Kategorie: Kurzmeldungen

  • Frauen fehlt Charisma

    Frauenstimmen werden in Video-Konferenzen als weniger ausdrucksstark, kompetent und charismatisch wahrgenommen als Stimmen von Männern. Das haben Studien von Juniorprofessor Dr.-Ing. Ingo Siegert vom Institut für Informations- und Kommunikationstechnik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg gezeigt.

    Mit seinem Kollegen Prof. Dr. Oliver Niebuhr von der Universität Sønderborg, Dänemark, untersuchte der Ingenieur die Übertragungswege so genannter Remote-Meetings und die Wirkung der damit einhergehenden Kompression der Sprache auf das akustische Charisma von Sprecherinnen und Sprechern. Tools wie Zoom, Skype oder Teams übertragen nicht alle Anteile der Sprache und dünnen Frequenzen aufgrund des hohen Datenvolumens. Das Ergebnis zeigte, dass dabei Männer- und Frauenstimmen nicht gleichbehandelt werden.

    „Grundsätzlich schränken digitale Meetings, wie sie aktuell für viele zum Berufsalltag gehören, die Reichweite und den Reichtum der nonverbalen Kommunikationssignale stark ein, sowohl bei Männern als auch bei Frauen“, erläutert Juniorprofessor Ingo Siegert. „Grund dafür ist die starke Kompression der zu übertragenden Sprachsignale, um einen zuverlässigen Service mit stabilen Videokonferenzverbindungen zu bieten.“

    Um den Einfluss dieser Kompression auf die Stimmqualität zu untersuchen, ließen die Wissenschaftler in einer ersten Studie Testhörerinnen und -hörer Audiobeispiele von trainierten Sprecherinnen und Sprechern auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten. Im Ergebnis schnitten bei den über Remote-Meetings aufgenommenen Stimmen die Frauenstimmen in der Bewertung signifikant schlechter ab. Anschließend nutzten die Ingenieure zur Analyse der gleichen Aufnahmen messbare akustische Marker wie Stimmhöhe, Stimmumfang oder Klangtiefe. Das Fazit: Den Frauenstimmen fehlten im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen wesentliche emotionale Komponenten, jene Eigenschaften der Stimme, die für den charismatischen Ausdruck relevant sind.

    „Bisher wird in der Audioverarbeitung mit vorher festgelegen Frequenzbereichen gearbeitet, die den stimmlichen Unterschieden der Geschlechter – vor allem der höheren Stimme von Frauen – nicht immer Rechnung tragen“, fasst Ingo Siegert zusammen. „Wir haben mit dem neuen Wissen nun die Chance nachzusteuern, da wir jetzt konkret den Effekt zeigen und messen konnten.“

    Künftig sollte bei der Entwicklung der Codes für digitale Meeting-Tools nicht nur auf die reine Sprachqualität, auf Verständlichkeit und Unterdrückung von Hintergrundgeräuschen geachtet werden, sondern auch verstärkt auf die Übertragung von Merkmalen wie Ausdrucksstärke oder Emotionalität, so Siegert weiter. Dazu hätten die aktuellen Arbeiten einen Grundstein gelegt, weil sie aufzeigten, welche Charisma-Marker durch die Kompression beeinflusst würden. Der nächste Schritt sei nun, diese Veränderung als Optimierungskriterium in der Entwicklung neuer Kompressionsmethoden zu berücksichtigen.

    „Gute Kompressionsmethoden sollten künftig nicht nur stabile Verbindungen sicherstellen, sondern in einer Zeit, in der Verkauf, Kundenakquise, Unternehmensführung und auch politische Agenden über digitale Kommunikationsmittel abgewickelt werden, sowohl eine gute visuelle als auch akustische Qualität gewährleisten, die auch widerspiegelt, wie etwas gesagt wird.“ Die Wirkung unserer Stimme sei immens wichtig, wenn es darum geht, überzeugend zu sein und Präsenz zu zeigen, so Siegert weiter, „insbesondere, weil Video-Konferenzen oft unter suboptimalen Licht-, Haltungs- und Blickverhältnissen stattfinden.“

    Originalpublikation:
    Case Report: Women, Be Aware that Your Vocal Charisma can Dwindle in Remote Meetings (2021): https://doi.org/10.3389/fcomm.2020.611555
    Speech Signal Compression Deteriorates Acoustic Cues to Perceived Speaker Charisma (2021): http://www.essv.de/essv2021/pdfs/06_siegert_v2.pdf

    Pressestelle der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, 6.4.2021

  • Langeweile, Frust, Ängste?

    Die Corona-Krise hat sich auf den Alkohol- und vor allem den Tabakgebrauch Jugendlicher und junger Erwachsener stärker ausgewirkt als auf den Konsum bei älteren Menschen. Das zeigt ein Generationenvergleich aus einer forsa-Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännische Krankenkasse. Demnach trinkt jeder achte 16- bis 29-Jährige seit der Pandemie mehr Alkohol, unter den 50- bis 69-Jährigen hingegen jeder Zehnte. Mit Blick auf den Tabakkonsum klafft die Schere noch sehr viel weiter auseinander: Jeder Dritte unter den jüngeren Rauchern gibt an, seit Corona häufiger zur Zigarette zu greifen. Unter den Älteren sagt dies hingegen nur jeder Vierzehnte.

    Die Befragung zeigt also, dass Jugendliche und junge Erwachsene seit Corona zunehmend regelmäßiger Alkohol konsumieren und vor allem mehr rauchen, wohingegen die Generation 50 plus dies bereits vorher schon getan hat. Dies belegen auch weitere Ergebnisse: Demnach geben 30 Prozent der 16- bis 29-Jährigen an, vor der Krise nur zu besonderen Anlässen wie zum Beispiel bei Partys getrunken zu haben. Nur zwölf Prozent sprechen hingegen von mehreren Tagen in der Woche. „Da besondere Gelegenheiten seit Corona fehlen, greifen junge Menschen nun häufiger zu Bier, Sekt und Co. – offenbar auch aus Langeweile, Frust und Perspektivlosigkeit“, sagt KKH-Suchtexperte Michael Falkenstein. Unter den 50- bis 69-Jährigen genehmigte sich hingegen bereits vor der Pandemie jeder Dritte mehrmals wöchentlich Alkohol. Deutlich weniger Personen dieser Altersgruppe taten dies nur zu besonderen Gelegenheiten. Das bedeutet, dass diese Generation ihr Konsumverhalten seit der Pandemie offenbar kaum verändert hat. Auch unter den Rauchern zeigt der Generationenvergleich, dass vor der Pandemie deutlich mehr Ältere bereits regemäßig zum Glimmstängel griffen (23 Prozent) als Jüngere (sechs Prozent).

