Kategorie: Kurzmeldungen

  • 80 Jahre nach Kriegsende

    Der Zweite Weltkrieg hinterließ nicht nur Millionen Tote, sondern auch gravierende psychische Spuren bei den Überlebenden. Am härtesten traf dies jüdische Menschen, die der Shoa entkommen waren, und die zahlreichen weiteren Opfer der Deutschen. Viele Menschen wurden durch Tod, Vertreibung und Gewalterfahrungen traumatisiert. Achtzig Jahre später belegen zwei aktuelle Forschungsprojekte des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG), wie die Folgen psychischer Traumatisierung bei nachfolgenden Generationen wirken können.

    Eindrücklich dokumentiert ist das bei Nachkommen von Holocaust-Überlebenden. Doch auch Kinder und Enkel der Tätergeneration, Menschen mit Unrechtserfahrungen aus der DDR sowie Geflüchtete aus aktuellen Kriegs- und Krisengebieten sind betroffen. Sie alle eint: Die psychischen und biologischen Folgen extremer Belastungen lassen sich nicht immer auf eine Generation begrenzen, denn sie können Spuren in familiären Beziehungen und sogar im Erbgut hinterlassen.

    Wie kommen Spuren von Traumata ins Erbgut?

    Prof. Dr. Dr. Elisabeth Binder, seit 2013 Direktorin und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, untersucht, wie sich extreme Belastungen wie Krieg oder Verfolgung biologisch „einschreiben“. Forschung zeigt: Die Stresshormonachse von Kindern traumatisierter Eltern – etwa von Holocaust-Überlebenden – ist nachweislich verändert. Binders Forschung fokussiert auf die epigenetischen Mechanismen, die solche Veränderungen erlauben. „Wir sehen Veränderungen in der epigenetischen Regulation von Genen, die für die Stressverarbeitung wichtig sind“, erklärt Binder. Ein Beispiel ist das Gen FKBP5: In Kooperation mit der renommierten Trauma-Forscherin Rachel Yehuda konnte Binder hier Unterschiede in der Gen-Methylierung bei Kindern von Holocaust-Überlebenden nachweisen. Diese biologischen Veränderungen beeinflussen die Stressresilienz möglicherweise über mehrere Generationen.

    In einem DZPG-Projekt untersucht Binder mit Kollegen mittels Biomarkern und Modellsystemen, wie das Risiko für psychische Erkrankungen über Generationen weitergegeben werden kann. Vorgeburtliche Stressbelastung konnte Binder auch in Nabelschnurblut nachweisen – durch epigenetische Marker, die mit mütterlicher Depression und Angst in der Schwangerschaft und auch mit der späteren Inanspruchnahme medizinischer und psychologischer Hilfe durch die Kinder korrelieren. In sogenannten Hirnorganoiden, winzigen Gehirnmodellen aus Stammzellen, ließ sich zudem beobachten, dass vorgeburtliche Stresshormone die neuronale Entwicklung beeinflussen kann. Das Ziel der Forschung: frühe Indikatoren identifizieren und präventiv eingreifen können.

    Weitergabe durch gestörte Interaktionen

    Auch auf der psychologischen Ebene zeigt sich, dass Traumata nachwirken können. Hanna Christiansen, Professorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Philipps-Universität Marburg, untersucht in einem Projekt am DZPG-Standort Bochum-Marburg, wie psychische Erkrankungen in Familien durch gestörte Interaktionen und belastende Lebensbedingungen weitergegeben werden. Ihre Forschung zeigt: Kinder psychisch erkrankter Eltern entwickeln mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit selbst psychische Auffälligkeiten. Oft sind es feine, alltägliche Mechanismen – mangelnde Responsivität, fehlende Struktur oder überfordernde emotionale Zustände –, die sich auf das kindliche Erleben und letztlich die psychische Gesundheit auswirken.

    Forschung zeigt: Der Umgang mit Traumata ist auch heute eine wichtige Aufgabe

    DZPG-Sprecher Prof. Peter Falkai ordnet die Forschung ein: „Beide Studien machen deutlich: Transgenerationale Trauma-Weitergabe ist kein abstraktes Phänomen, sondern eine vielschichtige Antwort des Individuums auf molekularer und psychischer Ebene.“ Sprecherin Prof. Silvia Schneider ergänzt: „Sie betrifft nicht nur Opfer des Nationalsozialismus, sondern zum Beispiel auch Menschen mit Unrechtserfahrungen in der DDR, Geflüchtete etwa aus Syrien, Afghanistan oder der Ukraine sowie nicht zuletzt Kinder in Deutschland, die mit psychisch kranken Eltern aufwachsen.“

    Über das DZPG
    Seit Mai 2023 arbeiten im Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) Expertinnen und Experten daran, durch gemeinsame Forschung die psychische Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern und psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren. An sechs Standorten in Deutschland wirken hierfür Forscherinnen und Kliniker gemeinsam mit Expertinnen aus Erfahrung, also Betroffenen und ihnen Nahestehenden, sowie internationalen Wissenschaftlern zusammen. Unter www.dzpg.org finden Interessierte Informationen zur Organisation, zu Forschungsprojekten und Zielen sowie informative Texte und hilfreiche Links rund um das Thema psychische Gesundheit.

    Pressestelle des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit, 5.5.2025

  • Cannabis-Studie in der Schweiz

    Im Rahmen der Studie „Weed Care“ untersuchen Forschende, wie sich die legale Abgabe von Cannabis auf Konsum und Psyche der Teilnehmenden auswirkt. Über den direkten Vergleich von legalem versus illegalem Bezug der Substanz berichtet das Studienteam nun in einer ersten wissenschaftlichen Publikation.

