behandlung: Der Ausbau niedrigschwelliger, kultursensibler und flächendeckender Beratungs- und Behandlungsangebote muss vorangetrieben werden.
    • Begleitforschung: Die Auswirkungen und Marktentwicklungen der kontrollierten Cannabisfreigabe müssen intensiv beforscht werden.
    • Finanzierung: Es ist sicherzustellen, dass die Einnahmen aus dem Cannabisverkauf vollständig zur Förderung von Prävention und Jugendschutz sowie zur Suchtversorgung und -forschung verwendet werden.

    „Noch sind viele Fragen völlig ungeklärt. Wie werden Jugend- und Gesundheitsschutz sichergestellt? In welcher Form werden Verbraucher über die Risiken sowie über Hilfs- und Beratungsangebote informiert? Wie sollen Evaluierung und Begleitforschung aussehen? Prävention sowie Früherkennung und -intervention müssen von Anfang an mitgedacht werden, wenn der Staat seiner Schutzpflicht nachkommen und nicht dazu beitragen will, dass mehr Menschen psychisch erkranken. Gerade bei Jugendlichen unter 21 Jahren hat Cannabiskonsum einen Einfluss auf die Hirnreifung und kann das Psychoserisiko erhöhen“, mahnt DGPPN-Präsident Thomas Pollmächer.

    „Den gesundheitlichen Risiken muss daher mit einem differenzierten und umsichtigen Regelwerk begegnet werden, dem Prävention und Jugendschutz als Prämissen zugrunde zu legen sind“, fasst Pollmächer zusammen.

    Eine Arbeitsgruppe von führenden Expertinnen und Experten hat im aktuellen Positionspapier der DGPPN den Kenntnisstand zu Cannabiskonsum und psychischer Gesundheit zusammengetragen und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet.

    Download Positionspapier

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), 25.04.2022

  • Studie zur Notfallversorgung bei psychischen Erkrankungen

    Dr. Benedikt Schick (li.) und Prof. Dr. Carlos Schönfeldt-Lecuona (re.) leiteten die Studie. Quelle: Uniklinikum Ulm

    Rund ein Drittel aller Notarzteinsätze haben einen psychiatrischen Hintergrund. Dabei ist die medizinische Versorgung psychiatrischer Notfälle oft schwierig, denn sie unterscheidet sich grundlegend von der bei somatischen Krankheitsbildern wie einem akuten Herzinfarkt oder einem Polytrauma. Professor Dr. Carlos Schönfeldt-Lecuona aus der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III und Dr. Benedikt Schick aus der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Universitätsklinikums Ulm (UKU) haben in einer Studie Problemfelder bei der vorklinischen Versorgung von Patient:innen mit psychischen Erkrankungen identifiziert und Lösungsstrategien erarbeitet.

    Bei der Notfallversorgung stellen Notfallmediziner:innen eine Erstdiagnose und leiten eine entsprechende Therapie ein, sodass Patient:innen stabil in die Klinik gebracht werden können. Dort erfolgt die Weiterversorgung durch die zuständigen Fachbereiche. Die Notfallversorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen – beispielsweise die Intoxikation durch Drogen, Alkohol oder Medikamente, akute psychotische Zustände bei Patient:innen mit einer Schizophrenie oder durch Drogen – ist häufig zeitaufwendiger, die Einordnung der Erkrankung schwierig, und den Patient:innen fehlt mitunter die Krankheitseinsicht. In seltenen Fällen müssen aufgrund von Selbst- oder Fremdgefährdung Zwangsmaßnahmen mit Hilfe der Polizei durchgeführt werden.

    „Nach der Erstversorgung des psychiatrischen Notfalls gelingt es den Notärzten häufig nicht, eine geeignete weiterführende Klinik für den Patienten zu finden. Was für den Patienten mit akutem Herzinfarkt oder den polytraumatisierten Patienten undenkbar ist, nämlich die Behandlung in einem dafür nicht geeigneten Krankenhaus, ist für Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen leider etwas, das eher häufig vorkommt“, sagt Professor Dr. Schönfeldt-Lecuona. „In diesem Spannungsfeld kommt es nicht selten zu Konflikten zwischen den beteiligten Ärzten“, ergänzt der Psychiater. „Um die Erstversorgung dieser Patienten zu verbessern, haben wir Psychiater und Notärzte befragt, um beide Sichtweisen und Erfahrungen aufgreifen zu können. Dabei haben wir sowohl Problemfelder als auch Lösungsvorschläge eruieren können“, erklärt Dr. Schick.