    „Dass vor allem junge Menschen seit der Pandemie mehr trinken und vor allem rauchen, ist besorgniserregend“, sagt Michael Falkenstein. „Denn die große Gefahr ist, dass aus dem vermehrten Konsum während einer schweren Phase wie jetzt in der Corona-Krise eine Gewohnheit wird und dadurch das Risiko für eine Abhängigkeit entsteht.“ Ein Rückschritt also, denn innerhalb der vergangenen zehn Jahre vor der Pandemie war die Zahl der Diagnosen mit Blick auf Alkohol- und Tabakmissbrauch gerade bei den 15- bis 19-jährigen KKH-Versicherten gesunken: um 10 beziehungsweise um knapp 15 Prozent.

    Entscheidend sei, nicht den Konsum selbst, sondern die Ursachen dafür zu bekämpfen, etwa psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen, die sich in einer Krisensituation noch einmal mal verstärken können, betont Falkenstein. „Die Krise trifft viele junge Menschen in einer Schlüsselphase ihres Lebens – zwischen Schulabschluss und Ausbildung, zwischen Reisezeit und Studium, zwischen Studienabschluss und erstem Job, auf den ersten Stufen der beruflichen Karriereleiter.“

    Die KKH bietet diverse Hilfen zum Thema Sucht und Suchtprävention an.
    KKH-Broschüre zum Thema Sucht

    Das Marktforschungsinstitut forsa hat im Auftrag der KKH 1.005 Personen im Alter von 16 bis 69 Jahren 2020 online repräsentativ befragt. Die KKH Kaufmännische Krankenkasse ist eine der größten bundesweiten gesetzlichen Krankenkassen mit mehr als 1,6 Millionen Versicherten.

    Pressestelle der KKH Kaufmännische Krankenkasse, 7.4.2021

  • Weiterbildung Suchttherapie

    Campus der Frankfurt UAS. Foto©Kevin Rupp| Frankfurt UAS

    Der Master-Studiengang „Suchttherapie und Sozialmanagement in der Suchthilfe“ an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) ist berufsbegleitend und anwendungsorientiert und führt zu einer doppelten Qualifikation. Die Absolvent*innen des Studiengangs erhalten neben einem Master-Abschluss auch ein von der Deutschen Rentenversicherung Bund anerkanntes Zertifikat als Suchttherapeut*in (psychoanalytisch oder verhaltenstherapeutisch). Die Frankfurt UAS kooperiert dazu mit dem Gesamtverband für Suchthilfe e.V. (GVS) – Fachverband der Diakonie Deutschland, einem erfahrenen Anbieter für außerhochschulische Weiterbildungen zur Suchttherapeut*in.

    Durch Lehrpersonal aus Wissenschaft und Praxis sowie die parallele Be­rufstätigkeit der Teilnehmenden während des Studiums gewährleistet der Master-Studiengang einen hohen praktischen Anwendungsbezug und verfolgt dabei drei Qualifikationsziele:

    1. Die Studierenden werden zu Suchttherapeut*innen ausgebildet, so dass sie eigenständig verantwortungsvolle suchttherapeutische Tätigkeiten in unterschiedlichen Settings der Suchthilfe, insbesondere der medizinischen Rehabilitation, ausführen können.
    2. Des Weiteren werden sie ausgebildet, Leitungs- und Führungsaufgaben zu übernehmen. Sie lernen, ein angemessenes Team- und Führungsverhalten zu gestalten und zu reflektieren.
    3. Schließlich werden wissenschaftliche Kompetenzen aus der Suchtforschung vermittelt und die Studierenden zur eigenständigen Entwicklung, Durchführung und Ergebnispräsentation von Forschungsvorhaben befähigt. Die Methodenkenntnisse bereiten zugleich auf eine an den Master anschließende Promotion vor, für deren Umsetzung an der Frankfurt UAS Strukturen vorhanden sind.

    Interessierte können an Online-Infoabenden an folgenden Terminen, jeweils zwischen 17:30 und 18:30 Uhr, teilnehmen: 18.05.2021 / 15.06.2021 / 07.07.2021 / 29.07.2021 / 06.08.2021 / 26.08.2021

    Die Teilnahme ist über folgenden Link möglich: Informationstermin SuMa (kompetenzcampus.de)

    Zusätzliche Veranstaltung:
    31.05.2021, 17:00-18:00 Uhr: „Ask me anything“ mit einer eingeschriebenen Studentin, Anmeldung über sarah.maier@kompetenzcampus.fra-uas.de

    Details zum Studiengang und zu den Zulassungsvoraussetzungen unter: Suchttherapie und Sozialmanagement in der Suchthilfe (kompetenzcampus.de)

    Master-Studiengang Suchttherapie und Sozialmanagement in der Suchthilfe (M.A.)
    Studienbeginn: neuer Jahrgang ab Wintersemester 2021/22
    Bewerbungsfrist: 31.08.2021
    Regelstudienzeit: 6 Semester, berufsbegleitend

    Kontakt:
    Prof. Dr. Heino Stöver, Studiengangsleiter
    Telefon: 069/15 33-28 23
    E-Mail: hstoever@fb4.fra-uas.de

    Sarah Maier, Referentin für Studiengangsmanagement
    Telefon: 069/15 33-26 66
    E-Mail: sarah.maier@kompetenzcampus.fra-uas.de
    https://www.kompetenzcampus.de/

    Sarah Maier, Frankfurt UAS, KompetenzCampus, 20.4.2021

  • DHS Jahrbuch Sucht 2021 erschienen

    Das Mitte April veröffentlichte DHS Jahrbuch Sucht 2021 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS) fasst die neuesten Zahlen, Daten und Fakten zu legalen und illegalen Suchtstoffen sowie zum Thema Glücksspiel zusammen und informiert über die Suchthilfe in Deutschland.

