Kategorie: Kurzmeldungen

  • Entwurf des 6. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung

    Der Entwurf des 6. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung sei ein Beleg des jahrelangen armutspolitischen Versagens, kommentiert der Paritätische Wohlfahrtsverband den Entwurf des Berichts aus dem Bundesarbeitsministerium. Der Verband hat den mehrere hundert Seiten umfassenden Text einer ausführlichen Analyse unterzogen: Die Entwicklung der Ungleichheit in Deutschland sei zutiefst besorgniserregend, so die Bilanz der Expert*innen.

    „Der Bericht belegt, wie sowohl Armut als auch Reichtum wachsen und sich verfestigen. Die so genannte Mitte schrumpft, soziale Mobilität nimmt ab und soziale Ungleichheit steigt. Und der Bericht weist nach, wie dramatisch sich die Situation gerade der Arbeitslosen verschärft hat“, so Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Der Bericht dokumentiere u. a. die dramatischen Effekte der Agenda-Reformen. Mit den so genannten Hartz-Reformen sei die Absicherung des sozialen Risikos Erwerbslosigkeit zu einem erheblichen Teil der Fürsorge übertragen worden, die Armutsquote Erwerbsloser habe sich seitdem vervielfacht. „Erwerbslose stoßen auf ein soziales Sicherungssystem, das bereits vor Corona nicht vor Armut schützte und dessen Schwächen nun noch deutlicher zutage treten“, so Hesse.

    Dass die Corona-Pandemie die Ungleichheit noch verschärft, belegt der Bericht selbst anhand aktueller Daten. „Diese Befunde können kaum überraschen, sind doch bspw. die Menschen, die zuvor schon in der Grundsicherung waren, bislang von zusätzlichen, auf ihre Bedarfe zugeschnittenen Hilfen ausgeschlossen gewesen“, so Dr. Joachim Rock, Leiter der Abteilung Arbeit, Soziales und Europa im Paritätischen Gesamtverband, die den Berichtsentwurf ausgewertet hat. „Die geplante Einmalzahlung für Grundsicherungsbeziehende von 150 Euro geht weit an den Mehrbelastungen armer Menschen in der Pandemie vorbei und kann schon gar kein Beitrag dazu sein, die sich verfestigende Ungleichheit in irgendeiner Weise positiv zu beeinflussen.“

    Der Paritätische fordert eine politische Offensive zur Beseitigung von Armut. Deutschland habe es in der Hand, seine Einkommensarmut abzuschaffen und parallel für eine gute soziale Infrastruktur zu sorgen. Es klinge banal und werde bei vielen nicht gern gehört, „aber gegen Einkommensarmut, Existenzängste und mangelnde Teilhabe hilft Geld“, so Hesse. Konkret seien eine bedarfsgerechte Anhebung der Regelsätze in Hartz IV und der Altersgrundsicherung (nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle auf mindestens 644 Euro), die Einführung einer Kindergrundsicherung sowie Reformen von Arbeitslosen- und Rentenversicherung nötig. Der Verband untermauert zudem die Forderung nach einer monatlichen Zusatzzahlung für die Dauer der Pandemie von 100 Euro für alle Menschen, die existenzsichernde Leistungen beziehen.

    Hier finden Sie eine erste Kurzanalyse des Paritätischen sowie den Entwurf des 6. Armuts- und Reichtumsberichts zum Download.

    Pressestelle des Paritätischen Gesamtverbands, 5.3.2021

  • BADO – Hamburger Basisdatendokumentation

    Die Hamburger Basisdatendokumentation e.V. (kurz BADO e.V.) ist ein Zusammenschluss der freien Träger der Sucht- und Drogenhilfe in Hamburg und der zuständigen Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz zum Zweck der Dokumentation und Evaluation in der ambulanten Suchthilfe und der Eingliederungshilfe.

    Im Dezember 2020 legte der Verein seinen 23. Jahresbericht für das Jahr 2019 vor. Die BADO dokumentiert prozessbegleitend anonymisiert für alle Klient*innen der Hamburger Suchthilfeeinrichtungen, mit welchen Suchtproblemen die Einrichtungen aufgesucht wurden. Ferner werden wesentliche soziodemographische Merkmale, biographische Erfahrungen sowie die aktuelle psychosoziale und gesundheitliche Situation beschrieben. Alle Auswertungen erfolgen geschlechtsspezifisch. Die wichtigsten Ergebnisse:

    15.435 Personen suchten Hilfe in den Hamburger Suchthilfeeinrichtungen

    Aus 57 Suchthilfeeinrichtungen wurden von 15.435 (im Vorjahr 15.068) unterschiedlichen Personen insgesamt 18.526 Betreuungsverläufe ausgewertet. 13.578 Personen nutzten die Suchthilfeeinrichtungen aufgrund einer eigenen Suchtproblematik. Zusätzlich wurden 1.857 Personen aus dem sozialen Umfeld von Suchtmittelabhängigen wie Partner*innen und Angehörige beraten. Diese seit Jahren weitgehend konstant sehr hohen Zahlen der Inanspruchnahme der Suchthilfeeinrichtungen belegen Bedarf und Nachfrage nach Suchthilfe, und darüber hinaus, dass die Angebote des differenzierten Hamburger Suchthilfesystems angenommen werden.

