Kategorie: Kurzmeldungen

  • Nationaler Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen legt „Gemeinsame Verständigung“ vor

    Unter dem Vorsitz von Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht und Johannes-Wilhelm Rörig, dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, kamen am 29. Juni erneut über 40 staatliche und nicht-staatliche Spitzenakteure zum Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen zusammen. Anderthalb Jahre nach seiner konstituierenden Sitzung legte das Forum nun eine „Gemeinsame Verständigung“ vor. Darin sind konkrete Maßnahmen in fünf Themenkomplexen enthalten. Ziel ist es, Schutz und Hilfen bei sexualisierter Gewalt und Ausbeutung zu verbessern, kindgerechte Gerichtsverfahren zu gewährleisten und die Forschung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt weiter voranzubringen.

    Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs: „Für den Betroffenenrat sind die Zwischenergebnisse des Nationalen Rates eine wichtige Bestandsaufnahme und Bündelung von konkreten nächsten Schritten. Über 35 Jahre ehrenamtliches und professionelles Engagement insbesondere in Fachberatungsstellen, aber auch die vergangenen elf Jahre haben gezeigt, dass der Kampf gegen sexualisierte Gewalt und ihre Folgen nur gelingen kann, wenn klare und kontinuierlich finanzierte Rahmenbedingungen geschaffen werden. Im Mittelpunkt des Handelns müssen zwingend die Beteiligung und die Bedarfe von Betroffenen stehen. Notwendig sind der konsequente Ausbau von spezialisierten Fachberatungsstellen, die umfassende Implementierung von Kinderrechten sowie die inhaltliche Verankerung spezifischer Aspekte des Kinder- und Jugendschutzes – in allen Bereichen der Gesellschaft. Alle Bundesländer sind gefordert, spezielle Strukturen gegen sexualisierte Gewalt zu schaffen. Unser gemeinsames Ziel ist die längst überfällige gesamtgesellschaftliche Verantwortungsübernahme, denn alle Betroffenen haben unabhängig vom Tatkontext das Recht auf Schutz und Aufarbeitung, Unterstützung und Hilfen.“

    Kernpunkte der Gemeinsamen Verständigung im Überblick:

    1. Weiterer Ausbau von Schutzkonzepten und deren konsequente Anwendung
      Schutzkonzepte sind für Einrichtungen und Organisationen, die Kinder und Jugendliche betreuen, zentral, um sie vor sexueller Gewalt zu schützen und Aufdeckung von Gewalttaten zu fördern. Daher hat der Nationale Rat über die Gelingensbedingungen (insbesondere gute Rahmenbedingungen, Qualifizierung, Partizipation und Vernetzung) beraten. Die Länder bekräftigen diese Anstrengungen mit einem Beschluss zur Umsetzung von Schutzkonzepten in Schulen.
    1. Vernetzte Hilfen für Unterstützung von Betroffenen
      Die Kompetenzen unterschiedlicher Berufsgruppen spielen bei der Aufdeckung sexualisierter Gewalt und zur wirksamen Hilfe eine wichtige Rolle. Die Systeme der Kinder- und Jugendhilfe sowie des Gesundheitswesens und der Sozialen Entschädigung müssen gut zusammenarbeiten und Kinder und mögliche Gewaltkontexte mit geschultem Blick betrachten. Die verbesserte Qualifizierung und Vernetzung dieser Akteure sollen dazu dienen, Gefahren für Kinder schneller zu erkennen und entsprechend zu helfen.
    1. Kindgerechte gerichtliche Verfahren qualifizieren Entscheidungen
      Der Nationale Rat möchte die Rahmenbedingungen für Vernehmungen und Anhörungen im familiengerichtlichen und im Strafverfahren verbessern. Dazu wurden Praxishilfen für kindgerechte Verfahren entwickelt. Die Länder bekräftigen diese Anstrengungen mit einem Beschluss zur besseren Umsetzung der Videovernehmung.
    1. Schutz vor Ausbeutung und internationale Kooperation
      Der Nationale Rat verfolgt das Ziel, die Identifizierung von minderjährigen Betroffenen des Menschenhandels strukturell zu befördern. Außerdem sollen spezifische Hilfen wie bedarfsgerechte Unterbringungsangebote verbessert und die Zusammenarbeit von Fachkräften gestärkt werden. Die neue Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz soll mit dem Nationalen Rat Schutzkonzepte für den digitalen Raum erarbeiten, um Kinder und Jugendliche besser vor sexueller Ausbeutung zu schützen. Zur organisierten und rituellen Gewalt sollen Maßnahmen zur Aufklärung und Sensibilisierung vorangebracht werden.
    1. Leitlinien für die Konzeption von Häufigkeitsforschung zu (sexueller) Gewalt
      Der Nationale Rat hat den Bedarf für eine verbesserte Datengrundlage zu Ausmaß und Erscheinungsformen sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche identifiziert und sich auf konkrete Leitlinien für die Konzeption von Häufigkeitsforschung verständigt. Sie sollen helfen, mehr Wissen über sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zu generieren. Das ist die Grundlage guter politischer Entscheidungen.

    Über den Nationlaen Rat

    Dem Nationalen Rat gehören Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft, Betroffene sowie Verantwortliche aus der Zivilgesellschaft und der Fachpraxis an. Das Gremium auf Spitzenebene und fünf thematische Arbeitsgruppen umfassen insgesamt etwa 300 Mitwirkende. Sie alle wollen das bestehende Ausmaß an sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche nicht hinnehmen und haben sich zum gemeinsamen Ziel gesetzt, sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und deren Folgen dauerhaft entgegenzuwirken. Seit der Konstituierung des Nationalen Rates am 2. Dezember 2019 durch das Bundesfamilienministerium und den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs hat der Nationale Rat in fünf thematischen Arbeitsgruppen getagt: Schutz, Hilfen, Kindgerechte Justiz, Schutz vor Ausbeutung und internationale Kooperation sowie Forschung und Wissenschaft.

