Kategorie: Kurzmeldungen

  • Substitution in der Corona-Krise

    Durch Covid-19 ist in Deutschland eine epidemische Lage von nationaler Tragweite entstanden. Dies ist auch für suchtkranke Menschen eine besonders belastende Situation.

    Die am 21. April in Kraft getretene SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit erleichtert sowohl Substitutionsmedizinern als auch den Patientinnen und Patienten die ärztliche Versorgung. Mehrere Regelungen der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) werden für die Zeit der Corona-Pandemie an die besondere Situation angepasst. So dürfen Substitutionsärzte ab sofort mehr Patientinnen und Patienten behandeln. Außerdem dürfen Ärzte nun nach sorgfältiger Abwägung mehr Patientinnen und Patienten Substitutionsmittel für bis zu sieben, in bestimmten Fällen bis zu 30 Tagen verschreiben.

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig: „Mit dieser Verordnung sichern wir die Substitutionstherapie suchtkranker Menschen auch in Zeiten der Corona-Pandemie. Dies zu erreichen war mir sehr wichtig, denn fast 80.000 Menschen in Deutschland sind auf die tägliche Gabe von Substitutionsmedikamenten angewiesen. Jede Unterbrechung kann lebensbedrohliche Folgen haben. Es ist mir nicht erst seit Corona ein Hauptanliegen, dass wir Menschen, die von Infektionen besonders bedroht sind, auch besonders schützen. Schnelle Hilfe für Ärzte und Patienten – sie war selten so wichtig wie heute!“

    Ist eine Einnahme des Medikaments unter Beobachtung von medizinischen, pharmazeutischen oder pflegerischem Personal nicht möglich, kann der Arzt nach seinem Ermessen anderes Personal mit dieser Aufgabe beauftragen. Um auch außerhalb der Arztpraxis eine kontinuierliche ambulante Betreuung von Substitutionspatientinnen und Substitutionspatienten zu ermöglichen, können Apothekenboten eingesetzt werden. Der Patient hat dann das Substitutionsmittel vor den Augen des Apothekenboten einzunehmen. Bei der Verschreibung von Folgerezepten dürfen Ärzte von einer persönliche Konsultation absehen. Alle Maßnahmen dienen dazu, dort wo medizinisch gut vertretbar, Infektionsrisiken zu minimieren und die Substitutionsversorgung sicherzustellen.

    Da Substitutionspatienten aufgrund ihres oftmals geschwächten Immunsystems zur Covid-19- Risikogruppe gehören, bedeuten diese Regelungen eine Verbesserung des allgemeinen Infektionsschutzes. Die Substitutionsversorgung in Deutschland auszubauen und zu stärken, ist ein zentrales Ziel für die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig.

    Pressestelle der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, 21.04.2020

  • 17. Deutscher Reha-Tag

    Der diesjährige Deutsche Reha-Tag steht im Zeichen psychisch Kranker. Aus diesem Anlass übernimmt der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Aktion Psychisch Kranke e.V., Peter Weiß, die Schirmherrschaft.

    Immer wieder erfahren Menschen mit psychischen Erkrankungen eine Stigmatisierung durch ihr Umfeld. Dabei sind inzwischen jeder vierte Mann und jede dritte Frau zwischen 18 und 79 Jahren von einer zumindest zeitweiligen psychischen Störung betroffen. Viele begeben sich nicht in Behandlung, sondern ziehen sich aufgrund der Stigmatisierung noch mehr zurück. Mit den richtigen Therapien kann eine Teilhabe am Leben jedoch wieder möglich sein. Die Rehabilitation spielt dabei eine wichtige Rolle und kann Menschenleben retten.

    Peter Weiß

    Peter Weiß, Schirmherr des Deutschen Reha-Tages: „Gerade Krisenzeiten, wie wir sie aktuell erleben, können für psychisch Kranke zur Gefahr werden. Therapieangebote können teilweise nur eingeschränkt wahrgenommen werden, die Krise kann Ängste wieder hervorrufen oder dazu führen, dass Menschen vereinsamen. Ich bin froh, dass der Deutsche Reha-Tag in diesem Jahr den Schwerpunkt auf die Rehabilitation psychisch Kranker gelegt hat. Nach wie vor erfährt diese Krankheit in der Gesellschaft zu wenig Beachtung. Dabei ist eine Öffnung in der Gesellschaft für das Thema wichtig, um eine gute Teilhabe der Erkrankten zu ermöglichen.“

    Aktuell stehen Rehabilitationseinrichtungen vor großen Herausforderungen. Sie werden zur Unterstützung in der Corona-Pandemie herangezogen und müssen ihren Betrieb umstellen. Einige werden vollständig in Corona-Kliniken umfunktioniert. „Dennoch darf das von vielen Patienten benötigte Therapieangebot keine Beeinträchtigung finden. Die Rehabilitation bedarf daher aller Unterstützung“, so Peter Weiß.

    Unter dem Stichwort „Dimensionen von Teilhabe psychisch kranker Menschen“ findet in diesem Jahr die Auftaktveranstaltung des Deutschen Reha-Tages am 9. September 2020 in der Klinik für Psychosomatische Medizin, Alexianer Krefeld GmbH, in Krefeld statt.

    Initiatorenkreis Deutscher Reha-Tag, 07.04.2020

  • Umsetzung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes (SodEG)

    Die Deutsche Rentenversicherung gibt auf ihrer Website Hinweise zur Beantragung von Zuschüssen nach dem SodEG für Medizinische Reha-Einrichtungen. Dort stehen auch das Antragsformular und ein zugehöriges Infoblatt zum Download bereit (Experten > Infos für Reha-Einrichtungen > Coronavirus: Wichtige Informationen für Medizinische Reha-Einrichtungen und LTA-Einrichtungen):

    https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Home/Corona_Blog/reha_info_SodEG.html

    Textauszug von der Website der Rentenversicherung:

    Mit dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass im Sinne eines Sicherstellungsauftrags zugunsten der sozialen Dienstleister wirtschaftlich nachteilige Folgen der Coronavirus-Pandemie durch Zuschusszahlungen abgefedert werden können.

    Medizinische Reha-Einrichtungen gehören zum Kreis der Antragsberechtigten nach dem SodEG, sofern sie mit der Deutschen Rentenversicherung in einem Rechtsverhältnis stehen und Reha-Leistungen wegen der Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus SARS-CoV-2 Krise nicht mehr im bisherigen Umfang anbieten beziehungsweise durchführen können.