    Im Rahmen der Studie, an der mehrere Kliniken beteiligt waren, wurden zwischen März und Oktober 2021 insgesamt 98 Notärzt:innen und 104 Psychiater:innen befragt. Die Notfallmediziner:innen nannten die Intoxikation durch Drogen oder Alkohol als das Krankheitsbild, das am häufigsten zu Schwierigkeiten bei der Weiterversorgung der Patient:innen führt. Aus psychiatrischer Sicht wurde die notärztliche Therapie als weitere Schwierigkeit identifiziert, da manche Medikamente, welche in der Notfallsituation verabreicht werden, eine weitergehende Überwachung erfordern, die in der Psychiatrie nicht gewährleistet werden kann. Ein wesentlicher Kritikpunkt aus der notärztlichen Perspektive war, dass Patient:innen, die nicht aus dem direkten Einzugsgebiet der Akutpsychiatrie kommen, häufig durch die psychiatrische Klinik abgelehnt werden. In einer Fallvignette haben die Autoren der Studie versucht, das präklinische Management abzufragen und zu optimieren. Notfallmediziner:innen und Psychiater:innen waren sich einig, dass ein individualisierter Notfallplan für Patient:innen, die wiederkehrend behandelt werden – was in der Psychiatrie keine Seltenheit ist –, eine wesentliche Verbesserung der vorklinischen Versorgung bedeuten könnte. Interessanterweise würden in diesem Kontext aber wesentlich mehr Notärzt:innen den telefonischen Kontakt zu ihren Kolleg:innen in der Psychiatrie suchen, während dies Psychiater:innen selbst weniger häufig tun würden.

    Sowohl die befragten Notfallmediziner:innen als auch die Psychiater:innen teilten die Einschätzung, dass Fortbildungsbedarf für die Notfallmediziner:innen besteht, welche in der Regel aus dem Bereich Anästhesiologie, Innere Medizin oder Chirurgie stammen und im Notarzteinsatz auch für die vorklinische Akutversorgung psychiatrischer Notfälle zuständig sind. „Die Kolleginnen und Kollegen haben meist kaum oder keine psychiatrischen Kenntnisse während der Weiterbildung zum Notfallmediziner erlangt. Aus unserer Sicht ist es daher wichtig, dass hier mittel- bis langfristig eine Verbesserung des Ausbildungsplans ‚Notfallmedizin‘ erfolgt, um der immer weiter wachsenden Häufigkeit psychiatrischer Notfälle gerecht zu werden“, sagt Prof. Dr. Schönfeldt-Lecuona.

    Die Forschungsgruppe wird durch die Stiftung BINZ mit 5.000 Euro gefördert. Durch eine Vielzahl an Folgeprojekten soll in den nächsten Jahren sowohl die Patientenversorgung als auch die Aus- und Weiterbildung der Notfallmediziner:innen in der Behandlung psychiatrischer Notfälle verbessert werden. Die Studie ist nun im renommierten BMC Emergency Medicine Journal erschienen.

    Originalpublikation: DOI: 10.1186/s12873-022-00722-5

    Pressestelle des Universitätsklinikums Ulm, 7.11.2022

  • Handel mit Rauschgift nimmt zu

    Großsicherstellung: Insgesamt 2,3 Tonnen Kokain hat das BKA in einem Ermittlungsverfahren im August 2022 sichergestellt. Quelle: BKA

    In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wurden im vergangenen Jahr rund 361.000 Rauschgiftdelikte registriert. Damit ging die Gesamtzahl der Delikte um 1,3 Prozent leicht zurück. Allerdings stieg die Zahl der Rauschgift-Handelsdelikte um 2,9 Prozent auf 55.941 Fälle. Das geht aus dem „Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2021“ hervor, das am 10.11.2022 vom Bundeskriminalamt (BKA) und dem Beauftragten der Bundesregierung für Sucht und Drogenfragen vorgestellt wurde.

    Der Großteil des durch Polizei- und Zollbehörden sichergestellten Rauschgifts wird über den Land- und den Seeweg nach Deutschland geschmuggelt. Als Vertriebsweg hat sich das Internet weiter etabliert. Dabei ist das Darknet eine Bezugsquelle, aber auch Messenger-Dienste oder Social-Media-Seiten werden für den Handel mit Drogen genutzt.

    Gehandelt wird schwerpunktmäßig mit Cannabis und Neuen psychoaktiven Stoffen (z. B. synthetische Cannabinoiden): Der Anteil der Cannabis-Handelsdelikte an allen Rauschgift-Handelsdelikten entsprach im vergangenen Jahr 59,1 Prozent (33.060 Fälle, 3,4 Prozent mehr als im Vorjahr).