    Die „Gemeinsame Verständigung“ des Nationalen Rates finden Sie unter:
    https://www.nationaler-rat.de/ergebnisse

    Weitere Informationen unter:
    https://www.nationaler-rat.de/
    https://beauftragter-missbrauch.de/

    Pressestelle des Bundesfamilienministeriums, 30.6.2021

  • Video-Beratung für Menschen mit glücksspielbezogenen Problemen

    Um Menschen mit glücksspielbezogenen Problemen auch während Corona und danach beraten zu können, hat die Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern (LSG) bereits letzten Sommer die Online-Beratungsplattform PlayChange veröffentlicht. Nun kommt mit einer Video-Beratung ein neues Modul hinzu, das über www.playchange.de schnell und einfach zu erreichen ist.

    Der Vorteil der Video-Beratung ist, dass sie einem normalen Beratungsgespräch vor Ort sehr nahe kommt. Beratende und Hilfesuchende können Mimik und Gestik des Gegenübers sehen, sie können gemeinsame Notizen aufschreiben und Dokumente austauschen. Und dies streng vertraulich und datenschutzsicher nach der Datenschutzgrundverordnung. Für den Zugang zur kostenlosen und anonymen Beratung über PlayChange ist lediglich eine kurze Registrierung nötig, die mit einer Pseudo-E-Mail-Adresse erfolgen kann. Konrad Landgraf, Geschäftsführer der LSG und Suchtexperte: „Mit der Video-Beratung haben wir einen weiteren wichtigen Baustein in unserem Beratungs-Portfolio. Manche Hilfesuchende bevorzugen nach wie vor den Face-to-Face-Kontakt, was während Corona oftmals nicht möglich ist. Mit unserer Video-Beratung bauen wir diese Hürde weiter ab. Und auch im Hinblick auf die Legalisierung des Online-Glücksspiels in Deutschland ab Juli ist Online-Beratung zunehmend wichtiger.“

    PlayChange richtet sich an Menschen, die Probleme durch Glücksspiel haben und wahrnehmen, die Kontrolle über ihr Spielverhalten zu verlieren oder bereits verloren zu haben. Landgraf: „Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn sie mehr Zeit mit Glücksspielen verbringen als sie sich vorgenommen haben oder mehr Geld einsetzen als sie eigentlich wollten. Oder wenn sie das Ausmaß des Glückspielens verheimlichen oder immer weiterspielen, um Verluste wieder hereinzuholen.“

    Natürlich können und sollen sich auch Angehörige über PlayChange an die LSG wenden, wenn sie der Meinung sind, dass jemand aus dem Familien- oder Bekanntenkreis Probleme mit übermäßigem Glücksspielen hat, oder sie mit der Situation allein nicht mehr klarkommen. Landgraf: „Gerade Angehörige merken oft, dass etwas nicht stimmt. Sie trauen sich aber häufig nicht, etwas zu unternehmen, oder wissen nicht, wo sie Hilfe bekommen. Auch für sie bieten wir mit PlayChange eine gute Lösung an, ohne dass sie in eine Beratungsstelle gehen müssen.“

    Landgraf hofft, dass sich durch das neue Video-Modul noch mehr Betroffene und Angehörige trauen, sich Hilfe zu suchen. Und der Suchtexperte betont auch die fachliche Qualität der Beratung an sich: „Die gesamte Beratung auf der Plattform PlayChange wird von Expertinnen und Experten der Fachstellen für Glücksspielsucht durchgeführt.“

    In Bayern zeigen unter Berücksichtigung der sechs aktuellsten Bevölkerungsumfragen 33.000 Menschen ein pathologisches und weitere 35.000 ein problematisches Glücksspielverhalten. Der durchschnittliche Schuldenstand pathologisch Spielender beträgt 25.000 Euro.

    Über die LSG

    Die Landesstelle Glücksspielsucht koordiniert bayernweit Prävention, Forschung, Beratung und Hilfe rund um das Thema pathologisches Glücksspielen. Sie besteht seit Juni 2008 und wird vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege finanziert. Kooperationspartner sind die Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen BAS Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), der Betreiberverein der Freien Wohlfahrtspflege Landesarbeitsgemeinschaft Bayern für die Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern e.V. und das IFT Institut für Therapieforschung München. Die LSG arbeitet fachlich unabhängig und ist nicht weisungsgebunden.

    Pressestelle der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern (LSG), 2.6.2021

  • Er war ein Wegbereiter der deutschen Suchthilfe 

    Am 1. Juni 2021 verstarb Ernst Knischewski im Alter von 96 Jahren in Kassel. Er war Diakon und Sozialarbeiter. Seit der Gründung des Gesamtverbandes für Suchthilfe (GVS) im Jahr 1957 war Herr Knischewski bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1990 Geschäftsführer des GVS. Zugleich war er Referent der Hauptgeschäftsstelle des Diakonischen Werkes der EKD in Stuttgart und von 1958 bis 1985 außerdem Geschäftsführer des damaligen Verbandes der Trinkerheilstätten, des heutigen Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss).

    Dass Sucht als Krankheit mit Beschluss des Bundessozialgerichts in Kassel vom 18.06.1968 anerkannt wurde, war ein bahnbrechender Erfolg in der Suchthilfe und auch einer der größten von Herrn Knischewski, da er mit der Unterstützung von Prof. Dr. jur. Otto E. Krasney wesentlichen Anteil daran trug. Für das laufende sozialgerichtliche Verfahren hatten sie bestehende Urteile und juristische Gutachten gesammelt und damit anhaltende Argumentationshilfe geleistet.