    In der Schweiz und in verschiedenen anderen Ländern laufen seit Jahren Debatten über eine Legalisierung des Cannabiskonsums. Sie sind geprägt von verschiedenen Hoffnungen und Bedenken. Auf der einen Seite stehen die Ziele, den Schwarzmarkt einzudämmen, den Konsumierenden den Zugang zu sichereren Produkten zu erleichtern, sie durch begleitende Beratungsangebote besser zu informieren und risikoärmeren Konsum zu fördern. Auf der anderen Seite stehen Befürchtungen, der legale Verkauf könnte den Konsum normalisieren, gegebenenfalls sogar beflügeln, und zu mehr Fällen von Abhängigkeit und psychischen Folgeschäden führen.

    Die im Januar 2023 angelaufene Studie „Weed Care“ soll die Debatte auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen. Sie wird gemeinsam von der Abteilung Sucht des Gesundheitsdepartements Basel-Stadt, der Universität Basel, den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel und den Psychiatrischen Diensten Aargau durchgeführt.

    Erste wissenschaftlich designte Studie

    Während der ersten sechs Monate erlaubte das Studiendesign einen direkten Vergleich zweier randomisierter Gruppen: Eine Hälfte der rund 370 Teilnehmenden konnte im Rahmen der Studie legal Cannabis in einer der neun teilnehmenden Apotheken kaufen und erhielt dazu ein Beratungsangebot. Die andere Hälfte nutzte als Kontrollgruppe weiter den Schwarzmarkt als Quelle. In regelmäßigen Abständen berichteten die Teilnehmenden via Fragebogen über ihren Konsum und ihre psychische Verfassung.

    „Eine solche kontrollierte, randomisierte Studie gab es zuvor noch nicht“, betont die stellvertretende Studienleiterin Dr. Lavinia Baltes-Flückiger von den Psychiatrischen Diensten Aargau, Erstautorin der nun veröffentlichten Studie. Vorherige Resultate beruhten auf reinen Beobachtungsstudien.

    Problematischer Konsum nahm ab

    Wie das Team im Fachjournal „Addiction“ berichtet, nahm der problematische Konsum in der Gruppe mit legalem Zugang zu Cannabis leicht ab. Als problematisch gilt der Konsum, wenn er gesundheitliche, soziale oder psychische Schwierigkeiten verursacht oder verstärkt – ohne dass eine Abhängigkeit im klassischen Sinne vorliegen muss.

    Besonders Personen, die neben Cannabis auch noch andere Drogen konsumierten, zeigten einen deutlicheren positiven Effekt durch den legalen Bezug. „Bei dieser Untergruppe sank der problematische Cannabiskonsum besonders stark“, sagt Baltes-Flückiger.

    Außerdem konnte die Studie die Befürchtung zerstreuen, dass die legale Abgabe neben dem Konsum auch psychische Probleme des Cannabiskonsums verstärken könnte: Nach den ersten sechs Monaten war kein Unterschied zwischen den beiden Studiengruppen in Bezug auf Depressionen, Angstzustände oder andere Symptome festzustellen.

    Nach dieser Zeitspanne bekam auch die Kontrollgruppe, die Cannabis bis dahin auf dem Schwarzmarkt bezogen hatte, legal Zugang zu der Substanz via einer der beteiligten Apotheken. Dies sei ihnen bereits zu Beginn der Studie zugesichert worden als Motivation für die Teilnahme, wie Lavinia Baltes festhält.

    Die Zwischenbilanz nach mittlerweile zwei Studienjahren zeigt eine deutliche Verbesserung der psychischen Verfassung bei den mittlerweile noch rund 300 Teilnehmenden. „Der legale Zugang bedeutet eine Entlastung für die Konsumierenden“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Marc Walter von der Universität Basel und den Psychiatrischen Diensten Aargau.

    Originalpublikation:
    Lavinia Baltes-Flückiger, Regine Steinauer, Maximilian Meyer, Adrian Guessoum, Oliver Herrmann, Christoph Felix Mosandl, Jens Kronschnabel, Eva-Maria Pichler, Marc Vogel, Marc Walter: Effects of legal access versus illegal market cannabis on use and mental health: A randomized controlled trial. Addiction (2025)
    doi: 10.1111/add.70080

    Pressestelle der Universität Basel, 8.5.2025

  • Statusbericht 2023 der Hamburger Basisdatendokumentation

    Der Hamburger BADO e. V. legte seinen 27. Jahresbericht und Basisdaten zur Suchthilfe in Hamburg für das Jahr 2023 vor. Der aktuelle BADO-Bericht basiert auf der Auswertung von 17.347 anonymisierten Betreuungsverläufen von insgesamt 14.517 unterschiedlichen Personen, die in den hier abgebildeten Hamburger Einrichtungen der Suchthilfe im Jahr 2023 begleitet und beraten wurden. Damit hat sich der rückläufige Trend nicht fortgesetzt und es wurden wieder mehr Menschen erreicht als noch im Vorjahr. Beide Kennzahlen lagen damit wieder auf dem Niveau von 2021.

    Angehörige und Menschen aus dem sozialen Umfeld

    Die Hamburger Suchthilfeeinrichtungen beraten auch Angehörige und Menschen aus dem sozialen Umfeld der Konsument:innen. Im Berichtsjahr wurden 1.732 Betreuungen bei 1.637 unterschiedlichen Personen aus dem sozialen Umfeld dokumentiert, und damit wurden auch hier wieder mehr Personen als noch im Vorjahr erreicht.

    Spezialauswertungen

    Dieser BADO-Bericht enthält neben dem Statusbericht drei Exkurse zu ausgewählten Schwerpunktthemen. Diese umfassen im Berichtsjahr detaillierte Analysen der Einmalkontakte sowie der somatischen und psychischen Belastungen der Klientel und die Untersuchung ausgewählter Fragestellungen zu Klient:innen mit Crackkonsum im Suchthilfesystem.