    Klient*innen: 4.131 Alkoholabhängige, 3.437 Opiatabhängige, 2.305 Kokain-/Crack-/Amphetaminabhängige, 2.275 Cannabiskonsument*innen, 507 Glücksspieler*innen

    Unter Berücksichtigung ähnlicher Konsummuster wurden die Klient*innen der Hamburger Suchthilfe diesen vier Hauptsubstanzgruppen sowie einer nicht-stoffgebundenen Suchtgruppe zugeordnet: 4.131 Personen mit ausschließlich Alkohol als Hauptproblem (30 Prozent), 3.437 Opiatabhängige (25 Prozent), davon zwei Drittel substituiert, 2.305 Konsument*innen von Stimulanzien wie Kokain, Crack oder Amphetaminen (17 Prozent), 2.275 Cannabiskonsument*innen (17 Prozent). 507 Personen (4 Prozent) hatten eine ausschließliche Glücksspielproblematik.

    Hilfesuchende mit vielfältigen biographischen und psychosozialen Belastungen

    27 Prozent aller Hilfesuchenden waren Frauen. Die Frauen waren im Mittel 42 Jahre, die Männer 39 Jahre alt. Unverändert im Zeitraum der letzten drei Jahre lag bei einem Drittel der Klient*innen ein Migrationshintergrund vor. Etwa die Hälfte der Klient*innen suchte im Jahr 2019 erstmals Hilfe in einer Suchtberatungseinrichtung, die andere Hälfte hatte bereits in den Vorjahren Kontakt zur Hamburger Suchthilfe. Gut die Hälfte begann die Betreuung mit hoher Abstinenzmotivation.

    Biographische Belastungen

    Fast die Hälfte aller Klient*innen war in suchtbelasteten Haushalten aufgewachsen. Ein Fünftel aller Klient*innen berichtete von früheren Fremdunterbringungen in öffentlicher Erziehung. Zwei Drittel der Frauen und etwa 60 Prozent der Männer hatten schwere körperliche Gewalt erfahren. Gut die Hälfte der Frauen berichtete von sexuellen Gewalterfahrungen. Für gut drei Viertel wurden weitere schwer belastende Lebensereignisse dokumentiert.

    15 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen hatten in der Vergangenheit Suizidversuche unternommen. In allen Teilgruppen der Alkohol-, Opiat-, Cannabis-, Kokain- oder Glücksspielabhängigen wiesen jeweils die Frauen gegenüber den Männern deutlich häufiger biographische Belastungen auf. Die Männer – vor allem die opiatabhängigen – waren sehr viel häufiger vorbestraft sowie häufiger und vor allem außerordentlich viel länger inhaftiert gewesen, so z. B. hatten 36 Prozent der opiatabhängigen Männer mindestens drei Jahre in Haftanstalten verbracht.

    Psychosoziale Belastungen

    82 Prozent der Frauen und 73 Prozent der Männer verfügten über eigenen Wohnraum, bei etwa 2.500 Personen war das nicht der Fall. Die Wohnungslosigkeit war bei den Opiatabhängigen mit 35 Prozent besonders hoch. Die Überwindung prekärer Wohnverhältnisse bleibt eine der vordringlichsten sozialpolitischen Aufgabenstellungen.

    53 Prozent der Klientinnen und 19 Prozent der Klienten lebten mit suchtmittelabhängigen Partner*innen zusammen. Die Klient*innen versorgten insgesamt ca. 3.000 minderjährige Kinder in gemeinsamen Haushalten, wobei dies sehr viel häufiger durch – alleinerziehende – Frauen erfolgte. 46 Prozent aller Klient*innen waren arbeitslos. Nur 25 Prozent hatten ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit, 21 Prozent der opiatabhängigen Frauen bezogen Einnahmen aus Prostitution. Die Hälfte der Klient*innen – vor allem Glücksspielabhängige – hatte Schulden.

    Der Bericht steht zum Download zur Verfügung: http://www.bado.de/publikationen/2020/12/statusbericht-2019/

    Oder kann bestellt werden bei:
    Bado e.V.
    c/o Jugendhilfe e.V.
    Repsoldstraße 4, 20097 Hamburg
    Tel. 040/85 17 350
    barre@jugendhilfe.de

    Pressemitteilung des BADO e.V., 20.12.2020

  • Helfen Alexa, Siri & Co. bei Suchtproblemen?

    Erhält eine hilfesuchende Person sinnvolle Antworten, wenn sie sich wegen eines Suchtproblems an einen digitalen Assistenten wendet? Ein US-Forschungsteam hat dies getestet.

    „Ich brauche Hilfe beim Ausstieg aus dem Cannabiskonsum.“ Wie reagieren digitale Assistenten, wenn sie mit Anfragen wie dieser konfrontiert werden? Studienleiter John Ayers und sein Team von der University of California haben die fünf führenden digitalen Assistenten getestet, darunter Alexa von Amazon, Siri von Apple, Cortana von Microsoft, Bixby von Samsung und den Google Assistant. Die getestete Software würde nach Angaben des Forschungsteams etwa 99 Prozent des Marktes für digitale Assistenten abdecken.

    Bei normalen Suchmaschinen im Internet erzeugen Suchanfragen in der Regel eine lange Liste von mehr oder weniger zielführenden Treffern. Die suchende Person muss dann selbst entscheiden, welche Treffer ihr vermutlich weiterhelfen. Digitale Assistenten funktionieren anders. Benutzerinnen und Benutzer formulieren ihre Frage so, als würden sie mit einer anderen Person sprechen. Der digitale Assistent antwortet in der Regel mit einer Information, die von der Software aus den vielen möglichen Treffern nach bestimmten Regeln ausgewählt wurde.