    Herr Knischewski erkannte frühzeitig, dass die Suchthilfe sich zusätzlich zur Behandlung von Alkoholismus um spezielle Angebote für die Konsumenten von illegalen Drogen kümmern musste. Bereits in den 1960er und 1970er Jahren beschäftigte er sich intensiv mit Erfahrungen und Möglichkeiten der Suchtbehandlung nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. So besuchte er u. a. Neuseeland, die Fidschi-Inseln, Australien, Südafrika, Norwegen, Schweden und Japan für Austauschgespräche. Er schaffte Schnittstellen und initiierte Vernetzungen. Dass Suchtkrankheit und ihre Behandlung als Themen in die Öffentlichkeit traten, geht auch auf ihn zurück. Im NICOL-Verlag, der beim GVS gegründet wurde, erschienen Fachbücher zur Sucht und Verteil-Materialien. Das fortan über viele Jahre regelmäßig erscheinende Fachorgan PARTNER-Magazin ging an den Start.

    Herr Knischewski hatte immer auch die Mitarbeiter*innen in der Suchtbehandlung im Blick. Dass sie Entlastungs- sowie Qualifizierungsmöglichkeiten benötigen, stand für ihn schon früh außer Frage. Der GVS begann daher schon recht bald mit der Entwicklung eines umfangreichen Fort- und Weiterbildungsangebotes für hauptamtlich Mitarbeitende aus der Suchthilfe und führt dies auch heute noch durch.

    Auch die Sucht-Selbsthilfe lag Herrn Knischewski am Herzen. In diesem Zusammenhang kreuzten sich unsere Wege am 1. September 1985 anlässlich meiner Einstellung beim GVS. Dort war ich im Dienst des Bundesverbandes der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe tätig, damals noch Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG). Deren Gründung hatte Herr Knischewski 1978 unterstützt. Es war ihm wichtig, den für die damalige Zeit noch relativ neuen Selbsthilfeansatz in der Suchthilfe zu unterstützen, indem er die Ehrenamtlichen von administrativen Aufgaben entlastete. Die Betroffenenkompetenz sah er als weitere Säule in der Behandlung und Begleitung suchtkranker Menschen und ihrer Angehörigen.

    Als mittlerweile langjährige Mitarbeiterin beim Bundesverband der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe erinnere ich mich mit hoher Achtung und in Verbundenheit an Ernst Knischewski. Stets war es ihm wichtig, Menschen bei der Umsetzung von Zielen mitzunehmen. So wirkte er mit beim Aufbau eines stabilen Fundaments, aus dem sich das heutige differenzierte und spezialisierte Behandlungssystem in der Suchthilfe entwickeln konnte. Ernst Knischewski war eine außergewöhnliche Persönlichkeit – engagiert und empathisch, mit einer hohen Fachlichkeit und geerdet im christlichen Glauben.

    Ute Krasnitzky-Rohrbach
    Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe
    Bundesverband e.V.

  • Hilfe für junge Menschen mit Gewalterfahrungen

    Auf der Website www.du-auch.de finden Kinder und Jugendliche Informationen zum Thema Trauma nach Gewalterfahrung. Das neue Infoportal geht auf die Initiative eines Verbunds von Psychologinnen und Psychologen an deutschen Universitäten unter der Leitung der Goethe-Universität zurück und soll jungen Menschen mit Gewalterfahrungen helfen, die Folgen der Lockdown-Zeit zu bekämpfen.

    Durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen hat sich der Alltag der Menschen massiv verändert. Die psychologischen Folgen sind zum Teil gravierend: Familien fühlen sich stark belastet, Kinder sind nachweislich einer höheren Gefährdung ausgesetzt. Studien zeigen, dass Kinder und Jugendliche verstärkt körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Zugleich hat sich durch die Pandemie die Erreichbarkeit betroffener Kinder, Jugendlicher und ihrer Familien aber verschlechtert. Das neue Online-Angebot www.du-auch.de soll helfen, die psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit körperlichen und sexuellen Gewalterfahrungen oder Vernachlässigung zu verbessern.

    Das vom BMBF geförderte Forschungsprojekt BESTFORCAN (https://www.ku.de/bestforcan), dessen Gesamtleitung Regina Steil von der Goethe-Universität Frankfurt innehat, hat die Seite www.du-auch.de ins Leben gerufen, um Jugendliche direkt ansprechen zu können. So sollen sie leichter Zugang zu psychotherapeutischen Maßnahmen finden – insbesondere zu einer evidenzbasierten Intervention, der traumafokussierten kognitiven Verhaltenstherapie „LOT – Leben ohne Traumafolgen“. Auf der Seite www.du-auch.de finden Jugendliche – altersgerecht und übersichtlich gegliedert – in kurzen Texten Informationen dazu, was sie tun können, wenn sie selbst – oder ein Freund oder eine Freundin – Opfer von Gewalt geworden sind.

    Die Seite ist vor allem für die Mobilnutzung mit dem Smartphone konzipiert – funktioniert aber auf dem PC. Sie bietet direkte Links zu Hilfsportalen wie der „Nummer gegen Kummer“ und dem „Hilfstelefon sexueller Missbrauch“. Darüber hinaus wird erklärt, wie eine LOT-Therapie helfen kann und warum es einem nicht peinlich sein muss, mit Fremden über schwierige Dinge zu sprechen. Eigens produzierte Filme im Graphic Novel-Stil erzählen die Geschichte der 14-jährigen Sara, die es schafft, sich trotz eines sehr traumatischen Erlebnisses nach einer Therapie wieder besser zu fühlen.

    Neu und wichtig: Die Seite bietet eine direkte Kontaktmöglichkeit per WhatsApp oder Telefon zu Kinderpsychologinnen und -psychologen, die Jugendlichen bei der Suche nach einem LOT-Therapieplatz helfen. Deutschlandweit wurden Fachkräfte in dieser besonderen Traumatherapie geschult – und es gibt aktuell noch freie Plätze. „Es wäre schön, wenn das neue Angebot und die Information, dass es in dem Projekt noch freie Therapieplätze gibt, Verbreitung fände“, sagt Regina Steil, Apl.-Professorin an der Goethe-Universität und Leiterin des Frankfurter Teilprojekts. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen dürften nicht alleine gelassen werden.

