Kategorie: Kurzmeldungen

  • Corona – Beschleuniger virtuellen Arbeitens?

    Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO hat gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) im Zeitraum vom 5. bis zum 22. Mai 2020 die Einflüsse virtueller Arbeit, insbesondere dem Homeoffice, auf die Unternehmenspraxis untersucht und die Ergebnisse in der Studie „Arbeiten in der Corona-Pandemie – Auf dem Weg zum New Normal“ zusammengefasst. Die Studie wurde am 9. Juli 2020 veröffentlicht.

    In einer gemeinsam angelegten Studie haben das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und die Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) die Auswirkungen, Chancen und Erfahrungen virtueller Arbeitsformen in der Corona-Pandemie analysiert. An der Befragung nahmen über 500 Unternehmen teil. Im Fokus der Studie standen Fragen nach den Veränderungen der Arbeitsorganisation, der Bewältigung von Kundenkontakten sowie technischen Herausforderungen für Mitarbeitende und Unternehmen. Im Vordergrund stand darüber hinaus die Einschätzung der Unternehmen dazu, wie es im „New Normal“ weitergehen kann und welche technischen, kulturellen sowie führungsseitigen Voraussetzungen hierfür noch geschaffen werden müssen.

    „Die Ergebnisse sind beeindruckend“, sagt die Studienleiterin Dr. Josephine Hofmann vom Fraunhofer IAO. „Wir erleben ein großflächiges, bundesweites Experiment der Digitalisierung von Arbeit und Kooperation, dessen Veränderungsgeschwindigkeit bis vor kurzem noch undenkbar erschien. Besonders bemerkenswert finde ich das agile, schnelle Vorgehen in den Unternehmen und den Mut, Neues, auch notgedrungen, schnell umzusetzen“, ergänzt Hofmann.

    70 Prozent im Homeoffice – das „New Normal“ zu Corona-Zeiten

    Besonders die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Umsetzung von Arbeit auf Distanz sind hoch. Fast 70 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Angestellten in der Corona-Phase komplett im Homeoffice arbeiten. Bei gut 21 Prozent wird das Modell einer 50:50-Aufteilung gewählt. Vor der Corona-Krise war der Anteil der daheim arbeitenden Mitarbeitenden deutlich geringer. Auch Geschäftsreisen und Kundenveranstaltungen wurden weitgehend virtualisiert und mit digitalen Formaten abgewickelt. Gleiches gilt für zentrale Personalprozesse, die bisher fast ausschließlich in physischer Präsenz abgewickelt wurden, wie z. B. Bewerber- und Einstellungsgespräche. 57 Prozent gaben an, die Gespräche erstmalig virtuell durchzuführen. Bei Mitarbeitergesprächen lag der Anteil bei 62 Prozent und beim Kundendialog bei 72 Prozent. „Die Zahlen veranschaulichen, welchen großen Einfluss Corona nicht nur auf das zwischenmenschliche Miteinander hat, sondern auch auf die Unternehmenswelt. Die digitale Transformation in Arbeitsprozessen hat einen gewaltigen Schub bekommen“, erklärt Kai Helfritz von der DGFP. „Das ›New Normal‹ oder auch das ›New Different‹ wird in einem deutlich höheren Maß von einem Nebeneinander virtueller und im Büro stattfindenden Arbeits- und Kooperationsformen gekennzeichnet sein“, ergänzt Josephine Hofmann.

    47 Prozent der Befragten haben bestätigt, dass gerade Führungskräfte Vorbehalte abgebaut haben. Erwartungsgemäß hat die Studie auch klare Nachbesserungspotenziale sichtbar gemacht: bei Führung über Distanz, beim Management von Entgrenzung aber auch bei technischen Themen wie digitale Signaturen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Arbeits- und Kooperationsprozesse insgesamt deutlich stärker virtualisierbar sind, als bisher angenommen.

    Die Studie steht ab sofort kostenlos im Internet zur Verfügung. Das Fraunhofer IAO bietet Unternehmen oder Organisationen darüber hinaus eine individuelle Bestandsaufnahme an. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befragen darin Mitarbeitende und Führungskräfte systematisch nach ihrer Einschätzung und werten die Ergebnisse organisationsspezifisch für die strategische Planung des beauftragenden Unternehmens aus. Interessierte Unternehmen können sich bei Interesse direkt an Dr. Josephine Hofmann wenden.

    Originalpublikation:
    Hofmann, Josephine; Piele, Alexander; Piele, Christian: Arbeiten in der Corona-Pandemie– Auf dem Weg zum New Normal. Studie des Fraunhofer IAO in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung DGFP e.V. http://publica.fraunhofer.de/dokumente/N-593445.html

    Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, 09.07.2020

  • Weiterbildung in Suchttherapie und Sozialmanagement in der Suchthilfe

    Foto: Frankfurt UAS/Kevin Rupp

    Der berufsbegleitende Master-Studiengang „Suchttherapie und Sozialmanagement in der Suchthilfe“ an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) startet im Wintersemester 2020/21 mit dem dritten Jahrgang. Das Besondere an diesem Studiengang des Fachbereichs Soziale Arbeit und Gesundheit ist die integrierte suchttherapeutische Weiterbildung, wahlweise psychoanalytisch oder verhaltenstherapeutisch. Die Frankfurt UAS kooperiert dazu mit dem Gesamtverband für Suchthilfe e.V. (GVS) – Fachverband der Diakonie Deutschland, einem erfahrenen Anbieter für außerhochschulische Weiterbildungen zur Suchttherapeutin bzw. zum Suchttherapeuten. Die Absolventinnen und Absolventen erhalten nach erfolgreichem Studium der Therapie-Module neben dem Master-Abschluss zusätzlich einen von der Deutschen Rentenversicherung Bund anerkannten Abschluss als Suchttherapeut/-in (psychoanalytisch oder verhaltenstherapeutisch). Die Bewerbung ist möglich bis zum 31. Juli 2020.