    Im Jahr 2021 wurden insgesamt 280.840 Tatverdächtige im Zusammenhang mit Rauschgiftdelikten registriert, was einem Rückgang von 1,4 Prozent entspricht (2020: 284.723). Darunter waren 47.784 Tatverdächtige, die im Zusammenhang mit Rauschgift-Handelsdelikten ermittelt wurden (2020: 48.273; -1 Prozent).

    Bei der Sicherstellung von Drogen ist insbesondere bei Kokain und Methamphetamin festzustellen, dass die Mengen steigen. So hat sich die Menge des sichergestellten Kokains im Berichtsjahr 2021 mit mindestens 23 Tonnen mehr als verdoppelt (2020: mindestens 11 Tonnen). Bei Methamphetamin stieg die sichergestellte Menge über alle Erscheinungsformen hinweg, also pulverförmig, kristallin und flüssig, um 25 Prozent auf mindestens 363,1 Kilogramm (2020: 290,5 Kilogramm).

    Wie gefährlich der Konsum von Drogen ist, zeigt die Zahl der Todesfälle: 1.826 Menschen starben im vergangenen Jahr an den Folgen ihrer Drogensucht, eine Zunahme um 15,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (1.581 Todesfälle). Die häufigsten Todesursachen waren der Konsum von Heroin und Opiat-Substitutionsmitteln.

    Die Bekämpfung des organisierten Rauschgifthandels ist eine Kernaufgabe des Bundeskriminalamts. Durch die Erkenntnisse, die auf der Auswertung von Daten der Krypto-Kommunikationsanbieter „EncroChat“, „Sky-ECC“ und „ANOM“ beruhen, hat diese Aufgabe eine neue Dimension erreicht. Auf der Basis dieser Daten wurden in Deutschland seit März 2020 bis heute etwa 4.000 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Bei den polizeilichen Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang durchgeführt wurden, konnten unter anderem nahezu 40 Tonnen Rauschgift (inkl. Grundstoffe) sichergestellt werden. Das BKA hat, um die notwendigen Analysen und die Fälle für die Bearbeitung in den Bundesländern aufzubereiten, eine besondere Aufbauorganisation (BAO) gegründet.

    Zwei weitere wichtige Schläge gegen die Organisierte Rauschgiftkriminalität gelangen dem BKA im August 2022: Im Rahmen zweier Verfahren konnten 700 Kilogramm Heroin und 2,3 Tonnen Kokain sichergestellt sowie mehrere Beschuldigte festgenommen werden.

    Martina Link, BKA-Vizepräsidentin: „Drogenhandel und der Schmuggel von Rauschgift sind Hauptbetätigungsfelder und wesentliche Einnahmequellen der Organisierten Kriminalität in Deutschland. Es ist ein Geschäft, mit dem Millionen verdient werden – über alle Drogenarten hinweg. Das haben nicht zuletzt die Erkenntnisse aus den Auswertungen von Daten der Krypto-Kommunikationsanbieter „EncroChat“, „Sky-ECC“ und „ANOM“ sowie zwei Großsicherstellungen von Kokain und Heroin im Spätsommer dieses Jahres gezeigt. Die Organisierte Kriminalität bedroht und untergräbt unsere Gesellschaft. Das Bundeskriminalamt hat daraus Konsequenzen gezogen: Wir werden unsere Kapazitäten im Bereich Rauschgiftkriminalität weiter stärken und die Geldwäschebekämpfung sowie die Vermögensabschöpfung intensivieren, um den Kriminellen ihre Einnahmen zu entziehen.“

    Burkhard Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Sucht und Drogenfragen: „Die aktuellen Zahlen verdeutlichen: Wir müssen sowohl bei der strafrechtlichen Verfolgung von professionell agierenden Drogenkriminellen als auch bei Prävention und Suchthilfe schneller, konsequenter und besser werden. Wir müssen mehr tun, damit Menschen gar nicht erst zu gefährlichen Drogen greifen, oder, wenn sie es doch tun, davon wieder loskommen. Deswegen brauchen wir in Deutschland eine wirklich flächendeckende Suchtprävention, die hält, was sie verspricht. Und wir brauchen flächendeckende und ausreichend finanzierte Beratungsangebote. Außerdem wichtig: Bitte bei Drogenkonsum statt ideologischer Debatten ganz pragmatisch helfen – vom Drogenkonsumraum bis Substitution, von Drug Checking bis zur Schlafstätte für obdachlose Abhängige: All das hilft am Ende gegen Drogenkonsum, weil es der erste Schritt in den Ausstieg sein kann.“

    Download Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2021

    Gemeinsame Pressemitteilung des Bundeskriminalamtes und des Beauftragten der Bundesregierung für Sucht und Drogenfragen, 10.11.2022

  • Wodka, Benzos & Co: Gefährliche Mischung für Jugendliche

    In der Schweiz sind seit 2018 mindestens 33 Jugendliche an so genanntem Mischkonsum gestorben. Mischkonsum heißt, die Jugendlichen nehmen zwei oder mehr psychoaktive Substanzen gleichzeitig ein. Der damit verbundenen Gefahren sind sie sich oft nicht bewusst, und Angebote, um die Risiken zu mindern, nutzen sie kaum, wie erste Resultate einer Studie des Schweizer Instituts für Sucht- und Gesundheitsforschung (ISGF) und der Universität Zürich (UZH) belegen.