    Alkohol

    Im internationalen Vergleich zählt Deutschland beim Alkohol nach wie vor zu den Hochkonsumländern, mit entsprechend hohen gesundheitlichen Folgen in der Bevölkerung. „Es besteht ein dringender Handlungsbedarf, den nationalen Alkoholkonsum zu reduzieren“, betont DHS Experte Dr. Peter Raiser. „Während der Corona-Pandemie gibt es Hinweise auf veränderten Alkoholkonsum. In Zeiten von Kontaktbeschränkungen wird Zuhause mehr getrunken. Bislang liegen jedoch kaum belastbare Studien zu diesem Thema vor. Der Forschungsbedarf zu den Auswirkungen der Pandemie auf das Suchtverhalten ist groß.“

    Die Entwicklung des Pro-Kopf-Konsums für die zurückliegenden Jahre nennt das neue DHS Jahrbuch Sucht: 10,7 Liter Reinalkohol konsumierte jede und jeder Deutsche im Alter ab 15 Jahren im Jahr 2018. Damit stieg der Konsum im Vergleich zum Vorjahr wieder. Zuvor war er von 14,4 Litern Reinalkohol im Jahr 1970 auf 10,5 Liter im Jahr 2017 gesunken. Zwischen 2010 und 2018 stagnierte der Alkoholkonsum weitgehend auf vergleichsweise hohem Niveau. Gerade der Vergleich mit europäischen Nachbarn zeigt, dass die Deutschen mit ihrem Alkoholkonsum weit vorne liegen. In Deutschland sind Hochrechnungen zufolge rund 1,6 Millionen Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren alkoholabhängig. Etwa 1,4 Millionen Menschen konsumieren Alkohol missbräuchlich, d. h., sie trinken große Mengen oder zeigen unter Alkoholeinfluss riskantes Verhalten.

    Tabak

    Der Anteil der Raucherinnen und Raucher ist in Deutschland seit einigen Jahren rückläufig. Im Jahr 2017 rauchten 26 Prozent der Männer und 19 Prozent der Frauen (ab 15 Jahre und älter). Bei Jugendlichen zeichnet sich seit rund 15 Jahren ein Trend zum Nichtrauchen ab. Dennoch ist das Rauchen in den Industrienationen das bedeutendste einzelne Gesundheitsrisiko und die führende Ursache vorzeitiger Sterblichkeit. Rund 127.000 Menschen starben im Jahr 2018 allein in Deutschland an den Folgen des Rauchens. Das waren 13,3 Prozent aller Todesfälle.

    Deutlich gestiegen ist im Jahr 2020 der Verbrauch von Feinschnitt: Er lag bei 26.328 Tonnen (plus 10,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Das entspricht etwa 39,5 Mrd. selbstgedrehten Zigaretten. Möglicherweise ist dies auf die besonderen Handelsbedingungen und Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zurückzuführen: Da viele Urlaubsreisen in Nachbarländer pandemiebedingt ausfielen, suchte ein Teil der Raucherinnen und Raucher nach Alternativen zu den preisgünstigeren Zigaretten im Ausland und griff wohl vermehrt zum Feinschnitt, um selbst Zigaretten zu drehen, so die Einschätzung im DHS Jahrbuch Sucht 2021.

    Der Konsum von (Wasser-)Pfeifentabak schnellte im Jahr 2020 gegenüber 2019 um 44,3 Prozent auf 5.989 Tonnen in die Höhe. „Dies dürfte insbesondere auf die seit einigen Jahren anhaltende Beliebtheit des speziellen Wasserpfeifentabaks zurückzuführen sein, der vor allem von Jugendlichen und jungen Erwachsenen Zuhause oder in so genannten Shisha-Bars geraucht wird“, berichten die Expertinnen und Experten. Auch der Verbrauch von Zigarren/Zigarillos stieg 2020 gegenüber dem Vorjahr um 3,7 Prozent auf 2,7 Mrd. Stück.

    Dahingegen ist der Konsum von Fertigzigaretten seit Beginn der 2000er Jahre nach und nach gesunken. 73,8 Mrd. Fertigzigaretten verbrauchten die Deutschen im Jahr 2020. Dies entspricht einem Rückgang von 1,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Pro-Kopf-Verbrauch betrug 888 Zigaretten.

    Rund 28,8 Mrd. Euro (plus 5,0 Prozent) gaben Konsumierende im Jahr 2020 für Tabakwaren aus. Die Nettoeinnahmen aus der Tabaksteuer stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 2,7 Prozent auf 14,6 Mrd. Euro.

    Missbrauch und Abhängigkeit von Medikamenten

    Schätzungen zufolge sind etwa 1,5 bis 1,9 Millionen Menschen in Deutschland medikamentenabhängig, insbesondere von Schlaf- und Beruhigungsmitteln (Benzodiazepine und Z-Substanzen) sowie von opioidhaltigen Schmerzmitteln. Betroffen sind vor allem ältere Frauen, weil sie häufig über einen langen Zeitraum Psychopharmaka verschrieben bekommen.

    Der Missbrauch und die Abhängigkeit von Medikamenten erhöhen sich weiter, wie Studien zeigen. Vor allem die missbräuchlich häufige oder unnötig hoch dosierte Anwendung, teils auch die Gewöhnung an nicht-opioidhaltige Schmerzmittel, ist bei hochgerechnet 1,6 Millionen bis 3,9 Millionen der 18- bis 64-Jährigen in Deutschland zu beobachten.

    Illegale Drogen

    Rund 15,2 Millionen Erwachsene im Alter von 18 bis 64 Jahren und etwa 481.000 Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren haben aktuellen Schätzungen zufolge zumindest einmal in ihrem Leben eine illegale Droge konsumiert.

    Cannabis nimmt sowohl bei den Erwachsenen als auch bei den Jugendlichen die prominenteste Rolle ein: 368.000 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren haben in den letzten zwölf Monaten Cannabis konsumiert. Bei den 18- bis 64-jährigen Erwachsenen waren es ca. 3,7 Millionen. Nach Hochrechnungen des Epidemiologischen Suchtsurveys aus dem Jahr 2018 sind 309.000 Personen in Deutschland abhängig von Cannabis. Eine Kokainabhängigkeit liegt bei 41.000 und eine Amphetamin-Abhängigkeit bei 103.000 Personen vor.

    1.581 drogenbedingte Todesfälle wurden im Jahr 2020 in Deutschland registriert (2019: 1.398 Drogentote).

    Hilfe bei Suchtproblemen: DHS Suchthilfeverzeichnis

    Hilfe bei Suchtproblemen finden Betroffene und ihre Angehörigen, Fachleute und Interessierte im DHS Suchthilfeverzeichnis unter: www.suchthilfeverzeichnis.de. Mit verbesserten Suchfunktionen bietet das Serviceangebot nach einer grundlegenden Überarbeitung jetzt umfassende Informationen zu über 1.600 Einrichtungen der ambulanten und stationären Suchthilfe in Deutschland.

    Das Jahrbuch Sucht 2021 ist im Verlag Pabst Science Publishers erschienen.

