Kategorie: Kurzmeldungen

  • Corona: Digitale Hilfen und Tipps für Menschen mit Depression

    Die mit dem Corona-Virus verbundenen Ängste und Einschränkungen stellen für an Depression erkrankte Menschen große Herausforderungen dar. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe unterstützt Betroffene mit digitalen Angeboten und bietet Hinweise für den Alltag. Denn: „In einer Depression wird alles Negative im Leben vergrößert wahrgenommen und ins Zentrum gerückt, so auch die Sorgen und Ängste wegen des Corona-Virus. Betroffene können jedoch gegensteuern“, erklärt Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Inhaber der Senckenberg-Professur an der Goethe-Universität Frankfurt a. M.

    Tipps für den Alltag: Bewegung, Schlafhygiene und Gespräche

    Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe rät Betroffenen, sich abzulenken, aktiv zu bleiben und das Gespräch mit Freunden und Familie zu suchen. „Tauschen Sie sich aus – am besten nicht nur über den Corona-Virus, sondern auch über andere Themen. Auch Bewegung in, und falls man nicht unter Quarantäne steht, außerhalb der Wohnung ist zu empfehlen. Sehr wichtig ist, die Bettzeit nicht zu verlängern, da bei vielen Betroffenen eine längere Liegedauer und auch längerer Schlaf nicht zu einem Abbau, sondern einer Zunahme des Erschöpfungsgefühls und der Depressionsschwere führen. Hilfreich ist es, sich aufzuraffen und einen detaillierten Tages- und Wochenplan zu machen“, empfiehlt Prof. Ulrich Hegerl. Das iFightDepression-Programm kann dabei eine sehr gute Unterstützung für Betroffene sein.

    Online-Programm iFightDepression strukturiert den Alltag

    iFightDepression ist ein internetbasiertes, kostenfreies Selbstmanagement-Programm für Menschen mit leichteren Depressionsformen ab 15 Jahren. Es unterstützt Betroffene beim eigenständigen Umgang mit den Symptomen einer Depression und gibt praktische Hinweise für den Alltag. Durch Übungen lernen sie zum Beispiel, den Tag zu strukturieren und negative Gedankenkreise zu durchbrechen.

    Normalerweise setzt iFightDepression eine Begleitung durch einen Arzt oder Psychologischen Psychotherapeuten voraus – denn Studien belegen, dass Online-Programme dann besonders wirksam sind. Da viele Patienten durch das Corona-Virus zuhause bleiben müssen und Hausärzte an ihre Belastungsgrenzen stoßen, ist das Programm nun für sechs Wochen auch ohne Begleitung zugänglich. „Wir wollen Patienten unterstützen, den Alltag in häuslicher Isolation gut zu meistern“, erläutert Hegerl.

    Das Programm ist derzeit in zwölf Sprachen verfügbar (Deutsch, Englisch, Italienisch, Estnisch, Ungarisch, Griechisch, Norwegisch, Spanisch, Katalanisch, Baskisch, Albanisch, Arabisch). Betroffene können sich formlos über die E-Mail-Adresse ifightdepression@deutsche-depressionshilfe.de für das Programm anmelden und werden innerhalb von 24 Stunden freigeschaltet.

    Weitere telefonische/digitale Unterstützungsangebote für psychisch erkrankte Menschen

    Neben dem iFightDepression-Programm gibt es weitere digitale und telefonische Angebote für psychisch erkrankte Menschen:

    • Falls es nicht möglich ist, zur Therapie zu gehen, bieten viele Psychotherapeuten inzwischen Video-Sprechstunden an.
    • Telefonseelsorge 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 (kostenfrei)
    • fachlich moderiertes Online-Forum zum Erfahrungsaustausch www.diskussionsforum-depression.de
    • deutschlandweites Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33 (kostenfrei)
    • E-Mail-Beratung für junge Menschen: www.u25-deutschland.de oder www.jugendnotmail.de

    Pressestelle der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, 18.03.2020

  • Zuständigkeiten festlegen

    Damit die deutschen Krankenhäuser in der Corona-Krise weiterhin gut bestehen können, seien jetzt abgestimmte Planungen auf Bundeslandebene und Bundesebene notwendig, sagt Prof. Dr. med. Reinhard Busse, Leiter des Fachgebietes Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin. „Es reicht nicht mehr aus, dass jedes einzelne Krankenhaus gut vorbereitet ist, sondern es müssten Planungen vorgenommen und Übersichten erstellt werden, welches Krankenhaus jetzt wofür zuständig ist“, so Reinhard Busse. Die Krankenhäuser müssten eingeteilt werden etwa nach höchster, mittlerer und unterer Stufe. Auf der höchsten Stufe stünden die Krankenhäuser, die über die beste Expertise verfügten und den anderen unter die Arme greifen könnten, zum Beispiel über Telemedizin. Krankenhäuser der unteren Stufe würden die schwierigsten Fälle gegebenenfalls „nach oben“ abgeben können. Darunter befänden sich die vielen Krankenhäuser ganz ohne Intensivbetten, die sich auf Nicht-Corona-Patienten beschränken sollten.