    Der Antrag ist nur beim federführenden Rentenversicherungsträger zu stellen. Wir bitten Sie, die ausgefüllten Antragsformulare an folgende speziell hierfür eingerichtete elektronische Postkörbe zu übersenden.

    Inhalt des Antrags

    Das Antragsformular beinhaltet zum einen eine Selbstauskunft zu den von Ihrer Einrichtung im Kalenderjahr 2019 erbrachten Leistungstagen für alle Rentenversicherungsträger. Die Selbstauskunft ist die Basis für den sich ergebenden Vorschuss.

    Zum anderen ist ferner zu erklären, inwieweit für die Bewältigung von Folgen der Coronavirus-Krise seitens der Einrichtung Arbeitskräfte, Räumlichkeiten und sonstige Sachmittel zur Verfügung gestellt werden können, die für die Bewältigung von Auswirkungen der Coronavirus SARS-CoV-2 Krise geeignet sind.

    Weiteres Verfahren

    Der Federführer führt für alle Rentenversicherungsträger, für die Sie Leistungen erbracht haben, die Berechnung durch. Für die nächsten zwei Monate wird zunächst ein Vorschuss auf den Zuschuss gezahlt.

    Die Deutsche Rentenversicherung hat sich bewusst für dieses Vorgehen (Vorschuss) entschieden, um Geldmittel schnell und bürokratiearm zur Auszahlung zu bringen. Ab Ende Mai erhalten Sie an dieser Stelle zum weiteren Vorgehen aktuelle Informationen.

    Die Höhe des Zuschusses wird nachträglich hinsichtlich etwaiger Rückerstattungsansprüche überprüft, weil die Bezuschussung gegenüber anderen Mitteln nachrangig ist.

    Quelle: Rundschreiben DRV Bund Nr. 23/2020, Website der DRV, 09.04.2020

    Ein Infoblatt mit Häufigen Fragen zum SodEG (FAQs) hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zusammengestellt.

  • Unterstützung für stationäre Reha- und Vorsorgeeinrichtungen

    Durch die Coronakrise haben Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen Einnahmeausfälle zu verzeichnen. Der GKV-Spitzenverband hat sich daher mit den Verbänden der Leistungserbringenden auf Ausgleichszahlungen für Einrichtungen mit einem Versorgungsvertrag nach § 111 Abs. 2 SGB V geeinigt. Die Vereinbarung wurde von den zwölf beteiligten Organisationen in kürzester Zeit geschlossen. Sie regelt Ausgleichszahlungen für den Zeitraum vom 16. März bis 30. September 2020 und tritt am 9. April 2020 in Kraft. Das formale Unterschriftsverfahren wurde eingeleitet.

    In vielen Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen können Betten aktuell nicht so belegt werden, wie es vor dem Auftreten der COVID-19-Pandemie geplant war. Zum einen entfallen durch die Absage planbarer Operationen die sich sonst anschließenden Rehabilitationsmaßnahmen, zum anderen müssen je nach Länderentscheidung viele Vorsorge- und Reha-Einrichtungen ihren Betrieb als „Ersatzkrankenhäuser“ aufrechterhalten, um die Krankenhäuser für die Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten zu entlasten. Viele Einrichtungen müssen daher zum Teil hohe Einnahmeausfälle verkraften. Betroffene Einrichtungen können nun einen Ausgleich für die entstehenden finanziellen Verluste erhalten.

    Ermittlung von Einnahmeausfällen

    Dafür ermitteln die Einrichtungen zunächst als Referenzwert die im Jahresdurchschnitt 2019 pro Tag behandelten Patientinnen und Patienten der gesetzlichen Krankenkassen. Dann wird täglich, beginnend mit dem 16.03.2020, die Zahl der Patientinnen und Patienten ermittelt, die von der gesetzlichen Krankenversicherung finanzierte Vorsorge- oder Reha-Leistungen erhalten oder die in der Einrichtung im Rahmen der Kurzzeitpflege aufgenommen oder als Krankenhauspatientinnen oder -patienten behandelt werden. Letzteres wurde – befristet bis zum 30. September 2020 – durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz ermöglicht. Anschließend wird für jeden Tag die Differenz zwischen Referenzwert und der aktuellen Patientenzahl gebildet. Für jedes nicht besetzte Bett erhält die Einrichtung einen im Gesetz festgelegten Ausgleichsbetrag in Höhe von 60 Prozent des durchschnittlichen Vergütungssatzes der Einrichtung.

    Länder regeln Auszahlung

    Das Verfahren wird über die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde geregelt, die mit der Durchführung auch eine Krankenkasse beauftragen kann. Die wöchentlichen Meldungen der Einrichtungen werden aufsummiert und an das Bundesamt für soziale Sicherung weitergeleitet, das die angemeldeten Mittelbedarfe aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds an das Land oder die benannte Krankenkasse zur Weiterleitung an die Einrichtungen auszahlt.

    Wöchentliche Meldung der Ausgleichszahlungen

    Die Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen melden die nach dem oben beschriebenen Prozess ermittelten Ausgleichszahlungen einmal wöchentlich für jeden Kalendertag an die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde (bzw. an eine von dieser Landesbehörde benannte Krankenkasse). Diese Meldung wird letztmalig für den 30. September 2020 durchgeführt.

    Hintergrund Vereinbarung

    Die Vereinbarung geht zurück auf das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz vom 28. März 2020. Danach hat der GKV-Spitzenverband mit den für die Erbringer von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und medizinischer Vorsorge maßgeblichen Verbänden auf Bundesebene zu vereinbaren, wie der Nachweis über die Zahl der täglich stationär behandelten oder aufgenommenen Patientinnen und Patienten im Vergleich zum Referenzwert zu erbringen ist und welche Meldungen zu erfolgen haben. Zudem war zu vereinbaren, wie der durchschnittliche Vergütungssatz ermittelt wird. Beteiligt waren folgende Leistungserbringerverbände:

    • Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.
    • Bündnis Kinder- und Jugendreha e.V.
    • Bundesverband Geriatrie e.V.
    • Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V.
    • Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V.
    • Deutscher Caritas Verband e.V.
    • Deutsche Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation (DEGEMED) e.V.
    • Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e.V.
    • Deutsches Rotes Kreuz – Generalsekretariat e.V.
    • Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.
    • Fachverband Sucht e.V.