    Pressestelle der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 14.4.2021

  • buss wählt neuen Vorstand

    Seit 12. April 2021 hat der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V (buss) einen neuen Vorstand. Im Amt bestätigt wurden die Vorsitzende, Dr. Wibke Voigt, der stellvertretende Vorsitzende Gotthard Lehner und die Vorstandsmitglieder Hans Joachim Abstein, Dr. Darius Chahmoradi Tabatabai, Thomas Hempel und Petra Sarstedt-Hülsmann. Ulrike Dickenhorst, seit 2017 Mitglied im buss-Vorstand, wurde neben Herrn Lehner als weitere stellvertretende Vorsitzende gewählt. Die Vorstandsmitglieder Olaf Szakinnis und Dr. Bernd Wessel kandidierten dieses Jahr nicht mehr. Neu in den Vorstand gewählt wurden dafür Dr. Clemens Veltrup und Sebastian Winkelnkemper.

    Dr. Clemens Veltrup

    Dr. phil. Clemens Veltrup, Diplom-Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut, ist Leitender Therapeut der Fachklinik Freudenholm-Ruhleben, Schellhorn, und Geschäftsbereichsleiter „Suchthilfe“ im Landesverein für Innere Mission in Schleswig-Holstein. Dr. Veltrup ist schon seit vielen Jahren in der Vorbereitungsgruppe für die Jahrestagung/Gemeinsamer Suchtkongress und als Referent in Arbeitsgruppen und Fortbildungen im Verband aktiv.

    Sebastian Winkelnkemper

    Sebastian Winkelnkemper, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, ist Chefarzt der Schwarzbachklinik Ratingen, Deutscher Orden Ordenswerke, und aktives Mitglied im Qualitätszirkel Drogentherapie.

    Die Vorstandswahl fand turnusgemäß im Zuge der Mitgliederversammlung am 12. April 2021 statt. Aufgrund der Corona-Pandemie griff der buss auf das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht – Artikel 2 Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ zurück und führte die Vorstandswahl im Vorfeld der Online-Mitgliederversammlung als Briefwahl im Umlaufverfahren durch. In der Mitgliederversammlung wurde das Ergebnis vom Wahlleiter, Hartmut Severing, vorgetragen.

    Dr. Wibke Voigt bedankte sich herzlich bei den ausscheidenden Vorstandsmitgliedern Olaf Szakinnis und Dr. Bernd Wessel für ihre langjährige engagierte Mitarbeit im Vorstand und begrüßte die neuen Vorstandskollegen Dr. Clemens Veltrup und Sebastian Winkelnkemper. Der Vorstand freut sich auf die Zusammenarbeit in neuer Zusammensetzung und die gemeinsam mit den Mitgliedern zu gestaltenden Themen und Aufgaben in der Wahlperiode bis 2025.

    Es war die erste Mitgliederversammlung, die der buss mit der neuen Geschäftsführerin Corinna Mäder-Linke durchführte. Ihre ersten 100 Tage im neuen Amt sind bereits sehr erfolgreich verlaufen. Der Verband freut sich auf die weitere Zusammenarbeit!

    Für den buss-Vorstand 2021–2025 sind satzungsgemäß gewählt:

    • Dr. Wibke Voigt als Vorsitzende
    • Gotthard Lehner als stellvertretender Vorsitzender
    • Ulrike Dickenhorst als stellvertretende Vorsitzende
    • Hans-Joachim Abstein als Vorstandsmitglied
    • Dr. Darius Chahmoradi Tabatabai als Vorstandsmitglied
    • Thomas Hempel als Vorstandsmitglied
    • Petra Sarstedt-Hülsmann als Vorstandsmitglied
    • Dr. Clemens Veltrup als Vorstandsmitglied
    • Sebastian Winkelnkemper als Vorstandsmitglied

    Simone Schwarzer/Redaktion KONTUREN online, 15.4.2021

  • Wolfram-Keup-Förderpreis 2022

    Der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss) vergibt zum siebten Mal den „Wolfram-Keup-Förderpreis“ für die beste wissenschaftliche oder praxisorientierte Arbeit auf dem Gebiet der Entstehung und Behandlung von Substanzmissbrauch, Substanzabhängigkeit oder Verhaltenssucht.

    Aus dem Nachlass des Projektes „Frühwarnsystem zur Erfassung von Veränderungen der Missbrauchsmuster chemischer Substanzen in der Bundesrepublik Deutschland“, das Professor Wolfram Keup initiiert und bis zu seinem Tod am 4. Januar 2007 geleitet hat, wird zur Erinnerung an den Stifter alle zwei Jahre der „Wolfram-Keup-Förderpreis“ öffentlich ausgeschrieben und vergeben.

    Alle Personen und Institutionen, die sich in der wissenschaftlichen Forschung oder der therapeutischen Behandlungspraxis mit dem Thema Sucht beschäftigen, sind aufgefordert, sich mit eigenen Untersuchungen oder Projekten um den Wolfram-Keup-Förderpreis 2022 zu bewerben. Die vorgelegten Arbeiten müssen sich mit der Entstehung oder der Behandlung von Substanzmissbrauch, Substanzabhängigkeit oder Verhaltenssucht beschäftigen. Dabei kann es sich um wissenschaftliche Studien handeln, aber auch um die Realisierung von Präventionsmaßnahmen oder die Erprobung von Behandlungskonzepten. Der Förderpreis ist mit einem Preisgeld von 2.000 € ausgestattet.

    Einsendeschluss ist der 31. Oktober 2021. Die Preisverleihung erfolgt im Rahmen der zentralen Fachveranstaltung des buss im Frühsommer 2022, deren finale Planung derzeit noch aussteht.

    Weitere Details finden Sie in den Ausschreibungsunterlagen auf www.suchthilfe.de. 

    Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss), 14.4.2021

  • Essstörungen und soziale Medien

    Kommentar aus der Praxis

    Soziale Medien sind mittlerweile fester Bestandteil der Lebenswelten vieler Menschen. Jugendliche und junge Erwachsene nutzen sie täglich, für junge Menschen sind die sozialen Netzwerke ständiger Begleiter. Maya Götz vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) zeigt in ihren Studien eindrücklich, welch große Bedeutung in diesem Zusammenhang Influencer_innen bekommen haben. Sie sind längst Vorbilder für junge Menschen geworden, die Körper- und Schönheitsideale sowie Lebensentwürfe beeinflussen (vgl. Götz, Wunderer et al. 2019; Götz 2019).

    Die Pubertät als verletzliche Phase bringt Turbulenzen und wichtige Entwicklungen mit sich. Sozialarbeiter_innen, die mit Jugendlichen arbeiten – egal in welchem Kontext –, müssen sich mit dem Online-Nutzungsverhalten der Jugendlichen beschäftigen. Dabei geht es nicht darum, in ihre Lebenswelten einzudringen, sondern Ziel ist, einen Überblick über relevante Themen zu bekommen, die sie beschäftigen, um wiederum als informierte Gesprächspartner_innen zur Verfügung stehen zu können.