    Mischkonsum insbesondere von Alkohol und Cannabis ist bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kein Randphänomen. Auch wenn bereits diese Kombination Risiken birgt, z. B. eine höhere Unfallgefahr, sind andere Formen des Mischkonsums gefährlicher. So waren die seit 2018 verzeichneten Todesfälle von Jugendlichen mutmaßlich auf den Konsum von mehreren Medikamenten bzw. von Medikamenten in Kombination mit Alkohol zurückzuführen. Bei den Medikamenten waren insbesondere Benzodiazepine (vor allem Xanax®), codeinhaltige Hustenmittel sowie weitere opioidhaltige Medikamente zentral.

    Online-Befragung von Jugendlichen

    In der Schweiz fehlt es bislang an fundierten Daten zum Mischkonsum von jungen Menschen. Das Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung (ISGF), ein assoziiertes Institut der Universität Zürich, will diese Lücke mit einer noch laufenden Studie schließen. Unter der Leitung von Corina Salis Gross wird untersucht, welche Substanzen junge Menschen kombinieren, was die Motive und die Kontexte ihres Mischkonsums sind und welche Risikominderungsstrategien sie einsetzen. Zur Klärung dieser Fragen werden 14- bis 20-Jährige mit regelmäßigem Mischkonsum online befragt. Ergänzend dazu führen die Forschenden Fokusgruppen mit Teenagern sowie Workshops mit Fachpersonen durch.

    Oft mangelhaft oder gar nicht informiert

    Nach Aussage der Fachpersonen sind sich die Jugendlichen der Risiken des Mischkonsums oftmals nicht bewusst. Dies deckt sich mit deren eigenen Aussagen, dass ihr Mischkonsum häufig spontan erfolge und dadurch die Zeit fehle, sich vor dem Konsum ausgiebig zu informieren. Ebenso scheinen sich einige Teenager als gut informiert wahrzunehmen, obwohl die von ihnen genannten Informationsquellen wie YouTube nicht immer bzw. nicht nur sachliche Informationen vermitteln.

    Kombination von mehr als zwei Substanzen ist verbreitet

    Fachorganisationen raten Konsumierenden, generell auf den Mischkonsum zu verzichten, da die Wechselwirkungen zwischen den eingenommenen Substanzen schwer abschätzbar und daher hoch riskant sind. Mit zunehmender Anzahl an eingenommenen Substanzen steigt das Risiko für solche Wechselwirkungen. Zwischenauswertungen der Online-Befragung zeigen aber, dass die Kombination von mehr als zwei Substanzen keine Seltenheit ist. So gab gut die Hälfte der Teilnehmenden an, bei ihrem häufigsten Mischkonsum mehr als zwei Substanzen gleichzeitig zu kombinieren. Auch Beruhigungs- und Schlafmittel bzw. starke Schmerz- und Hustenmittel werden oft zusammen mit mehr als zwei Substanzen konsumiert.

    Substanzen aus dem Schwarzmarkt werden kaum getestet

    Um das Risiko zu vermindern, empfehlen Fachorganisationen, Substanzen vom Schwarzmarkt zu testen. Doch für die jungen Menschen sind solche Drug Checkings mit verschiedenen Hindernissen verbunden. Dazu gehört, dass viele dieser Angebote erst ab 18 Jahren genutzt werden können, nur in einigen Städten vorliegen und beschränkte Öffnungszeiten haben (z. B. wöchentlich am Abend). Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten empfinden die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zudem eine Testung in der Regel als unnötig, wenn diese in so genannte Blister verpackt sind. Die Medikamente werden als sicher und sauber wahrgenommen, obwohl auch solche scheinbar regulär verpackten Medikamente verunreinigt sein können, wenn sie auf dem Schwarzmarkt erworben wurden.