    Nur zwei von 70 Anfragen lieferten hilfreiche Antworten

    Ayers und sein Team haben den eingangs erwähnten Satz variiert und mit anderen Substanzbegriffen wie Rauchen, Alkohol oder Heroin kombiniert. Die digitalen Assistenten wurden mit insgesamt 70 unterschiedlichen Anfragen konfrontiert. Die Antworten waren jedoch ernüchternd. Nur in zwei Fällen lieferte die Software hilfreiche Informationen. Auf die Frage nach Hilfen zum Ausstieg aus dem Tabakrauchen wurde beispielsweise eine Smartphone-App zum Rauchausstieg empfohlen.

    In den meisten Fällen verstand die Software die Anfrage nicht oder gab sinnfreie Antworten wie: „Es tut mir leid. Ich konnte diese Fähigkeit nicht finden.“ Teils waren die Antworten auch kontraproduktiv. So hat ein digitaler Assistent auf die eingangs genannte Anfrage nach Hilfe zum Ausstieg aus dem Cannabiskonsum den nächsten lokalen Verkaufsshop für Cannabis empfohlen.

    „Verpasste Gelegenheiten“

    John Ayers und sein Team argumentieren, dass die Antworten „verpasste Gelegenheiten“ seien. Beispielsweise gäbe es in den USA seit 2004 eine nationale kostenfreie Hotline zum Rauchausstieg. Die Hotline sei umfassend getestet worden und werde in medizinischen Richtlinien empfohlen. Fragt eine Person nach möglichen Hilfen zum Rauchausstieg, könnte ein digitaler Assistent anbieten, die Hotline anzurufen. So könnte die Person ohne große Umwege mit einer Beraterin oder einem Berater verbunden werden.

    Offenkundig seien digitale Assistenten auf Anfragen dieser Art aber nicht vorbereitet, was nach Einschätzung des Forschungsteams an der kommerziellen Ausrichtung der Software liegt. Ayers und sein Team empfehlen daher, dass die Institutionen der Gesundheitsförderung mehr mit Unternehmen kooperieren sollten, um die Chancen, die digitale Assistenten bieten, besser zu nutzen.

    Quelle: www.drugcom.de, 17.2.2021

  • Neue Berechnungen zu verlorenen Lebensjahren in Deutschland

    Welche Erkrankungen tragen in Deutschland maßgeblich zur Sterblichkeit bei und wie viele Lebensjahre gehen jeweils durch sie verloren? Im Rahmen des Projekts BURDEN 2020 haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Robert Koch-Instituts dies nun für Deutschland berechnet. Insbesondere Tumore und Herz-Kreislauf-Erkrankungen tragen dazu bei. „Mit der Berechnung der durch Tod verlorenen Lebensjahre steht für Deutschland auch auf regionaler Ebene ein Indikator zur Verfügung, der es ermöglicht, Krankheiten zu vergleichen und ihren Einfluss auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung zu messen“, sagt RKI-Präsident Prof. Dr. Lothar H. Wieler. Die Studie wurde im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht: https://www.aerzteblatt.de/archiv/218057/Verlorene-Lebensjahre-durch-Tod

    Welche Erkrankungen und Todesursachen erheblich zur Sterblichkeit beitragen, wird anhand des Indikators Verlorene Lebensjahre (Years of life lost – YLL) gemessen. Verlorene Lebensjahre (YLL) sind ein Maß für die vorzeitige Sterblichkeit, welches sowohl die Häufigkeit der Todesfälle, das Alter in dem sie auftreten und außerdem die statistische Restlebenserwartung berücksichtigt. Die Ergebnisse ermöglichen die Auswirkungen unterschiedlicher Todesursachen auf die Gesundheit der Bevölkerung vergleichend zu bewerten sowie Prävention und Versorgung zu verbessern.

    Berechnungszeitraum für die RKI-Studie war das Jahr 2017. Die gut 930.000 Sterbefälle resultierten den Ergebnissen zufolge in Deutschland in rund 11,6 Millionen YLL, 42,8 Prozent entfielen auf Frauen, 57,2 Prozent auf Männer. Die größten Anteile wiesen (bösartige) Tumore (35,2 Prozent), Herz-Kreislauf-Erkrankungen (27,6 Prozent), Verdauungserkrankungen (5,8 Prozent) und neurologische Störungen (5,7 Prozent) auf. Sterbefälle in jüngerem Alter wirken sich erwartungsgemäß stärker auf die Bevölkerungsgesundheit aus: Während 14,7 Prozent der Sterbefälle bei den unter 65-Jährigen zu verzeichnen waren, entfielen 38,3 Prozent der verlorenen Lebensjahre auf diese Altersgruppe. Häufige Sterbeursachen waren in dieser Gruppe Unfälle, Selbstschädigung und Gewalt, bösartige Tumore sowie Alkohol-assoziierte Erkrankungen.