    Der Studiengang wurde auf der Grundlage einer intensiven Bedarfserhebung in der Suchthilfe und im regelmäßigen Austausch mit führenden Fachkräften aus der Praxis entwickelt und im Wintersemester 2015/16 an der Frankfurt UAS zum ersten Mal angeboten.

    Zum Masterstudium zugelassen werden kann, wer über einen einschlägigen Studienabschluss in Medizin, Psychologie, Sozialpädagogik oder Sozialer Arbeit (mit staatlicher Anerkennung) verfügt, mindestens 19,5 Wochenstunden in einer Einrichtung der Medizinischen Rehabilitation abhängigkeitskranker Menschen arbeitet, mindestens ein Jahr Berufserfahrung in der Suchthilfe vorweisen und kontinuierliche Einzel- oder Gruppenbehandlung durchführen kann.

    Der Studiengang mit einer Regelstudienzeit von sechs Semestern (Teilzeit) ist als akademische Weiterbildung kostenpflichtig, die Gebühren für das gesamte Studium betragen 14.800 Euro. Details zum Studiengang und zu den Zulassungsvoraussetzungen unter: www.frankfurt-university.de/suma

    Master-Studiengang Suchttherapie und Sozialmanagement in der Suchthilfe (M.A.)
    Studienbeginn: neuer Jahrgang ab Wintersemester 2020/21
    Bewerbungsfrist WS 2020/21: bis 31.07.2020
    Regelstudienzeit: 6 Semester Teilzeit
    Informationen zum Studiengang: www.frankfurt-university.de/suma

    Kontakt:
    Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit
    Prof. Dr. Heino Stöver, Telefon: 069/1533-2823, E-Mail: hstoever@fb4.fra-uas.de

    Pressestelle der Frankfurt University of Applied Sciences, 30.06.2020

  • Studie zur Verschreibung von Medikamenten mit Abhängigkeitspotential

    Das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS) und das Universitätsklinikum Hamburg, Eppendorf, Klinik für Psychiatrie, haben die Verschreibung von Medikamenten mit erwiesenem Abhängigkeitspotential und von Antidepressiva untersucht. Dabei gingen die Forscher folgenden Fragen nach: Wie oft und in welchen Dosierungen werden diese Medikamente über lange Zeiträume hinweg verordnet? Verändert sich im Laufe der Zeit die Häufigkeit der Langzeitverordnungen? Welche Patientengruppen sind anfällig für Medikamentenmissbrauch oder ‑abhängigkeit? Orientieren sich Ärztinnen und Ärzte bei der Verschreibung der Medikamente an den Empfehlungen der gängigen Leitlinien?

    Der Ergebnisbericht des Projektes „ProMeKa – Ausmaß und Trends der problematischen Medikation von Benzodiazepinen, Z-Substanzen, Opioid-Analgetika und Antidepressiva bei Kassenpatienten“, das durch den Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss gefördert wurde, liegt nun vor und kann auf der Website des Innovationsausschusses heruntergeladen werden.

    Aus dem Bericht:

    1. Zusammenfassung

    1.1 Hintergrund

    In Deutschland sind 1,4 bis 2,3 Millionen Menschen von Medikamenten abhängig. Beim weit überwiegenden Teil sind Benzodiazepine [BZD] bzw. Z-Substanzen [ZS] oder Opioid-Analgetika [OA] beteiligt. Probleme mit BZD/ZS finden sich insbesondere in den höheren Alterskohorten, wobei ein erheblicher Anteil dieser Personen diese Medikamente in geringen Dosen über viele Jahre einnimmt. Bei OA stellen insbesondere Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen eine Risikogruppe dar. Allerdings werden diese Medikamente auch von (jüngeren) Personen missbräuchlich konsumiert, um euphorische Rauschzustände zu erzielen. Laut Arzneiverordnungsreport sind die verschriebenen Tagesdosen von Antidepressiva [AD] in den zurückliegenden Jahren stetig gestiegen. Gleiches gilt für die Prävalenz der Einnahme dieser Medikamente. Zu den Ursachen des als epidemisch zu bezeichnenden Gebrauchs von Antidepressiva liegen bisher keine belastbaren Befunde vor.

