Kategorie: Kurzmeldungen

  • Wir brauchen Verlässlichkeit!

    Rund drei Millionen Kinder und Jugendliche wachsen in Deutschland mit mindestens einem suchtkranken Elternteil auf. Auf ihre Situation und auf mögliche Hilfsangebote soll die bundesweite Aktionswoche für Kinder aus suchtbelasteten Familien (COAs) vom 13. bis 19. Februar aufmerksam machen. In zahlreichen Veranstaltungen, die erneut überwiegend digital stattfinden, wollen viele Einrichtungen, die mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten, auf die besondere Lage der Betroffenen in Deutschland hinweisen – gerade auch in Zeiten der Pandemie. Organisiert wird die Aktionswoche von NACOA Deutschland. Die Interessenvertretung für Kinder aus suchtbelasteten Familien lädt unter anderem zum Interessenvertretung für Kinder aus suchtbelasteten Familien lädt unter anderem zum Auftakt der Aktionswoche für den 11. Februar zu einer öffentlichen Diskussion mit gesundheits- und drogenpolitischen Expert:innen von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen ein.

    „Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien kennen leider in ihrem Alltag die mangelhafte Verlässlichkeit von Verantwortlichen“, erklärte NACOA Deutschland vor Beginn der Aktionswoche. Die Suchterkrankung der Eltern sorge dafür, dass gegebene Versprechen immer wieder gebrochen oder ihre Einlösung in eine unbestimmte Zukunft verschoben werden. „Die Einhaltung von Verlässlichkeit ist ein hohes Gebot, und deshalb sind sicher finanzierte Hilfs- und Beratungsangebote für diese hochverletzliche Gruppe so wichtig!“

    Doch noch liege ein regelfinanziertes und flächendeckendes Netz der Hilfe in weiter Ferne. Die rund zweihundert bestehenden Einrichtungen reichten, verglichen mit der hohen Zahl betroffener Kinder und Jugendlicher, lange nicht aus. Auch die Telefon- und Online- Beratungen, die während der Corona-Pandemie wichtiger waren als je zuvor, seien von einer finanziell unsicheren Zukunft betroffen. „Die neue Bundesregierung steht nun – gemeinsam mit Ländern und Kommunen – in der Pflicht, die Versorgungslücke zu schließen!“ erklärte NACOA.

    Veranstaltungen von NACOA Deutschland

    Mit mehreren Dutzend Veranstaltungen wollen Einrichtungen der Sucht- und Jugendhilfe sowie Verbände und Initiativen in ganz Deutschland dem Thema die notwendige Aufmerksamkeit verschaffen, Wissen vermitteln und betroffenen Familien und den Kindern Wege zu Hilfe und Genesung weisen. Mit vielen Ideen und großem Engagement haben die Beteiligten Angebote in pandemietauglichen Formaten entwickelt, die in der Regel digital oder unter freiem Himmel stattfinden. Was wann und wo passiert und wie man an den Veranstaltungen teilnehmen kann, steht auf der Website www.coa-aktionswoche.de – auf der auch weitere Informationen zum Thema abgerufen werden können. Zeitgleich findet eine entsprechende Aktionswoche in Großbritannien statt, einige Wochen später in der Schweiz.

    NACOA Deutschland beteiligt sich selbst mit mehreren Veranstaltungen an der Aktionswoche. Den Auftakt bildet eine öffentliche Podiumsdiskussion via Zoom mit gesundheits- und drogenpolitischen Expert:innen der Regierungskoalition sowie Fachleuten aus der Arbeit mit und für die Betroffenen. Zudem erwarten wir ein Video-Statement von Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Anlass der Diskussion ist der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP und der darin zu findende Satz „Wir unterstützen die Kinder von psychisch, sucht- oder chronisch kranken Eltern“. Viele Fachleute aus der Praxis begrüßen diese Aussage, allerdings sind die Details noch unklar. Auch der Stand der Dinge bei der Umsetzung der Empfehlungen der von der Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode eingerichteten AG „Kinder psychisch und suchtkranker Eltern“ soll Thema sein.

    Die Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien wird im Rahmen der Selbsthilfeförderung finanziert durch die GKV; die Neugestaltung der Aktionswochen-Website wird durch die KKH gefördert. Die Initiatoren danken GKV und KKH für ihre Unterstützung!

    Pressemitteilung von NACOA Deutschland, 3.2.2022

  • Europäische Online-Befragung zum Thema Drogen

    Neue Ergebnisse des European Web Survey on Drugs, die aktuell von der EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) veröffentlicht wurden, zeigen, dass die Konsummuster bei Cannabis und Ecstasy am stärksten von den COVID-19-Beschränkungen betroffen sind. Die Europäische Online-Befragung zum Thema Drogen ergab, dass der Konsum von Cannabiskraut zugenommen, der Konsum der „Partydroge“ MDMA/Ecstasy jedoch zurückgegangen ist.

    Die Erhebung fand zwischen März und April 2021 in 30 Ländern (21 EU-Mitgliedsstaaten und neun Nicht-EU-Staaten) statt, als viele Bevölkerungsgruppen vom COVID-19-bedingten Lockdown betroffen waren. Sie richtete sich an Personen ab 18 Jahren, die Drogen konsumiert haben, und soll das Verständnis für Drogenkonsummuster in Europa verbessern und zur Gestaltung zukünftiger Drogenpolitik und Maßnahmen beitragen.