    Hintergrund Finanzierung

    Vorsorge und Rehabilitationsmaßnahmen werden von unterschiedlichen Sozialversicherungsträgern finanziert: Die GKV ist der zuständige Reha-Leistungsträger, wenn die Reha-Leistung erforderlich ist, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.

    Dagegen ist die gesetzliche Rentenversicherung insbesondere zuständig, wenn die Reha-Leistung erforderlich ist, um einer Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit von Versicherten entgegenzuwirken, die bestimmte Vorversicherungszeiten erfüllt haben. Dabei gilt das Prinzip der Nachrangigkeit für die GKV: Die Krankenkassen sind also nur dann zuständig, wenn andere Sozialversicherungsträger diese Leistung nicht erbringen.

    Zur wirtschaftlichen Absicherung der Einrichtungen in Bezug auf den Belegungsanteil anderer Reha-Träger wurden mit dem Sozialschutzpaket vom 27.03.2020 im Rahmen des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes vergleichbare Regelungen getroffen.

    Gemeinsame Pressemitteilung GKV-Spitzenverband, Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V., Bündnis Kinder- und Jugendreha e.V., Bundesverband Geriatrie e.V., Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V., Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V., Deutscher Caritas Verband e.V., Deutsche Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation (DEGEMED) e.V., Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband – e.V., Deutsches Rotes Kreuz – Generalsekretariat – e.V., Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V., Fachverband Sucht e.V., 09.04.2020

  • DHS Jahrbuch Sucht 2020 ist erschienen

    Das frisch erschienene DHS Jahrbuch Sucht 2020 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) liefert die neuesten Zahlen und Fakten zum Konsum legaler und illegaler Drogen in Deutschland. Renommierte Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis informieren über aktuelle Trends bei einzelnen Suchtstoffen, zu abhängigem Verhalten und über die Versorgung Suchtkranker.

    Alkohol

    10,5 Liter Reinalkohol trank jede/r Bundesbürger/in im Alter ab 15 Jahren im Jahr 2017 (2016: 10,6 Liter). Damit zählt Deutschland international noch immer zu den Hochkonsumländern, trotz sinkenden Konsums. Zum Vergleich: Die Trinkmenge im Niedrigkonsumland Norwegen betrug sechs Liter Reinalkohol pro Einwohner/in ab 15 Jahren im Jahr 2017. Um dieses Niveau in Deutschland zu erreichen, bräuchte es weitere 54 Jahre – vorausgesetzt der Alkoholkonsum sinkt weiter im bisherigen Tempo (1970: 14,4 Liter Reinalkohol). Der Gesamtverbrauch an alkoholischen Getränken in Deutschland stieg im Jahr 2018 um 0,3 Liter auf 131,3 Liter Fertigware je Einwohner/in. Diese Menge entspricht in etwa einer Badewanne an Bier, Wein, Schaumwein und Spirituosen.

    Insgesamt drei Millionen Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren hatten im Jahr 2018 in Deutschland eine alkoholbezogene Störung (Missbrauch: 1,4 Millionen; Abhängigkeit: 1,6 Millionen). Etwa 74.000 Todesfälle jährlich werden allein durch Alkoholkonsum oder den kombinierten Konsum von Tabak und Alkohol verursacht. Experten und Expertinnen weisen im DHS Jahrbuch Sucht 2020 darauf hin, dass Alkoholkonsum immer riskant ist. Deshalb sollte möglichst wenig oder gar kein Alkohol getrunken werden.

    Auf rund 57,04 Milliarden Euro pro Jahr beziffert der Gesundheitsökonom Dr. Tobias Effertz im DHS Jahrbuch Sucht 2020 die ökonomischen Kosten des schädlichen Alkoholkonsums in Deutschland. Dem stehen Einnahmen des Staates aus alkoholbezogenen Steuern von nur 3,185 Milliarden Euro (im Jahr 2018) gegenüber.

    Tabak

    Das Rauchen ist in den Industrienationen die führende Ursache vorzeitiger Sterblichkeit. Etwa 13,5 Prozent aller Todesfälle in Deutschland waren auf die Folgen des Rauchens zurückzuführen. Das entspricht rund 121.000 Menschen (im Jahr 2013).

    26 Prozent der Männer und 19 Prozent der Frauen ab 15 Jahren rauchten im Jahr 2017. Damit ist die Zahl der Raucher/innen in Deutschland weiterhin rückläufig. Bei Jugendlichen ist der Trend zum Nichtrauchen bereits seit rund 15 Jahren zu beobachten.

    Die bislang umgesetzten Maßnahmen der Tabakkontrollpolitik haben dazu geführt, dass vor allem Jugendliche und junge Erwachsene weniger rauchen. Dennoch besteht in Deutschland weiterhin erheblicher Nachholbedarf bei der nachhaltigen Verringerung des Tabakkonsums und beim verbesserten Nichtraucherschutz, wie Expertinnen und Experten im DHS Jahrbuch Sucht 2020 aufzeigen. Der Pro-Kopf-Verbrauch lag 2019 bei 900 Zigaretten. Insgesamt wurden 74,6 Milliarden Fertigzigaretten in Deutschland konsumiert. Das ist ein minimaler Anstieg um 0,3 Prozent gegenüber 2018. Der Verbrauch von Feinschnitt ging um zwei Prozent auf 23.813 Tonnen zurück. Das entspricht etwa 35,7 Milliarden selbstgedrehten Zigaretten.

    Der Konsum von (Wasser-)Pfeifentabak ist 2019 erneut stark angestiegen. Es wurden 4.150 Tonnen verbraucht, das ist ein Plus von 24,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dies dürfte insbesondere auf die Beliebtheit des speziellen Wasserpfeifentabaks zurückzuführen sein, den vor allem Jugendliche und junge Erwachsene in Shisha-Bars oder zu Hause rauchen.

    Auf jährlich 97,24 Milliarden Euro beziffert der Ökonom Dr. Tobias Effertz die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Rauchens. Davon entfallen 30,32 Milliarden Euro auf direkte Kosten (z. B. Kosten für die Behandlung tabakbedingter Krankheiten) und 66,92 Milliarden Euro auf indirekte Kosten (z. B. Produktivitätsausfälle).

    Medikamente

    Der Missbrauch und die Abhängigkeit von Medikamenten erhöhen sich insgesamt weiter, wie Untersuchungen zeigen. Dies betrifft insbesondere die missbräuchliche und unnötig hoch dosierte Anwendung, teilweise auch die Gewöhnung an nicht-opioidhaltige Schmerzmittel. Diese Entwicklung trifft auf hochgerechnet 1,6 bis 3,9 Millionen der 18- bis 64-Jährigen in Deutschland zu.