    Aus unserer Präventions- und Beratungsarbeit mit jungen Menschen mit Essstörungen bei „sMUTje“ in Hamburg wissen wir, dass  es diesen Zugang braucht, um proaktiv Themenbereiche anzusprechen, die Jugendlichen unangenehm sind oder über die sie mit Eltern oder anderen Bezugsperson nicht reden möchten oder können. In der Arbeit geht es darum, eine tragfähige Beziehung aufzubauen, in der die Jugendlichen sich uns mit ihren Nöten und Ängsten anvertrauen können. Dazu gehört auch, dass wir nicht nur die Symptomatik kennen, sondern auch Einblick in ihre Lebenswelt bekommen. Für viele Klient_innen spielen soziale Medien eine  große Rolle, von der sie erst dann erzählen, wenn wir aktiv danach fragen.

    Soziale Medien und Essstörungen

    Götz zeigt, dass Essstörungen durch Influencer_innen gefördert werden können. Menschen mit Essstörungen bewerten ihre Körper meist kritisch, sind häufig perfektionistisch, verbunden mit einem meist niedrigen Selbstwertgefühl. Dies erklärt ihre starke Orientierung an der Bewertung von anderen. Der deutliche Einfluss von Influencer_innen auf Ideale, Körperbilder, Trainings- und Ernährungsverhalten wurde von Götz nachgewiesen (vgl. Götz, Wunderer et al. 2019).

    Gleichzeitig können soziale Medien auch genutzt werden, um den Weg der Gesundung zu unterstützen: wenn Betroffene sich gegenseitig stärken, sich für „Body Positivity“-Beiträge interessieren oder beispielsweise Recovery Accounts nutzen (vgl. Götz, Wunderer et al. 2019).

    Datenschutz

    Als professionelle Helfer_innen stehen wir in der Verantwortung, die Medienkompetenz zu stärken und Jugendliche zu ermutigen, sich mit Geschlechterrollen, Körperbildern und Idealen kritisch auseinanderzusetzen. Leider verhindern es momentan Vorgaben zur Wahrung des Datenschutzes, dass wir in unserer täglichen Arbeit soziale Medien nutzen. Dabei geht es nicht nur darum, etwas aktiv zu posten. Selbst das Verfolgen und Teilen von Beitragen ist derzeit unmöglich.

    Unstrittig ist, dass Datenschutz oberste Priorität in unserer Arbeit hat. Nur so können wir einen geschützten professionellen Rahmen bieten. Nichtsdestotrotz darf es nicht sein, dass sich das Arbeitsfeld Prävention aus Datenschutzgründen dem Thema Soziale Medien verschließt und Sozialarbeiter_innen ihr Wissen alleine aus ihrem privaten Umfeld beziehen. Dann würden wir Jugendliche mit ihren Erfahrungen alleine lassen und in dieser sich schnell entwickelnden Welt den Anschluss verlieren – und damit auch den Zugang zu den Jugendlichen. Sind wir keine informierten Gesprächspartner_innen mehr, weil wir einen wichtigen Teil der Lebenswelt der Jugendlichen nicht mehr verstehen, vergeben wir Chancen für eine vertrauensvolle Beziehung und die Potenziale, die sich daraus ergeben.

    Wir sind aufgefordert, aktiv nach Möglichkeiten zu suchen, uns dem Bereich der Online-Beratung und den sozialen Medien zuzuwenden und dabei den Datenschutz zu wahren. Nur wenn wir uns fortbilden und entsprechende Tools anbieten, können wir die Kompetenzen von Jugendlichen stärken und ein authentisches Gegenüber sein.

    Erkenntnisse aus der Wissenschaft 

    Influencer_innen fördern unrealistische Körperwahrnehmung und Essstörungen

    Social Media Aktivität alleine begründet keine Essstörung. Viele Jugendliche erkranken nicht. Essstörungen entstehen durch das Zusammenspiel verschiedener bio-psycho-sozialer Faktoren. Die Erkrankung stellt einen Lösungsversuch dar und ist Ausdruck tieferliegender Konflikte und Belastungen. Bei individueller Verletzlichkeit, Vorbelastung oder manifestierter Essstörung können soziale Medien ein relevanter Faktor sein, der die Erkrankung auslöst, verstärkt oder zur Aufrechterhaltung beiträgt.

    Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) hat in Kooperation mit dem Bundesfachverband Essstörungen (BFE) und der Schönklinik eine Studie durchgeführt, die die Bedeutung von Influencer_innen bei der Entwicklung von Essstörungen untersucht (Götz, Wunderer et al. 2019). Teilgenommen haben 143 Betroffene, die an einer Essstörung erkrankt sind und sich zum Zeitpunkt der Befragung in Behandlung befinden. Die Teilnehmenden sind zwischen 13 und 52 Jahre alt, die Gruppe setzt sich zusammen aus 138 Frauen, vier Männern und einer non-binären Person.

    Ergebnisse der Studie des IZI (Götz, Wunderer et al. 2019, S. 29 f.):

    • Menschen mit Essstörungen sind meist unzufrieden mit dem eigenem Körper, es finden sich oft ein hoher Grad an Perfektionismus sowie eine starke Orientierung an der Bewertung von anderen.
    • Influencer_innen haben deutlichen Einfluss auf Ideale, Körperbilder sowie Trainings- und Ernährungsverhalten und können Essstörungen unterstützen.
    • Menschen mit Essstörungen nutzen Instagram in ähnlicher Weise wie andere Gleichaltrige. Mädchen und Frauen mit Essstörungen haben aber häufig ein überkritisches Verhältnis zu ihrem Körper und Selbstzweifel. Sie machen sich noch mehr Gedanken über Likes und Kommentare und benutzen häufiger als repräsentativ befragte Mädchen und Frauen Filter-Software zur Bearbeitung ihrer Fotos.
    • Acht von zehn Betroffenen (77 Prozent) stimmen zu, dass die Bearbeitung von Fotos auch Veränderungen im realen Leben (z. B. in ihrem Sport- und Ernährungsverhalten) ausgelöst hat.
    • Für viele der Befragten waren bestimmte Influencer_innen von Bedeutung (Sport, Fitness, Beauty) und führten zur Übernahme der Körperbild-Ideale sowie des Sport- und Ernährungsverhaltens.
      „Influencer_innen bestimmten die aktuellen Trends der Jugendkultur. Sie beeinflussen, indem sie (scheinbar) authentisch und völlig offen einen Blick in ihre Lebenswelt gewähren, und setzen so nicht nur Trends, was Marken und Mode angeht, sondern werben für bestimmte Lebensweisen und Produkte, die unhinterfragt als Ideale angenommen werden.“ (Götz, Wunderer et al. 2019, S. 31)
    • Chancen: Influencer_innen und die Nutzung sozialer Medien können auch ein Beitrag zur Heilung sein (Body Positivity, unbearbeitete Bilder/Realität sehen und akzeptieren, Erweiterung von Schönheitsidealen, positive Auseinandersetzung mit dem Körper, Förderung von Diversität). 