    Angst vor repressiven Konsequenzen kann zur Unterlassung von Hilfe führen

    Zwar gaben drei Viertel der bisherigen Studienteilnehmenden an, zu wissen, was bei einem Notfall nach einem Mischkonsum zu tun ist (z. B. 144 anrufen). Ebenso gingen rund drei Fünftel der Befragten davon aus, dass sie einen Notfall, etwa eine Überdosierung, erkennen würden. Allerdings erwähnten einige Fachpersonen, dass Jugendliche aufgrund ihrer Angst vor Blaulichtorganisationen teilweise auch in kritischen Situationen darauf verzichten, Hilfe zu holen. Dazu gehört etwa die Angst vor repressiven Konsequenzen und die Befürchtung, Kosten übernehmen zu müssen (z. B. für den Sanitätstransport). Dass oftmals alle Personen einer Peergroup intoxikiert sind, kann das korrekte und zeitnahe Reagieren in einem Notfall ebenfalls erschweren.

    Mischkonsum zur Gefühlsregulation

    Die bisherigen Teilnehmenden der Online-Umfrage kombinieren Substanzen meist deshalb, weil es Spaß macht und es sich gut anfühlt. Einige Jugendliche mischen Substanzen auch, weil es ihnen hilft, lockerer und weniger schüchtern zu sein, und weil es Ängste oder andere negative Gefühle lindert. Gerade dieser Mischkonsum zur Gefühlsregulation wird von einigen Fachpersonen als problematisch eingestuft. Entsprechend haben Jugendliche und junge Erwachsene, die den Mischkonsum zur Selbstmedikation einsetzen, Mühe, ihren Konsum zu reduzieren. Gerade für diese Jugendlichen ist es wichtig, dass sie Zugang zu professioneller Hilfe erhalten.

    Die geschilderten vorläufigen Studienergebnisse geben wichtige Hinweise darauf, welche Aspekte bei Interventionen im Bereich Prävention, Schadensminderung sowie Beratung und Therapie prioritär berücksichtigt werden müssen. Bevor solche Interventionen konzipiert werden, sind jedoch noch mehr Daten zum Mischkonsum nötig. Insgesamt sollen bis Ende des Jahres mindestens 100 weitere Personen im Alter von 14 bis 20 Jahren mit regelmäßigem Mischkonsum den anonymen Online-Fragebogen ausfüllen.

    Weitere Informationen:
    https://survey.suchtforschung.ch/index.php/579776?lang=de-informal
    https://www.news.uzh.ch/de/articles/media/2022/Mischkonsum.html

    Pressestelle der Universität Zürich, 27.10.2022

  • Den Feierabend zurückerobern

    Dass die Gedanken auch nach Feierabend um die Arbeit kreisen, hält viele Menschen vom Einschlafen ab. Wie sich digitale Technologien und mobile Arbeit auf das Wohlbefinden auswirken, erforscht Prof. Dr. Marcel Kern, Leiter der Arbeitsgruppe Arbeit und Gesundheit an der Ruhr-Universität Bochum in Kooperation mit dem Team um Prof. Dr. Sandra Ohly von der Universität Kassel. Der Bochumer Forscher entwickelt Strategien, die Menschen helfen, den Stress durch die Arbeit zu reduzieren. Über seine Ergebnisse berichtet „Rubin“, das Wissenschaftsmagazin der Ruhr-Universität Bochum.

    „Es gibt viel Forschung dazu, dass die Nutzung digitaler Technologien erschöpft“, sagt Marcel Kern. Oft wird angenommen, dass Menschen aufgrund der digitalen Erreichbarkeit nicht von der Arbeit abschalten können. Aber liegt das wirklich an den digitalen Medien per se? Das wollten Marcel Kern, Clara Heißler und Sandra Ohly herausfinden. An fünf aufeinanderfolgenden Tagen ließen sie Beschäftigte aus unterschiedlichen Wirtschaftsunternehmen dreimal täglich einen Fragebogen ausfüllen. Wie viele Stunden wurde das Handy für die Arbeit genutzt? Gab es bei Feierabend noch viele unerledigte Aufgaben? Wie gut konnte abends abgeschaltet werden? 340 Personen beantworteten diese und viele weitere Fragen.

    Das Ergebnis: Der Stress entstand nicht durch die reine Nutzung der digitalen Technik, sondern vor allem dann, wenn ein Berg an unerledigten Aufgaben wartete, der eine Nutzung der Technik erforderte. Um sinnvolle Gegenmaßnahmen empfehlen zu können, ist es für die Forschenden wichtig zu unterscheiden, ob Menschen nicht abschalten können, weil sie das Handy nutzen, oder ob sie zum Handy greifen, weil sie nicht abschalten können. Letzteres scheint der Fall zu sein.

    Mehr Zufriedenheit nach Führungskräfte-Schulung

    Wie Marcel Kern in weiteren Befragungen herausfand, kommt das Gefühl, auch nach Feierabend erreichbar sein zu müssen, in der Regel durch das Verhalten der Führungskräfte zustande. Die Mitarbeitenden orientieren sich an dem, was die Führungskräfte tun. Und wenn diese spät abends noch Mails verschicken, erzeugt das im restlichen Team den Eindruck, ebenfalls reagieren zu müssen. In einer Studie – erneut in Kooperation mit dem Kasseler Team von Sandra Ohly – untersuchte Marcel Kern, wie man gegensteuern kann.