    Goethe-Universität Frankfurt am Main, 15.06.2021

  • Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ wird in Krisenzeiten zum Rettungsanker

    Das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist eine wichtige erste Anlaufstelle für gewaltbetroffene Frauen, gerade in Zeiten von Corona. Rund um die Uhr sind die Beraterinnen des Hilfetelefons erreichbar. Im Jahr 2020 führten sie 51.407 Beratungen durch – das entspricht einem Anstieg von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei nahmen die Anfragen zu häuslicher Gewalt überproportional zu: Alle 22 Minuten fand im vergangenen Jahr eine Beratung dazu statt. Das ist ein zentrales Ergebnis des Jahresberichts 2020 des Hilfetelefons, der im Mai veröffentlicht wurde.

    Petra Söchting, die Leiterin des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“: „In der Corona-Krise hat sich einmal mehr gezeigt, wie wichtig unser Beratungsangebot mit seiner verlässlichen Erreichbarkeit als erste Anlaufstelle für gewaltbetroffene Frauen ist. Unter den speziellen Rahmenbedingungen der Pandemie hat das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ seine Lotsenfunktion ins Hilfesystem jedoch nur eingeschränkt wahrnehmen können, da höhere Hürden bei der Nutzung örtlicher Hilfsangebote bestanden: Einrichtungen des Unterstützungssystems für gewaltbetroffene Frauen waren schwerer erreichbar bzw. standen nur eingeschränkt zur Verfügung. Ratsuchende wandten sich mit ihrem Anliegen mitunter wiederholt an die Beraterinnen des Hilfetelefons.“

    Kernergebnisse des Jahresberichts 2020

    Die wichtigsten Zahlen auf einen Blick. Bitte auf die Abbildung klicken.

    Mit dem coronabedingten Lockdown sind die Beratungskontakte des Hilfetelefons ab Ende März 2020 deutlich angestiegen und seitdem auf einem hohen Niveau geblieben. Die Gespräche mit den Beraterinnen fanden um 20 Prozent häufiger zum Thema häusliche Gewalt statt. Akute Krisen und Verletzungen in konkreten Gefährdungssituationen mehrten sich, sodass die Beratungen zeitintensiver waren und in vielen Fällen sofortige Hilfe über die Polizei oder Rettungskräfte organisiert werden musste.

    Um 21 Prozent stieg auch die Anzahl von Menschen aus dem sozialen Umfeld betroffener Frauen, die Rat und Unterstützung beim Hilfetelefon suchten. Viele berichteten, dass sie seit dem Lockdown durch die Pandemie mehr Zeit zuhause verbringen und dadurch häufiger Zeuge von Gewaltausbrüchen in der Nachbarschaft werden.

    Die Nachfrage an fremdsprachlicher Beratung stieg um 25 Prozent, was eine schwierigere Situation von Frauen mit Migrationserfahrung in der Pandemie vermuten lässt. Die Beratungen per E-Mail oder Chat stiegen um 15 Prozent. Gerade bei häuslicher Enge und Isolation stellen Online-Kontaktwege eine wichtige Alternative zum Telefon dar. Zudem meldeten sich mehr Menschen, die nicht von Gewalt betroffen waren, aber mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen hatten. Für die Beraterinnen stellt dies eine besondere Herausforderung dar.

    Ein unmittelbarer Rückschluss von gestiegenen Beratungszahlen beim Hilfetelefon auf die tatsächliche Zunahme von häuslicher Gewalt während der Corona-Krise kann allerdings nicht gezogen werden. Belastbare Daten, wie sich das bundesweite Aufkommen von Gewalt gegen Frauen verändert hat, liegen bislang nicht vor. Auf Grundlage der polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2020 ergeben sich erste Hinweise, wonach die Zahl der polizeilich bekannt gewordenen Fälle häuslicher Gewalt in 2020 leicht gestiegen ist; eine detaillierte Auswertung steht noch aus. Während der Pandemie hat das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ eine erhöhte Medienpräsenz erzielt. Die gestiegene Bekanntheit sorgte vermutlich für mehr Kontaktaufnahmen – eine Entwicklung, die auch weiterhin erwartet wird.

    Über das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“

    Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ richtet sich an gewaltbetroffene Frauen, Menschen aus deren sozialem Umfeld und Fachkräfte. Es berät kostenfrei, anonym und vertraulich zu allen Formen von Gewalt – ob Gewalt in der Partnerschaft, Mobbing, Stalking, Zwangsheirat, Vergewaltigung oder Menschenhandel. Über 80 qualifizierte Beraterinnen helfen unter der Telefonnummer 08000 116 016, per E-Mail oder Sofort- bzw. Termin-Chat auf www.hilfetelefon.de. Auf Wunsch vermitteln die Beraterinnen an Unterstützungseinrichtungen vor Ort. Das bundesweite Angebot ist rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr erreichbar. Bei Bedarf kann die Beratung in 17 Fremdsprachen, in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache erfolgen. Seit dem Start im März 2013 wurde insgesamt rund 281.000-mal per Telefon, E-Mail oder Chat beraten. Über 158.000 von Gewalt betroffene Personen haben das niedrigschwellige Angebot genutzt.

    Weitere Informationen zum Beratungsangebot unter: www.hilfetelefon.de

    Den vollständigen Jahresbericht 2020 des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ steht hier zum Download bereit.

    Pressestelle des Bundesfamilienministeriums, 10.05.2021

  • 100 Jahre Kinder- und Jugendhilfe

    Gegründet am 1. April 1921 feiert das Jugendamt Stuttgart 2021 sein hundertjähriges Bestehen. Aus diesem Anlass präsentiert es anhand historischer Bilder, Akten und Dokumente eine umfangreiche Online-Ausstellung zu seiner Geschichte. Die Exponate und Erklärungen stehen exemplarisch auch für ein Jahrhundert Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland.