    Antworten von 50 000 Europäer:innen

    Fast 50.000 Erwachsene (48.469) nahmen an der Erhebung in 21 EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz (Fact sheet mit Ergebnissen) teil. Cannabis war die am häufigsten konsumierte Droge: 93 Prozent der Befragten gaben an, sie in den letzten zwölf Monaten konsumiert zu haben, wobei zwischen den Ländern nur geringe Unterschiede bestehen. MDMA/Ecstasy (35 Prozent), Kokain (35 Prozent) und Amphetamin (28 Prozent) waren die am zweithäufigsten gemeldeten illegalen Substanzen, wobei die Reihenfolge der drei Drogen von Land zu Land variierte. Etwa ein Drittel der Befragten (32 Prozent) gab an, im untersuchten Zeitraum mehr Cannabis konsumiert zu haben, 42 Prozent gaben einen geringeren Konsum von MDMA/Ecstasy an.

    Die Erhebung ergab, dass ein Fünftel (20 Prozent) der Stichprobe im letzten Jahr LSD konsumiert hatte, 16 Prozent hatten neue psychoaktive Substanzen und 13 Prozent hatten Ketamin konsumiert. Drei Prozent der Befragten meldeten Heroinkonsum. Die Gruppe der Heroinkonsument:innen war zwar klein, aber mehr als ein Viertel davon (26 Prozent) gab an, diese Droge im untersuchten Zeitraum häufiger konsumiert zu haben.

    Die aktuell vorgestellten Daten beziehen sich auf eine Stichprobe von Menschen, die in den zwölf Monaten vor der Erhebung mindestens eine illegale Droge konsumiert haben. Online-Befragungen sind zwar nicht repräsentativ für die Allgemeinbevölkerung, können aber bei sorgfältiger Durchführung und in Kombination mit traditionellen Datenerhebungsmethoden dazu beitragen, ein detaillierteres, realistischeres und zeitnahes Bild des Drogenkonsums und der Drogenmärkte in Europa zu gewinnen. Mehr als 100 Organisationen nahmen an der Initiative teil, darunter die nationalen Reitox-Knotenpunkte, Universitäten und Nichtregierungsorganisationen.

    Westliche Balkanländer

    Neu in der Runde 2021 war die Teilnahme von Partnern der EU-Drogenbeobachtungsstelle aus den westlichen Balkanländern (Fact sheet mit Ergebnissen) im Rahmen des technischen Hilfsprojekts IPA7.

    Mehr als 2.000 Erwachsene (2.174) aus Albanien, dem Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien nahmen an der Erhebung teil. Die meisten Befragten (91 Prozent) gaben an, in den letzten zwölf Monaten Cannabis konsumiert zu haben, gefolgt von Kokain (38 Prozent), MDMA/Ecstasy (22 Prozent) und Amphetamin (20 Prozent). Auch hier gab etwa ein Drittel der Befragten (32 Prozent) an, im untersuchten Zeitraum mehr Cannabis konsumiert zu haben, und 34 Prozent gaben an, weniger MDMA/Ecstasy konsumiert zu haben.

    Fast jeder sechste Befragte (17 Prozent) gab an, in den letzten zwölf Monaten NPS konsumiert zu haben, während neun Prozent angaben, LSD konsumiert zu haben. Acht Prozent der Befragten antworteten, dass sie sowohl Heroin als auch Methamphetamin konsumiert haben.

    Vom „Night Life“ zum „Home Life”

    Als häufigstes Setting für Drogenkonsum wurde das häusliche Umfeld genannt (85 Prozent der Befragten in der EU/Schweiz und 72 Prozent in den westlichen Balkanstaaten), ein Muster, das durch den COVID-19-Lockdown und die Schließung von Nachtclubs verstärkt wurde. Diese Ergebnisse erklären sich durch die angegebenen Beweggründe für den Substanzkonsum. Die am häufigsten genannten Motive für den Cannabiskonsum waren Entspannung, high sein und besser schlafen können, während mit MDMA/Ecstasy Euphorie und das Erleben des sozialen Miteinanders verstärkt werden sollen.

    Alexis Goosdeel, Direktor der EMCDDA, erklärt hierzu: „Internetumfragen sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Beobachtung des sich verändernden Drogenproblems in Europa. Sie helfen uns, mit einer innovativen Methoden eine wichtige Zielgruppe zu erreichen. Die heutigen Ergebnisse zeugen von der großen Vielfalt der in Europa verfügbaren Drogen und liefern wertvolle Informationen über sich abzeichnende Trends und sich verändernde Konsummuster während der COVID-19-Pandemie.“

    Pressestelle der EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA), 20.1.2022

  • Familienorientierte Suchtarbeit zur Stärkung elterlicher Kompetenz

    Auch Suchtkranke wollen und können gute Eltern sein, sie brauchen jedoch häufig Ermutigung und Unterstützung bei der Wahrnehmung ihrer Elternverantwortung. Hier setzte das zweijährige, vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte und gemeinsam vom Gesamtverband für Suchthilfe (GVS) und dem Deutschen Caritasverband (DCV) durchgeführte Projekt „Familienorientierte Suchtarbeit zur Stärkung elterlicher Kompetenz“ an. Es fokussierte die Förderung der Elternkompetenz parallel zur Beratung und Behandlung bei einer Suchterkrankung.