    Analyse der Einmalkontakte

    Stellt man die Einmalberatungen den längerfristigen Beratungen gegenüber, fällt auf, dass tendenziell höhere Belastungen bei den Klient:innen dokumentiert sind, die einmalige Beratung in Anspruch nehmen. Exemplarisch sind hier höhere Belastungen in den Bereichen der Wohnungslosigkeit und der psychischen Gesundheit zu nennen. Auch der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund ist in der Gruppe der Einmalberatungen erhöht. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Klientel nicht grundsätzlich weniger Bedarf hat, sondern dass die Belastungen möglicherweise eine fortlaufende Beratung erschweren oder die Bedarfe zumindest temporär nicht ausreichend allein durch die Angebote der Suchthilfe abgedeckt werden können.

    Somatische und psychische Belastungen der Klientel

    Der zweite Exkurs beleuchtet die Entwicklung der somatischen und psychischen Belastungen über die letzten 16 Jahre. Das Ausmaß der somatischen Beschwerden der erfassten Klientel blieb über die Jahre in der Gesamtgruppe stabil. Lediglich bei der Opioidklientel zeigt sich eine Zunahme der Beschwerden, die mit dem steigenden Alter dieser Gruppe korreliert, aber vermutlich auch mit anderen Faktoren in Zusammenhang gebracht werden muss. Seit 2020 lässt sich eine Häufung nicht wahrgenommener, aber notwendiger medizinischer Versorgung über die gesamte Klientel beobachten. Dieses Phänomen ist bei der Opioidklientel besonders ausgeprägt und deutet darauf hin, dass es für diese Menschen zusätzliche Barrieren gibt, notwendige medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Im Bereich der psychischen Belastungen zeigt sich eine allgemeine Zunahme, wobei die Zunahme von Ängsten und Phobien bei der weiblichen Klientel stärker ausgeprägt ist. Menschen mit mittelstarken bis extremen depressiven Stimmungen sind zunehmend häufiger in der Suchthilfe vertreten. Bei Aggressionen hingegen ist keine Zunahme zu verzeichnen; die Werte bleiben stabil bzw. zeigen eine geringfügige Abnahme. Trotz der hohen psychischen Belastungen über alle Gruppen hinweg erhält nur ein vergleichsweise geringer Anteil ergänzende psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung.

    Crackkonsum

    Der dritte Exkurs vergleicht die Klient:innen mit Crackkonsum mit den Opioidklient:innen ohne Crackkonsum. Auffällig ist, dass der Anteil der weiblichen Klientel in der Gruppe der Crackkonsumierenden deutlich höher ist als in der Vergleichsgruppe. In etwa die Hälfte der erreichten Personen mit Crackkonsum befindet sich in Substitutionsbehandlung und ist somit an eine medizinische Versorgung angebunden. Die Daten zeigen ebenfalls, dass ein nicht unerheblicher Teil der Crackkonsument:innen nach Betreuungsende in einer anderen suchtspezifischen Einrichtung weiterbetreut wird und somit fortlaufend innerhalb der Suchthilfe Unterstützung findet.

    Bei der Analyse der ausgewählten Fragestellungen zeigt sich, dass die Situation der Crackkonsument:innen erheblich schlechter ist als bei der ebenfalls hoch belasteten Klientel der Opioidgruppe. Insbesondere die Gruppe der weiblichen Crackkonsumentinnen ist in nahezu allen Bereichen extrem belastet. Körperliche Gewalterfahrungen sind in beiden Gruppen stark verbreitet. Bei den weiblichen Crackkonsumentinnen wurde für beinahe jede Frau dokumentiert, dass sie Opfer von körperlicher Gewalt geworden ist.

    Während in der Opioidgruppe zwölf Prozent der Betreuten in Notunterkünften oder auf der Straße leben, trifft dies auf 35 Prozent der Crackkonsumierenden und sogar auf 50 Prozent der weiblichen Crackkonsumentinnen zu. Auch die körperliche und psychische Belastung ist bei den weiblichen Crackkonsumentinnen stärker ausgeprägt.

    Betrachtet man die beiden Gruppen, zeigt sich, dass nur wenige Personen die Betreuung mit einem Wechsel in eine andere Betreuungsform wie bspw. medizinische Rehabilitation oder Eingliederungshilfe beenden, obwohl es sich bei beiden Gruppen um hochbelastete, chronisch abhängigkeitserkrankte Menschen mit kontinuierlichem Unterstützungsbedarf handelt. Insgesamt wird deutlich, dass insbesondere die weiblichen Crackkonsumentinnen besondere Unterstützungsbedarfe haben, die nicht ausschließlich über die Angebote der Suchthilfe abgedeckt werden können.

    Der Bericht zur Suchthilfe in Hamburg 2023 kann in voller Länge auf der Website des BADO e. V. heruntergeladen werden: https://bado.de/publikationen/2024/11/statusbericht-2023/

    Quelle: Website Bado e. V., Artikel vom 27.11.2024

  • Suchthilfe und Wohnungsnotfallhilfe

    Das Projekt „Suchthilfe UND Wohnungsnotfallhilfe – zwei Hilfesysteme, eine gemeinsame Zielgruppe“ (SuWoKo), das die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) und die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) in Kooperation durchführen, wird in diesem Jahr abgeschlossen. Hinweise zum bisherigen Projektverlauf finden Sie hier.