    23 Führungskräfte eines Wirtschaftsunternehmens nahmen an einem Training teil. In diesem sensibilisierten die Forschenden sie dafür, wie das eigene Verhalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beeinflussen kann. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfahlen beispielsweise, feste Vereinbarungen zur Erreichbarkeit mit dem Team zu treffen. Oder auch zu erklären, warum eine Führungskraft spät abends noch E-Mails versendet – zum Beispiel, weil es so für sie leichter mit den Pflichten in der Kinderbetreuung zu vereinbaren ist.

    Vor und nach dem Training befragten die Forschenden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Führungskräfte: Wann glaubten sie, für ihr Unternehmen erreichbar sein zu müssen? Konnten sie abends abschalten? Wie gestresst waren sie von der Arbeit? „Die Ergebnisse waren eindeutig“, resümiert Marcel Kern. „Einige Zeit nach der Intervention fühlten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich besser. Die Führungskräfte waren davon überrascht. Ihnen war gar nicht bewusst gewesen, wie sich ihr Verhalten ausgewirkt hatte.“

    Weitere Studien zu mobiler Arbeit und E-Mail-Overload

    In weiteren Studien hat Marcel Kern mit seinen Kooperationspartnerinnen zur Informationsflut von E-Mails und den Auswirkungen von mobiler Arbeit geforscht. Die Ergebnisse sowie Tipps für entspannteres Arbeiten und leichteres Abschalten finden Sie ausführlichen Beitrag im Wissenschaftsmagazin „Rubin“ mit dem Schwerpunkt „Arbeitswelt im Wandel“.

    Originalpublikationen:

    • Clara Heissler, Marcel Kern, Sandra Ohly: When thinking about work makes employees reach for their devices: A longitudinal autoregressive diary study, in: Journal of Business and Psychology, 2022, DOI: 10.1007/s10869-021-09781-0
    • Marcel Kern: Raubt uns das Homeoffice die Energie und Erholung? Eine Längsschnittstudie auf Tagesebene, 52. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Hildesheim, Deutschland, 2022

    Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum, 22.09.2022

  • Kontrollierte Abgabe von Cannabis

    Am 26.10.2022 stellte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das „Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken“ vor. Darüber informiert das Bundesministerium für Gesundheit auf seiner Homepage mit folgender Meldung:

    Das Bundeskabinett hat Eckpunkte zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken beschlossen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat das Eckpunktepapier der Bundesregierung vorgestellt: „Die Drogenpolitik muss erneuert werden. Wir wollen den Cannabis-Konsum unter Gesundheitsaspekten reformieren.“

    Die Einführung einer kontrollierten Abgabe von Genusscannabis an Erwachsene verfolgt das Ziel, zu einem verbesserten Jugendschutz und Gesundheitsschutz für Konsumentinnen und Konsumenten sowie zur Eindämmung des Schwarzmarktes beizutragen.

    Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: „Wir sind nun in einer Phase, wo wir prüfen, ob die Grundlage, die wir mit dem Eckpunktpapier geschaffen haben, auch international tragfähig ist. Daher legen wir der Europäischen Kommission die Eckpunkte zur Prüfung mit dem geltenden Völker- und Europarecht vor.“

    Das Eckpunktepapier entstand im intensiven Austausch mit Expertinnen und Experten sowie Interessengruppen im Rahmen eines vorgeschalteten Konsultationsprozesses unter der Leitung des Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung. Bei der Umsetzung des Koalitionsvorhabens berücksichtigt die Bundesregierung dessen völker- und europarechtlichen Rahmen. Sie wird dazu u. a. bezüglich der bestehenden völkerrechtlichen Abkommen eine Interpretationserklärung abgeben und den Gesetzentwurf im Rahmen einer Notifizierung bei der EU-Kommission vorlegen.