    Als Ergebnis des Projektes wurde ein Rahmenkonzept zur Beratung und Behandlung von suchtkranken Menschen in Elternverantwortung entwickelt, in das auch bisherigen Ergebnisse aus der Forschung zur Arbeit mit suchtbelasteten Familien eingeflossen sind. Das Rahmenkonzept beschreibt Ausgangslage, Grundlagen und Methoden, Chancen und Herausforderungen familienorientierter Suchtarbeit sowie die erforderliche Kooperation zwischen Suchthilfe und Jugendhilfe. Es bietet auch für digitale Beratungsansätze bzw. Blended Counseling Unterstützung.

    Des Weiteren wurde ein Modul zum Qualitätsmanagement entwickelt, das fachliche Standards für eine erfolgreiche Beratung und Behandlung suchtbelasteter Familien definiert und Einrichtungen dabei unterstützt, den Behandlungsansatz für das Gesamtsystem Familie sowie erforderliche Kooperationsbeziehungen in ihren eigenen Strukturen zu verankern.

    Rahmenkonzept und QM-Modul sind auf der Website des Deutschen Caritasverbandes e. V. frei verfügbar.

    Abschluss- und Kurzbericht des Projektes stehen auf der Website des BMG zur Verfügung.

    Quelle: Website BMG, Publikationen, November 2021, und Website Caritas, Für Profis, 27.8.2021

  • Corona lässt das Wir-Gefühl in der Gesellschaft schwinden

    72 Prozent der Menschen in Deutschland sind der Meinung, der gesellschaftliche Zusammenhalt habe durch die Pandemie gelitten. Zwei Drittel sagen: Institutionen, bei denen sich Menschen ehrenamtlich für andere engagieren, sowie Anbieter von sozialen Hilfen haben in dieser Zeit am meisten dazu beigetragen, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Der Beitrag der Medien, der Politik und kultureller Institutionen zum Zusammenhalt in der Pandemie wird dagegen eher gering bewertet. Das ergab eine von forsa durchgeführte repräsentative Befragung, die der Deutsche Caritasverband in Auftrag gegeben hat. Demnach meinen 37 Prozent der Befragten, der gesellschaftliche Zusammenhalt habe in der Pandemie „deutlich“ gelitten. Nur fünf Prozent sagen, er habe „deutlich zugenommen“. 35 Prozent finden, er habe „etwas abgenommen“ und 20 Prozent, er habe „etwas zugenommen“.

    Das „Wir“ leidet

    „Die Zahlen bestätigen, was unsere Kolleginnen und Kollegen in den Diensten und Einrichtungen erleben. Es gibt großartige Momente gelebter Solidarität und viele Beispiele für ein Zusammenrücken in der Pandemie. Insgesamt überwiegt aber das Gefühl, dass das ‚Wir‘ in der Pandemie erheblich leidet“, kommentiert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa die Ergebnisse. „Die ständige Bedrohung durch das Virus und die Notwendigkeit, Abstand zu halten, haben die Kräfte erschöpft und das Miteinander in Mitleidenschaft gezogen.“ Die Signale aus der Praxis seien besorgniserregend: „Viele Pflegekräfte sind ausgebrannt. Sozialarbeiterinnen verzweifeln angesichts von Jugendlichen mit Essstörungen und Kindern mit Angststörungen. Unsere Beratungsstellen sind überlaufen, viele Klientinnen und Klienten wissen nicht weiter“, so Welskop-Deffaa. Hinzu komme, dass „die Frage, wie das Virus am besten zu bekämpfen ist, zu Unfrieden und Spannungen in Kollegen- und Freundeskreisen führt.“

    Politik bei jungen Menschen abgeschlagen

    Auf die Frage, welche Personen oder Organisationen den gesellschaftlichen Zusammenhalt befördern, antworten 67 Prozent, dass „Vereine und Verbände, in denen Menschen sich ehrenamtlich für andere engagieren können“ dies „stark“ oder „sehr stark“ tun. An zweiter Stelle finden sich „Anbieter von sozialen Hilfen“ mit einer Zustimmung von 60 Prozent. „Kulturelle Orte“ (21 Prozent), „soziale Medien und soziale Netzwerke“ (24 Prozent) und die „Politik“ (31 Prozent) werden deutlich weniger als Zusammenhaltstifter erfahren. „Bildungseinrichtungen“ (47 Prozent) und „klassische Medien“ (33 Prozent) liegen dazwischen.

    Als Alarmsignal wertet die Caritas, dass wenig junge Menschen einen positiven Beitrag der Politik zur Stärkung des Zusammenhalts sehen. „Offenkundig hat Politik bei jungen Menschen ein Vertrauenskapital verspielt, weil sich diese von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie belastet oder vergessen fühlen“, so Welskop-Deffaa. Von den befragten 14- bis 29-Jährigen werten lediglich 17 Prozent den Beitrag der Politik zum gesellschaftlichen Zusammenhalt als „wichtig“ oder „sehr wichtig“ – bei ihnen liegt die Politik damit am Ende der Skala der Zusammenhaltstifter.