    Die Ausstellung zeigt wesentliche Aufgabenfelder der Kinder- und Jugendhilfe von ihren Anfängen 1921 bis heute. Videostatements von aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter*innen begleiten den historischen Abriss. Das Stuttgarter Jugendamt erhebt keinen Anspruch auf eine lückenlose chronologische Darstellung. Es stellt seine Vergangenheit in Schlaglichtern und anhand von ausgewählten Dokumenten vor, ordnet diese mithilfe von kurzen Begleittexten ein und überlässt die Interpretation den Besucherinnen und Besuchern.

    Eingeteilt ist die Ausstellung in die drei Bereiche Themen (Fachinformationen zur Arbeit und Geschichte des Jungendamtes), Gesichter (persönliche Videostatements) und Einrichtungen (exemplarische Auswahl aus den Angeboten des Jugendamtes).

    Im Unterpunkt Kooperationen (unter Themen) wird neben vielen anderen Institutionen das Gesundheitswesen genannt. Schön wäre, wenn an dieser Stelle die Suchthilfe einen expliziten Platz finden würde. Insbesondere Kinder aus Suchtfamilien sind auf beide Hilfesysteme angewiesen. Die Ausstellung lädt jedenfalls sehr dazu ein, die Arbeit des Jugendamtes kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen.

    Zu sehen ist die Ausstellung unter: www.stuttgart.de/100-jahre-jugendamt

    Simone Schwarzer/Redaktion KONTUREN online, 18.6.2021

  • Persönlicher Austausch macht glücklicher als Onlinekontakt

    Schüler*innen litten im zweiten Schul-Lockdown vor allem unter dem eingeschränkten persönlichen Kontakt zu Freunden. Das zeigt der aktuelle Ergebnisbericht einer Befragung im Rahmen des Projektes SOCIALBOND unter Leitung von Clemens Kroneberg, Professor für Soziologie und Mitglied im Exzellenzcluster ECONtribute: Markets & Public Policy an der Universität zu Köln.

    Das Forschungsteam befragte knapp 600 Neuntklässler*innen aus 29 Schulen in NRW, darunter Gesamt-, Haupt-, Real-, und Sekundarschulen sowie Gymnasien, mit einem 20-minütigen Fragebogen zu ihrem Schulalltag und Freizeitverhalten. Zusätzlich erhielt etwa die Hälfte der Schüler*innen während des Homeschoolings über vier Wochen hinweg acht Mini-Fragebögen zur tagesaktuellen Stimmungslage und Aktivitäten auf ihr Smartphone geschickt.

    Das Ergebnis: Die Mehrheit der Schüler*innen (70 Prozent) belastete es am stärksten, weniger Kontakt zu für sie wichtigen Personen zu haben. Die Einschränkungen in ihrer Freizeit nahmen sie als deutlich schlimmer wahr als das selbstständige Lernen im Homeschooling oder den Familienalltag während der Schulschließungen. An Tagen, an denen sie das Haus verlassen haben oder persönlichen Kontakt zu Freunden hatten, gaben die Jugendlichen eher an, glücklich und begeistert gewesen zu sein, und waren weniger traurig, niedergeschlagen, einsam und gelangweilt. Reiner Onlinekontakt – die mit Abstand häufigste Form des Austauschs während des zweiten Schul-Lockdowns – besserte die Stimmung hingegen nicht. „Eltern können unseren Ergebnissen zufolge im Zuge des täglichen Präsenzunterrichts, der nun für viele Schüler*innen wieder gestartet ist, also auf besser gelaunte Kinder hoffen“, sagt Kroneberg.

    Durchschnittlich gaben die Jugendlichen an, während des Homeschoolings weder besonders unglücklich oder unausgeglichen noch sehr glücklich oder ausgeglichen gewesen zu sein. Die befragten Mädchen empfanden die Einschränkungen im Schnitt als belastender als die Jungen und gaben eher an traurig, niedergeschlagen, einsam oder besorgt zu sein. Die Forschenden merken an, dass sich aus ihren Ergebnissen keine direkten Schlüsse auf die Gesamtheit aller Neuntklässler*innen in NRW ziehen lassen.

    Die Befragung fand im Rahmen des vom Europäischen Forschungsrat geförderten Projektes SOCIALBOND statt. SOCIALBOND soll dazu beitragen, die soziale Integration von Jugendlichen besser zu verstehen. Seit 2018 befragt SOCIALBOND jährlich Schüler*innen an weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen.

    Der Bericht steht auf der Website des Projektes SOCIALBOND zum Download zur Verfügung.

    Pressemitteilung der Universität zu Köln, 2.6.2021

  • Alkoholkonsum zu Beginn der COVID-19-Pandemie

    Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Dresden initiierten im März 2020 nach Ausbruch der Pandemie mit großem Engagement und ohne externe Fördermittel eine Forschungskollaboration mit mehr als 20 teilnehmenden europäischen Forschungsinstitutionen. Ziel der großangelegten Studie „European Survey on Alcohol Use and COVID-19“ war die Untersuchung des Alkoholkonsums während der Pandemie in 21 Ländern. Nun liegen die Studienergebnisse vor, die zeigen, dass der durchschnittliche Alkoholkonsum in allen Ländern mit Ausnahme von Irland und Großbritannien zurückging. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Addiction“ veröffentlicht.