    1.2 Methodik

    Auf Basis der Daten des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ/AVN), welches eine Abdeckungsquote von über 80 Prozent aller Apotheken in Norddeutschland erreicht, werden die auf Kassenrezepten dokumentierten Verschreibungen von BZD, ZS, OA und AD personenbezogen ausgewertet. Es werden die Prävalenz des Gebrauchs sowie der Langzeiteinnahme dieser Medikamente in der Bevölkerung bestimmt und Befunde zu spezifischen Risikogruppen dargestellt

    1.3 Ergebnisse

    Die Prävalenz der Einnahme von (kassenärztlich verschriebenen) BZD und ZS nimmt zwischen 2011 und 2015 stetig leicht ab. Auch hinsichtlich der durchschnittlichen Dauer der Einnahme und der eingenommenen Wirkstoffmenge ist eine Verringerung erkennbar. Frauen nehmen anteilsbezogen diese beiden Medikamente deutlich häufiger ein als Männer. Die Dauer der Einnahme wie auch die Wirkstoffmenge ist bei den älteren Patientinnen und Patienten am höchsten. Gleichzeitig zeigt sich für diese Patientengruppe eine überdurchschnittliche Reduktion von Einnahmedauer und -menge. 2015 erhielt jeweils nahezu ein Fünftel der Personen, die mit BZD bzw. ZS behandelt wurden, diese Medikamente (mindestens) ganzjährig. Der Anteil an Patientinnen und Patienten mit leitliniengerechten Verschreibungen (unter zwei Monaten) von BZD oder ZS ist aber im zeitlichen Verlauf steigend. Problematische Verschreibungsmuster, die auf Missbrauch oder Abhängigkeit deuten, gehen dementsprechend zurück (2011: 30,0 Prozent; 2015: 27,1 Prozent). Ein Teil der Patientinnen und Patienten praktiziert so genanntes Ärztehopping, d. h., sie lassen sich innerhalb eines Beobachtungsjahres von mindestens drei verschiedenen Ärzten Medikamente mit dem jeweils zu untersuchenden Wirkstoff verschreiben. Mit Blick auf die BZD-/ZS-Patienten lässt sich ein solches Verhalten insbesondere bei der Hochrisikogruppe (>6 Monate Dauer & >1 DDD/pro Tag) feststellen.

    Die Zahl der Personen, die zwischen 2011 bis 2016 ein OA verschrieben bekamen, steigt leicht an (2011: 4,5 Prozent; 2016: 4,9 Prozent). Die Prävalenz erhöht sich mit dem Alter der Patientinnen und Patienten stetig. Bei den Älteren ist sowohl die mittlere Einnahmedauer als auch die eingenommene Wirkstoffmenge erhöht. Im Fünf-Jahres-Verlauf sind diesbezüglich nur geringfügige Veränderungen festzustellen. Die überwiegende Mehrzahl der Erstverordnungen von OA an Nicht-Tumorschmerzpatienten geht auf die schwächer wirkenden Medikamente der WHO-Stufe II zurück. Bemerkenswert ist, dass ein Fünftel der Schmerzpatienten ihre Behandlung mit einem stark wirksamen Stufe-III-Medikament beginnen. „Ärztehopping“ war bzgl. der OA insbesondere unter den Langzeiteinnehmern mit Tagesdosen von mehr als 1 DDD zu finden.

    Die Prävalenz der Patientinnen und Patienten, die AD verschrieben bekommen haben, steigt zwischen 2011 und 2012 von 7,5 Prozent auf 8,0 Prozent an und stagniert in den nachfolgenden Jahren bei 8,0 Prozent. Etwas mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer erhielten in dem untersuchten Zeitraum AD. Auch bezüglich dieses Medikamentes zeigt sich ein bedeutsamer Zusammenhang zwischen Prävalenz und Alter. Die durchschnittliche Einnahmedauer sowie die eingenommene Wirkstoffmenge nehmen seit 2012 stetig zu.

    1.4 Diskussion

    Hinsichtlich des immer noch häufig vorzufindenden Langzeitgebrauchs von BZD bedarf es weiterer Aufklärung – insbesondere der älteren Patientinnen und Patienten – hinsichtlich der Risiken und alternativer Behandlungsformen sowie Schulungen des Personals in medizinischen und geriatrischen Einrichtungen. Mit Blick auf die vorliegenden Studienergebnisse zu den OA lässt sich festhalten, dass ein epidemischer Gebrauch in Deutschland aktuell nicht zu erkennen ist. Aufmerken lässt dennoch die Zunahme der OA-Langzeitverschreibungen. Während solche langen Behandlungszeiträume bei Tumorpatienten in der Regel notwendig sein dürften, besteht nur bei wenigen anderen Erkrankungen eine Indikation für Behandlungen, die über ein halbes Jahr hinausgehen. Bzgl. der AD konnte die Annahme, dass die Steigerungen der Prävalenz und der Dosis z. T. durch eine Substitutionsfunktion der AD (als Ersatz für Schlaf-/Beruhigungs- oder Schmerzmittel) erklärbar seien, mittels der durchgeführten Analysen nicht bestätigt werden. Somit bleibt weiterhin unklar, worauf diese Zuwächse zurückzuführen sind.