    Vergleicht man die reinen Sterbefallzahlen und Verlorenen Lebensjahre (YLL), so zeigten sich Unterschiede in der Rangordnung wichtiger Todesursachen: Beispielsweise nehmen die Auswirkungen von Brustkrebs bei Frauen und von Alkoholkonsum-induzierten Störungen bei Männern auf die Bevölkerungsgesundheit bei Betrachtung der YLL im Vergleich zu den Sterbefällen deutlich an Bedeutung zu. Insgesamt entfiel ein bedeutender Teil der YLL auf jüngere und mittlere Altersgruppen. „Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, gerade bei jungen Menschen mit Präventionsangeboten anzusetzen, um frühe Todesfälle zu verhindern und auch Risikofaktoren für Krankheiten zu reduzieren, die erst im Alter auftreten“, betont Prof. Dr. Wieler.

    Mit dem Projekt „BURDEN 2020 – die Krankheitslast in Deutschland und seinen Regionen“ werden in Deutschland erstmals Analysen zur gesundheitlichen Lage anhand der Krankheitslast (Burden of Disease) in Deutschland erstellt. Die Studie wird vom RKI in Kooperation mit dem Umweltbundesamt und dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) durchgeführt. Im Rahmen des Projekts hat das RKI bereits die Krankheitslast von COVID-19 für Deutschland berechnet und ebenfalls im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht. Weitere Ergebnisse zur den durch gesundheitliche Einschränkungen verlorenen Lebensjahre (Morbidität) sollen in Kürze veröffentlicht werden.

    Pressestelle des Robert Koch-Instituts, 5.3.2021

  • Cannabiskonsum und Cannabiskonsumstörung

    PD Dr. Eva Hoch. Foto©LMU Klinikum

    Sie ist eine der profundesten Forscherinnen zum Thema Cannabis: Privatdozentin (PD) Dr. Eva Hoch, Psychologin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am LMU Klinikum München. Schon seit fast 20 Jahren beschäftigt sie sich wissenschaftlich mit den Effekten von Cannabis. Jetzt ist sie als einzige Europäerin und als einzige Frau Co-Autorin des Artikels „Cannabis use and cannabis use disorder“ (dt: Cannabiskonsum und Cannabiskonsumstörung) in der aktuellen Ausgabe des britischen Wissenschaftsmagazins „Nature“. Das ist eine Ehre und eine Bestätigung ihrer Arbeit. Zusammen mit fünf Wissenschaftlern aus Australien, Kanada und den USA arbeitete Dr. Hoch ein Jahr an der 24 Seiten langen Übersichtsarbeit.

    Hoch widmet sich dem Thema Cannabis schon sehr lange, unter anderem weil sie vor ihrer Zeit am LMU Klinikum für die Bundesregierung den alljährlichen Drogenbericht verfasste: „Mitte der 2000er Jahre bemerkten wir, dass der Cannabiskonsum zunimmt“, erzählt PD Dr. Hoch. „Damals wurde unter Experten noch diskutiert, ob Cannabis überhaupt abhängig macht.“ Heute weiß man es besser: Die Folgen von intensivem Cannabiskonsum sind nach Schätzungen der WHO der häufigste Anlass für eine Drogentherapie.

    Einer von zehn Konsumenten entwickelt eine Cannabiskonsumstörung

    Nach Angaben der Vereinten Nationen nutzen etwa 193 Millionen Menschen pro Jahr Cannabis, das aus der Hanfpflanze gewonnen wird. Und anderem mit diesen Konsequenzen: Neben dem kurzfristigen, berauschenden Gefühl verringert Cannabis die Aufmerksamkeit und schränkt die Psychomotorik ein, das Risiko für Arbeits- und Verkehrsunfälle steigt. Zudem kann bei genetischer Vorbelastung schon einmaliger Konsum eine Psychose auslösen, das Risiko für psychische Störungen ist ebenfalls erhöht.

    Teenager, die Cannabis konsumieren, haben häufiger Schulprobleme, brechen ihre Ausbildung öfter ab. Einer von zehn Konsumenten entwickelt eine Cannabiskonsumstörung,  aber nicht jeder hat das gleiche Risiko dafür. „Neben einer genetischen Vulnerabilität gibt es verschiedene psychische und soziale Risikofaktoren. Ob sich aus dem Cannabiskonsum eine Abhängigkeit entwickelt, hängt auch davon ab, wie intensiv man vor dem 16. Lebensjahr konsumiert“, erklärt PD Dr. Hoch. „Besonders in der Pubertät bis hin zum jungen Erwachsenenalter verändert Cannabis die Struktur und die Funktion des Gehirns.“

    Cannabis hat sich seit den 1970er Jahren stark verändert

    Seit den Hippie-Zeiten in den 1970er Jahren hat sich die Droge stark verändert. In den letzten zehn Jahren hat sich der psychoaktive Hauptwirkstoff in der Hanfpflanze, das Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC), durch spezielle Züchtungen fast verdoppelt. Das nicht-berauschende Cannabidiol (CBD), dem schützende Eigenschaften zugeschrieben werden, ist oftmals nicht mehr in der Droge vorhanden. Die Pflanze enthält nach heutigem Kenntnisstand mindestens 150 Cannabinoide, die wenigsten davon sind erforscht.

    Kaum Studien über Wirkungen und Nebenwirkungen von CBD

    Cannabis ist inzwischen auch gesetzlich als Arznei bei schwerkranken Menschen zugelassen. Beispielsweise bei chronischen Schmerzen kann es ergänzend zu Analgetika eingesetzt werden. „Auch die medizinische Wirkung von CBD wird gerade viel diskutiert, aber wir haben noch kaum Studien über seine Wirkungen und Nebenwirkungen“, sagt PD Dr. Hoch. Unter anderem wird diskutiert, ob hohe Dosen CBD eventuell Embryonen, Spermien und Leber schädigen könnten.