    „Sorgen bereitet uns auch, dass in Ostdeutschland deutlich weniger Menschen die Anbieter sozialer Hilfen als förderlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erleben als in anderen Teilen des Landes“, so Welskop-Deffaa. Im Osten heben nur 45 Prozent der Befragten diesen Beitrag als besonders wichtig hervor, während die Zustimmung im Westen bei 63 Prozent liegt. „Die soziale Infrastruktur – Schuldnerberatungsstellen, Wohnungslosenhilfe und andere Angebote – ist nicht in allen Teilen Deutschlands gleich gut ausgebaut. Das spiegelt sich in den Ergebnissen der Befragung wider.“

    Zusammenspiel mit anderen Institutionen

    „Die Ergebnisse sind in dem Jahr, in dem der Deutsche Caritasverband sein 125-jähriges Jubiläum feiert, für uns ein starker Ansporn“, so die Caritas-Präsidentin. „Die Wohlfahrtsverbände sind beides: Orte, an denen die Menschen sich für andere engagieren können – das tun bei der Caritas knapp 700.000 hauptamtliche und eine halbe Million ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und Anbieter von sozialen Hilfen. Die Pandemie führt uns vor Augen, wie lebenswichtig sie für viele Menschen sind.“ Die Ergebnisse der Umfrage sind für die Caritas-Präsidentin auch ein Auftrag, mehr für die Stärkung der politischen Teilhabe und der Demokratie zu tun. „Wir können und wollen unsere Rolle nur im Zusammenspiel mit anderen Institutionen und Partnern, nicht zuletzt der Politik, erfüllen.“

    Große Zustimmung für Respekt, Solidarität, Gerechtigkeit

    In der Umfrage äußerten die Befragten sehr große Zustimmung zu den Werten, die aus Sicht der Caritas das Fundament des gesellschaftlichen Zusammenhalts bilden. So bewerten 85 Prozent der Befragten „Respekt gegenüber allen Menschen“ als „wichtig“ oder „äußerst wichtig“ für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Bei „Solidarität mit den Schwächsten“ ebenso wie bei „gerechten Chancen für Arme und Ausgegrenzte“ sind mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der Befragten der Meinung, diese Werte seien für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wichtig.

    „Der Wertekompass unserer Gesellschaft ist intakt“, zeigt sich die Caritas-Präsidentin überzeugt. „Die Pandemie fordert uns heraus, diese Überzeugungen auch zu leben. Individuell, aber vor allem auch gemeinsam. Die Caritas will als Treiberin sozialer Innovationen in Deutschland und weltweit auch in den nächsten 125 Jahren dazu beitragen.“ Die Jubiläumskampagne des Deutschen Caritasverbandes „Zukunft denken, Zusammenhalt leben: #DasMachenWirGemeinsam“, die am 18.1.2022 an den Start gegangen ist, will zeigen: Gemeinsam in alten und neuen Allianzen lassen sich soziale Gräben überspringen und soziale Ungerechtigkeiten überwinden.

    Mehr zu den Ergebnissen der Umfrage finden Sie hier.

    Pressestelle des Deutschen Caritasverbandes, 18.1.2022

  • Digitale Hilfe bei Essstörungen

    Online-Beratung wird bei Essstörungen häufig genutzt. Foto: Veronika Barnerßoi, Hochschule Landshut

    Essstörungen haben im Rahmen der COVID-19-Pandemie zugenommen. Wer bereits an einer Essstörung leidet, berichtet zudem häufig von einer Verstärkung der Symptomatik. Gleichzeitig waren und sind Hilfsangebote in Präsenz vielfach nur eingeschränkt möglich. Online-Beratungen können diese Lücken ein Stück weit schließen, weshalb viele Beratungsstellen ihr digitales Angebot deutlich ausgeweitet haben. Dies geschah jedoch nicht selten mit knappen zeitlichen, finanziellen und personellen Ressourcen, für Vernetzung und Austausch blieb wenig Zeit. Das Projekt DigiBEssst an der Hochschule Landshut will die digitalen Beratungsangebote im Essstörungsbereich nun systematisch untersuchen und Leitlinien für Betroffene und Fachkräfte entwickeln. Das zweijährige Kooperationsprojekt zwischen der Hochschule Landshut, unter Leitung von Prof. Dr. Eva Wunderer, und dem Bundesfachverband Essstörungen BFE e. V. wird vom Bundesministerium für Gesundheit mit einer Gesamtsumme von ca. 250.000 Euro finanziert.

    Digitale Angebote immer wichtiger

    Professionelle Beratungsstellen sind oftmals die ersten Ansprechpartner für Kinder und Jugendliche, die an Essstörungen erkrankt sind, sowie für ihre Angehörigen. „Allerdings ist das Angebot dieser Stellen in Deutschland bis jetzt kaum erforscht“, berichtet Prof. Wunderer. Die Psychologin, Systemische Paar- und Familientherapeutin und Professorin an der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Landshut forscht seit Jahren zum Thema Essstörungen. Hinzu komme, dass es bis vor wenigen Jahren wenig digitale Beratungsangebote gab. „Jetzt im Zuge der COVID-19-Pandemie wird die Relevanz von E-Mail-, Chat- und Videoberatung besonders deutlich“, so die Professorin, „zumal Essstörungen besonders häufig bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auftreten, für die Online-Aktivitäten eine wesentliche Lebenswelt darstellen.“

    Bundesweite Erhebung

    Zum Projektteam an der Hochschule Landshut gehören auch Anna Hofer (M.A. Klinische Sozialarbeit) und Cäcilia Hasenöhrl (B.A. Soziale Arbeit). „Mit Unterstützung des BFE und der BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) interviewen wir bundesweit und flächendeckend möglichst viele Beratungsstellen und befragen sie über ihre bisherigen Erfahrungen mit digitalen Angeboten: Was haben sie bereits ausprobiert? Was funktioniert gut? Wo gibt es Probleme?“, beschreibt Anna Hofer das Forschungsdesign. Gleichzeitig sprechen die Wissenschaftlerinnen mit Jugendlichen und Erwachsenen, die an Essstörungen erkrankt sind, und ihren Angehörigen und fragen nach ihren Bedarfen: Welche Angebote nutzen sie am liebsten? Was hilft ihnen weiter? Was wünschen sie sich von den Beratungsstellen?