    Redaktion KONTUREN, 08.07.2020

  • Highlights aus dem EU-Drogenmarktbericht für Politik und Praxis 2019

    Mit dem EU-Drogenmarktbericht 2019 haben die EU-Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) und Europol im November 2019 zum dritten Mal einen aktuellen Überblick über den europäischen Markt für illegale Drogen geliefert. Daraus geht zum Beispiel hervor, dass die europäische Bevölkerung mindestens 30 Milliarden Euro jedes Jahr auf Endverbraucherebene für Drogen ausgibt, womit der Drogenmarkt eine Haupteinnahmequelle für kriminelle Organisationen in der Europäischen Union ist. Etwa zwei Fünftel des Gesamtvolumens (39 Prozent) entfallen auf Cannabis, 31 Prozent auf Kokain, 25 Prozent auf Heroin und fünf Prozent auf Amphetamine und MDMA.

    Diese und weitere Highlights aus dem ursprünglich auf Englisch veröffentlichten Bericht wurden nun in einem Kurzbericht zusammengefasst, der in verschiedenen Sprachen, u.a. auch auf Deutsch, zum Download zur Verfügung steht: https://www.emcdda.europa.eu/publications/joint-publications/highlights-eu-drug-markets-report

    Quelle: EMCDDA-Newsletter, Drugnet Europe: monthly news round-up (May 2020), 29.05.2020

  • Schleierhafte Dampfwolken

    E-Zigaretten sind modern, gelten bei vielen als cool und im Vergleich zu herkömmlichen Tabakzigaretten als weniger gesundheitsschädlich. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat die Alternative zum Rauchen geprüft. Das Ergebnis: E-Zigaretten sind nicht harmlos. „Viele der verwendeten Inhaltsstoffe sind nicht ausreichend untersucht“, sagt der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. „Wie sich etwa Verdampfungsmittel in den Liquids von E-Zigaretten, über Jahre eingeatmet, auf die Gesundheit auswirken, ist noch unbekannt.“ Die Erforschung der gesundheitlichen Risiken des „Dampfens“ ist Schwerpunktthema in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins BfR2GO. Weitere Themen im Heft: Coronaviren in Lebensmitteln, Gift im Fisch, krankmachende Bakterien in Rohmilch, Verbraucherkonferenz zu Genome Editing, Bio-Pflanzenschutzmittel und Biorhythmen von Zellen.

    Download der aktuellen Ausgabe BfR2GO 1/2020:
    https://www.bfr.bund.de/cm/350/bfr-2-go-ausgabe-1-2020.pdf

    Die Gesundheitsgefahr, die von einer E-Zigarette ausgeht, ist bei bestimmungsgemäßem Gebrauch im Vergleich zur herkömmlichen Zigarette kleiner. Der Grund: Im Dampf sind weniger krebserzeugende Stoffe enthalten als im Rauch der Tabakzigarette. Das Gesundheitsrisiko von E-Zigaretten allgemein zu bewerten, ist jedoch angesichts der Vielfalt an Modellen und Liquids schwierig. Am BfR werden die Inhaltsstoffe von E-Zigaretten-Liquids untersucht. Dabei wird geprüft, welche Substanzen beim Verdampfen entstehen können: etwa Acrolein, Acetaldehyd oder das krebserzeugende Formaldehyd. Außerdem enthält der Dampf der E-Zigaretten in der Regel gesundheitsschädliches Nikotin, das abhängig macht. Das Wissenschaftsmagazin BfR2GO zeigt die Funktionsweise üblicher E-Zigarettenmodelle und erklärt die gesundheitlichen Risiken verunreinigter oder selbstgemischter Liquids.

    Das Wissenschaftsmagazin BfR2GO erscheint zweimal im Jahr in deutscher und englischer Sprache. Es wird auf der BfR-Webseite veröffentlicht und kann von dort kostenlos heruntergeladen oder direkt bestellt werden. Darüber hinaus können sich Interessentinnen und Interessenten für ein kostenloses Abonnement anmelden.

    Über das BfR
    Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.

    Pressestelle des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), 10.06.2020

  • „Liebeshormon“ Oxytocin kann auch Aggression verstärken

    Kooperation oder Konfrontation? Oxytocin kann beides verstärken. Quelle: Weizmann-Institut für Wissenschaften

    Während der Pandemie-Einschränkungen waren Paare gezwungen, Tage und Wochen miteinander zu verbringen – einige haben dabei ihre Liebe wiedergefunden, andere sind wohl mittlerweile auf dem Weg zum Scheidungsrichter. Oxytocin, ein Peptid, das im Gehirn produziert wird, spielte dabei möglicherweise eine Rolle: Als Neuromodulator kann es positive Gefühle verstärken, das ist bekannt. Neu ist: Es kann auch Aggressionen auslösen. Diese Schlussfolgerung ziehen Wissenschaftler des Weizmann-Instituts für Wissenschaft. Gemeinsam mit Kollegen des Münchner Max-Planck-Instituts für Psychiatrie haben sie die Oxytocin-produzierenden Gehirnzellen von Mäusen, die unter halbnatürlichen Bedingungen leben, manipuliert und untersucht. Die in der Zeitschrift „Neuron“ veröffentlichten Ergebnisse könnten ein neues Licht auf die Oxytocin-Behandlung verschiedener psychiatrischer Erkrankungen von sozialer Angst und Autismus bis hin zu Schizophrenie werfen.