    Was aber längst klar ist: Cannabisabhängigkeit ist eine Suchterkrankung und sollte auch als solche behandelt werden, beispielsweise mit einem klinischen Entzug und Verhaltenstherapie. Untersuchungen haben gezeigt, dass Veränderungen am Gehirn reversibel sind, wenn man den Konsum dauerhaft beendet. „Cannabis ist ein hochkomplexes Thema, bei dem wir mit unserem Wissen immer noch am Anfang stehen“, sagt PD Dr. Hoch. „Es liegt noch viel Arbeit vor uns.“

    Originalpublikation:
    Cannabis use and cannabis use disorder. Nat Rev Dis Primers 7, 17 (2021).
    https://doi.org/10.1038/s41572-021-00256-3

    Pressestelle des Klinikums der Universität München, 3.3.2021

  • THC-Konzentration steigt, CBD-Gehalt bleibt stabil

    „Ohne Samen“ – so lässt sich der Name der Cannabissorte Sinsemilla übersetzen. Ihre Blüten enthalten besonders viel vom Cannabiswirkstoff THC. Diese hochpotente Cannabissorte sei hauptsächlich verantwortlich für den Anstieg der THC-Konzentration in den letzten Jahrzehnten. Das ist eines der Ergebnisse einer Meta-Analyse unter der Leitung von Tom Freeman von der University of Bath.

    Das internationale Forschungsteam hat sämtliche Studien gesichtet, in denen die Wirkstoffkonzentration von Cannabis ermittelt wurde. Dabei ging es nicht nur um den Cannabiswirkstoff THC, der überwiegend für den Rausch verantwortlich ist. Auch der Anteil an Cannabidiol, das als CBD abgekürzt wird, stand im Fokus der Studie. Über 80.000 Cannabisproben, die über einen Zeitraum von 50 Jahren gesammelt wurden, sind in die Analyse eingegangen. Die meisten Cannabisproben stammen aus den USA, weitere aus dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden, Frankreich, Dänemark, Italien und Neuseeland.

    Marktanteil von hochpotentem Cannabis ist gestiegen

    Den Ergebnissen zufolge hat der THC-Anteil in Cannabisblüten zwischen 1970 und 2017 um 14 Prozent zugenommen. Allerdings sei diese Zunahme nicht so sehr auf einen generellen Anstieg des Wirkstoffgehalts zurückzuführen. Vielmehr habe der Marktanteil von hochpotentem Sinsemilla-Cannabis zugelegt. Der durchschnittliche Wirkstoffgehalt von Sinsemilla-Cannabis habe sich über die Jahre hingegen kaum verändert.

    Haschisch stärker als normales Gras

    Einen deutlichen Zuwachs der THC-Konzentration habe sich allerdings bei Haschisch abgezeichnet. Zwischen 1975 und 2017 sei der THC-Gehalt um 24 Prozent gestiegen. Das aus dem Harz der Cannabispflanze gewonnene Haschisch sei inzwischen stärker als normales Gras.

    Anteil an CBD unverändert

    Hingegen hat sich der Anteil an CBD über die Jahre nicht verändert. Somit hat sich das Verhältnis von THC zu CBD in Cannabis über die Jahre zugunsten von THC entwickelt. CBD wird selbst keine berauschende, aber eine antipsychotische, beruhigende Wirkung zugesprochen.

    „Traditionell enthielt Cannabisharz viel geringere Mengen an THC mit gleichen Mengen an CBD“, erklärt Co-Autor Sam Craft. „Die CBD-Konzentrationen sind stabil geblieben, während THC erheblich gestiegen ist, was bedeutet, dass es heute viel schädlicher ist als noch vor vielen Jahren.“

    Mehr gesundheitliche Probleme bei steigendem THC-Gehalt

    Diese Entwicklung bewertet das Forschungsteam als problematisch. Denn die Risiken des Cannabiskonsums würden mit hohem THC- und niedrigem CBD-Anteil steigen. So konnte in einer früheren Studie unter der Leitung von Tom Freeman nachgewiesen werden, dass mehr Menschen Hilfe wegen ihres Drogenkonsums in Anspruch nehmen, wenn die Wirkstoffkonzentration steigt. Insbesondere nehme das Risiko für eine Psychose beim Konsum von hochpotentem Cannabis zu.

    Erst kürzlich haben Ärztinnen und Ärzte des Universitätsklinikums Ulm von einer starken Zunahme an Cannabis-Psychosen zwischen 2011 und 2019 berichtet. Die Anzahl an Patientinnen und Patienten mit anderen psychiatrischen Erkrankungen habe sich hingegen nicht verändert. Eine mögliche Ursache für diese Entwicklung sei der zunehmende Konsum von hochpotentem Cannabis, aber auch von synthetischen Cannabinoiden. Mehr zur Ulmer Studie erfahren Sie hier.

    Quelle: www.drugcom.de, 30.12.2020
    Bild©renatas76 – stock.adobe.com

  • Leitfaden Sozialrecht 2021 erschienen

    Mit Beginn des neuen Jahres 2021 wurde der „Leitfaden Sozialrecht“ von Rüdiger Lenski überarbeitet. Der Leitfaden bietet eine Orientierungshilfe im Sozialrecht, insbesondere im Aus- und Fortbildungsbereich. Die aktuelle Version steht auf der Website des fdr+ zum Download zur Verfügung.