    Die COVID-19-Pandemie hat unseren Alltag stark verändert, was sich auch im Konsum von Alkohol widerspiegelt. Das Alkohol-Konsumverhalten während dieser Zeit genauer und länderübergreifend zu untersuchen, war das erklärte Ziel von Prof. Jürgen Rehm, Dr. Jakob Manthey und M. Sc. Carolin Kilian vom Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Technischen Universität Dresden. Unmittelbar nachdem die Weltgesundheitsorganisation die Ausbreitung des Coronavirus im März 2020 zur globalen Pandemie erklärte, gründete sich das Projekt unter der Leitung von M. Sc. Carolin Kilian und in Zusammenarbeit mit dem Hospital Clinic Barcelona, Spanien. Zur Realisierung des Forschungsvorhabens etablierte sich rasch ein europäisches Forschungsnetzwerk, welches eine Bevölkerungsbefragung von Erwachsenen in mehr als 20 europäischen Ländern ermöglichte.

    Die Forschungskollaboration sammelte von Ende April bis Ende Juli 2020 Daten von fast 32.000 Alkoholkonsumierenden in Europa. Die Teilnehmenden wurden gefragt, ob sich (1) ihre Häufigkeit von Trinkanlässen, (2) die Menge des pro Anlass konsumierten Alkohols und (3) die Häufigkeit des Rauschtrinkens im letzten Monat verändert hatten. Sie berichteten auch über ihren Alkoholkonsum vor der Pandemie, über ihr monatliches Haushaltsnettoeinkommen vor der Pandemie und darüber, ob sie finanzielle Schwierigkeiten oder andere pandemiebedingte Notlagen erlebt hatten.

    Als Ergebnis wurde in fast allen Ländern im Durchschnitt ein Rückgang des Alkoholkonsums festgestellt. Die einzigen Ausnahmen waren Irland, wo sich Rückgang und Anstieg die Waage hielten, und das Vereinigte Königreich, wo ein Anstieg des mittleren Gesamtalkoholkonsums gemeldet wurde. Der größte Teil des Rückgangs wurde durch die Abnahme der Anzahl von Rauschtrinkepisoden verursacht. Projektleiterin Carolin Kilian fügt hinzu: „Dass in den ersten Monaten der Pandemie viele Trinkgelegenheiten weggefallen sind, hat wohl mit dazu beigetragen, dass viele Menschen in dieser Zeit weniger Alkohol getrunken haben.“

    Die Rolle von Pandemie-bedingtem Stress

    Einer von fünf Befragten berichtete über ein erhebliches oder hohes Maß an finanzieller Notlage im Zusammenhang mit der Pandemie, und mehr als die Hälfte berichteten über Sorgen und Nöte aufgrund von Veränderungen in ihrem täglichen Leben. Diejenigen, die von einer Notlage berichteten, hatten eine geringere Wahrscheinlichkeit, ihren Alkoholkonsum zu verringern, als diejenigen, die von keiner Notlage berichteten.

    Die Rolle des Einkommens

    Befragte mit hohem Einkommen meldeten die stärkste Verringerung des Alkoholkonsums; bei diesen Befragten schienen die Veränderungen des Alkoholkonsums jedoch von ihren Erfahrungen mit finanzieller Notlage abzuhängen: Befragte mit hohem Einkommen und ohne finanzielle Notlage waren die Gruppe, die am ehesten eine Verringerung ihres Alkoholkonsums meldete, während Befragte mit hohem Einkommen, die eine finanzielle Notlage erlebten, tendenziell eine weniger starke Abnahme des Konsums meldeten. Im Gegensatz dazu schienen die Veränderungen des Alkoholkonsums bei Befragten mit niedrigem Einkommen unabhängig von finanzieller Notlage zu sein.

    Ergebnisse pro Land

    Die Anzahl der Teilnehmenden pro Land schwankte zwischen 349 in Albanien und 15.686 in Norwegen. Wie bereits angedeutet, war der zusammenfassende Wert, der die durchschnittliche Veränderung des Alkoholkonsums ausdrückte, in allen Ländern außer zwei (Irland und Großbritannien) negativ, was auf einen gesunkenen Gesamtkonsum in allen anderen Ländern in diesem Stadium der Pandemie hindeutet. Die größten durchschnittlichen Rückgänge wurden in Albanien, Finnland, Griechenland, Italien, der Slowakei und Spanien festgestellt.

    Originalpublikation:
    Kilian C, Rehm J, Allebeck P, Braddick F, Gual A, Barták M, Bloomfield K, Gil A, Neufeld M, O’Donnell A, Petruzelka B, Rogalewicz V, Schulte B, Manthey J, and the European Study Group on Alcohol Use and COVID-19 (2021) Alcohol consumption during the COVID-19 pandemic in Europe: a large-scale cross-sectional study in 21 countries. Addiction 116: doi:10.1111/add.15530

    Pressestelle der Technischen Universität Dresden, 11.6.2021

  • Europäischer Drogenbericht 2021

    Am 9.6.2021 veröffentlichte die EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) ihren „Europäischen Drogenbericht 2021: Trends und Entwicklungen“, den aktuellsten jährlichen Überblick über die Drogensituation in Europa. Die Publikation ist in 24 Sprachen abrufbar unter www.emcdda.europa.eu/edr2021.

    Auf der Grundlage von Daten aus 29 Ländern (EU-27, Türkei und Norwegen) aus dem Jahr 2019 und, soweit verfügbar, aus dem Jahr 2020 bietet der Bericht neue Einblicke in die Auswirkungen eines komplexen Drogenproblems und eines Drogenmarktes, der gegen Störungen durch COVID-19 resistent ist. Der Bericht warnt vor den Risiken für die öffentliche Gesundheit, die durch die Verfügbarkeit und Verwendung einer breiteren Palette von Stoffen, welche oftmals von hoher Wirksamkeit oder Reinheit sind, entstehen.

    Außerdem wird beschrieben, wie organisierte kriminelle Gruppen die illegale Drogenproduktion in Europa verstärkt haben, wie sie agieren, um Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels zu umgehen, und welche Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsrisiken dadurch entstehen. Gestützt auf die letzte Trendspotter-Studie der EMCDDA werden in dem Bericht die aktuellen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Drogenmärkte, Drogenkonsum und Drogenhilfe untersucht.