    Influencer_innen sind Vorbilder und haben Einfluss auf Körperbilder, Trainings- und Ernährungsverhalten, Geschlechterrollen sowie Lebensentwürfe

    In einer andern Studienreihe untersuchte das IZI gemeinsam mit der MaLisa Stiftung, was die Selbstinszenierung von erfolgreichen Influencer_innen auf Instagram kennzeichnet und welche Bedeutung dies für die Selbstinszenierung von Mädchen auf Instagram haben kann.

    Ergebnisse der Studienreihe (vgl. Götz 2019):

    • Instagram ist nach Youtube und WhatsApp das beliebteste Internetangebot mit steigender Nachfrage. Insbesondere Jugendliche (73 Prozent) nutzen Instagram täglich oder mehrmals pro Woche (S. 25).
    • Influencer_innen sind „die neuen Vorbilder heutiger Preteens und Jugendlicher“ (S. 25).
    • Instagram wird zurzeit weltweit als größte Plattform der visuellen Selbstdarstellung von Jugendlichen genutzt. Insbesondere Mädchen und junge Frauen veröffentlichen hier Bilder von sich und stellen ihr Leben und ihre Identität vor. Die aufwendige Selbstinszenierung und Bearbeitung der Bilder lässt keinen Platz für die meisten Alltagserlebnisse und die meisten Facetten der Persönlichkeit in der Selbstdarstellung zu (S. 27 f.).
    • Eine repräsentative Stichprobe (N=846 junge Menschen zwischen zwölf und 19 Jahren, davon 404 Mädchen) zeigt:
      „Drei Viertel aller Mädchen laden zumindest manchmal Bilder auf sozialen Netzwerken hoch. In dieser Selbstinszenierung ist es Mädchen besonders wichtig, sich ‚gut gelaunt‘ (90 Prozent) und von ihrer besten Seite (87 Prozent) zu zeigen und dabei gleichzeitig möglichst natürlich auszusehen (88 Prozent). Um dies zu erreichen, nutzen 49 Prozent der Mädchen zumindest manchmal Filter-Software, ohne dass dies im Widerspruch zu dem Wunsch, ‚natürlich‘ auszusehen, stehen würde“ (S. 28).
    • Influencer_innen als neue Vorbilder prägen Schönheitsideale, Vorstellungen von Geschlechterrollen und Lebensentwürfe. Sie vertreten dabei Interessen der Schönheits- und Modeindustrie, was für Außenstehende nicht mehr erkennbar ist (S. 25 f.).
    • Instagram ist eine Plattform zur Selbstdarstellung. Bilder, die gepostet werden, sind nicht zufällig entstanden, sondern wurden aufwendig inszeniert und nachbearbeitet. Es wird eine perfekte Welt dargestellt, die den Betrachter_innen suggeriert, es handele sich um einen spontanen Einblick in eine „natürliche“ Welt (S. 28). Dadurch kommt es einer „Verzerrung des Verständnisses von „natürlich“ und „spontan“ (S. 28).

    Positive Beispiele von Online-Angeboten – Beratung, Krisenbegleitung, Psychoedukation

    Incogito: Peer-Projekt, Recovery, Online-Beratung durch Fachkräfte:
    https://in-cogito.de

    U25: Suizidprophylaxe, Peer-Projekt, begleitet durch Caritas:
    https://www.u25-deutschland.de/

    Ernährungsprotokoll-App Jourvie:
    https://www.aerzteblatt.de/archiv/193010/Essstoerungen- Digitales-Essprotokoll-unterstuetzt-bei-Therapie 

    Bauchgefühl: Onlineportal mit Podcast, Videos (BKK):
    https://www.bkk-bauchgefuehl.de/

    Waage e.V.: Podcasts mit Betroffenen und Angehörigen:
    https://www.waage-hh.de/mediathek-alt/essgeschichten/

    Waage e.V.: Videos zu Recovery, Betroffene berichten:
    https://www.youtube.com/user/essberatung/videos

    Ninette Online-Comic und Beratungstool:
    https://ninette.berlin/mainsite/

    Filmbeitrag von sMUTje zum Thema „Social Media und Essstörungen“:
    https://www.prosieben.de/tv/taff/video/2020211-instarexie-wenn-instagram-zur-magersucht-fuehrt-clip

     Literatur:
    Kontakt:

    Ina Janßen
    Klinische Sozialarbeiterin MA
    Therapiehilfe gGmbH
    sMUTje Starthilfe für MUTige Jugendliche mit Essstörungen
    Ritterstraße 69, 22089 Hamburg
    Tel. 040-2000 10 54 14 oder 040-2000 10 54 08
    ina-janssen(at)therapiehilfe.de

     

  • Cannabisprodukte mit niedrigem THC-Gehalt

    Seit einigen Jahren werden immer mehr Cannabisprodukte wie Cannabiskraut und Cannabisöl in Europa offen zum Verkauf angeboten. Angeblich enthalten diese Produkte nur geringe Mengen an Tetrahydrocannabinol (THC), dem für die meisten psychoaktiven Wirkungen von Cannabis verantwortlichen Stoff, so dass sie in manchen Ländern nicht unter das Betäubungsmittelrecht fallen. Diese Entwicklung hat auf politischer Ebene Besorgnis ausgelöst. Eine besondere Herausforderung ist es, den rechtlichen Status derartiger Produkte festzulegen und festzustellen, welchen Rechtsvorschriften ihr Verkauf unterliegt. Unsicherheit besteht insbesondere hinsichtlich der Produkte mit niedrigem THC-Gehalt, die illegalen Cannabisprodukten ähneln, wie Raucherzeugnissen, Öle und Edibles. Auf diesen Produkten liegt der Schwerpunkt des vorliegenden Berichts.

    Um das Phänomen zu erfassen und die vorhandenen Wissenslücken langsam zu füllen, hat die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) im Herbst 2018 eine explorative Trendspotting-Studie initiiert. Die Ergebnisse der Studie werden in dem vorliegenden Bericht zusammengefasst. Allgemeines Ziel war es, einen ersten Überblick über die Situation in Europa hinsichtlich des freien Verkaufs von Produkten mit niedrigem THC-Gehalt zu geben. Die spezifischen Ziele bestanden darin, die verfügbaren Produktarten und verschiedenen Verkaufsstellen, Anwenderprofile, Gefährdungen sowie Maßnahmen in einzelnen EU-Ländern zu ermitteln und genauer zu untersuchen.