    Viel Wissen zur Wirkung von Neuromodulatoren wie Oxytocin stammt aus Verhaltensstudien an Labortieren unter Standardlaborbedingungen: Alle Parameter sind streng kontrolliert und künstlich. Eine Reihe neuerer Studien legt jedoch nahe, dass die Aktivitäten einer Maus in einer halbnatürlichen Umgebung viel mehr über ihr natürliches Verhalten aussagen, insbesondere wenn die Erkenntnisse auf den Menschen übertragen werden sollen.

    Das Team um den Neurobiologen Alon Chen hat einen Versuchsaufbau geschaffen, der es möglich macht, Mäuse in einer Umgebung zu beobachten, die ihren natürlichen Lebensbedingungen ähnlicher ist. Acht Jahre lang hat das Team an der Studie gearbeitet: Tag und Nacht haben die Wissenschaftler die Aktivität der Nagetiere mit Kameras überwacht und computergestützt analysiert. Neu war dabei vor allem die Nutzung der Optogenetik und einer eigens entwickelten, implantierbaren Vorrichtung, die es ermöglichte, bestimmte Nervenzellen im Gehirn ferngesteuert mit Hilfe von Licht an- oder auszuschalten. So konnten sie das Verhalten der Mäuse verfolgen und gleichzeitig ihre Hirnfunktionen analysieren.

    Das „Liebeshormon“ stand schon länger im Verdacht, nicht nur positive Gefühle zu vermitteln, sondern eher die Wahrnehmung sozialer Signale zu verstärken und damit, je nach dem individuellen Charakter und der Umgebung, auch sozial auffälliges Verhalten zu begünstigen. Für die Studie nutzten die Forscher Mäuse, bei denen sie die Oxytocin-produzierenden Zellen im Hypothalamus sanft aktivieren konnten.

    Oxytocin kann antagonistische Verhaltensweisen bewirken

    In der halbnatürlichen Umgebung zeigten die Tiere zunächst ein verstärktes Interesse aneinander, schnell jedoch kam zunehmend aggressives Verhalten hinzu. Im Gegensatz dazu führte die zunehmende Oxytocinproduktion bei den Mäusen unter klassischen Laborbedingungen zu einer verminderten Aggression. In einem rein männlichen, natürlichen sozialen Umfeld wäre ein aggressives Verhalten zu erwarten, wenn die Tiere um Territorium oder Nahrung konkurrieren. Das heißt, die sozialen Bedingungen sind förderlich für Konkurrenz und Aggression. Eine andere soziale Situation, wie die Standardlaborbedingungen, führt dagegen zu einer anderen Wirkung des Oxytocins.

    Wenn das „Liebeshormon“ also eher ein „soziales Hormon“ ist, was bedeutet das für seine pharmazeutische Anwendung? Seine Wirkungen hängen sowohl vom Kontext als auch von der Persönlichkeit ab. Dies impliziert, dass für den therapeutischen Einsatz eine sehr viel differenziertere Sichtweise erforderlich ist. Die Komplexität von Verhalten kann man nur verstehen, wenn man es in einer komplexen Umgebung untersucht. Erst dann können Erkenntnisse auf das menschliche Verhalten übertragen werden.

    Die Forschung von Prof. Alon Chen wird unterstützt durch das Ruhman Family Laboratory for Research in the Neurobiology of Stress, die Perlman Family Foundation, gegründet von Louis L. und Anita M. Perlman, die Fondation Adelis, Bruno Licht und Sonia T. Marschak. Prof. Chen ist der Inhaber des Vera und John Schwartz Lehrstuhls für Neurobiologie.

    Die Forschung von Prof. Ofer Yizhar wird unterstützt durch das Ilse Katz Institut für Materialwissenschaften und Magnetresonanzforschung, den Adelis Brain Research Award und das Paul und Lucie Schwartz, Georges und Vera Gersen Laboratorium.

    Originalpublikation:
    https://doi.org/10.1016/j.neuron.2020.05.028

    Pressestelle des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, 15.06.2020
    Quelle: Weizmann-Institut für Wissenschafte

  • Alkoholkonsum früh ansprechen

    Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat in Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer einen neuen Leitfaden zum Thema Alkoholkonsum entwickelt. Der Leitfaden unterstützt Ärztinnen und Ärzte dabei, Gespräche zum Thema Alkohol mit Patientinnen und Patienten so zu führen, dass diese sich gut beraten fühlen. Unter dem Titel „Alkoholkonsum bei Patientinnen und Patienten ansprechen. Ärztliches Manual zur Prävention und Behandlung von riskantem, schädlichem und abhängigem Konsum“ ist der Leitfaden ab sofort kostenfrei bei der BZgA bestellbar.