    Leitlinien aus der Praxis für die Praxis

    Aus dieser Evaluierung leitet das Forschungsteam schließlich Best Practice ab und entwickelt Qualitätsleitlinien für eine professionelle, digitale Beratung. „Damit wollen wir den Fachkräften Material an die Hand geben, das ihnen bei ihrer täglichen Arbeit weiterhilft“, berichtet Anna Hofer. Cäcilia Hasenöhrl ergänzt: „Wenn es Leitlinien für Beratungsstellen zum Thema Online-Beratung gibt, dann befassen sie sich bisher eher mit allgemeinen Themen wie Datenschutz, aber wenig mit spezifischen, für die Essstörungshilfe relevanten Themen.“ Das Team hofft, dass sich die Online-Beratung dadurch weiter professionalisiert und Netzwerke geknüpft werden. „Am Ende könnte dies allen Beteiligten helfen: Den Fachkräften, den Betroffenen und ihren Angehörigen“, so Prof. Wunderer.

    Über das Projekt

    Das Projekt „DigiBEssst“ – Digitale Beratungsangebote professioneller Beratungsstellen für Essstörungen: Partizipative Bestandsaufnahme, Evaluation und Entwicklung von Qualitätsleitlinien“ läuft noch bis November 2023. Die Gesamtprojektleitung übernimmt Prof. Dr. Eva Wunderer von der Hochschule Landshut. Projektpartner ist der Bundesfachverband Essstörungen BFE e.V. Das Bundesministerium für Gesundheit finanziert das Vorhaben mit insgesamt etwa 250.000 Euro.

    Pressestelle der Hochschule Landshut, 10.01.2022

  • buss veröffentlicht Basisdaten 2020 und Katamnesedaten 2019

    Der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V. (buss) hat seine aktuelle Verbandsauswertung veröffentlicht. Es liegen nun die Basisdaten des Entlassungsjahrgangs 2020 und die Katamnesedaten des Entlassungsjahrgangs 2019 vor. Die Auswertungen stehen zum Download auf der Homepage bereit.

    Basisdaten 2020

    Für die Erhebung der Basisdaten des Entlassungsjahrgangs 2020 gingen aus 98 Einrichtungen insgesamt 15.219 Fälle ein. Neben einer Gesamtauswertung wurden 9.052 Datensätze für die Indikation Alkohol/Medikamente und 4.649 Datensätze für die Indikation illegale Drogen aus stationären und ganztägig ambulanten Einrichtungen ausgewertet. Die Adaption wurde indikationsübergreifend nach Einrichtungstyp ausgewertet und umfasst 1.165 Fälle. Zusätzlich wurde eine gesonderte indikationsübergreifende Auswertung der ganztägig ambulanten Einrichtungen erstellt.

    Die Erhebung der Basisdaten erfolgt seit 2017 nach dem KDS 3.0. Die Auswirkungen der Pandemie lassen sich an der Datenmenge ablesen: Obwohl die teilnehmenden Einrichtungen in den Jahren 2019 und 2020 in etwa gleichgeblieben sind, wurden rund 13 Prozent weniger Fälle geliefert. Dies könnte den Belegungsrückgang mancher Einrichtungen widerspiegeln: Einzelne Belegung von Doppelzimmern, Umwidmung von Stationen für andere Patientengruppen und Aufnahmestopp durch Coronaausbrüche.

    Im Vergleich der Jahre 2019 und 2020 ist die Vermittlung aus ambulanten Suchthilfeeinrichtungen für die Hauptindikationen Alkohol/Medikamente und Drogen rückläufig. Dagegen ist die Vermittlung aus dem Krankenhaus für die Indikation Alkohol/Medikamente um vier Prozent gestiegen. Von den Drogenpatienten wurde jeweils knapp ein Prozent weniger gegenüber dem Vorjahr über Krankenhäuser und Ambulanzen vermittelt. In ganztägig ambulanten Einrichtungen stieg die Vermittlungsquote aus ambulanten Suchthilfeeinrichtungen und Krankenhäusern um jeweils knapp ein Prozent. Der Beginn der Pandemie könnte Grund für die Effekte sein. Die Entwicklung in der kommenden Auswertung bleibt abzuwarten.

    Die Corona-Pandemie hat sich geringfügig auf die Motivation der Rehabilitanden ausgewirkt. Die Haltequote ist gegenüber der Erhebung aus dem Vorjahr in etwa gleichgeblieben. Bei Drogen-Rehabilitanden hat sich die Haltequote leicht verbessert.

    Im Vergleich zwischen den Jahren 2019 und 2020 scheint die Ausnahmesituation einen Einfluss auf die Art der Beendigung zu haben. Bei den Hauptindikationen und den ganztägig ambulanten Einrichtungen sind die regulären Entlassungen bis zu sechs Prozent zurückgegangen. Die vorzeitige Entlassung auf Wunsch der Rehabilitanden ist über alle ausgewerteten Bereiche gestiegen. In Adaptionseinrichtungen und ganztägig ambulanten Einrichtungen ist die Quote der Abbrüche um rund ein Prozent gestiegen. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkung die Pandemie im nächsten Auswertungszeitraum hat.