    Das Festlegen von Zuständigkeiten hält Reinhard Busse für extrem wichtig, angesichts der auch in Deutschland exponentiell ansteigenden Fallzahlen. Busse: „Es muss jetzt ein geordnetes Vorgehen ausgearbeitet werden, welches Krankenhaus für welche Fälle zuständig sein soll.“ Solche Zuständigkeiten festzulegen kollidiere aber mit dem deutschen Krankenhaussystem, in dem Krankenhäuser als untereinander im Wettbewerb stehende Unternehmen angesehen werden und damit um möglichst viele Patienten „kämpfen“. „Aber in der jetzigen Situation können wir uns das nicht erlauben. Dies ist schon in normalen Zeiten falsch und in der ernsthaften Gesundheitskrise, in der wir uns gegenwärtig befinden, zeigt sich, dass es besonders falsch ist, Krankenhäuser primär als Unternehmen zu betrachten, wie es etwa das Kartellamt macht“, sagt Reinhard Busse. „Ich denke, dass nach der Krise manche Gegebenheiten im deutschen Gesundheitswesen überdacht werden müssen, insbesondere im Krankenhaussystem.“

    Des Weiteren fordert Busse, dass endlich bundesweite Daten darüber erhoben werden, wie viele der in Deutschland positiv getesteten Patienten derzeit in Krankenhäusern auf Normal- beziehungsweise Intensivstationen behandelt werden. „Das wissen wir im Moment gar nicht“, so der Wissenschaftler. Diese Daten würden aber dringend benötigt, um Vorausschätzungen anstellen zu können, wie lange es dauern werde, bis bei den Intensivbetten mit Beatmungsgerät eine kritische Kapazitätsgrenze erreicht sein werde. „Um rechtzeitig vorauszusagen und so möglichst zu verhindern, dass es zu Engpässen bei Betten mit Beatmungsgerät kommt, also für Fälle mit sehr schweren und lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen, benötigen wir diese Daten.“

    Derzeit verfügt Deutschland über knapp 28.000 Intensivbetten. Das ist im internationalen Vergleich sehr hoch und bei der Bevölkerungszahl normalerweise ausreichend. Allerdings war ein Teil davon aufgrund fehlenden Personals in den vergangenen Monaten gesperrt. Die Krankenhäuser stünden jetzt vor der Herausforderung, diese wieder zu aktivieren durch Umschichtung von Personal aus anderen Stationen, so Busse. Insgesamt verfüge Deutschland über genügend Krankenhausbetten. „Was die normalen Krankenhausbetten anbelangt, da sind Engpässe nicht zu erwarten.“ Allerdings wäre es trotzdem wichtig, für Corona-Patienten vorgesehene und entsprechend ausgestattete Kapazitäten festzulegen. Zudem beobachtet Reinhard Busse, dass planmäßig angesetzte Operationen wie zu Beispiel für Hüft- und Kniegelenkimplantate zunehmend heruntergefahren würden, um so viele Betten wie möglich freizuhalten.

    Pressestelle der Technischen Universität Berlin, 19.03.2020

  • Psychosoziale Gesundheit im Betrieb stärken

    Die Therapeutische Gemeinschaft Jenfeld (TGJ, Alida Schmidt-Stiftung, Hamburg) wird am 2. April mit dem Hamburger Gesundheitspreis 2020 ausgezeichnet. Wesentliche Grundlage für die Auszeichnung ist das Modell der psychosozialen Gesundheitsgestaltung in der TGJ. Dieses Modell wurde entwickelt, nachdem in der Einrichtung eine Mitarbeiterbefragung zur „Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen“ durchgeführt worden war. Die Mitarbeiterbefragung fand unter dem Dach einer Rahmenvereinbarung der Deutschen Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Suchttherapie e.V. (deQus) mit dem Institut BQS (früher Picker Institut) statt. Über die Mitarbeiterbefragung berichtete auf KONTUREN online ausführlich der Therapeutische Leiter der TGJ, Robert Meyer-Steinkamp (Teil 1 + Teil 2).

    Die Preisverleihung am 2. April findet im Rahmen des 16. Gesundheitstages der Hamburger Wirtschaft der Handelskammer Hamburg statt. Der Fachtag läuft dieses Jahr unter dem Titel  „Psychosoziale Gesundheit im Betrieb stärken“.