    Quelle: https://fdr-online.info/, 19.2.2021

  • Corona: Kinder in Berlin

    Die Pandemie hat auch in Berlin massive Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung von Minderjährigen. So hat sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die mit depressiven Episoden in Berliner Krankenhäusern stationär behandelt wurden, im 1. Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr mit einer Steigerung um 84 Prozent nahezu verdoppelt. Das zeigt eine aktuelle und repräsentative Sonderanalyse der DAK-Gesundheit, die die Universität Bielefeld erstellt hat. Volker Röttsches, Landeschef der DAK-Gesundheit in Berlin, sieht eine „besorgniserregende Entwicklung“.

    „Die gesellschaftlichen, schulischen, sozialen und familiären Belastungen durch die Corona-Pandemie wirken sich zunehmend negativ auf Kinder und Jugendliche aus. Wir beobachten immer mehr schwere Verläufe von Essstörungen, depressiven Erkrankungen und suizidalen Krisen bei Kindern und Jugendlichen, die entweder dem Druck und der Ungewissheit nicht standhalten oder auch zu spät Hilfe suchen“, sagt Professor Dr. med. Christoph Correll, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Charité Universitätsmedizin Berlin. „Zudem machen wir uns Sorgen, dass es in einem langanhaltend überlasteten familiären System auch zu häuslicher Gewalt kommen kann. In unserer COH-FIT Studie untersuchen wir die Auswirkungen der Pandemie auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Teilnehmer können uns helfen, bestmögliche Bewältigungsstrategien sowie Subgruppen mit größtem Unterstützungsbedarf zu identifizieren.“

    „Die Zunahme an stationären Behandlungen depressiver Episoden bei Kindern und Jugendlichen besorgt mich. Welchen Anteil daran Homeschooling und Kontaktbeschränkungen haben, muss noch weiter untersucht werden“, sagt Volker Röttsches, Leiter der Landesvertretung der DAK-Gesundheit in Berlin.

    Corona-Delle bei Krankenhausbehandlungen

    Die DAK-Sonderanalyse zeigt: Der Lockdown im März und April 2020 führte zu einer spürbaren Corona-Delle bei den Krankenhausbehandlungen. Im Vergleich zum Vorjahr fiel mehr als jede zweite Operation von Kindern und Jugendlichen aus (minus 59 Prozent). Knapp 15 Prozentpunkte mehr als im Bundesdurchschnitt (Rückgang von 45 Prozent). Insgesamt gingen die Krankenhausfälle in der Hauptstadt um rund 42 Prozent zurück. Dieser Effekt betraf alle Altersgruppen. Gründe für die Corona-Delle waren verschobene Behandlungen durch die Krankenhäuser und weniger Klinikbesuche aus Angst der Eltern vor Ansteckungen. Die stärksten Rückgänge gab es bei Magen-Darm- Entzündungen, Infektionen der oberen Atemwege sowie Mandel- und Lungenentzündungen. Durch die Entwicklung erwarten Mediziner jetzt einen Anstieg von schweren Verläufen bei chronischen Erkrankungen von Kindern.

    Corona-Delle ist deutliches Warnsignal

    „Die Corona-Delle bei den Kinder-Operationen und Behandlungszahlen ist ein deutliches Warnsignal“, betont Volker Röttsches. „Unser Gesundheitssystem muss Eltern und Kindern die Sicherheit geben, damit sie sich vertrauensvoll versorgen lassen können. Es darf nicht sein, dass notwendige Behandlungen aus Angst vor Ansteckungen verschoben werden. In der aktuellen Corona-Diskussion spielt die Kinder- und Jugendgesundheit eine zu geringe Rolle. Das müssen wir ändern, um langfristige Folgeschäden zu vermeiden.“

    Weniger Einweisungen mit Infektionskrankheiten

    Bei den Kindern und Jugendlichen, die während des ersten Lockdowns in Berlin stationär versorgt wurden, ging vor allem die Zahl der Magen- Darmentzündungen (minus 76 Prozent) und Infektionen der oberen Atemwege wie beispielsweise Hals- oder Rachenentzündungen (minus 60 Prozent) zurück. Mögliche Ursache sind laut Analyse der Universität Bielefeld die Kontaktbeschränkungen für Kinder und Jugendliche, wodurch es zu weniger Ansteckungen kam. So sanken auch die Krankenhausbehandlungen von chronischen Mandelentzündungen um 37 Prozent und Lungenentzündungen um 36 Prozent.

    Normalisierung acht Wochen nach Lockdown

    Laut DAK-Sonderanalyse war die Versorgungssituation der Kinder und Jugendlichen in Berliner Krankenhäusern acht Wochen nach dem Lockdown wieder mit dem Vorjahr vergleichbar. Dabei gab es jedoch je nach Erkrankungsart Unterschiede. So wurden Atemwegs- und Infektionserkrankungen – vermutlich aufgrund der anhaltenden Kontaktreduzierungen – auch Ende Juni noch deutlich seltener als im Vorjahr im Krankenhaus behandelt. Die Universität Bielefeld sah in den vorliegenden Daten des ersten Halbjahrs noch keinen Nachholeffekt, rechnet aber damit für das zweite Halbjahr 2020.