    Im Rahmen der wissenschaftlichen Evaluation sollen durch eine Online-Umfrage weitere Kooperationsprojekte miteinbezogen werden. Die Projektverantwortlichen laden zur Teilnahme an der Online-Umfrage bis zum 9. Mai 2025 auf. Die Umfrage dient dazu, die Expertise von Kooperationen zwischen Sucht- und Wohnungsnotfallhilfe auch außerhalb des Projektes SuWoKo aufzugreifen und daraus wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Sie erreichen den Fragebogen unter folgendem Link: 

    https://evhn.lamapoll.de/suwoko-fragebogen

    Hinweise zum Datenschutz:
    Die Projektverantwortlichen sichern den Teilnehmenden den vertraulichen Umgang mit ihren persönlichen Daten zu. Die Auswertung der Daten findet nur in anonymisierter Form statt und lässt keine Rückschlüsse auf die einzelnen Teilnehmer:innen der Befragung zu. Die Befragung wird vom Institut für Praxisforschung und Evaluation der Evangelischen Hochschule Nürnberg im Rahmen der Evaluation des Projektes SuWoKo durchgeführt. Die kompletten Datenschutzbestimmungen zu dieser Umfrage können Sie hier einsehen.

    Bei Fragen zur Erhebung können Sie sich gerne an Herrn Sebastian Ottmann vom Institut für Praxisforschung und Evaluation der Evangelischen Hochschule Nürnberg (evaluation(at)evhn.de) wenden.

    Save the Date

    Die SuWoKo-Abschlussveranstaltung findet am 8. September 2025 im Festsaal der Berliner Stadtmission statt. Die Anmeldung wird in Kürze möglich sein.

    Mitteilung der BAG W, 29.4.2025

  • DHS Jahrbuch Sucht 2025

    Das am 24. April veröffentlichte DHS Jahrbuch Sucht 2025 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) stellt aktuelle Entwicklungen und Trends zu Sucht und Drogen dar, bietet wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse und ordnet neue Daten ein. „Deutschland braucht eine konstruktive, forschungsbasierte und zukunftsfähige Sucht- und Drogenpolitik, um den enormen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Sucht- und Drogenthemen müssen auf einer gesundheitspolitischen Dringlichkeitsskala ganz oben stehen“, fordert Professor Dr. Norbert Scherbaum, DHS Vorstandsvorsitzender.

    Alkohol – Unzureichende Preispolitik

    Alkohol ist in keinem anderen europäischen Land so erschwinglich wie in Deutschland. Mit fatalen Folgen: Alkoholkonsum verursacht hierzulande nicht nur große gesundheitliche Schäden, sondern auch ökonomische Folgekosten von über 57 Milliarden Euro jährlich. Der hohe Durchschnittskonsum führt zu einer sehr hohen Zahl von alkoholbedingten Sterbe- und Erkrankungsfällen. Im internationalen Vergleich besteht bei Alkohol – wie auch bei Tabak, Nikotinprodukten, digitalen Suchtformen und Glücksspiel – viel Nachholbedarf in puncto Regulierungen. „Bei Verbrauchsteuern auf alkoholische Getränke ist jahrzehntelang kaum etwas passiert. Die Biersteuer wurde zuletzt im Jahr 1993 erhöht, und auf Wein wird keine Verbrauchsteuer erhoben. Wir wissen aus der Forschung: Die Preise für alkoholische Getränke zu erhöhen, ist ein effektives Mittel, um den Alkoholkonsum zu senken – und damit der Gesundheit von Millionen Menschen den Vorrang gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Alkoholindustrie einzuräumen“, sagt Christina Rummel, Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen.

    Das verlorene Potenzial der unzureichenden Preispolitik in Deutschland macht ein Vergleich mit anderen EU-Ländern deutlich. „Im Jahr 2022 nahmen Estland, Litauen und Lettland zwischen 167 Euro und 218 Euro pro Kopf an Verbrauchsteuern aus dem Verkauf von alkoholischen Getränken ein, während in Deutschland – bei ähnlichem Pro-Kopf-Alkoholkonsum – nur 44 Euro pro Kopf eingenommen wurden“, erläutert der Suchtforscher Dr. Jakob Manthey im DHS Jahrbuch Sucht 2025. „Würde man die Verbrauchsteuern auf alkoholische Getränke soweit erhöhen, dass die Verkaufspreise um etwa fünf Prozent anstiegen – das entspricht z. B. dem Preisanstieg einer Flasche Bier von 1,00 Euro auf 1,05 Euro –, so ließen sich zusätzliche 1,4 Milliarden Euro Steuereinnahmen generieren (+44 Prozent), es ließe sich der Pro-Kopf-Alkoholkonsum um 2,2 Prozent senken und der Tod von etwa 850 Personen in einem Jahr hinauszögern. Die aktuelle Preispolitik führt jedoch zu ungünstigen Entwicklungen für die Gesundheit und die Staatsfinanzen. Die Verbrauchsteuereinnahmen aus dem Verkauf von Alkohol stagnieren (2010: 3,15 Milliarden Euro; 2022: 3,17 Milliarden Euro), während die Kosten alkoholbedingter Folgeerkrankungen, z. B. Behandlungskosten, zunehmen.“

    Tabak und Nikotin – Gebrauch von verwandten Nikotinprodukten steigt

    Der Griff zum Glimmstängel ist in Deutschland – trotz der bekannten gesundheitlichen Gefahren – immer noch sehr verbreitet: 30,4 Prozent der Bevölkerung rauchten im Jahr 2024. Das belegen aktuelle Ergebnisse der Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA-Studie). Bei Jugendlichen unter 18 Jahren ist dieser Anteil deutlich geringer. Er liegt nach den aktuellen Daten der Drogenaffinitätsstudie 2023 für die 12- bis 17-Jährigen bei 6,8 Prozent, ist aber in der Altersgruppe der jungen Erwachsenen (18 bis 25 Jahre) mit 26,3 Prozent schon deutlich höher. Der Anteil von Jugendlichen und Erwachsenen, die Tabakprodukte rauchen, hat seit Anfang der 2000er Jahre abgenommen.