    Geschätzt sind etwa 1,5 bis 1,9 Millionen Menschen in Deutschland medikamentenabhängig, insbesondere von Benzodiazepinen (rezeptpflichtige Beruhigungs- und Schlafmittel) und Z-Substanzen (neuartige Schlafmittel) sowie opioidhaltigen Schmerzmitteln. Vor allem ältere Frauen sind betroffen, weil sie häufig über einen langen Zeitraum Psychopharmaka verordnet bekommen.

    Illegale Drogen

    15,2 Millionen Erwachsene im Alter zwischen 18 und 64 Jahren und etwa 477.000 Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren haben aktuellen Schätzungen zufolge mindestens einmal in ihrem Leben eine illegale Droge konsumiert.

    Nach wie vor nimmt Cannabis in allen Altersgruppen unter den illegalen Drogen die prominenteste Rolle ein. Bei den Jugendlichen war von Mitte der 2000er Jahre bis zum Jahr 2011 ein fallender Trend beim Cannabiskonsum zu beobachten. Seitdem ist wieder ein Anstieg zu verzeichnen: 2018 konsumierten acht Prozent der Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren Cannabis. Das entspricht 367.000 jugendlichen Konsumierenden. Am häufigsten wird Cannabis von jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren konsumiert.

    Nach Hochrechnungen des Epidemiologischen Suchtsurveys 2018 sind 309.000 Erwachsene im Alter von 18 bis 64 Jahren abhängig von Cannabis. Eine Kokainabhängigkeit liegt bei 41.000 und eine Amphetamin-Abhängigkeit bei 103.000 der 18- bis 64-Jährigen vor.

    Derzeit erhalten 79.400 Menschen in Deutschland eine Substitutionstherapie. 1.398 drogenbedingte Todesfälle wurden im Jahr 2019 in Deutschland polizeilich registriert. Gegenüber dem Vorjahr ist damit ein Anstieg um 9,6 Prozent zu verzeichnen (2018: 1.276 Drogentote).

    Glücksspiel

    Auf dem legalen deutschen Glücksspielmarkt wurden 2018 rund 46,3 Milliarden Euro Umsätze (Spieleinsätze) erzielt. Laut einer 2019 durchgeführten Repräsentativbefragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sind 0,39 Prozent der 16- bis 70-jährigen bundesdeutschen Bevölkerung Problemspieler/innen (229.000 Personen). 0,34 Prozent zeigen ein pathologisches Spielverhalten (200.000 Personen), also eine Glücksspielsucht.

    Versorgung

    Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hat eine umfassende Bestandsaufnahme zu den Hilfen und Angeboten für Menschen mit Suchtproblemen in Deutschland verfasst. Darin werden erstmals auch Angebote im gesamten Gesundheits- und Sozialwesen aufgeführt, die neben und ergänzend zu den Leistungen der Suchthilfe bestehen. Die ausführliche Analyse der Versorgungssituation Suchtkranker in Deutschland findet sich unter: www.dhs.de, Rubrik Stellungnahmen („Update zur Analyse der Versorgungssituation Suchtkranker in Deutschland“). Dort ist auch die aktuelle Stellungnahme der DHS und ihrer Mitgliedsverbände zur Situation der Suchthilfe in der Coronakrise hinterlegt.

    Hilfe bei Suchtproblemen

    Das Suchthilfeverzeichnis der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) enthält Informationen zu den bundesweit ca. 1.500 ambulanten Suchtberatungsstellen und 800 stationären Suchthilfeeinrichtungen. Über die Suchfunktion können Hilfeangebote vor Ort recherchiert werden: www.suchthilfeverzeichnis.de

    Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hg.): DHS Jahrbuch Sucht 2020
    Pabst Science Publishers, Lengerich 2020, 288 Seiten, € 20,00, ISBN 978-3-95853-589-3, auch als E-Book erhältlich

    Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 08.04.2020

  • 1.398 Menschen an illegalen Drogen gestorben

    1.398 Menschen starben 2019 an den Folgen ihres Drogenkonsums. Im Jahr zuvor waren es 1 276. Das ist ein Anstieg von 9,6 Prozent. Hauptursache sind, wie in den vergangenen fünf Jahren, Überdosierungen von Opioiden wie Heroin oder Morphin sowie die Kombination mit anderen Substanzen. Besonders auffällig ist die Zunahme der Todesfälle aufgrund langjährigen Drogenmissbrauchs.

    Von 2014 bis 2019 ist die Zahl der Toten aufgrund von Langzeitschädigungen von 119 auf 318 gestiegen. Der Anteil derjenigen, die aufgrund von Langzeitschädigungen in Kombination mit Intoxikationsfolge starben, stieg im letzten Jahr signifikant von 38 auf 172.

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig, betont: „Die Entwicklung der vergangenen Jahre können wir auf keinen Fall hinnehmen! Wir sehen an den Zahlen klar, dass wir Leben nur dann retten können, wenn die Hilfsangebote vor Ort noch besser und vor allem lückenloser werden. Jeder soll die Möglichkeit auf ein gesünderes Leben haben. Deshalb brauchen wir dringend eine noch flächendeckendere Substitutionsversorgung. Auch in der aktuellen Corona-Krise dürfen die Substitutionspatienten nicht auf der Strecke bleiben. Es geht jetzt darum, Leben zu retten! Dafür brauchen wir einen gemeinsamen Kraftakt von Bund, Ländern, Kommunen, Suchthilfe, Krankenkassen und Ärzten. Wir brauchen den gesellschaftlichen Konsens, dass Sucht eine schwere Krankheit ist und kein Ausgrenzungsgrund.“

    Die Todesfälle aufgrund von Opiatvergiftungen liegen seit Jahren konstant hoch bei 650 Fällen. Seit einigen Jahren gibt es Naloxon, ein Antiopiat, als Nasenspray. Es kann die Wirkungen einer Überdosierung für einige Zeit aufheben und somit kurzfristig Leben retten. Obwohl Naloxon als Spray seit zwei Jahren verschrieben werden kann, ist es in der Szene noch nicht flächendeckend angekommen. Bayern erprobt aktuell in einem Modellprojekt, wie Naloxon besser in Praxis angewendet werden kann. Die Drogenbeauftragte unterstützt dieses Projekt und setzt sich dafür ein, dass die Szene deutschlandweit mit dem lebensrettenden Mittel ausgestattet wird.