    Der 20-seitige Bericht steht auf der Website der EMCDDA zum Download zur Verfügung.

    Quellen:
    „Einführung und Begründung“, in: Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (2020), Cannabisprodukte mit niedrigem THC-Gehalt in Europa, S. 4
    Pressemitteilung der EMCDDA, 21.12.2020

  • Versteckte synthetische Cannabinoide für die E-Zigarette

    Die „Aufsuchende Suchtberatung Maintal“ berichtet, dass seit ca. zwei Jahren gehäuft Klient*innen in die Beratung kommen, die so genannte CBD-Liquids mit der E-Zigarette konsumiert haben. CBD ist die Abkürzung für den Cannabiswirkstoff Cannabidiol, dem im Gegensatz zu Tetrahydrocannabinol (THC) keine berauschende, aber eine antipsychotische, beruhigende Wirkung zugesprochen wird. Die Klient*innen der Suchtberatung Maintal zeigten aber starke Entzugssymptome, wenn sie keine „CBD“-Liquids konsumierten. Es stellte sich heraus, dass den „CBD“-Liquids synthetische Cannabinoide mit berauschender Wirkung beigemischt waren und sie somit auch abhängig machen können. Um für diese versteckte Gefahr zu sensibilisieren und den Weg in weiterführende Hilfen zu erleichtern, schildert die Aufsuchende Suchtberatung Maintal folgendes Fallbeispiel:

    Vor zwei Jahren war der erste Fall in der Aufsuchenden Suchtberatung Maintal vorstellig: ein Jugendlicher, der nach dem eigenständigen Absetzen von „CBD“-Liquid, das er in der E-Zigarette dampfte, massive Entzugssymptome zeigte. Leon (Name von der Autorin geändert) war zum damaligen Zeitpunkt 14 Jahre alt. Er erzählte, dass er vor zwei Jahren angefangen hatte, Cannabis zu konsumieren, jedoch – wie er stolz ergänzte – den Ausstieg vor einem Jahr geschafft hatte. Ihm hatte ein anderer Teenager „CBD“-Liquid zum Dampfen angeboten. CBD war zu diesem Zeitpunkt sehr populär, da die ersten CBD-Shops eröffnet wurden. Das wusste auch Leon. Dass das von ihm in der E-Zigarette gedampfte „CBD“-Liquid eine sehr starke Rauschwirkung hatte und er schnell immer mehr konsumierte, blendete er aus. So hielt er an dem Glauben seines „Ausstiegs“ aus dem Cannabiskonsum fest, obwohl der Grund für den Kontakt zur Aufsuchenden Suchtberatung Maintal zunehmende Entzugssymptome waren.

    Sensibilisierung für die Substanz

    Durch das Testen des Liquids über das Projekt „Legal High Inhaltsstoffe“ konnte herausgefunden werden, dass es das damals am meisten verbreitete synthetische Cannabinoid 5F-MDMB-PICA enthielt.

    In weiteren Gesprächen erzählte Leon, dass sich dieses Liquid in seinem Umkreis immer mehr verbreitete. Es wird von den Dealern als „legale und unschädliche“ Alternative zu Cannabis angepriesen. Auch der Konsum mittels E-Zigarette ist als schadensreduzierte Konsumform bekannt, und so seien wohl deshalb auch viele seiner Freunde auf diese Alternative umgestiegen. Da dieses Liquid zunächst nur Vorteile versprach, wurden erste markante Nebenwirkungen wie das nächtliche Schwitzen erst einmal ignoriert.

    Synthetische Cannabinoide sind keine Neuerscheinung. Unter dem Namen „Spice“ wurden sie vor knapp 15 Jahren als „Kräutermischungen“ verkauft. Der große Unterschied zu dem Konsumtrend von damals ist jedoch, dass Konsument*innen beim Kauf von „Spice“ im Regelfall wussten, dass es sich um synthetischen Cannabinoide handelte. Nun werden diese Substanzen jedoch unter irreführendem Namen mit falschen Versprechungen gehandelt. Das sorgt dafür, dass Konsument*innen unwissend eine Substanz konsumieren, die starke Risiken mit sich bringt.

    Synthetische Cannabinoide wirken deutlich stärker als herkömmliches Cannabis. Sie ahmen das Wirkspektrum von Cannabis nach und erzeugen eine beruhigende Wirkung, ein Zufriedenheitsgefühl und euphorische Gefühle. Darüber hinaus werden Wahrnehmungen wie Farben und Geräusche intensiviert – oder wenn man es in Leons Worten auszudrücken möchte, erzeugen sie eine „Ultra HD 4K-Ansicht“. Liquids werden jedoch oft von den Dealern zu Hause „zusammengemischt“. Das bedeutet, dass die Konzentration in den Liquids stark variieren kann und es somit sehr schwierig ist, sich auf eine Wirkung einzustellen. Darüber hinaus gibt es sehr viele verschiedene synthetische Cannabinoide, die von einander stark abweichende und damit unberechenbare Wirkungen erzeugen können.

    Synthetische Cannabinoide machen sowohl körperlich als auch psychisch stark abhängig, es besteht die Gefahr von tödlichen Überdosierungen und Psychosen. Aber auch Kreislaufprobleme, Schweißausbrüche, Übelkeit, Krampfanfälle und Herzrasen stehen auf der langen Liste der Nebenwirkungen. Auch „legal“ sind synthetische Cannabinoide schon lange nicht mehr. Mit dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) wurde diese Stoffgruppe illegalisiert.

    Leon fiel es sehr schwer, für sich zu akzeptieren, dass seine Entzugssymptome von einer Abhängigkeitserkrankung herrührten und sein Ausstieg aus dem Cannabiskonsum ihn in eine viel stärkere Abhängigkeit geführt hat.

    Stationärer Entzug mit „cleanem“ Urin

    Nach mehreren Gesprächen äußerte Leon den Wunsch, wie vorgeschlagen eine stationäre Entgiftung zu machen. Dies führte überraschend zu einer neuen Herausforderung, da synthetische Cannabinoide nicht so einfach nachweisbar sind wie andere Substanzen. Nicht jedes Labor kann diesen Nachweis durchführen, so dass es zu zeitlichen Verzögerungen kommt, bis ein Ergebnis vorliegt. Der positive Drogentest bei Aufnahme in die stationäre Entgiftung ist jedoch die Grundlage einer Kostenzusage. So wird die Aufnahme von Minderjährigen, die ausschließlich synthetische Cannabinoide konsumieren, erst einmal erschwert.