    Beim Konsum von verwandten Nikotinprodukten wie E-Zigaretten, Tabakerhitzern oder Wasserpfeifen gibt es seit 2018 einen Anstieg, insbesondere bei jungen Erwachsenen. Im Jahr 2024 nutzten laut DEBRA-Studie 2,0 Prozent der Personen ab einem Alter von 14 Jahren aktuell eine E-Zigarette und 1,2 Prozent einen Tabakerhitzer.

    Der Absatz von in Deutschland versteuerten Fertigzigaretten ist 2024 erstmals seit 2019 gegenüber dem Vorjahr gestiegen, der Pro-Kopf-Verbrauch liegt damit aktuell bei 784 Zigaretten pro Jahr.

    Das Rauchen ist in den Industrienationen das bedeutendste einzelne Gesundheitsrisiko und die führende Ursache vorzeitiger Sterblichkeit.

    Illegale Drogen – Wachsender Mischdrogengebrauch

    Laut aktuellen Schätzungen haben in Deutschland 1,2 Prozent aller Jugendlichen und 3,6 Prozent der Erwachsenen in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung mindestens eine illegale Droge (außer Cannabis) konsumiert. Dabei war bei den Jugendlichen der Konsum von Amphetaminen, Ecstasy, Kokain/Crack, Pilzen oder neuen psychoaktiven Stoffen etwas weiter verbreitet als der Konsum anderer illegaler Drogen. Bei Erwachsenen spielen neben Kokain/Crack und Amphetaminen neue psychoaktive Stoffe eine Rolle.

    Der mit Abstand meistgenannte Grund für den Konsum von aufputschenden Substanzen bei Erwachsenen war „high“ werden bzw. „Spaß haben“.

    Zu beobachten sind ein wachsender Mischdrogengebrauch sowie lokale und regional begrenzte Drogenszenen, auf die sich die Drogenhilfe einstellen muss. Vielerorts wird in Städten und Kommunen derzeit beobachtet, dass Crack (freie Base des Kokains) und stark wirksame synthetische Opioide wie Fentanyl in den örtlichen Drogenszenen auftauchen. Mit dem Konsum der Substanzen gehen für Konsumierende erhebliche Gesundheitsgefahren einher, und der Konsum ist oft begleitet von einer rapiden und dramatischen Verschlechterung der sozialen Situation.

    DHS fordert zukunftsweisende Sucht- und Drogenpolitik

    „Suchterkrankungen vorzubeugen und sie zu behandeln, bietet ein massives Einsparpotenzial. Denn: Hohe Folgekosten werden vermieden. Wir fordern die Bundesregierung auf, die enormen Herausforderungen anzugehen. Die Politik muss handeln, bei illegalen Drogen – aber gerade auch bei Alkohol, Nikotin und Glücksspielen. Und zwar jetzt“, so DHS Geschäftsführer Dr. Peter Raiser.

    Das DHS Jahrbuch Sucht 2025 steht zum kostenlosen Download auf der DHS Website zur Verfügung: https://www.dhs.de/unsere-arbeit/dhs-jahrbuch-sucht/

    Die Printversion ist beim Verlag Pabst Science Publishers kostenpflichtig bestellbar.

    Weitere Informationen:
    „Suchtpolitische Forderungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen an eine Regierungskoalition der Bundesrepublik Deutschland 2025 bis 2029“, online verfügbar auf der DHS Website.

    Pressestelle der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, 24.4.2025

  • Aus der BZgA wird das BIÖG

    Seit dem 13. Februar 2025 hat die bisherige Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) einen neuen Namen: Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG). Mit dieser Neuausrichtung wird die öffentliche Gesundheit in Deutschland gestärkt und der Public-Health-Ansatz noch besser an internationale Standards in der Gesundheitsförderung und Prävention angepasst.

    Gesundheit hängt von vielen Faktoren ab: Neben persönlichen Entscheidungen auch vom gesellschaftlichen Kontext, von politischen Entscheidungen und sich verändernden Umwelteinflüssen. Deshalb ist es wichtig, Gesundheit immer aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

    Das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) sammelt diese Perspektiven und entwickelt daraus Empfehlungen. Es schafft Strukturen, in denen wegweisende Ansätze für Gesundheitsförderung und Prävention entwickelt und diskutiert werden. Ziel ist es, allen Menschen dabei zu helfen, gesund zu bleiben und länger zu leben.

    Das macht das BIÖG:

    • schafft neue Strukturen, beispielsweise zur Stärkung und Vernetzung des ÖGD
    • verknüpft die Datenexpertise des Robert Koch-Instituts mit der Kommunikationskompetenz der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
    • entwickelt verständliche Medien und Materialien für die Praxis
    • steht im Austausch mit Fachleuten und zentralen Akteuren der Public Health – bundesweit und international
    • unterstützt Bürgerinnen und Bürger dabei, sich besser um ihre Gesundheit zu kümmern. Dazu bietet es Informationsmaterialien an und ist erreichbar – telefonisch und online
    • unterstützt Fachkräfte in Einrichtungen wie Kitas, Schulen, Altenheimen oder Kommunen dabei, Gesundheitswissen weiterzugeben
    • reagiert auf neue Herausforderungen wie Klimawandel, veränderte Lebensstile sowie technologische und kommunikative Innovationen

    Kooperationsvereinbarung mit dem Robert Koch-Institut (RKI)

    Das neue Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit baut auf der langjährigen Erfahrung der BZgA in der Gesundheitskommunikation auf und wird als zentrale Institution im deutschen Public-Health-System weiterentwickelt. Ein wichtiger Meilenstein dabei ist die Kooperationsvereinbarung mit dem Robert Koch-Institut. RKI und BIÖG werden in Zukunft noch enger zusammenarbeiten und aus den Stärken der beiden Bundesinstitute heraus einen gemeinsamen Auftrag verfolgen: mit klaren, geprüften Informationen und wissenschaftlich fundierten Strategien die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

    Die Kooperationsvereinbarung finden Sie hier als PDF-Datei

    Quelle: Website des BIÖG, Über uns, 13.2.2025

  • Weniger Patientinnen und Patienten mit COPD

    Der Anteil der Menschen ab 40 Jahren mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) ist von 2017 auf 2023 um knapp zehn Prozent zurückgegangen. Das zeigen aktuelle Daten, die am 23. April im Gesundheitsatlas Deutschland des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) veröffentlicht worden sind.