    Todesfälle durch Kokain, Amphetamine und synthetische Drogen haben in den letzten fünf Jahren von 143 auf 268 zugenommen.

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig: „Die Häufung von Todesfällen durch die Einnahme von Koks oder Amphetaminen verdeutlicht, wie wichtig Aufklärung und Beratung auch bei Partydrogen und anderen Aufputschmitteln sind. Wir brauchen passgenaue Projekte für die Partyszene, damit sich die Konsumenten von Kokain, Amphetaminen und Co. der Risiken für ihre Gesundheit bewusst werden.“

    Pressestelle der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, 24.03.2020

    Handreichung für Substitutionsärzte

    Eine Handreichung für kurzfristige und pragmatische Lösungen in Zeiten der Corona-Krise hat die Konferenz der Vorsitzenden von Qualitätssicherungskommissionen der Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland veröffentlicht. Download

  • Bundestag beschließt Reha-Schutzschirme

    Der Deutsche Bundestag hat am 25. März über mehrere Maßnahmenpakete zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie beraten und entschieden. Zwei davon betreffen direkt auch die medizinische Rehabilitation. Sie sollen vor allem die negativen wirtschaftlichen Folgen für Reha-Einrichtungen durch die aktuellen Belegungseinbrüche bekämpfen und den Erhalt der Leistungsanbieter sichern.

    Im Sozialschutzpaket erhalten die gesetzlichen Reha-Träger den Sicherstellungsauftrag für die medizinischen Reha-Einrichtungen. Dieser Sicherstellungsauftrag bedeutet, dass die Reha-Einrichtungen monatliche Zuschüsse erhalten und dadurch wirtschaftlich stabilisiert werden, auch wenn sie im Augenblick infolge der Corona-Pandemie kaum belegt werden. Die Zuschüsse betragen 75 Prozent der durchschnittlichen monatlichen Zahlungen der Reha-Träger an die Reha-Einrichtungen in den letzten zwölf Monaten. DEGEMED-Geschäftsführer Christof Lawall begrüßt das Maßnahmenpaket: „Dieser Sicherstellungsauftrag ist dringend nötig. Inzwischen gibt es in allen Reha-Einrichtungen in ganz Deutschland starke Belegungseinbrüche. Ohne diesen Schutzschirm werden zahlreiche Anbieter in wenigen Tagen den Betrieb einstellen. Dabei brauchen wir sie in der aktuellen Situation dringend zur Unterstützung der Krankenhäuser und für die Eindämmung der Corona-Pandemie.“

    Allerdings gilt das Sozialschutzpaket nicht für die medizinische Reha der Krankenkassen. Diese Lücke wird in einem weiteren Gesetz, dem COVID-19 Krankenhausentlastungsgesetz geschlossen. Reha-Einrichtungen sollen danach Ausgleichszahlungen beantragen können, wenn Reha-Leistungen der Krankenkassen ausfallen. Die Zuschüsse sind auf 60 Prozent der Erlösausfälle begrenzt. Das ist keine optimale Lösung aus Sicht der DEGEMED. „Besser wäre ein einheitlicher Schutzschirm für alle Reha-Leistungen und -Einrichtungen mit einheitlichen Verfahren und Zuschüssen gewesen. Jetzt kommt es aber vor allem auf das Tempo an. Die Zuschüsse müssen schnell, am besten schon ab der kommenden Woche fließen, um die kurzfristige Liquidität der Reha-Einrichtungen zu sichern“, mahnt Lawall.

    Die DEGEMED ist der Spitzenverband der medizinischen Rehabilitation. Sie setzt sich für die Interessen der stationären und ambulanten Rehabilitationseinrichtungen ein und ist offen für alle Betreibermodelle und Rechtsformen. Ihre Anliegen und Themen vertritt die DEGEMED gegenüber Politik, Leistungsträgern und Öffentlichkeit.

    Pressestelle der DEGEMED, 25.03.2020

  • Die medizinische Rehabilitation am Scheideweg? Corona ist überall

    Prof. Dr. Ralf Kreikebohm

    Die Corona-Krise beherrscht aktuell jede Diskussion, und es wird womöglich auch noch lange so bleiben. Leider geraten Themen in den Hintergrund, die auch wichtig sind und nach überstandener Corona-Krise an Bedeutung wieder zulegen werden. Aus dem BMAS wurde Anfang Februar der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung der Beschaffung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation durch die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Weiterentwicklung des Übergangsgeldanspruches (Spötter nennen es auch das „Schöne Reha-Beschaffungsgesetz“) bekannt. Es soll – wie fast immer bei Gesetzen – alles Erdenkliche leisten: Transparenz schaffen, nachvollziehbar sein, Diskriminierungsfreiheit gewährleisten und alle gleich behandeln. Worum geht es? Die Rentenversicherungsträger lassen Reha-Kliniken auf dem Reha-Markt zu und verhandeln dann die Leistungen und die Preise. So war es bisher.

    Wozu brauchen wir ein Gesetz, wenn alles in Ordnung ist?

    An mehreren Stellen in der Begründung steht, dass die Rentenversicherungsträger bisher rechtmäßig gehandelt haben. Mir ist auch keine Entscheidung eines deutschen Gerichts oder etwa des EuGHs bekannt, die diese Rechtspraxis für nicht rechtmäßig erklärt hätte. Und sie findet ihre Rechtsgrundlage ohne Zweifel im Sozialgesetzbuch zur Rehabilitation. Da steht im Grunde alles drin. Das Gesetz braucht man angeblich deshalb, um zu verhindern, dass die Vergabe von Rehabilitationsleistungen ausgeschrieben werden müsse. Doch an den hierfür maßgebenden Vorschriften im Wettbewerbsrecht soll nichts geändert werden, was auch schwierig wäre, weil das in die Zuständigkeit des europäischen Gesetzgebers fällt. Mit anderen Worten: Hier wird eine Lösung präsentiert, aber es gibt offenbar gar kein Problem. Das erinnert fatal an Franz Kafka und sein Schloss. Des Weiteren sind die beabsichtigten Regelungen so engmaschig, dass für individuelle und regional ausgerichtete Lösungen kein Raum bleibt. Gleichzeitig wird in Sonntagsreden das hohe Lied der Selbstverwaltung gesungen, hier könnten Selbstverwaltungen gute individuelle und auch auf den regionalen Arbeitsmarkt abgestellte Lösungen finden.