    Die wichtigsten geplanten gesetzlichen Regelungen zur Cannabis-Legalisierung

    • Cannabis und Tetrahydrocannabinol (THC) werden künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft.
    • Die Produktion, die Lieferung und der Vertrieb werden innerhalb eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens zugelassen.
    • Der Erwerb und der Besitz bis zu einer Höchstmenge von 20 bis 30 Gramm Genusscannabis zum Eigenkonsum im privaten und öffentlichen Raum werden straffrei ermöglicht.
    • Privater Eigenanbau wird in begrenztem Umfang erlaubt.
    • Laufende Ermittlungs- und Strafverfahren sollen zu dann nicht mehr strafbaren Handlungen beendet werden.
    • Der Vertrieb darf mit Alterskontrolle in lizenzierten Fachgeschäften und ggf. Apotheken erfolgen.
    • Werbung für Cannabisprodukte wird untersagt.
    • Es werden Vorgaben festgelegt, um die Qualität und Reinheit sicherzustellen.
    • Als Mindestaltersgrenze für Verkauf und Erwerb wird die Vollendung des 18. Lebensjahres festgelegt (ggfs. mit einer Obergrenze für den THC-Gehalt bis zum 21. Lebensjahr).
    • Es ist die Einführung einer besonderen Verbrauchssteuer („Cannabissteuer“) vorgesehen.
    • Die cannabisbezogene Aufklärungs- und Präventionsarbeit sowie zielgruppenspezifische Beratungs- und Behandlungsangebote werden weiterentwickelt.

    Einzelheiten zu allen geplanten Inhalten finden Sie im Eckpunktepapier der Bundesregierung zur kontrollierten Abgabe von Cannabis.

    Download Eckpunktepapier

    Quelle: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ 

  • Sensibler Umgang mit Wortwahl und Bildsprache

    Für Suchterkrankungen herrscht in der Gesellschaft kaum Verständnis: Das Thema ist stark tabuisiert, Menschen mit Suchterkrankungen werden stigmatisiert. Deshalb haben Forschende der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig zusammen mit dem Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover sowie dem Aktionsbündnis Seelische Gesundheit einen Medienleitfaden erarbeitet, um Vorurteile zu reduzieren. Wie dieser zu einer sachlichen sowie diskriminierungsfreien Berichterstattung beitragen soll, erklärt im Interview Projektleiter Georg Schomerus, Professor für Psychiatrie der Universität Leipzig.

    Prof. Schomerus, welche Abhängigkeitserkrankungen sind in Deutschland am stärksten verbreitet und sollten in den Medien besonders sensibel behandelt werden?

    Suchtmittel sind bei uns alltäglich. Insbesondere Alkohol wird in Deutschland in großen Mengen konsumiert, jeder Mensch über 15 Jahre nimmt im Durchschnitt über zehn Liter reinen Alkohol im Jahr zu sich. Dabei sind die Grenzen zur Suchterkrankung fließend, etwa zehn Prozent der Männer und sieben Prozent der Frauen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Abhängigkeit. Die negativen Gesundheitsfolgen fangen aber viel früher an. Neben dem Risiko für Unfälle unter Alkoholeinfluss ist Alkohol eine wichtige Ursache für sehr viele Krankheiten: nicht nur die sprichwörtliche Leberschädigung, sondern auch Schlaganfälle, Herzinfarkte und Krebserkrankungen. Es ist dabei häufig so, dass man mit dem Finger auf Menschen mit einer Suchterkrankung zeigt, aber den eigenen problematischen Konsum tabuisiert. Das liegt an der enormen Stigmatisierung von Suchterkrankungen. Niemand möchte zu dieser Gruppe gehören, über die es so viele negative Vorurteile gibt. Und da liegt es nahe, das eigene Konsumverhalten auch vor sich selbst schön zu reden.

    Das Bild, das die Öffentlichkeit von Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen hat, ist auch von Darstellungen in den Medien geprägt. Wie können Journalist:innen in ihrer Berichterstattung am besten helfen, Vorurteile abzubauen?

    Ein sensibler Umgang mit Wortwahl und Bildsprache ist wichtig. Es muss zunächst einmal der Respekt vor den Menschen gewahrt bleiben, die dargestellt werden. Das ist eigentlich absolut selbstverständlich, aber die Berichterstattung über Suchtkrankheiten sieht leider oft ganz anders aus, und das ist nicht akzeptabel. Eine Medienanalyse unserer Projektpartner in Hannover hat gezeigt: Eine Berichterstattung, die Suchterkrankungen vor allem im Kontext von Kriminalität, Kontrollverlust und persönlicher Schwäche darstellt, zeichnet ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit und liefert einen Nährboden für Stigmatisierung. Wir lesen viel zu wenig über Recovery, über Wege aus der Sucht, über Menschen, die mit großen Schwierigkeiten fertig geworden sind. Menschen, die eine Suchterkrankung überwunden haben, sind Helden. Sie sind Vorbilder – aber sie sind kaum zu sehen, weil es so schwierig ist, über diese Erfahrungen zu sprechen, wenn man befürchten muss, dafür abgestempelt und ausgegrenzt zu werden. Eine Berichterstattung, die Behandlung und Hilfe beschreibt, die zeigt, dass Suchtkrankheiten gut behandelbar sind und dass es viele Menschen gibt, die das geschafft haben – so eine Berichterstattung kann Menschen ermutigen, selbst Hilfe zu suchen.