    COVID-19: Auswirkungen auf das Drogenangebot und den Drogenkonsum

    Ein robuster und digital besser funktionierender Drogenmarkt

    Der aktuelle Bericht präsentiert die Ergebnisse der jüngsten Trendspotter-Studie der EMCDDA und veranschaulicht, wie sich der Drogenmarkt weiterhin an die COVID-19-Krise adaptiert, indem sich Drogenhändler an Reisebeschränkungen und Grenzschließungen anpassen. Auf der Großhandelsebene schlägt sich dies in einigen Änderungen bei den Schmuggelrouten und -methoden nieder, wobei der Schmuggel über intermodale Container und kommerzielle Lieferketten stärker in den Vordergrund rückt und weniger auf den Einsatz menschlicher Kuriere gesetzt wird. Der Cannabisanbau und die Herstellung synthetischer Drogen in der EU scheinen auf dem Niveau von vor der Pandemie stabil zu sein, wobei bei der Aushebung von Produktionsstätten kein Rückgang zu verzeichnen ist. Obwohl die Straßenmärkte für den Drogeneinzelhandel während der frühen Lockdowns gestört wurden und einige lokale Engpässe gemeldet wurden, haben sich Drogenverkäufer und -käufer angepasst, indem sie verstärkt auf verschlüsselte Nachrichtendienste, Social-Media-Apps, Online-Quellen sowie Post- und Lieferdienste zurückgreifen. Dies wirft die Frage auf, ob die weitere Digitalisierung der Drogenmärkte eine langfristige Auswirkung der Pandemie sein könnte.

     Vom „Night Life“ zum „Home Life

    Es gibt Hinweise darauf, dass in den frühen Lockdown-Phasen das Interesse der Verbraucher an Substanzen, die üblicherweise mit Freizeitveranstaltungen in Verbindung gebracht werden (z. B. MDMA), geringer war, da die Menschen zu Hause blieben. Die Analyse von Abwasserproben (die für einige europäische Städte verfügbar ist) legt jedoch nahe, dass sich der Konsum der meisten Drogen wieder erholt hat, nachdem die Beschränkungen für Reisen und gesellschaftliche Zusammenkünfte im Sommer 2020 gelockert wurden. Zu den besorgniserregenden Entwicklungen im Zusammenhang mit der Pandemie zählen Anzeichen für eine mögliche Zunahme der Verfügbarkeit und des Konsums von Crack in einigen Ländern.

    Benzodiazepine im Fokus

    Besondere Bedenken werden im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Benzodiazepinen geäußert, die entweder nicht für therapeutische Zwecke eingesetzt werden oder für medizinische Zwecke in Europa nicht zugelassen sind. Ein Anstieg des Konsums dieser Drogen ist bei Hochrisiko-Drogenkonsumierenden, Strafgefangenen und einigen Gruppen von Freizeitdrogen-Konsumierenden zu beobachten, was möglicherweise auf die hohe Verfügbarkeit und die niedrigen Kosten dieser Substanzen sowie auf pandemiebedingte psychische Gesundheitsprobleme zurückzuführen ist. Neben dem Drogenbericht veröffentlichte die EMCDDA zeitgleich eine Studie über die Risiken eines unkontrollierten Auftretens neuer Benzodiazepine auf dem Markt für neue psychoaktive Substanzen, die mit Vergiftungen und Todesfällen in Verbindung gebracht wurden.

    Europäischer Drogenbericht 2021: Wichtigste Ergebnisse

    Der Cannabiskonsum bleibt auf hohem Niveau stabil. Es wurde jedoch ein Anstieg des THC-Gehalts von Cannabisharz (durchschnittliche Spanne: 20%–28%) beobachtet. Warnungen vor Gesundheitsschädlichkeit betreffen Cannabis, das mit hochpotenten synthetischen Cannabinoiden gestreckt wurde. 2019 wurde eine Rekordmenge von 213 Tonnen Kokain beschlagnahmt (gegenüber 177 Tonnen im Jahr 2018). Die Reinheit des Kokains hat sich erhöht, und mehr Menschen begeben sich zum ersten Mal in Behandlung. Vorläufige Daten zu Sicherstellungen im Jahr 2020 legen nahe, dass die Verfügbarkeit während der Pandemie nicht zurückgegangen ist.

    Die stabile Amphetamin-Nachfrage macht die inländische Produktion in Verbrauchernähe profitabel. 2019 wurden in der EU Produktionsanlagen ausgehoben und auch chemische Stoffe zur Herstellung von Amphetamin sichergestellt, darunter 14.500 Liter BMK und 31 Tonnen MAPA (gegenüber sieben Tonnen im Jahr 2018). Die Herstellung und der Handel mit Methamphetamin weisen auf das Potenzial für einen vermehrten Konsum in Europa hin. Sowohl große als auch kleinere Produktionsstätten wurden in Europa entdeckt. Große Mengen der Droge wurden über die EU auf andere Märkte umverteilt. Neben dem Anstieg des durchschnittlichen MDMA-Gehalts in Tabletten und des Reinheitsgrads von Pulvern wurden auch Produkte mit sehr hohem MDMA-Gehalt gefunden. Vorläufige Daten aus dem Jahr 2020 deuten darauf hin, dass das Interesse an dieser Droge in Zeiten des Lockdowns zurückgegangen ist.

    Schädliche potente neue psychoaktive Substanzen treten nach wie vor auf, darunter sind auch neue synthetische Cannabinoide und neue synthetische Opioide. Im Jahr 2020 wurden in Europa insgesamt 46 neue psychoaktive Substanzen (NPS) erstmals gemeldet, womit sich die von der EMCDDA überwachte Gesamtzahl auf 830 erhöhte. Für Halluzinogene, Ketamin und GHB wurden für manche Settings intensive Konsummuster gemeldet. Nach wie vor werden große Mengen Heroin in der EU sichergestellt (7,9 Tonnen im Jahr 2019). Dies gibt Anlass zur Sorge hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf die Konsumraten.