    Inzwischen wurden mehrere Entgiftungen in Hessen kontaktiert und über diese neue Problematik informiert. Die meisten haben sich optimistisch geäußert, dass für diese Fälle eine Lösung gefunden wird. Hier gilt es sicher auch, mehr Erfahrungen mit dem noch recht neuen Phänomen zu sammeln.

    Bei Überweisungen von volljährigen Klient*innen mit dem ausschließlichen Konsum von synthetischen Cannabinoiden haben sich bis dato keine Probleme ergeben. Nach mehreren Gesprächen mit der Entgiftung konnte auch Leon seine Behandlung mit einer kleinen Verzögerung antreten und befindet sich inzwischen in einer stationären Entwöhnung.

    Öffentlichkeitsarbeit

    Nach Leon häuften sich die Fälle mit einer ähnlichen Geschichte. Die ersten Beratungsgespräche, die mit viel Psychoedukation einhergingen, waren oft geprägt von viel Scham. Die Betroffenen schämten sich v. a. dafür, die Warnzeichen, die darauf hindeuteten, dass es sich bei dem Liquid nicht um „harmloses“ CBD handelte, so lange ignoriert zu haben.

    Diese Fälle nahmen wir zum Anlass, vor Ort mehr Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. In Jugendzentren wurden Informationsplakate aufgehängt und ein Artikel in der lokalen Presse veröffentlicht. Auch Arbeitskreise wurden vermehrt dazu genutzt, das Thema zur Diskussion zu stellen.

    Inzwischen sind Liquids mit synthetischen Cannabinoiden unter verschiedenen Szenenamen bekannt, wie zum Beispiel „Django“ oder „Ballerliquid“. Die Unwissenheit, um welche Substanz es sich eigentlich handelt, ist bei den Konsument*innen jedoch weiterhin groß.

    Für uns als professionelle Kräfte des Suchthilfesystems ist es somit umso wichtiger, informiert zu bleiben und den Konsument*innen psychoedukativ und unterstützend zur Seite zu stehen.

    Stefanie Bötsch (B.A. Soziale Arbeit), Aufsuchende Suchtberatung Maintal, Jugendberatung und Jugendhilfe e.V., März 2021

  • Mehr drogenbedingte Todesfälle im Jahr 2020

    Übersicht Rauschgifttote nach Todesursachen 2020 (Länderabfrage)

    „Suchthilfe und Gesundheitsversorgung von schwerstabhängigen Menschen muss auch in der Krise weitergehen!“, so die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig.

    Die Corona-Pandemie hinterlässt in unzähligen Bereichen unserer Gesellschaft Spuren. Auch die Hilfe für schwerstabhängige Menschen ist durch die Pandemie in eine Ausnahmesituation geraten. Die Zahl der an illegalen Drogen verstorbenen Menschen ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. 2020 wurden in Deutschland 1.581 drogenbedingte Todesfälle registriert. Dies entspricht einem Anstieg von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr (1.398).

    Die meisten Verstorbenen wurden, wie bereits in den Vorjahren, in den bevölkerungsreichsten Bundesländern Nordrhein-Westfalen (401 Tote) und Bayern (248 Tote) sowie in Berlin (216 Tote) festgestellt.

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig: „Die Lage ist für suchtkranke Menschen durch die Pandemie mehr denn je dramatisch. Viele von ihnen sind durch Corona in eine verstärkte Lebenskrise geraten. Gewohnte Strukturen, persönliche Hilfsangebote und Ansprechpartner sind quasi von einem Tag auf den anderen weggebrochen. Dies kann ein Grund dafür sein, dass sich mehr Drogenkonsumenten als in den Jahren zuvor das Leben genommen haben. Hinter jedem Todesfall steht ein tragisches Schicksal und es sind Zahlen, die traurig machen.“

    Substanzen

    Wie bereits in den Vorjahren war vor allem der Konsum von Opioiden/Opiaten allein oder in Verbindung mit anderen Stoffen todesursächlich (572 Tote, 37,1 Prozent von den nach Todesursachen erfassten Rauschgifttodesfällen), obwohl die Zahl der Todesfälle durch Opioide/Opiate im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent gesunken ist.

    Die zweihäufigste Todesursache (27,3 Prozent, 432 Personen) geht auf Langzeitschädigungen auf Grund von Drogenkonsum zurück.

    Die Drogenbeauftragte fordert dazu auf, die Suchthilfe gerade jetzt in der Krise aufrechtzuerhalten: „Vor Ort kommt es weiter auf jede Hilfe an. Dazu gehört auch, dass Länder und Kommunen trotz klammer Kassen die Finanzierung sicherstellen müssen. Langfristig zahlt sich das in jedem Fall aus – gesundheitlich wie finanziell. Bitte schauen Sie nicht weg, sondern kümmern Sie sich weiter um suchtkranke Männer, Frauen und vor allem deren Kinder! Sie alle brauchen JETZT Unterstützung – mehr denn je!“

    Vergiftungen im Zusammenhang mit anderen Stoffen als Opioide/Opiate machten 18,5 Prozent der nach Todesursachen erfassten Todesfälle aus und steigen um 6,3 Prozent. Auch die Todesfälle in Verbindung mit Kokain/Crack sind von 36 auf 48 gestiegen (+ 33,3 Prozent).

    „Wir sehen, dass gerade das Mischen von Substanzen häufig tödlich ist“, so die Drogenbeauftragte Daniela Ludwig. „Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft über neue Methoden der „Harm Reduction“ nicht nur nachdenken, sondern sie in Modellprojekten für die Praxis testen sollten. Beim Anti-Opiat-Nasenspray Naloxon legen wir damit bald bundesweit los. Ich bin weiterhin der Ansicht, dass die Erprobung der analysegestützten Beratung* eine Option wäre. Außerdem brauchen wir eine noch flächendeckendere Substitutionsversorgung und mehr Unterstützung in Übergangssituationen, etwa wenn Substitutionspatienten aus der Haft in die Freiheit kommen. All das kann Leben retten. Wenn wir in Zukunft diese Zahlen reduzieren möchten – und das müssen wir – können wir uns nicht vor weiteren Wegen der Schadensminimierung verschließen.“

    Pressemitteilung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, 25.3.2021

    *Anm. d. Redaktion: „Hierbei handelt es sich um eine Form des Drug-Checkings, bei der nicht die stoffliche Analyse, sondern ein Beratungsgespräch durch geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Suchthilfe im Vordergrund steht.“ (Jahresbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung 2020, S. 57)