    Verträge ohne Vertragsverhandlungen

     Im Gesetz soll ein einmaliger Vorgang festgeschrieben werden: Die Betreiber von Reha-Einrichtungen müssen sich, wenn sie sich mit ihren Einrichtungen an der Erbringung von Reha-Leistungen beteiligen wollen (Zulassung) vorher einem Preissystem unterwerfen, das es zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht gibt und das einseitig von der Deutschen Rentenversicherung Bund festgesetzt wird. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Eine mittelbare, selbstverwaltete Bundesbehörde legt einen Preis einseitig fest und diejenigen, die Leistungen erbringen sollen und wollen, müssen sich vorher diesem Preis unterwerfen, der aber im Zeitpunkt der Unterwerfung noch nicht feststeht. Es wird also schlicht und einfach erwartet, dass sie die Katze im Sack kaufen. Gleichwohl sollen sie Verträge schließen. Auf einen anderen Markt übertragen wäre das etwa so: Die Vermieter dürfen nur dann vermieten, wenn sie Jahre vorher die Festsetzung der Miethöhe akzeptieren. Jeder Jurastudent im dritten Semester dürfte erkennen, dass ein derartiges Verfahren mit dem Grundgesetz und dem dort in Artikel 12 festgelegten Grundsatz der freien Betätigung eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes nicht in Einklang zu bringen ist.

    Die Strukturen in der Reha gehen kaputt

    Die Art der Preisfestsetzung lässt schon jetzt eine Nivellierung auf niedrigem Niveau erkennen. Das werden noch drei oder vier große Gesundheitskonzerne durchstehen. Die kleinen und mittelständischen Betriebe werden nicht überleben, wenn sie denn die Corona-Krise überstehen. Gleiches gilt für konfessionell gebundene Träger. Und die Begründung für das Preismodell, gleiche Leistungen müssten überall gleich bezahlt werden, ist völlig daneben: Die Löhne sind regional und je nachdem, ob es sich um tarifgebundene Einrichtungen handelt, völlig unterschiedlich. Die vorgegebene Preisfindung wird zu Lohndumping verbunden mit Entsolidarisierungen aus Tarifverträgen führen. Hier wirkt nun beschleunigend das Virus. Die gesamte Rehabilitation steht vor enormen Herausforderungen, weil die Corona-Krise zu einem wirtschaftlichen Abschwung führen wird. Da ist fraglich, ob kleinere Anbieter dies überleben. Gleichzeitig wird der Bedarf nach Reha-Leistungen ansteigen, weil die Menschen eine Zeit der existenziellen Ängste durchlaufen. Hier wäre eine gut aufgestellte, intakte Anbieterlandschaft von großer Bedeutung. Strukturen sind leicht zerschlagen, sie wiederaufzubauen, kostet Zeit und Geld.

    Diese geschilderte Ausgangslage wird durch die Veränderungen in der Arbeitswelt zusätzlich vielschichtiger. Die Zunahme atypischer Beschäftigungen und veränderte gesellschaftliche Ansprüche an eine Arbeitswelt der Zukunft lassen die Flexibilisierung der Angebotsstrukturen in der Prävention und Rehabilitation an Attraktivität gewinnen. Eine Fortschreibung der bereits eingesetzten Flexibilisierung von Strukturen der Rehabilitation erscheint in Anbetracht einer immer flexibler werdenden Gesellschaft somit zeitgemäß. (Fort-, Weiter-)Bildung und Umschulung sollten in einem sich wandelnden Arbeitsmarkt der Zukunft als eine wesentliche Präventionsstrategie verstanden und ausgebaut werden. Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sollen demnach zunehmend präventiv sowie lebenslauforientiert ausgerichtet sein und verstärkt auch solchen Personengruppen zugutekommen, die bislang weniger hiervon profitierten. Eine erwartete Vielzahl an indifferenten, unspezifischen Arbeitsplätzen der Zukunft setzt verstärkt voraus, dass Beschäftigte selbstbestimmt und eigenverantwortlich mit der eigenen Gesundheit umgehen.

    Die grundsätzliche Arbeitsplatzorientierung wird ohne Zweifel auch in Zukunft ein leitendes Thema der Prävention und Rehabilitation bleiben. In Anbetracht von indifferenten Arbeitsplätzen der Zukunft, die zunehmend durch sitzende, inaktive Tätigkeiten mit unspezifischen psychosozialen Belastungen geprägt sind, ist jedoch auch über eine grundsätzliche Weiterentwicklung der Inhalte der Rehabilitation in der Regelversorgung nachzudenken. Konkrete Tätigkeitsprofile, die an Modellarbeitsplätzen nachzustellen sind, werden mit großer Wahrscheinlichkeit weiter zurückgehen. Darüber hinaus sind auch eine potenziell mögliche Zunahme der Telearbeitsplätze und Zukunftsmodelle wie Crowdworking zu bedenken, die sich dem Einfluss betrieblicher Überwachung im Sinne von gesundheitsfördernden Rahmenbedingungen zum Teil gänzlich entziehen.

    Vor diesem Hintergrund ist der Fokus von rehabilitativen Behandlungskonzepten verstärkt auf die Erreichung von eigenverantwortlichem, selbstbestimmtem Handeln der Personen zu legen. Bedeutsam bleibt jedoch auch hierbei die Entwicklung zielgruppenspezifischer Angebote, die wiederum nicht nur die Indikation, sondern auch die Lebenswelten der Betroffenen berücksichtigen sollten.

    Schließlich wird die tatsächliche Umsetzung einer intersektoriellen Gesundheitspolitik weiter an Bedeutung gewinnen – insbesondere dann, wenn sich eine neue Dimension gesundheitlicher Chancenungleichheit durchsetzen könnte. Dies ist für die Zeit nach Corona zu erwarten. Um benachteiligte Bevölkerungsgruppen frühzeitig erreichen und in das gesundheitliche Versorgungssystem angemessen einführen zu können, erscheint insbesondere in der Präventionsarbeit eine Intensivierung aufsuchender, lebensweltbezogener Ansätze gewinnbringend. Intervention und Angebote, die dieser Philosophie folgen, sind auf die besonderen Problemlagen der jeweiligen Zielgruppen zugeschnitten und berücksichtigen stets die Bedingungen und Möglichkeiten der jeweiligen Lebenswelt. Aus alledem folgt: Auch in der Prävention und Rehabilitation liegt der Schlüssel des Erfolgs darin, die Individualität jedes Versicherten anzuerkennen und darauf maßgeschneiderte Präventions- und Reha-Angebote auszurichten. Mit dem Gesetzesvorhaben wird aber Gleichmacherei statt Individualität propagiert.