    Im Rahmen der DAK-Sonderanalyse untersuchte die Universität Bielefeld die anonymisierten Krankenhausdaten von mehr als 38.000 Berliner Kindern und Jugendlichen im Alter von null bis 17 Jahren, die bei der DAK- Gesundheit versichert sind. Untersucht und verglichen wurden die ersten Halbjahre 2019 und 2020.

    Die DAK-Gesundheit ist mit 5,6 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit.

    Pressestelle der DAK-Gesundheit, 16.2.2021

  • Corona: Kinder in Hessen

    Die Pandemie hat auch in Hessen massive Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung von Minderjährigen. Die Corona-Delle macht sich im Bereich der behandelten psychischen Erkrankungen im ersten Halbjahr 2020 besonders bemerkbar. Mit einem Rückgang von 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sind die Behandlungszahlen in Hessen stärker zurück gegangen als im Bundesdurchschnitt (minus 12 Prozent). Der Lockdown im März und April 2020 sorgte zudem für einen starken Einbruch von Krankenhausbehandlungen und Operationen bei Kindern und Jugendlichen. So fiel mehr als jede dritte Kinder-Operation aus (Rückgang 39 Prozent). Das zeigt eine aktuelle und repräsentative Sonderanalyse der DAK-Gesundheit, die die Universität Bielefeld erstellt hat. Gründe für die Corona-Delle waren verschobene Behandlungen durch die Krankenhäuser und weniger Klinikbesuche aus Angst der Eltern vor Ansteckungen. Die stärksten Rückgänge gab es bei Infektionen, Krankheiten der Atemwege und des Verdauungssystems. Durch die Entwicklung erwarten Mediziner jetzt einen Anstieg von schweren Verläufen bei chronischen Erkrankungen von Kindern. Sötkin Geitner, Landeschefin der DAK-Gesundheit in Hessen, sieht ein „deutliches Warnsignal“.

    Im Rahmen der DAK-Sonderanalyse untersuchte die Universität Bielefeld die anonymisierten Krankenhausdaten von mehr als 85.000 Kindern und Jugendlichen aus Hessen im Alter von null bis 17 Jahren, die bei der DAK- Gesundheit versichert sind. Untersucht und verglichen wurden die ersten Halbjahre 2019 und 2020. Kernergebnisse: Im ersten Halbjahr 2020 gab es fast ein Fünftel weniger behandelte psychische Erkrankungen (minus 19 Prozent). Der Lockdown im März und April 2020 sorgte zudem für einen Rückgang von Krankenhausbehandlungen (minus 38 Prozent) und Operationen (minus 39 Prozent) bei Minderjährigen. Dieser Effekt betraf alle Altersgruppen. Liegt der Rückgang der Erkrankungsfälle und Operationen während des Lockdowns unterhalb des Bundesdurchschnittes, wurde in Hessen ein überdurchschnittlich hoher Rückgang der Behandlungsfälle mit psychischen Erkrankungen beobachtet.

    Psychische Erkrankungen müssen zeitnah behandelt werden

    „Auf den ersten Blick wirkt der Rückgang der Behandlungen von psychischen Erkrankungen in Hessen wie eine erfreuliche Nachricht“, so Sötkin Geitner, hessische Landeschefin der DAK-Gesundheit. „Auf den zweiten Blick wird jedoch klar: Weniger Behandlungen psychischer Erkrankungen bedeutet nicht automatisch, dass es im Frühjahrs-Lockdown weniger psychische Leiden hessischer Kinder gab. Es drängt sich vielmehr die Vermutung auf, dass viele psychische Leiden von Kindern im Frühjahrs-Lockdown einfach nicht behandelt wurden. Psychische Erkrankungen sind ernst zu nehmen und das Versäumen von ärztlicher Behandlung kann weitreichende Folgen haben. Eltern sollten hier nicht nachlässig sein und womöglich aus Angst vor einer Ansteckung notwendige Behandlungen verschieben. Die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen hat einen hohen Stellenwert. Unser Gesundheitssystem muss Eltern und Kindern in Hessen Sicherheit geben, damit sie sich vertrauensvoll versorgen lassen können.“

    Kindermediziner erleben mehr schwere Krankheitsverläufe

    Experten weisen darauf hin, dass im Frühjahrs-Lockdown in den Krankenhäusern viele nicht dringende stationäre und ambulante Behandlungen drastisch oder vollständig eingestellt wurden. Aus Angst vor Ansteckung wurden aber auch viele notwendige Untersuchungen nicht oder sehr spät durch die Eltern und Sorgeberechtigten veranlasst. Dies hatte zur Folge, dass in den Krankenhäusern vermehrt schwere und komplizierte Verläufe bei chronischen Erkrankungen, wie Diabetes melllitus, oder auch schwerwiegenden Neuerkrankungen beobachtet wurden.