    Dr. med. (I) Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, sagt: „Hausärztinnen und Hausärzte sind oft der erste Ansprechpartner für ihre Patienten. Sie können daher einen riskanten Alkoholkonsum frühzeitig erkennen. Hausärztliche Kurzinterventionen führen in vielen Fällen zu einer deutlichen Senkung des Alkoholkonsums. Allerdings spielt bei einem so sensiblen Thema die richtige Ansprache eine entscheidende Rolle. Hier ist viel ärztliches Fingerspitzengefühl gefragt. Der Leitfaden leistet dabei eine wichtige Hilfestellung.“

    Das neue Beratungsmaterial richtet sich an niedergelassene und klinisch tätige Ärztinnen und Ärzte. Alle Inhalte basieren auf den Empfehlungen der wissenschaftlichen S3-Leitlinie „Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen” der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (Juli 2014). In aufeinander aufbauenden Kapiteln informiert der Leitfaden darüber, was risikoarmer, riskanter beziehungsweise schädlicher und abhängiger Alkoholkonsum ist und wie ärztliche Diagnosen gestellt werden können. Er gibt Empfehlungen und Hinweise für eine ärztliche Kurzintervention, um das Alkoholkonsumverhalten bei den Patientinnen und Patienten positiv zu beeinflussen.

    Den Leitfaden ergänzend bietet die BZgA ein Faltblatt mit wesentlichen Informationen: „Alkoholkonsum bei Patientinnen und Patienten ansprechen. Auszüge aus dem ärztlichen Manual“.

    Der Leitfaden und das Faltblatt wurden im Rahmen der BZgA-Erwachsenenkampagne „Alkohol? Kenn dein Limit.“ und in enger Kooperation mit der Bundesärztekammer entwickelt. Es handelt sich um eine vollständige Aktualisierung und Überarbeitung der „Kurzintervention bei Patienten mit Alkoholproblemen“ aus dem Jahr 2009.

    Bestellung der kostenfreien BZgA-Informationsmaterialien:
    Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 50819 Köln
    E-Mail: bestellung@bzga.de
    Fax: 0221/8992257
    www.bzga.de/infomaterialien/

    Gemeinsame Pressemitteilung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und der Bundesärztekammer, 19.05.2020

  • Suchtreha während der SARS-CoV-2-Pandemie sicher durchführen

    Der Deutsche Bundesverband der Chefärztinnen und Chefärzte von Suchtfachkliniken (DBCS) und die Deutsche Suchtmedizinische Gesellschaft (DSMG) haben in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Empfehlungen zur sicheren Durchführung stationärer medizinischer Rehabilitation Sucht während der SARS-CoV-2-Pandemie erarbeitet.

    Die beteiligten leitenden Ärztinnen und Ärzte stellen in ihren Empfehlungen die zu beachtenden Besonderheiten der Suchtreha heraus. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass es erhebliche strukturelle und personelle Unterschiede zwischen den Einrichtungen gibt und nicht alle Empfehlungen für jede einzelne Klinik umsetzbar sind. Die Empfehlungen sollen den verantwortlichen Ärztinnen und Ärzten eine Orientierungshilfe zur Erstellung eigener coronaspezifischer Hygienekonzepte bieten.

    Download der Empfehlungen

    In der Präambel werden Ausganslage und Zielsetzung der Empfehlungen beschrieben:

    Präambel

    Suchterkrankungen bedingen eine erhöhte Mortalität, viele verlorene Lebensjahre und den Verlust vieler Lebensjahre ohne Einschränkungen. Dabei sind neben den gesundheitlichen und psychosozialen Folgen für die betroffene Person auch die Auswirkungen auf die Umgebung (Familie, Freunde, Arbeitgeber, Gesellschaft allgemein) zu berücksichtigen.

    Die Behandlung von Suchterkrankungen ist wirksam und kosteneffektiv. Ein wesentlicher Baustein der Suchtbehandlung ist die Entwöhnungsbehandlung, die in Deutschland überwiegend als medizinische Rehabilitation durchgeführt wird.

    Eine stationäre Rehabilitation Suchtkranker soll stets unter dem Aspekt angeboten werden, dass die mit der Durchführung verbundenen Risiken geringer sind als die mit der Störung verbundenen bei Nichtbehandlung. Dies gilt umso mehr unter den Bedingungen der aktuellen SARS-CoV-2 Pandemie.

    Unter der Verantwortung der Leitenden Ärzten*innen müssen die Hygienekonzepte der Kliniken sowie die jeweilige Behandlungskonzeption so angepasst werden, dass die Patienten*innen und Mitarbeiter*innen bestmöglich vor einer potentiellen Infektion mit dem neuartigen Coronavirus geschützt werden und zugleich die mit der Suchtrehabilitation verbundenen Ziele der Gesundung und Teilhabe weiterhin möglichst weitgehend erreicht werden können.

    Die erweiterten Hygienekonzepte bedingen Veränderungen der Therapieorganisation und nehmen Einfluss auf die Erreichbarkeit vorgegebener Qualitätsziele wie die Erfüllung der KTL und ETM Standards, auf die Wirtschaftlichkeit, den Personalaufwand und betriebswirtschaftliche Faktoren. Absehbar ist ein erhöhter personeller und materieller Aufwand. Die Rehabilitation des/der einzelnen Rehabilitanden*in verteuert sich. Insofern können die Empfehlungen auch eine Grundlage sein, die Tagessätze während der Pandemie einrichtungsbezogen anzupassen.