    Keine Gleichmacherei, Individualität ist gefordert

    Das Leistungsangebot muss sich der Individualität der Versicherten anpassen. Die sachgerechte Berücksichtigung der individuellen Bedarfslagen der Versicherten stellt eine Massenverwaltung wie die gesetzliche Rentenversicherung als größtem Leistungsträger mit jährlich rund einer Million Anträgen vor erhebliche Probleme. Diese sog. Strukturverantwortung hat der Gesetzgeber gesehen und im dafür zuständigen Sozialgesetzbuch IX gute Regelungen getroffen: Die Leistungsträger müssen auf eine fachlich und regional ausreichende und qualitativ entsprechende Anzahl von Reha-Einrichtungen achten. Dabei sollen auch freie und gemeinnützige Träger belegt werden. Außerdem können die Rentenversicherungsträger auch Maßnahmen in trägereigenen Einrichtungen durchführen. Alles in allem möchte der Gesetzgeber eine Vielfalt der Leistungsanbieter. Durch das Gesetzesvorhaben wird das Gegenteil erreicht.

    Was ist zu tun?

    Eine Konzentration auf vier oder fünf große Gesundheitskonzerne entspricht auf dem Gebiet der Rehabilitation nicht dem Willen des Gesetzgebers, sie wäre sozial- und gesundheitspolitisch verfehlt und würde einer klugen Rehabilitation, die auf die unterschiedlichen Bedarfe der Versicherten abstellt, deutlich zuwiderlaufen. Die Rentenversicherungsträger könnten so ihrer Strukturverantwortung nicht mehr gerecht werden. Statt diesen schon vor Corona unbrauchbaren Gesetzentwurf weiterzuverfolgen, sollte sich das BMAS schleunigst Gedanken darüber machen, wie die vorhandene, vielfältige Reha-Landschaft erhalten bleiben kann. Dabei müssen auch die Rentenversicherungsträger selbst Verantwortung übernehmen. Die Mittel hätten sie dazu, denn wie in jeder Krise werden die Anträge auf Reha-Leistungen zunächst einbrechen. Dies darf nicht zu einem Kliniksterben führen, denn gute Reha-Einrichtungen und -Konzepte brauchen wir nach Corona.

    Prof. Dr. Ralf Kreikebohm, Institut für Rechtswissenschaften, TU Braunschweig

  • Ambulante und stationäre Suchtkrankenversorgung aufrechterhalten

    In der bedrohlichen Situation der aktuellen SARS-CoV-2 Pandemie sind alle Beteiligten des Gesundheitssystems gefordert, zusammenzustehen und die Krise gemeinsam zu bewältigen. Die Kapazitätserweiterung für die Versorgung schwerst an Covid-19 Erkrankter hat dabei derzeit höchste Priorität. Die Einrichtungen der Suchtkrankenversorgung mit ihren Rehabilitationskliniken sind selbstverständlich bereit, ihren Beitrag hierzu zu leisten. Aber auch die Behandlung und Versorgung aller anderen Erkrankten muss, soweit es geht, weiterhin durchführbar sein.

    Suchtkranke, die zumeist an weiteren, teils schweren psychischen und somatischen Erkrankungen leiden, sind dabei in der derzeitigen Notsituation besonderen Risiken ausgesetzt. Sie sind auf ein funktionierendes Suchtkrankenversorgungsnetz angewiesen. Aufnahmemöglichkeiten, insbesondere Notaufnahmen zur Entzugsbehandlung, qualifizierte Entzugsbehandlung, die Basisversorgung in den Suchtberatungsstellen und den psychiatrischen Institutsambulanzen, die Entwöhnungsbehandlungen sowie die ambulante und stationäre Vergabe von Substitutionsmitteln müssen auch in der jetzigen Pandemie-Krise kontinuierlich zur Suchtkrankenbehandlung zur Verfügung stehen.

    Schon jetzt wächst durch die weitgehende Schließung oder Angebotsreduktion der Suchtberatungsstellen und die eingeschränkten Entgiftungs- und Entzugsmöglichkeiten sowie reduzierten oder aufgehobenen Aufnahmemöglichkeiten in Rehabilitationskliniken der Druck auf suchtkranke Menschen und auf die Einrichtungen der Suchtkrankenbehandlung, die erforderliche Versorgung sicherzustellen.

    Die Entwöhnungsbehandlung findet in Deutschland überwiegend im Rahmen der medizinischen Rehabilitation in dazu spezialisierten Abteilungen oder Rehabilitationskliniken statt. Sie stellt die eigentliche Behandlung der Grunderkrankung dar und ist unverzichtbar. Hierzu gehört auch die Mitbehandlung oft schwerer psychischer und somatischer Begleit- und Folgeerkrankungen.  Ein nicht unerheblicher Anteil der Suchtkranken auch in Rehabilitationskliniken ist wohnungslos, sozial entwurzelt oder lebt in prekären Wohnverhältnissen.

    Für eine Versorgung akutmedizinisch-somatisch Erkrankter fehlt den Entwöhnungskliniken und Abteilungen die medizinische Infrastruktur. Das fachkompetente Personal ist nicht in ausreichender Zahl vorhanden. Ebenso fehlt es an erforderlicher Schutzausrüstung und medizintechnischer Ausstattung. Die Schließung von Entwöhnungskliniken und Abteilungen, wie sie von den zuständigen Behörden in einigen Regionen Deutschlands bekannt gegeben wurde, ist aus unserer fachlichen Sicht nicht geeignet zur Eindämmung der Pandemie und zur Schaffung von qualifizierten Ersatzkapazitäten für die stationäre Versorgung akutmedizinisch Erkrankter.

    Hingegen entlastet die originäre Arbeit mit den schwer Suchtkranken die Gesellschaft und akut-medizinische Einrichtungen. Viele der in unseren Einrichtungen behandelten Patientinnen und Patienten haben krankheitsbedingt unbehandelt erhebliche Schwierigkeiten, sich zu Hause selbst zu versorgen. Bei vorzeitiger Entlassung drohen Rückfall und hohe Eigengefährdung, verbunden mit der verminderten Fähigkeit, Grenzen und Regeln einzuhalten, auch Fremdgefährdungen sind nicht auszuschließen. Bei Zusammenbruch der Suchtkrankenversorgung droht eine zusätzliche Belastung des akutmedizinischen somatischen und psychiatrischen Versorgungssystems.