    Organisierte kriminelle Gruppen intensivieren die illegale Drogenproduktion in Europa. 2019 wurden insgesamt 370 illegale Labore ausgehoben. Drogendelikte nehmen zu, wobei der Besitz und das Angebot von Cannabis überwiegen. 2019 wurden in der EU schätzungsweise 1,5 Millionen Drogendelikte gemeldet; 82 % davon standen im Zusammenhang mit dem Konsum oder Besitz für den Eigengebrauch. Konsumierende, die zum ersten Mal Heroin konsumiert haben, injizieren nach wie vor weniger.

    Obwohl der injizierende Drogenkonsum in den letzten zehn Jahren in Europa zurückgegangen ist, ist er nach wie vor eine der Hauptursachen für drogenbedingte Schädigungen. Ein verbesserter Zugang zu integrierten Test- und Behandlungsmaßnahmen ist ein wichtiger Faktor für das Erreichen der Entwicklungsziele der UN für HIV und HCV. Durch Opioide und andere Drogen bedingte Todesfälle durch Überdosierung machen deutlich, dass Maßnahmen gegen Drogentodesfälle entwickelt bzw. umgesetzt werden müssen. 

    Interessierte, die tiefer in die europäischen Daten einsteigen möchten, können sich im neu erschienenen Statistischen Bulletin informieren.

    Die Situation speziell für Deutschland wird ausführlich in den Workbooks des aktuellen deutschen Berichts zur Drogensituation (REITOX-Bericht der DBDD) dargestellt (KONTUREN online berichtete am 28.12.2020).

     Pressemitteilung der EU-Drogenbeobachtungsstelle in Lissabon (EMCDDA), 9.6.2021

  • Deutschland-Index der Digitalisierung 2021

    Das Kompetenzzentrum Öffentliche Informationstechnologie (ÖFIT) am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS untersucht seit 2017 im zweijährlich erscheinenden Deutschland-Index der Digitalisierung die Frage: „Wie digital ist Deutschland? Wie steht es aktuell um die Digitalisierung in Deutschland auf Ebene der Bundesländer?“ Am 6. Mai 2021 ist der Deutschland-Index der Digitalisierung zum dritten Mal erschienen.

    Durch die Analyse einer Vielzahl von Indikatoren machen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von ÖFIT die Entwicklung der Digitalisierung begreifbar und zeigen dabei regionale Aspekte in den 16 Ländern auf. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf dem Stand der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) in den Kommunen. Aus diesem Grund wurde die regelmäßige Erhebung des Angebots von gut 300 ausgewählten kommunalen Webportalen um zusätzliche Aspekte erweitert. Eine regional repräsentative Bevölkerungsumfrage mit mehr als 5.500 Befragten ergänzt die Erhebung. Sie bildet neben der Angebots- nun auch die Nachfrageseite digitaler Angebote länderspezifisch ab. So zeigt sich im Index ein Gesamtbild der Nachfrage nach digitalen Verwaltungsleistungen und der kommunalen Angebote.

    Dr. Markus Richter, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik: „Ich freue mich, dass immer mehr Menschen die digitale Verwaltung nutzen und die Angebote gut bewerten. Das Potenzial ist aber noch viel größer. Unser gemeinsames Ziel ist, dass die Menschen in allen 11.000 Kommunen in Deutschland einen vollwertigen Zugang zur digitalen Verwaltungswelt bekommen. Daran arbeiten wir im Bund gemeinsam mit den Ländern und Kommunen auf Hochtouren.“

    Digitalisierung in Deutschland – das Zeitfenster nutzen

    Darstellung und Analyse im Deutschland-Index der Digitalisierung orientieren sich eng am bewährten Vorgehen: Ein hoher Indexwert steht für eine weit fortgeschrittene Digitalisierung in den untersuchten fünf Themenfeldern: (1) Infrastruktur, (2) Nutzung digitaler Möglichkeiten im Alltag, (3) Wirtschaft und Forschung, (4) Bürgerservices und (5) digitale Kommunen. Der Index ist nicht als Benchmark gedacht, sondern soll bei der Analyse unterstützen, regionale Stärken und Schwächen zu identifizieren und Handlungsbedarfe aufzuzeigen. So eröffnet diese Betrachtungsweise neue Perspektiven auf die Digitalisierung und ihre erleb- und gestaltbaren Elemente.

    Prof. Dr. Peter Parycek, Leiter des Kompetenzzentrums ÖFIT, betont: „Der Deutschland-Index der Digitalisierung erreicht 2021 einen Wert von 70,2 Punkten und fällt damit höher aus als 2019 mit 68,3 Punkten. Damit setzt sich auch jenseits kurzfristiger Corona-Effekte der langfristige Trend fort, der schon zwischen 2017 und 2019 zu beobachten war: Deutschland wird immer digitaler.“ Das Zeitfenster für die Ausweitung des digitalen Verwaltungsangebots ist günstig. In den Indexwerten zeigt sich: Eine digital affine Bevölkerung weiß digitale Services sehr zu schätzen.

    Der Deutschland-Index der Digitalisierung steht auf der Webseite des Kompetenzzentrums Öffentliche IT, https://www.oeffentliche-it.de/digitalindex, zum Download zur Verfügung. Zusätzlich ist der Index über ein interaktives Onlinewerkzeug intuitiv erlebbar. Die Index-Werte lassen sich online mit den Indizes der Vorjahre vergleichen.

    Das Kompetenzzentrum ÖFIT versteht sich als Ansprechpartner und Denkfabrik für Fragen der öffentlichen IT und untersucht staatliche Gestaltungs- und Regulierungsanforderungen zur Digitalisierung im öffentlichen Raum. Es wird vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gefördert.

    Pressestelle des FOKUS – Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme, 6.5.2021