    Katamnesedaten 2019

    Die Katamneseerhebung des Entlassungsjahrgangs 2019 ist die dritte Auswertung nach dem neuen KDS 3.0. Es haben sich 62 Einrichtungen mit insgesamt 10.760 Datensätzen an der Erhebung beteiligt. 45 Einrichtungen erreichten den geforderten Mindestrücklauf von jeweils größer 25 Prozent (Indikation Alkohol/Medikamente, ganztägig ambulante Einrichtungen) und größer zehn Prozent (Indikation Drogen und Adaption). Somit fließen in die Erhebung 7.096 Datensätze ein.

    Die erhobenen Daten belegen, dass sich die Lebenssituation von Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen durch die medizinische Rehabilitation in ganztägig ambulanten (Tageskliniken) und stationären (Fachkliniken, Adaption) Einrichtungen verbessert. Mindestens Zwei Drittel aller planmäßig entlassenen Antworter sind ein Jahr nach der Rehabilitationsmaßnahme abstinent. Die Erfolgsquote von allen Behandelten fällt im Entlassungsjahr 2019 höher aus als im Vorjahr. Auf Grund der höheren Rücklaufquote ist es gelungen, an die soliden Ergebnisse der letzten Jahre anzuknüpfen.

    Eine solide und belastbare Datenbasis bildet eine wichtige Grundlage zur validen Erfolgsmessung der medizinischen Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankungen und deren Darstellung nach außen. Katamneseerhebungen dienen damit einerseits der Durchsetzung der berechtigten Ansprüche der Rehabilitanden auf eine angemessene, professionelle Behandlung. Andererseits liefern sie schlüssige Argumente, dass medizinische Rehabilitation wirkt und Politik sowie Leistungsträger die Rahmenbedingungen so gestalten sollten, dass Rehabilitation auch in Zukunft zuverlässig auf hohem fachlichem Niveau durchgeführt werden kann.

    Bereits seit vielen Jahren führt der buss – wie auch andere Fach- und Dachverbände, z. B. der Fachverband Sucht, der Deutsche Caritasverband und der Gesamtverband für Suchthilfe – Fachverband der Diakonie Deutschland – Katamnesen durch und erweitert damit die Datensammlung der deutschen Suchthilfestatistik in sinnvoller Art und Weise. Aus der Praxis kam der Wunsch nach einem einheitlichen Katamnesebogen für das ambulante und stationäre Setting, aber auch nach dem Einbeziehen der Einrichtungen der Eingliederungshilfe bzw. der besonderen Wohnformen in die Katamneseerhebung.

    Das führte dazu, dass innerhalb des Fachausschusses Deutsche Suchthilfestatistik der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen über eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des Katamnesebogens diskutiert und daraufhin eine verbändeübergreifende Arbeitsgruppe installiert wurde, die eine neue, vereinfachte Form entwickelt hat. Mit dem Ziel, einerseits mehr Rehabilitanden zu erreichen und andererseits die Datenqualität innerhalb der Einrichtungen zu verbessern, kommt der modular aufgebaute Bogen ab dem 01.01.2022 zum Einsatz und wird erstmals für die Katamneseerhebung des Entlassungsjahrgangs 2021 verwendet.

    buss e. V., 14.1.2022

  • Burkhard Blienert ist Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen

    Burkhard Blienert

    Neuer Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen wird Burkhard Blienert. Das hat am 12.1.2022 das Kabinett beschlossen und damit dem Vorschlag des Bundesgesundheitsministers Prof. Dr. Karl Lauterbach zugestimmt. Auch die Amtsbezeichnung von ehemals „Drogenbeauftragter der Bundesregierung“ hat sich mit Antritt des neuen Beauftragten geändert.

    Der neue Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert: „Dieses Amt übernehmen zu dürfen, freut mich wirklich sehr. Es gibt viel zu tun! Die Drogen- und Suchtpolitik muss in vielen Bereichen neu gedacht und neu gestaltet werden. Was wir brauchen, ist ein Aufbrechen alter Denkmuster. Es muss gelten: ‚Hilfe und Schutz statt Strafe‘. Nicht nur beim Thema Cannabis, sondern in der Drogenpolitik insgesamt, national wie auch international. Die Welt steht gesundheitspolitisch vor nie dagewesenen Herausforderungen, und auch die Sucht- und Drogenpolitik muss mit großem Engagement und ohne Vorurteile angegangen werden. Ich danke Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach für das Vertrauen und werde mein Bestes geben, um den Betroffenen und ihren Familien in ganz Deutschland die Unterstützung zu geben, die sie brauchen!“

    Der in Braubach/Rheinland-Pfalz geborene Blienert studierte Politik, Neuere Geschichte und Soziologie mit Magister und legte das erste Staatsexamen für die Sekundarstufe I in Sozialwissenschaften, Geschichte und Pädagogik ab. Blienert ist seit 1990 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und beschäftigt sich seit etwa zehn Jahren intensiv mit Fragen der Drogen- und Suchtpolitik.