    Insgesamt waren nach den aktuellen Ergebnissen des Gesundheitsatlas Deutschland im Jahr 2023 etwa 3,23 Millionen Menschen von einer COPD betroffen. Im Jahr 2017 waren es noch 3,39 Millionen Betroffene. Damit hat sich die Zahl der Patientinnen und Patienten mit COPD in den letzten sechs Jahren um 160.000 Betroffene reduziert. Wenn Veränderungen der Alters- und Geschlechtsstruktur der Bevölkerung berücksichtigt werden, ergibt sich für 2017 eine Krankheitshäufigkeit von 7,4 Prozent, während es 2023 nur noch 6,7 Prozent waren. Somit war zwischen 2017 und 2023 ein relativer Rückgang der COPD-Krankheitshäufigkeit von knapp zehn Prozent zu verzeichnen.

    COPD ist eine Lungenerkrankung, bei der die Atemwege dauerhaft verengt sind. Patientinnen und Patienten haben dadurch ein Gefühl von Atemnot. Der wichtigste beeinflussbare Risikofaktor für die Entstehung der COPD ist das Rauchen. Die eingeatmeten Partikel rufen eine Entzündung des Lungengewebes hervor, die langfristig zu einer chronischen Verengung der Bronchien und damit zu einem erhöhten Atemwiderstand führt. Aber auch weitere Faktoren wie das Einatmen anderer Schadstoffe oder chronisch wiederkehrende Atemwegsinfekte können zum Entstehen der Krankheit beitragen und diese verschlimmern.

    Rauchen und COPD

    „Der Rückgang bei den COPD-Erkrankungen dürfte in erster Linie auf den zunehmenden Rauchverzicht in der Gesellschaft und die Verschärfungen der Regelungen zum Rauchverbot zurückzuführen sein. Da es sich um eine Erkrankung handelt, die sich über viele Jahre entwickelt und verschlechtert, zeigt der Rückgang der Prävalenz den Erfolg dieser Maßnahmen“, sagt Helmut Schröder, Geschäftsführer des WIdO. „Gleichzeitig können aber auch Verbesserungen der Luftqualität zu einem Rückgang der Erkrankungsraten beitragen.“ So zeigt eine Zusammenhangs-Analyse des Gesundheitsatlas, dass die Rate der COPD-Erkrankten bei Bewohnern von Großstädten am höchsten ist. Zudem ist auch in den Regionen mit der höchsten Feinstaubbelastung eine höhere COPD-Prävalenz zu verzeichnen.

    Ein ähnlicher Zusammenhang ist beim Rauchverhalten sichtbar: Regionen, in denen laut Mikrozensus viele Raucherinnen und Raucher leben, haben auch eine höhere COPD-Prävalenz. „Rauchen ist nach wie vor einer der größten Treiber der Krankheitslast in Deutschland. Laut Studien sind etwa 15 Prozent der Todesfälle insbesondere darauf zurückzuführen. Das verursacht nicht nur millionenfaches individuelles Leid, sondern auch immense Kosten für unsere Volkswirtschaft“, so WIdO-Geschäftsführer Schröder. „Daher sollten die Verantwortlichen in den Kreisen und Kommunen bei diesem Thema weiter am Ball bleiben und den Rauchverzicht gerade bei Jugendlichen fördern. Mit dem Gesundheitsatlas zeigen wir die regionalen Unterschiede auf und liefern den Verantwortlichen in den Kreisen und Kommunen eine verlässliche Basis für ihre Maßnahmen und Aktivitäten.

    Regionen in Nordrhein-Westfalen überdurchschnittlich von COPD betroffen

    Die regionalen Unterschiede bei der Krankheitshäufigkeit, die der Gesundheitsatlas Deutschland bis auf die Ebene der 400 einzelnen Kreise und kreisfreien Städte darstellt, sind sehr groß: In Konstanz und Tübingen leben mit jeweils 4,2 Prozent die wenigsten Patientinnen und Patienten mit einer COPD. Am stärksten betroffen sind zwei Städte in Nordrhein-Westfalen: Gelsenkirchen mit 11,4 Prozent und Herne mit 10,9 Prozent.

    Nordrhein-Westfalen liegt auch im Bundesländer-Vergleich an der Spitze: Hier war der Anteil der COPD-Erkrankten an der Bevölkerung mit 8,1 Prozent im Jahr 2023 am höchsten, gefolgt von Berlin mit 8,0 Prozent und Thüringen mit 7,8 Prozent. „Besonders hohe Prävalenzen lassen sich im Ruhrgebiet beobachten. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Bürgerinnen und Bürger in dieser Region durch den Kohleabbau viele Jahre lang einer hohen Schadstoffbelastung ausgesetzt waren“, so Helmut Schröder. Zum Vergleich: In Sachsen und Baden-Württemberg, den Ländern mit der niedrigsten Krankheitshäufigkeit, war der Anteil der Betroffenen mit jeweils 5,5 Prozent wesentlich geringer.

    Männer häufiger betroffen als Frauen, Rückgang unter jungen Frauen am stärksten

    Der Gesundheitsatlas Deutschland macht auch deutliche Unterschiede in den verschiedenen Alters- und Geschlechtsgruppen transparent. In allen Altersgruppen erkranken mehr Männer als Frauen an der COPD. So waren im Jahr 2023 in der Gruppe der 85- bis 89-Jährigen 14,6 Prozent der Männer und 10,1 Prozent der Frauen betroffen.