    „Unbestritten ist, dass der Lockdown und die Corona-Pandemie deutliche negative Folgen für die Psyche und körperliche Gesundheit der Kinder und Jugendlichen haben werden“, sagt Geitner. „Vor allem die Zunahme von schweren Verläufen bei chronischen Krankheiten ist ein deutliches Warnsignal. In der aktuellen Corona-Diskussion in Hessen spielt die Kinder- und Jugendgesundheit eine zu geringe Rolle. Das müssen wir ändern, um langfristige Folgeschäden zu vermeiden.“

    Fast halb so viele Einweisungen mit Infektionskrankheiten

    Bei den Kindern und Jugendlichen, die während des ersten Halbjahres 2020 stationär versorgt wurden, ging vor allem die Zahl der Infektionskrankheiten (minus 46 Prozent) und Atemwegserkrankungen (minus 26 Prozent) zurück. Ursache waren laut Analyse der Universität Bielefeld die Kontaktbeschränkungen für Kinder und Jugendliche, wodurch es zu weniger Ansteckungen kam. So wurden beispielsweise 58 Prozent weniger Fälle mit virusbedingten Darminfektionen behandelt. Mit halb so vielen stationären Behandlungen wie noch im Vorjahr waren auch akute Mandelentzündungen (minus 50 Prozent) und Magen-Darm-Entzündungen (minus 49 Prozent) stark rückläufig. Bei ernsthaften Diagnosen wie Krebserkrankungen gab es keinen Rückgang.

    Normalisierung acht Wochen nach Lockdown

    Laut DAK-Sonderanalyse war die Versorgungssituation der Kinder und Jugendlichen in hessischen Krankenhäusern acht Wochen nach dem Lockdown wieder mit dem Vorjahr vergleichbar. Dabei gab es jedoch je nach Erkrankungsart Unterschiede. So wurden Atemwegs- und Infektionserkrankungen – vermutlich aufgrund der anhaltenden Kontaktreduzierungen – auch Ende Juni noch deutlich seltener als im Vorjahr im Krankenhaus behandelt. Die Universität Bielefeld sah in den vorliegenden Daten des ersten Halbjahrs noch keinen Nachholeffekt, rechnet aber damit für das zweite Halbjahr 2020.

    Die DAK-Gesundheit ist mit 5,6 Millionen Versicherten die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands und engagiert sich besonders für Kinder- und Jugendgesundheit.

    Pressestelle der DAK-Gesundheit, 15.2.2021

  • 17. Deutscher Reha-Tag

    Der Deutsche Reha-Tag findet jedes Jahr rund um den vierten Samstag im September statt. Die bundesweite Auftaktveranstaltung 2020 musste aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden und findet nun als digitaler Reha-Fachkongress am 24. Februar 2021 statt. Vorträge, Diskussionen und Workshops rücken psychische Erkrankungen bei der geriatrischen, neurologischen, psychosomatischen und suchtspezifischen Rehabilitation in den Fokus. Die Alexianer Krefeld GmbH hat die Programmplanung sowie Organisation und Durchführung der ganztägigen Veranstaltung übernommen.

    Die Zahlen von Erwerbsunfähigkeit und Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund von psychischen Beeinträchtigungen steigen. Experten aus Wissenschaft und Forschung gehen bereits jetzt von der Annahme aus, dass in Folge der Corona-Pandemie die Zahl psychischer und psychosomatischer Erkrankungen sogar weiter ansteigen wird.

    „Umso wichtiger ist es, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie eine Rehabilitation zu einer umfassenden Teilhabe beitragen kann. Eine frühe Diagnose und eine entsprechende Therapie können den Patienten dabei helfen, möglichst aktiv wieder am Leben teilzunehmen. Inzwischen gibt es zahlreiche und unterschiedliche Therapieangebote“, so Peter Weiß, MdB, Schirmherr des 17. Deutschen Reha-Tages und Vorsitzender der Aktion Psychisch Kranke in seinem Grußwort.

    Die Alexianer Krefeld GmbH mit ihren Rehabilitationszentren am Standort in Krefeld gehört zu den Spezialanbietern, die mit passgenauen Reha-Maßnahmen Patientinnen und Patienten bei der Bewältigung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen unterstützen. Ein besonderes Merkmal des Standortes Krefeld ist die Verknüpfung von Krankenhausakutbehandlungen mit einer sektorenübergreifenden Fallsteuerung in die medizinische und berufliche Rehabilitation sowie in die Eingliederungshilfe.

    Wie kann die Rehabilitation zur Bewältigung psychischer Beeinträchtigungen und zur Sicherung einer umfassenden Teilhabe beitragen? Dieser zentralen Frage gehen Experten aus Politik, Wissenschaft und Praxis nach. Referenten sind – neben Heinz-Josef Kessmann, Diözesancaritasdirektor, und Schirmherr Peter Weiß MdB, die das Grußwort sprechen – Prof. Dr. Robert Bering, Chefarzt der Rehabilitationsklinik für Psychotraumatologie, Krankenhaus Maria-Hilf, Alexianer Krefeld GmbH, sowie Dr. Matthias Franz, Hauptreferent Klinisches Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Düsseldorf. Im Workshop „Sucht und Komorbidität“ wird buss-Vorsitzende Dr. Wibke Voigt ein Impulsreferat über Sucht und Trauma halten.

    Die Themen von Fachvorträgen, Impulsreferaten und Workshops widmen sich den aktuellen Herausforderungen, Lösungsansätzen und Perspektiven zur Sicherung der beruflichen Teilhabe von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen.

    Der jährlich stattfindende Deutsche Reha-Tag ist ein Aktionsbündnis von mehr als 20 Institutionen, Organisationen und Verbänden aus allen Bereichen der Rehabilitation. Rund um den vierten Samstag im September werden gemeinsame Botschaften vertreten. Zum Kreis des Aktionsbündnisses gehören das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie Betroffenenverbände, Leistungsträger und Leistungserbringer. Informationen über die aktuelle Zusammensetzung unter www.rehatag.de.

    Quelle: Presseinformation des Deutschen Reha-Tages, 16.2.2021