    In der 18. Wahlperiode (2013–2017) war er Mitglied des Deutschen Bundestages und vertrat seine Fraktion als ordentliches Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, im Ausschuss für Kultur und Medien sowie im Haushaltsausschuss. Blienert war während dieser Zeit Berichterstatter seiner Fraktion für Drogen- und Suchtfragen.

    Der 55-Jährige arbeitete zuletzt im Stabsbereich Politik einer großen Krankenkasse, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

    Pressestelle des Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, 12.01.2022

  • Über Cannabis-Legalisierung und die Sehnsucht nach Rausch

    Die geplante Cannabis-Legalisierung der neuen Bunderegierung ist Aufhänger für zwei interessante Podcasts.

    Cannabis-Legalisierung: Aspekte aus Suchtforschung und Suchttherapie

    Prof. Dr. Stephan Mühlig. Foto: Jacob Müller, TU Chemnitz

    Im Wissenschaftspodcast „TUCscicast“ der Technischen Universität Chemnitz ordnet Sucht-Experte Prof. Dr. Stephan Mühlig Fragen der Cannabis-Legalisierung aus Sicht der Suchtforschung und Suchttherapie ein. Es geht zum Beispiel darum, welches Suchtpotential Cannabis hat, welchen Einfluss die Legalisierung auf das Konsum- und Suchtverhalten haben könnte und was Sucht überhaupt ist. (Dauer 43 min.)

    Link zum Podcast

    Quelle: Pressestelle der TU Chemnitz, 17.12.2021

    Cannabis, Kokain und kalter Entzug – Warum wir uns berauschen

    Im Podcast des Hessischen Rundfunks – hr-Info Kultur steht der Rausch im Mittelpunkt:
    Kokain in Coca-Cola und Heroin als legales Schmerzmittel. Inzwischen ist beides Geschichte. Höhlenmalereien von Menschen mit (psychedelischen) Pilzen anstatt Köpfen sind bereits vor mehr als 6.000 Jahren entstanden. Aber viele holen sich heute ihr „High“ auch ganz substanzfrei bei Sport oder Meditation. Die Kulturanthropologin Lena Papasabbas sagt, dass unsere Sehnsucht nach Rausch immer größer wird. Und die Investigativjournalistin Isabell Beer hat junge Drogenkonsumenten begleitet, die sich heute ihre Drogen einfach im Internet bestellen und direkt nach Hause liefern lassen können. Warum wird unsere Lust auf Rausch immer größer? Und was macht das mit uns und der Gesellschaft, in der wir leben? (Dauer 25 min.)

    Link zum Podcast

    Autor: Tanja Küchle
    Veröffentlicht am 19.11.21 um 15:00 Uhr
    Quelle: © Hessischer Rundfunk

  • Familie, Kindheit, Jugend 2030

    Megatrends wie Globalisierung, demografischer Wandel, Migration und Digitalisierung, aber auch Krisen wie die Corona-Pandemie, beeinflussen das gesellschaftliche Zusammenleben tiefgreifend. Für Familien, Kinder und Jugendliche gehen diese Entwicklungen mit Chancen, aber auch mit Herausforderungen einher. Vor diesem Hintergrund wirft das Forschungsmagazin DJI Impulse in der neu erschienenen Sonderausgabe einen Blick in die Zukunft bis 2030 und geht der Frage nach, welche Unterstützung junge Menschen und ihre Familien angesichts der aktuellen und bereits absehbaren gesellschaftlichen Entwicklungen benötigen.

    Lebensbedingungen werden nicht nur vielfältiger, sondern auch ungleicher

    „Die Pandemie traf auf eine Gesellschaft inmitten vielfältiger Wandlungsprozesse, die im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte die Lebensbedingungen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien markant verändert haben“, schreibt die neue Direktorin des Deutschen Jugendinstituts (DJI), Prof. Dr. Sabine Walper, in ihrer einführenden Analyse. In diesen Entwicklungen zeichneten sich bereits zentrale gesellschaftliche Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts ab, wie etwa die notwendige Anpassung von Gesetzen und Unterstützungssystemen für Familien.

    Anhand differenzierter Forschungsdaten zeigen die leitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DJI und des Forschungsverbunds DJI/TU Dortmund in der aktuellen Sonderausgabe „Familie, Kindheit, Jugend 2030“ unter anderem auf, dass die Lebensbedingungen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien nicht nur vielfältiger geworden sind, sondern auch ungleicher. Diese sozialen Disparitäten offenbaren sich demnach besonders deutlich bei den gewachsenen Bevölkerungsanteilen mit Migrationsgeschichte. Erwerbsintegration von Eltern und ganz besonders die Bildungsintegration ihrer Kinder nennen die Autorinnen und Autoren als zentrale Stellschrauben für mehr Chancengerechtigkeit in Deutschland und analysieren die damit verbundenen Zukunftsherausforderungen, wie beispielsweise den Ausbau der Frühen Bildung und den damit verbundenen Fachkräftebedarf bis 2030.

    „Der Bund muss dauerhaft in die Finanzierung von Bildung einsteigen“

    „Bildung ist das Startkapital für die Zeit nach Corona“, betont auch der scheidende DJI-Direktor Prof. Dr. Thomas Rauschenbach in seinem Gespräch mit DJI Impulse über die Bildung der Zukunft. Da sich das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen fundamental verändert habe, und öffentliche Institutionen eine deutlich bedeutendere Rolle dabei spielten, müsse der Bund dauerhaft in die Finanzierung von Bildung einsteigen, fordert er. In der aktuellen Sonderausgabe wird der fast 20 Jahre lang amtierende DJI-Direktor zudem in einem Porträt und in der Rubrik „Mein Rauschenbach-Moment“ gewürdigt.