    Die Analyse der COPD-Prävalenzen zeigt einen ausgeprägten Rückgang bei den Männern in der Altersgruppe ab 80 Jahren: Hier fiel die Prävalenz von 16,9 Prozent im Jahr 2017 auf 14,5 Prozent im Jahr 2023. Dies entspricht einem relativen Rückgang um 14,2 Prozent. Bei den Frauen in der gleichen Altersklasse war der Rückgang etwas geringer; hier fiel die Prävalenz von 11,6 auf 10,1 Prozent (relativer Rückgang: 13,2 Prozent). Unter den jüngeren COPD-Patientinnen und -Patienten ist der Rückgang bei den Frauen ausgeprägter als bei den Männern: Bei den Frauen fiel die Prävalenz von 3,0 auf 2,2 Prozent, bei den Männern von 3,0 auf 2,4 Prozent. Dies entspricht relativen Rückgängen um 24,1 Prozent beziehungsweise 18,7 Prozent.

    Aktuelle Daten zu 23 weiteren Erkrankungen

    Zu den 24 Erkrankungen, zu denen jetzt aktuelle Daten auf der Website www.gesundheitsatlas-deutschland.de abrufbar sind, gehören neben der COPD auch weitere Lungenerkrankungen wie Asthma oder Infekte der unteren Atemwege. Zudem sind Daten zu psychischen Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen, Stoffwechsel-Erkrankungen, neurologischen Krankheiten wie Demenz und Parkinson sowie zu Muskel-Skelett-Erkrankungen dargestellt. Die epidemiologischen Kennzahlen basieren auf den Krankenkassen-Routinedaten der mehr als 27 Millionen AOK-Versicherten und wurden mit einem statistischen Verfahren auf die gesamte Wohnbevölkerung in den Regionen hochgerechnet.

    Pressestelle des Wissenschaftliches Instituts der AOK, 23.4.2025

  • 30 Jahre Grundstoffüberwachungsstelle

    Die Gemeinsame Grundstoffüberwachungsstelle von Zollkriminalamt (ZKA) und Bundeskriminalamt (BKA) setzt mit ihrer Arbeit am Ursprung an: bei den für die illegale Drogenproduktion notwendigen Grundstoffen.

    In den vergangenen Jahren haben Polizei und Zoll Rekordmengen von Drogen in Deutschland sichergestellt. So haben sich allein im Vergleich von 2022 auf 2023 die Sicherstellungsmengen von Kokain mehr als verdoppelt. Ein wachsendes Problem ist auch der Markt der Synthetischen Drogen: 2023 wurden fast 2.000 kg Amphetamin, mehr als 1,1 Millionen Tabletten Ecstasy sowie über 450 kg Methamphetamin sichergestellt.

    Um diesem Trend entgegenzuwirken, überwacht die gemeinsame Grundstoffüberwachungsstelle (GÜS) von ZKA und BKA sogenannte Grundstoffe, um deren Abzweigung und missbräuchliche Verwendung zu verhindern. Grundstoffe sind überwachte Chemikalien, die legal von der Industrie für die Herstellung von beispielsweise Arzneimitteln, Kosmetika und Textilien oder als Reinigungs- und Lösungsmittel hergestellt und verwendet werden. Sie können jedoch auch für die Herstellung synthetischer und halbsynthetischer Drogen wie Amphetamin, Methamphetamin, MDMA sowie Heroin und Kokain missbraucht werden. Hierbei spielen sogenannte Designer-Grundstoffe eine große Rolle. Dabei handelt es sich um speziell entwickelte Chemikalien ohne bekannten legalen Verwendungszweck, die meist unter Falschdeklaration aus dem Ausland eingeführt werden.

    Da die Überwachung des Warenverkehrs aus Drittländern dem deutschen Zoll obliegt, ist insbesondere in Bezug auf diese Grundstoffe eine enge Zusammenarbeit zwischen Zoll- und Polizeibehörden unerlässlich.

    Mit der engen Kooperation zwischen BKA und ZKA sind Synergien entstanden und die GÜS hat sich bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität als wichtige Schnittstelle etabliert, welche seit 30 Jahren Mehrwert für Ermittlerinnen und Ermittler liefert: Die GÜS nimmt Verdachtsmeldungen aus der Industrie entgegen, verarbeitet Hinweise und Informationen zu verdächtigen Sendungen und ist Koordinierungsstelle zwischen Polizei- und Zolldienststellen sowie Kontaktstelle für andere inländische und ausländische Behörden. Wichtig hierbei sind insbesondere die kurzen Kommunikationswege – bei der GÜS arbeiten Kolleginnen und Kollegen von Zoll und Polizei als gemeinsame Einheit auch räumlich direkt zusammen.

    Beispielhaft für die erfolgreiche Arbeit der GÜS steht ein Fall aus dem Jahr 2024: Ein zunächst unscheinbar anmutender Aceton-Transport aus den Niederlanden wird bei einer Fahrzeugkontrolle auffällig. Die enge Zusammenarbeit zwischen den Kontroll- und Ermittlungsbehörden von Zoll und Polizei führten im weiteren Verlauf zu einer der größten Laborfeststellungen in Deutschland, dessen Produktionsmenge in einer Größenordnung von mehreren Tonnen MDMA lag.

    Mit Inkrafttreten des Grundstoffüberwachungsgesetzes (GÜG) wurde die GÜS am 4. April 1995 als zentrale Stelle eingerichtet und Zuständigkeiten institutionell gebündelt. Ihr 30-jähriges Bestehen unterstreicht ihre Bedeutung für die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität in Deutschland und die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure.