    Eine langfristig erfolgreiche Umsetzung der Hygienemaßnahmen hängt von vielen Faktoren ab. So ist eine stete Anpassung an die aktuelle Entwicklung der Pandemie, die aktuelle Situation in der Region der Klinik und der Herkunftsregion der/des Patienten*in erforderlich. Die Maßnahmen müssen so gestaltet, transparent kommuniziert und dauerhaft begleitet werden, dass die Klientel der Suchtkranken, die durch eine herabgesetzte Fähigkeit zu nachhaltigen Verhaltensänderungen und oft auch zur Regelakzeptanz gekennzeichnet ist, in die Lage versetzt wird, sich an die erforderlichen Regeln zu halten. Diese sollten einrichtungsbezogen an die jeweiligen Patient*innengruppen, Konzeptionen und räumlichen und örtlichen Gegebenheiten angepasst werden.

    Die nachfolgend aufgeführten Empfehlungen sollen also den einzelnen Leistungsanbietern der stationären Rehabilitation Sucht Möglichkeiten aufzeigen, wie sie unter Berücksichtigung der Gegebenheiten ihrer Einrichtung, ihres Behandlungskonzeptes, ihrer Patientenklientel und der aktuellen Pandemielage das Rehabilitationsangebot so gestalten können, dass ein Infektionsrisiko mit SARS-CoV-2 gering gehalten und zugleich die mit der Suchtrehabilitation verbundenen Ziele der Gesundung und Teilhabe möglichst weitgehend erreicht werden können. Die abgestuften einzelnen Empfehlungen stellen eine Auswahl an Handlungsoptionen zur Orientierung für die Leitenden Ärzte*innen dar.

    Deutscher Bundesverband der Chefärztinnen und Chefärzte von Suchtfachkliniken (DBCS) und Deutsche Suchtmedizinische Gesellschaft (DSMG), 12.06.2020

  • Online-Studie zu psychosozialen Folgen der Corona-Pandemie

    Wie stark erleben Menschen die psychosozialen Folgen der Corona-Pandemie? Wie belastet sind insbesondere Menschen mit Suchterkrankungen oder anderen psychischen und sozialen Problemen in dieser Zeit? Das möchte die Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen (KatHO NRW) mit einer bundesweiten Online-Befragung herausfinden.

    Die Corona-Pandemie hat auch in Deutschland das Leben der Menschen stark verändert. Wochenlang galten strenge Ausgangsbeschränkungen, soziale Kontakte waren stark reduziert. Psychologen warnten angesichts des Shutdowns vor einer erheblichen Zunahme an Depressionen, Angstzuständen und häuslicher Gewalt. Vor allem die Versorgung und der Zustand von Menschen mit vorhandener Diagnose werde sich verschlechtern, warnten Experten, da Betroffene aus Angst vor Ansteckung seltener Ärzte und Psychologen aufsuchten und mit den veränderten Lebensbedingungen schlechter zurechtkämen.

    Doch wie sehr sind die Menschen durch die Corona-Pandemie wirklich belastet? Wie haben insbesondere Menschen mit Suchterkrankungen oder anderen psychischen und sozialen Problemen diese Zeit erlebt und haben sich ihre Erkrankungen sogar verstärkt? Das möchten Aachener Studierende des Masterstudiengangs „Klinische Sozialarbeit“ an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (KatHO NRW) mit einer bundesweiten Online-Befragung herausfinden. Alle Interessierten sind eingeladen, bis zum 15. Juli 2020 unter www.katho-nrw.de/coronaumfrage an der 15-minütigen Befragung teilzunehmen.

    „Im Fokus unserer Befragung stehen Menschen, die psychisch vulnerabel sind und schon vor dem Shutdown auf psychosoziale Hilfen angewiesen waren“, sagt Studienleiter Professor Dr. Daniel Deimel. „Auch gehen wir der Frage nach, ob sich bestehende Probleme im Shutdown verstärkt haben und auf welche Unterstützungssysteme Betroffene zurückgreifen können.“ Ebenso werden in der geplanten Gelegenheitsstichprobe Daten zu finanzieller Belastung, Angst vor Jobverlust, Stress durch Kinderbetreuung und Homeschooling in der Corona-Krise erhoben.

    Neben Erkenntnissen zur Lebenssituation von psychisch vulnerablen und sozial belasteten Menschen in der aktuellen Zeit möchte die KatHO NRW Unterstützungsbedarfe ermitteln und diese an psychosoziale Hilfseinrichtungen rückmelden. So können die Einrichtungen zielgerichtet Maßnahmen entwickeln. Unterstützt wird die Umfrage von der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP), der Deutschen Aidshilfe (DAH), der Deutschen Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen (DVSG), der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit in der Suchthilfe (DG-SAS), der Telefonseelsorge Aachen und vom Psychiatrie Verlag.

    Pressestelle der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (KatHO NRW), 03.06.2020

  • Aufgabenverteilung in Familien

    Der Lockdown zur Eindämmung von Covid-19 kann eine Verstärkung von traditionellen Rollenmustern in Familien zur Folge haben. Zwar bietet Homeoffice Müttern die Chance, ihre Arbeitszeit aufzustocken. Gleichzeitig müssen sie aber auch mehr Haushalts- und Erziehungsarbeit übernehmen – vor allem, wenn die Väter nicht von zu Hause aus arbeiten können. Nur in etwa 30 Prozent der Haushalte sind Väter beruflich flexibler als Mütter und könnten daher mehr Zeit für die Kindererziehung und den Haushalt aufwenden. In der Mehrzahl der Familien kommt allerdings Mehrarbeit auf Frauen zu. Das geht aus einer aktuellen Kurzexpertise des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim (ZEW) hervor.