    Das Forschungsmagazin DJI Impulse berichtet allgemein verständlich über die wissenschaftliche Arbeit am DJI, einem der größten sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute in Deutschland. Regelmäßig informieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über relevante Themen aus den Bereichen Kindheit, Jugend, Familie und Bildung. Die aktuelle Sonderausgabe von DJI Impulse kann kostenlos bestellt und heruntergeladen werden, auch ein Abonnement des Forschungsmagazins ist möglich: www.dji.de/impulse

    Das Impulse-Titelthema gibt es auch als Online-Schwerpunkt mit zusätzlichen Berichten und Interviews: www.dji.de/gesellschaft2030

    Originalpublikation:
    Deutsches Jugendinstitut (DJI; Hrsg.): Familie, Kindheit, Jugend 2030. Lösungsansätze für eine lebenswerte Zukunft. Forschungsmagazin DJI Impulse, Heft 126, Ausgabe 2/2021

    Pressestelle des Deutschen Jugendinstituts e. V., 28.10.2021

  • Einsamkeit junger Erwachsener

    Junge Erwachsene fühlen sich heute einsamer als früher – und das nicht erst seit Corona. Darauf deutet eine Auswertung von Studien zur Einsamkeit junger Erwachsener zwischen 1976 und 2019 hin, die ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführt hat. „Ein solcher Anstieg ist ein Warnsignal, da Einsamkeit ein zunehmendes Problem im jungen Erwachsenenalter zu sein scheint“, so Dr. Susanne Bücker vom Lehrstuhl Psychologische Methodenlehre an der Fakultät für Psychologie der RUB.

    Den oft verwendeten Begriff „Einsamkeitsepidemie“ bezeichnet das Forschungsteam dennoch als überdramatisierend, da die Effektgröße des Anstiegs relativ klein ist. Die Studie ist veröffentlicht in der Zeitschrift Psychological Bulletin vom Dezember 2021.

    Einsamkeit hat viele mögliche Ursachen

    Dass Einsamkeit gerade bei jungen Erwachsenen, zu denen Expertinnen und Experten 18- bis 29-Jährige zählen, angestiegen ist, scheint eine wachsende gesellschaftliche Sorge zu sein. Denn tatsächlich haben sich die Lebenserfahrungen junger Erwachsener seit den späten 1970er-Jahren massiv verändert. Zu den gesellschaftlichen Veränderungen, die das bedingen, gehören unter anderem die zunehmende Unbeständigkeit sozialer Beziehungen, größere Mobilitätsmöglichkeiten, eine Verschiebung von Heirat und Familiengründung in spätere Lebensphasen und Veränderungen in der Kommunikation durch technologische Innovationen.

    Um herauszufinden, ob sich die durchschnittliche Einsamkeit von jungen Erwachsenen über die Zeit tatsächlich verändert hat, hat das Forschungsteam eine zeitübergreifende Meta-Analyse und ein systematisches Literaturreview durchgeführt. Dabei haben die Autorinnen und Autoren die verfügbaren empirischen Einzelstudien, die Einsamkeit bei jungen Erwachsenen mit der sogenannten UCLA-Einsamkeitsskala im Zeitraum von 1976 bis 2019 erfasst haben, mittels statistischer Methoden zusammengefasst. Diese Skala, benannt nach der University of California, zählt zu den gängigsten Messinstrumenten für Einsamkeit bei Erwachsenen und wird seit 1976 verwendet. Insgesamt umfasst die Meta-Analyse mit 345 Studien und 124.855 jungen Erwachsenen eine sehr große Datenbasis.

    Die Meta-Analyse war präregistriert. Das bedeutet, dass die methodische Vorgehensweise für die Literaturrecherche und Datenauswertung vorab von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern veröffentlicht wurde. Zudem wurden die Daten aus der Meta-Analyse der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Weiternutzung zur Verfügung gestellt. Dieses Vorgehen fördert Transparenz in der Forschung.

    Leichter Anstieg ist trotzdem Warnsignal

    Über alle Studien hinweg stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass Einsamkeit bei jungen Erwachsenen von 1976 bis 2019 leicht angestiegen ist. Dieser Anstieg entspricht etwa 0,56 Standardabweichungen auf der UCLA-Einsamkeitsskala über den 43-jährigen Untersuchungszeitraum. „Junge Erwachsene fühlen sich heute also einsamer als früher – aber der Anstieg ist relativ klein“, fasst Susanne Bücker zusammen. „Nichtsdestotrotz sollten junge Erwachsene bei der Gestaltung von Präventions- und Interventionsmaßnahmen gegen Einsamkeit nicht übersehen werden, da Einsamkeit in allen Altersgruppen gravierend negative Konsequenzen hat und eindeutig nicht nur im hohen Lebensalter auftritt.“

    Originalpublikation:
    Susanne Buecker, Marcus Mund, Sandy Chwastek, Melina Sostmann, Maike Luhmann: Is loneliness in emerging adults increasing over time? A preregistered cross-temporal meta-analysis and systematic review, in: Psychological Bulletin, 2021, DOI: 10.1037/bul0000332, https://psycnet.apa.org/record/2022-09577-002?doi=1

    Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum, 17.12.2021