    Pressestelle des Bundeskriminalamtes, 4.4.2025

  • Wirkstoff aus Magic Mushrooms macht Gehirn wieder formbarer

    Eine aktuelle Studie des Hector Instituts für Translationale Hirnforschung (HITBR) am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim liefert erstmals detaillierte zelluläre Einblicke, wie Psilocin, der aktive Wirkstoff aus den sogenannten Magic Mushrooms, das Wachstum und die Vernetzung von menschlichen Nervenzellen fördert. Diese Erkenntnisse ergänzen klinischen Studien zur Behandlung von psychischen Störungen und könnten dazu beitragen, die neurobiologischen Mechanismen hinter der therapeutischen Wirkung von Psilocybin besser zu verstehen.

    Psilocybin ist der bekannte Wirkstoff in so genannten Magic Mushrooms, der im Körper zu Psilocin umgewandelt wird – der Verbindung, die letztendlich die psychoaktive Wirkung entfaltet. Das Mannheimer Forscherteam arbeitete direkt mit Psilocin, um die neurobiologischen Effekte zu untersuchen. In ihrer aktuellen Studie, die im Fachjournal eLife erschienen ist, untersuchten die Forschenden dessen Wirkung auf menschliche Nervenzellen, die sie aus Stammzellen gezüchtet hatten. Das Ergebnis: Schon eine einzige Dosis Psilocin reichte aus, um in menschlichen Nervenzellen innerhalb kurzer Zeit diverse Veränderungen zu bewirken.

    Mehr Nervenverbindungen, mehr Kommunikation, veränderte Genaktivität

    „Was wir beobachtet haben, ist faszinierend“, erklärt Dr. Malin Schmidt, Erstautorin der Studie. „Die Nervenzellen bildeten mehr Verzweigungen aus und produzierten vermehrt BDNF, einen körpereigenen Wachstumsfaktor für Nervenzellen.“ Noch erstaunlicher sei, dass synaptische Veränderungen auch nach mehreren Tagen bestehen blieben und sich die Kommunikation zwischen den Nervenzellen deutlich verstärkt habe.

    Die Forschenden konnten zudem nachweisen, dass Psilocin die Aktivität bestimmter Gene verändert, die für die Anpassungsfähigkeit des Gehirns wichtig sind. Diese sogenannte Neuroplastizität ist bei vielen psychischen Erkrankungen reduziert. „Vereinfacht gesagt macht Psilocin das Gehirn wieder formbarer“, erläutert Studienleiter Prof. Dr. Philipp Koch. „Unsere Ergebnisse liefern auf zellulärer Ebene Erklärungsansätze für die positiven Effekte, die in klinischen Studien mit Psilocybin bei Patienten mit Depressionen, Suchterkrankungen und posttraumatischen Belastungsstörungen beobachtet werden.“

    Neurobiologische Wirkmechanismen besser verstehen für neue Therapieansätze

    Die Arbeit ergänzt die am ZI und anderen Forschungseinrichtungen weltweit bereits laufenden klinischen Studien, in denen Psilocybin als Therapieoption für verschiedene psychische Erkrankungen untersucht wird. „Während klinische Studien die Wirksamkeit bei Patienten erforschen, liefert unsere aktuelle Arbeit wichtige Einblicke in die zugrundeliegenden biologischen Prozesse“, betont Koch.

    Die Mannheimer Forscher verwendeten für ihre Versuche die innovative iPSC-Technologie (induzierte pluripotente Stammzellen). Diese ermöglicht es, aus menschlichen Stammzellen funktionsfähige Nervenzellen zu züchten. „Mit diesem modernen Zellsystem können wir die Wirkung von Substanzen direkt an menschlichen Nervenzellen untersuchen“, betont Koch. „Das ist ein enormer Vorteil gegenüber herkömmlichen Studien an Tiermodellen, da wir die Prozesse in einem vollständig menschlichen System beobachten können.“

    Die Forschungsergebnisse vertiefen das Verständnis der neurobiologischen Wirkmechanismen von Psilocybin und könnten dazu beitragen, die bereits in der klinischen Erprobung befindlichen psychedelischen Therapien weiter zu optimieren. „Mit diesem besseren Verständnis der zellulären Mechanismen können wir möglicherweise gezielter vorgehen und die therapeutischen Protokolle verfeinern“, so Koch abschließend.

    Originalpublikation:
    Schmidt, M. et al. (2024). Psilocin fosters neuroplasticity in iPSC-derived human cortical neurons. eLife. https://doi.org/10.7554/eLife.104006.1

    Pressestelle des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI), 10.3.2025

  • Evaluation des Konsumcannabisgesetzes

    Ein von Wissenschaftler:innen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) geleitetes Verbundprojekt koordiniert die offizielle Evaluation der Cannabislegalisierung. Gefördert wird das Projekt EKOCAN vom Bundesministerium für Gesundheit über drei Jahre mit insgesamt 1,5 Millionen Euro, von denen 800.000 Euro an das UKE gehen.

    Gemeinsam mit Forschenden des Universitätsklinikums Düsseldorf und der Eberhard Karls Universität Tübingen untersuchen die UKE-Wissenschaftler:innen unter Leitung von Dr. Jakob Manthey aus der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE und dem Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg die Auswirkungen des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) auf

    • den Kinder- und Jugendschutz,
    • den allgemeinen Gesundheitsschutz und
    • die cannabisbezogene Kriminalität.

    Das Konsumcannabisgesetz ist am 1. April 2024 in Kraft getreten. Seitdem sind der Besitz und Anbau von Cannabis in Deutschland für Erwachsene unter bestimmten Vorgaben legal. Der Abschlussbericht des Verbundprojekts soll im zweiten Quartal 2028 vorliegen.

    Pressestelle des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, 7.4.2025