    Redaktion KONTUREN online, 12.03.2020

  • Versorgung von Menschen mit Suchtproblemen in Deutschland

    Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hat sich bereits in den Jahren 2013 und 2014 in einem Ad-hoc-Ausschuss mit einer Analyse der Versorgungssituation Suchtkranker in Deutschland befasst. In einer entsprechenden Veröffentlichung im Jahr 2014 wurden relevante Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Suchhilfesystems und der Angebote für Suchtkranke vorgeschlagen (KONTUREN berichtete). Eine Analyse der Versorgung suchtkranker Menschen in Deutschland muss jedoch beinhalten, dass Menschen mit Suchtproblemen nicht ausschließlich Hilfen eines herausgehobenen spezifischen Versorgungssystems in Anspruch nehmen. Die Versorgung findet auch in allgemeinen Angeboten des Gesundheits- und Sozialwesens statt – sowohl suchtspezifisch als auch nicht suchtspezifisch. Die DHS hat daher erneut einen Ad-hoc-Ausschuss damit beauftragt, die Versorgung Suchtkranker in Deutschland unter diesen Gesichtspunkten zu analysieren. Die im Ausschuss erarbeitet Vorlage „Die Versorgung von Menschen mit Suchtproblemen in Deutschland – Analyse der Hilfen und Angebote & Zukunftsperspektiven. Update 2019“ wurde im Dezember 2019 beschlossen und im Februar 2020 veröffentlicht.

    In die neue Version wurde die Systematik der „Segmente“ des Suchthilfesystems grundsätzlich übernommen. Allerdings wird in jedem Segment nicht nur beschrieben, welche suchtspezifischen Angebote es in diesem Bereich gibt, sondern auch, welche allgemeinen – also nicht suchtspezifischen – Angebote existieren, die ggf. von Menschen mit Suchtproblemen in Anspruch genommen werden. Mit diesem „Blick über den Tellerrand“ soll eine möglicherweise verengte oder einseitige Fokussierung bei der Bestandsaufnahme überwunden werden (Teil A). Wesentliche Ergebnisse dieser Analyse werden zusammengefasst und daraus Konsequenzen für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung der Versorgung von Menschen mit Suchtproblemen abgeleitet. Es werden segmentbezogen Versorgungserfordernisse und Herausforderungen formuliert.

    Darauf basierend werden übergeordnete Forderungen gestellt und einem Abriss gesellschaftlicher Megatrends bzw. Zukunftsfaktoren gegenübergestellt (Teil B).

    Für das Verständnis der teilweise extrem komplexen Struktur der Hilfen und Angebote für Menschen mit Suchtproblemen ist eine Betrachtung der 150-jährigen historischen Entwicklung unbedingt notwendig. Daher wurde Teil C (Meilensteine bei der Entwicklung von Versorgungsstrukturen in der Suchthilfe) gegenüber der Version von 2014 grundlegend überarbeitet, ergänzt und neu systematisiert.

    Quelle: DHS-Newsletter, 09.02.2020

  • HBSC-Studie zu Kinder- und Jugendgesundheit in Deutschland

    Faktenblatt zum Thema Binge-Drinking/Rauschtrinken

    Für den Befragungszeitraum der HBSC-Studie 2017/18 in Deutschland liegen nun erste Ergebnisse vor. HBSC steht für „Health Behavior in School-aged Children“ (zu Deutsch: Gesundheitsverhalten von Kindern im Schulalter). Untersucht werden die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten von Kindern und Jugendlichen. Dazu zählen neben Fragen zur Ernährung, zur körperlichen Aktivität oder zu gesundheitlichen Beschwerden auch solche zum Konsumverhalten von Tabak, Cannabis oder Medien.

    Die Studie, die unter der Schirmherrschaft der WHO durchgeführt wird, wird in Deutschland seit 2015 vom Institut für Medizinische Soziologie der Universitätsmedizin Halle (Saale) koordiniert und in einem Team von sechs Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen bundesweit durchgeführt. International wird die HBSC-Studie mittlerweile in 49 Ländern Europas und Nordamerika durchgeführt und ist damit eine der größten Studien zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen weltweit.

    Die aktuellen Ergebnisse der HBSC-Studie Deutschland zeigen dabei unter anderem folgende Befunde: Ein erheblicher Teil der Schülerinnen (34 Prozent) und Schüler (20 Prozent), das heißt also mehr als die Hälfte der Befragten, leidet unter regelmäßig auftretenden psychosomatischen Beschwerden. „Regelmäßig heißt, dass mindestens zwei Beschwerden pro Woche in dem halben Jahr vor dem Befragungszeitpunkt aufgetreten sind“, sagt Prof. Dr. Matthias Richter, Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie. Fast jedes vierte Kind (23 Prozent) habe Einschlafprobleme angegeben. Weitere Beschwerden sind Kopfschmerzen (14 Prozent), Rückenschmerzen (13 Prozent) und Bauchschmerzen (zehn Prozent).