    „Wenn Väter jetzt mehr Haushaltsaufgaben übernehmen, können Mütter davon langfristig profitieren“, sagt Prof. Dr. Melanie Arntz, stellvertretende Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs „Arbeitsmärkte und Personalmanagement“ und Mitautorin der ZEW-Kurzexpertise. „Wo durch Covid-19 traditionelle Rollenmuster Aufwind haben, dürften die Karrieren von Frauen darunter leiden.“

    Homeoffice hat durch die Krise an Akzeptanz gewonnen

    Die Covid-19-Pandemie hat einen massiven Wandel der Arbeitswelt mit sich gebracht. Während im Jahr 2018 knapp zwölf Prozent der Beschäftigten in Deutschland regelmäßig im Homeoffice arbeiteten, waren es im April 2020 mehr als 35 Prozent. 26 Prozent arbeiteten sogar ausschließlich von zu Hause.

    „Durch die Krise ist Homeoffice wesentlich üblicher geworden. Das wird langfristig dazu führen, dass es auch seitens der Arbeitgeber positiver beurteilt wird und häufiger verfügbar ist“, sagt Melanie Arntz. „Unternehmen und ihre Beschäftigten sammeln jetzt Erfahrung mit mobilem Arbeiten und stellen fest, dass es funktioniert. Außerdem wird es in Zukunft auch leichter sein, von zu Hause aus zu arbeiten, weil die Unternehmen jetzt entsprechende Investitionen tätigen und ihre Prozesse anpassen mussten. Wahrscheinlich werden Unternehmen auch nach der Krise häufiger Arbeitsformen ermöglichen, die Tätigkeiten und Meetings vor Ort ersetzen. Wenn Homeoffice besser verfügbar ist, führt das dazu, dass insbesondere Mütter mehr arbeiten.“

    Die langfristigen Wirkungen werden aber auch davon abhängen, wie die zusätzlichen Betreuungsaufgaben zwischen Müttern und Vätern verteilt werden, die aufgrund der Schul- und Kitaschließungen anfallen. Um dies zu untersuchen, betrachten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie flexibel das Beschäftigungsverhältnis beider Elternteile einer Familie während der Pandemie ist. Dabei gelten systemrelevante Berufe und andere Tätigkeiten, die vor Ort stattfinden müssen, als besonders unflexibel. Arbeitslosigkeit bzw. Kurzarbeit sind besonders flexibel. Begrenzt flexibel sind Berufe, die sich teilweise oder vollständig im Homeoffice erbringen lassen. Betrachtet man nun die Haushalte mit Kindern unter 13 Jahren nach der Flexibilität der beruflichen Tätigkeit der beiden Partner, so zeichnet sich ab, dass in der Mehrzahl der Familien vermutlich Mehrarbeit auf die Frauen zukommt.

    Mütter sind in den meisten Familien beruflich flexibler

    In insgesamt 28 Prozent der Haushalte verfügen Mütter in der Corona-Krise über mehr Flexibilität als Väter und können deshalb noch mehr Erziehungs- und Haushaltsaufgaben übernehmen als zuvor. In etwa 24 Prozent der Familien ist die Flexibilität beider Eltern vergleichbar. In diesen Haushalten ist es ebenfalls wahrscheinlich, dass Mütter mehr Zeit für Familie und Hausarbeit aufwenden werden. Denn schon vor der Pandemie war die Aufgabenverteilung in Haushalten mit Kindern unter 13 Jahren in Deutschland sehr ungleich. Selbst bei Doppelverdienerpaaren wandten Mütter etwa dreimal so viel Zeit für die Kindererziehung und doppelt so viel Zeit für Haushaltsarbeit auf wie Väter. Bei 85 Prozent dieser Paare arbeiteten die Mütter weniger Stunden, und in über 60 Prozent der Fälle verdienten sie einen geringeren Stundenlohn.

    Allerdings arbeiten zurzeit 40 Prozent der Mütter, aber nur 23 Prozent der Väter in einem während der Krise systemrelevanten Beruf. Insgesamt verfügt in knapp 30 Prozent aller Haushalte mit einem Kind unter 13 Jahren die Mutter über weniger berufliche Flexibilität als der Vater. In diesen Haushalten könnte Covid-19 also der traditionellen Rollenverteilung entgegenwirken. „Wenn Väter jetzt mehr Aufgaben in der Kindererziehung und im Haushalt übernehmen, könnte das langfristig positive Folgen für Frauen haben”, sagt Melanie Arntz. „Für einen beträchtlichen Anteil der Familien ist das jedoch nicht der Fall. Wenn der Lockdown die klassische Rollenverteilung stärkt, profitieren Frauen von einer verstärkten Nutzung der Heimarbeit nach der Coronapandemie vermutlich weniger, mit nachteiligen Auswirkungen auf ihre langfristigen Karrierechancen.“

    Pressestelle des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW), 03.06.2020