    Der Abbau der Suchtkrankenversorgung ist somit nicht geeignet, die Pandemie einzudämmen, vielmehr führt er zu weiteren Risiken und birgt die Gefahr, den gesundheitlichen Schaden für die Betroffenen, ihre Angehörigen und die Gesellschaft zu erhöhen.

    Wir appellieren dringend an die politisch Verantwortlichen, in ihren Überlegungen zur Schaffung von Ersatzversorgungskapazitäten für Akutmedizin differenziert vorzugehen und eine ausreichende Versorgung aller Suchtkranker sicher zu stellen.

    Gemeinsame Erklärung von Fachgesellschaften und Verbänden der Suchtkrankenbehandlung, 24.03.2020

    Beteiligte Fachgesellschaften und Verbände:

    • Dachverband der Suchtfachgesellschaften (DSG)
    • Deutscher Bundesverband von Chefärztinnen und Chefärzten von Suchtfachkliniken
    • Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe (buss) e.V.
    • Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht) e.V.
    • Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) e.V.
    • Deutsche Gesellschaft für Suchtpsychologie (DG SPS) e.V.
    • Deutsche Suchtmedizinische Gesellschaft (DSMG) e.V.
    • Fachverband Sucht e.V.
  • COVID-19

    Gute Nachrichten in Zeiten der COVID-19-Pandemie: Deutschlands Intensiv- und Notfallmediziner gewinnen nach erstmaliger Datenerhebung eine Ad-hoc-Übersicht auf die verfügbaren Behandlungskapazitäten hiesiger Intensivstationen. Im neu geschaffenen Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V. (DIVI) wird nun auf einen Blick deutlich, in welchen Kliniken aktuell genau wie viele Plätze für Corona-Patienten zur Verfügung stehen. Derzeit berichten die teilnehmenden Kliniken von rund 4.800 Intensivbetten, die in den nächsten 24 Stunden bereitgestellt werden können. Im Moment werden deutschlandweit schon einige hundert Corona-Patienten intensivmedizinisch behandelt.

    Beteiligt haben sich am Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) bereits die Hälfte aller Intensivstationen in Deutschland, die ihre Daten laufend aktualisieren.

    Es sind die ersten Zahlen, die die derzeitige Situation in Deutschland vor Augen führen: Wie hoch ist die tatsächliche Zahl schwer Erkrankter, die in einer Klinik behandelt werden müssen? Haben wir genug Kapazitäten auf den Intensivstationen? Genug Beatmungsplätze? Und Personal? Auf die drängendsten Fragen dieser Tage können die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), das Robert Koch-Institut (RKI) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) nun gemeinsam Antworten geben. Am 17. März starteten sie das DIVI Intensivregister – eine Datenbank, in der Intensivstationen unter anderem ihre derzeitige Belegung sowie Fallzahlen behandelter COVID-19-Patienten melden. Bisher folgten rund 600 Intensivstationen dem Aufruf. Dies entspricht etwa der Hälfte aller Intensivstationen in Deutschland. Mit der wachsenden Zahl teilnehmender Kliniken werden die Experten ab sofort erkennen können, wie sich die Zahl freier Intensivbetten im Verhältnis zu den schwer verlaufenden Infektionen weiterentwickelt.

    Stündlich mehr Datensätze abrufbar

    „Das DIVI Intensivregister, innerhalb kürzester Zeit entwickelt, ist bereits nach wenigen Tagen ein großer Erfolg“, freuen sich PD Dr. Linus Grabenhenrich vom Robert Koch-Institut in Berlin wie auch PD Dr. Mario Menk, Intensivmediziner an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Die Bereitschaft der Kliniken ist wirklich toll! Und stündlich kommen neue oder aktualisierte Datensätze hinzu.“ DIVI-Sektionssprecher Professor Christian Karagiannidis, Leiter des ECMO-Zentrums der Lungenklinik Köln-Merheim, und sein Stellvertreter, Professor Steffen Weber-Carstens, Sprecher des ARDS-ECMO Centrums an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, ergänzen: „Es ist uns somit gelungen, erstmals die Kapazitäten auf den Intensivstationen in der ganzen Republik tagesaktuell darzustellen. Darüber hinaus bietet das Intensivregister die Möglichkeit, Prädiktionsmodelle zum Verlauf der Pandemie im Hinblick auf die intensivmedizinisch zu versorgenden Patienten zu entwickeln.“

    Tägliche Veröffentlichung aktualisierter Kartendarstellungen der Fallzahlen und Bettenkapazitäten

    Die DIVI veröffentlicht deshalb auch ab sofort täglich Kartenansichten unter www.divi.de/register/kartenansicht, die die regionalen Patientenzahlen wie auch verfügbaren Kapazitäten auf Intensivstationen, besonders für beatmungspflichtige Patienten, darstellen. „Diese Kartendarstellung liest sich ähnlich einer Wettervorhersage und ist mithilfe der Datensätze des Registers möglich“, erklärt Linus Grabenhenrich, der die Karten im RKI berechnet und erstellt.

    Service für Feuerwehr und Rettungsdienste zur Leitung der Patienten

    In diesem wachsenden und lernenden System ist ein Teil der Datenbank öffentlich sichtbar. Dies ermöglicht im Notfall auch Feuerwehr und Rettungsdiensten, Patientenberatungen und den in Stadthallen, Schulen oder Hotels zentral eingerichteten Corona-Kliniken, schnell und unkompliziert freie Bettenkapazitäten zu finden. Ein einfaches Ampelsystem signalisiert mit Rot, Gelb oder Grün die Verfügbarkeiten.

    DIVI, RKI und DKG fordern weiterhin alle Kliniken und die hier tätigen Intensivbereiche auf, sich im deutschlandweiten DIVI Intensivregister zu registrieren und dort Daten täglich zu aktualisieren. Alle Intensivmediziner können mitmachen: www.divi.de/intensivregister

    „Die Zahlen verfügbarer Intensivbetten und Beatmungsplätze machen Mut“, so die DIVI-Sektionssprecher Karagiannidis und Weber-Carstens. „Hier zeigt sich die hohe Bereitschaft vieler Kliniken, sich der Krise für die Bevölkerung entgegenzustemmen. Wir sind bereit!“

    Pressestelle der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V., 20.03.2020