    Wie kann Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen geholfen werden?

    Da gibt es ganz viele verschiedene Wege. Suchtberatungsstellen sind ein wichtige Anlaufstelle, oder die Hausärzt:innen. Eine wichtige Frage ist dabei, was wir überhaupt unter erfolgreicher Behandlung verstehen. Oft ist damit Abstinenz gemeint, und das ist sicher auch das allerbeste Ergebnis. Aber häufig ist auch eine Reduktion des Konsums schon ein ganz wichtiger Schritt zu mehr Lebensqualität und weniger Gesundheitsrisiken, gerade bei Menschen mit hohem Alkoholkonsum. Je weniger, desto besser, und jeder Schritt in die richtige Richtung ist ein Erfolg.

    Vor allem die sozialen Medien sind ein Minenfeld für bereits erkrankte oder Hilfe suchende Menschen. Ist Ihr an der Medizinischen Fakultät entwickelter Leitfaden auch eine Unterstützung, um in diesem Bereich der Stigmatisierung entgegenzuwirken?

    Der Leitfaden ist ein Modell dafür, wie man auch in anderen Kontexten über Sucht und Substanzkonsum sprechen kann, ohne Stigmatisierung, auch in den sozialen Medien. Wir müssen über Substanzkonsum sprechen, ohne die Probleme und Risiken zu verdrängen und ohne auf die Betroffenen herabzuschauen und sie auszugrenzen. Denn Ausgrenzung löst Suchtprobleme nicht, sondern verstärkt sie.

    Link zum Leitfaden

    Pressestelle der Universität Leipzig, 13.10.2022

  • Digitale Beratungsplattform DigiSucht ist gestartet

    Seit 17. Oktober ist die länder- und trägerübergreifende digitale Beratungsplattform DigiSucht unter https://www.suchtberatung.digital/ erreichbar. DigiSucht ist ein umfassendes niedrigschwelliges Angebot für suchtgefährdete und suchtkranke Menschen sowie deren Angehörige. Ratsuchende können sich auf der DigiSucht-Plattform mit ihrem Anliegen in einem geschützten und anonymen Rahmen an qualifizierte Suchtberater:innen wenden. Die Kontaktaufnahme kann entweder per Textnachricht oder über eine direkte Terminbuchung für einen Austausch per Videochat oder Messenger (Textchat) erfolgen. Auch hybride Beratungskonzepte aus digitaler und analoger Beratung vor Ort (so genanntes Blended Counseling) sind umsetzbar.

    Das Beratungsangebot von DigiSucht ist direkt über den Internetbrowser sowie auf allen üblichen Endgeräten (Smartphone, Tablet, Laptop) nutzbar. Es wird keine App oder anderweitige Software benötigt. Umgesetzt wird die digitale Beratung zunächst von fast 90 Fachkräften in über 40 Suchtberatungsstellen aus 14 Bundesländern. Pro Bundesland sind vorerst drei Modellberatungsstellen beteiligt. Im Laufe des Jahres 2023 sollen weitere Suchtberatungsstellen an die Plattform angeschlossen werden.

    Die Administration und Organisation von DigiSucht auf Landesebene erfolgt durch die Landeskoordinierungsstellen, die von den zuständigen Landesministerien benannt wurden. Mehr Informationen für Fachkräfte zur Umsetzung von DigiSucht in Ihrem Bundesland erhalten Sie auf der Website Ihrer Landeskoordinierungsstelle:

    • Baden-Württemberg: Landesstelle für Suchtfragen der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg
    • Bayern: Bayerisches Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung (ZPG) sowie Koordinierungsstelle der bayerischen Suchthilfe
    • Berlin: Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung
    • Brandenburg: Brandenburgische Landesstelle für Suchtfragen
    • Bremen: Bremische Landesstelle für Suchtfragen
    • Hamburg: Freie und Hansestadt Hamburg Sozialbehörde – Amt für Gesundheit
    • Hessen: Hessische Landesstelle für Suchtfragen
    • Mecklenburg-Vorpommern: Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen
    • Niedersachsen: Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen
    • Nordrhein-Westfalen: Suchtkooperation NRW
    • Rheinland-Pfalz: Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz sowie Landesstelle für Suchtfragen Rheinland-Pfalz
    • Sachsen: Sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren
    • Sachsen-Anhalt: Landesstelle für Suchtfragen im Land Sachsen-Anhalt
    • Thüringen: Thüringer Landesstelle für Suchtfragen

    Quellen: Websites der Brandenburgischen Landesstelle für Suchtfragen und der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen, 17.10.2022