    „Bei den Mädchen zeigt sich, dass die Beschwerden mit dem Alter deutlich zunehmen“, so Richter. Dies kann zum einen mit einer höheren Sensibilität von Mädchen für ihren eigenen Körper zusammenhängen und zum anderen auch auf das Einsetzen der Menstruation zurückgeführt werden, die sich in häufigeren Bauch-/Rückenschmerzen und/oder Gereiztheit widerspiegelt. Während bei den Elfjährigen die Quote noch bei etwa einem Viertel der Mädchen liege (26 Prozent), sei es bei den 15-Jährigen schon fast die Hälfte (42 Prozent), die psychosomatische Beschwerden hat. Bei den Jungen ist diese Entwicklung hingegen nicht zu beobachten.

    Weiterhin wurde in der Studie festgestellt, dass fast jeder vierte Junge (23 Prozent) im Alter von 15 Jahren bereits mindestens einmal in seinem Leben Cannabis konsumiert hatte. Das sind damit deutlich mehr als bei den Mädchen in diesem Alter (16 Prozent).

    Hinsichtlich der Bewegungsaktivität haben die Forschenden herausgefunden, dass nur zehn Prozent der Mädchen und 17 Prozent der Jungen, und damit eine Minderheit, in den vergangenen sieben Tagen vor der Befragung ausreichend körperlich aktiv waren. Zugrunde gelegt wird dabei die WHO-Empfehlung von mindestens 60 Minuten pro Tag.

    Außerdem sehen die Medizinsoziologen deutlichen Verbesserungsbedarf bei der Mundhygiene der Kinder und Jugendlichen: „15 Prozent der Mädchen und 25 Prozent der Jungen gaben an, ihre Zähne nur einmal täglich oder seltener zu putzen“, so Richter.

    Für die über viele Jahre angelegte HBSC-Studie waren im Zeitraum 2017/18 mehr als 4.000 Heranwachsende aus 146 allgemeinbildenden deutschen Schulen der Klassenstufen 5, 7 und 9 mit einem international standardisierten, selbstauszufüllenden Fragebogen befragt worden. Die Studienergebnisse aus gesundheitsrelevanten Bereichen wie Substanzkonsum, Ernährung, Essverhalten, Körperbild oder Mobbing sind einzelnen Faktenblättern zu entnehmen, die eigens dafür erstellt wurden. Ein weiteres Faktenblatt klärt zudem über die Methodik der Studie auf.

    Hintergrund: Die Studie wurde 1982 von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus England, Finnland und Norwegen entwickelt und seither im Vier-Jahres-Rhythmus in einer wachsenden Zahl von Ländern durchgeführt. Deutschland nahm erstmals 1993 teil, allerdings nur mit einer regionalen Stichprobe (Nordrhein-Westfalen). Bei der Erhebungswelle 2013/14 sind erstmals Daten für alle 16 deutschen Bundesländer erhoben worden; 2017/18 wurden zudem parallel zur bundesweiten Erhebung zwei repräsentative Befragungen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt durchgeführt.

    Der HBSC-Studienverbund Deutschland setzt sich aus den Standorten Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Leitung und Koordination, Prof. Dr. Matthias Richter); Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (Prof. Dr. Ludwig Bilz); Pädagogische Hochschule Heidelberg (Prof. Dr. Jens Bucksch); Universität Bielefeld (Prof. Dr. Petra Kolip); Universität Tübingen (Prof. Dr. Gorden Sudeck MPH); Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer MPH) zusammen.

    Weitere Informationen finden Sie unter:
    Download der Faktenblätter
    http://hbsc-germany.de/downloads/
    Informationen zur Gesamtstudie
    http://www.hbsc.org/

    Pressestelle der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06.03.2020

  • DIGITAL handeln = Zukunft gestalten

    Auf Initiative der AG Suchthilfe der Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) und mit Finanzierung des Bundesgesundheitsministeriums haben sich im Januar 2020 in Essen 21 Expert*innen aus unterschiedlichen Bereichen der Suchthilfe (Verwaltung, Träger, Verbände, Fachverbände) mit Wissenschaftlern zu einem Fachgespräch getroffen. Ziel war die Verständigung über Bedingungen, die für eine gelingende Bewältigung des digitalen Wandels benötigt werden, und welche grundlegenden Aspekte dabei zu beachten sind.

    Die vorliegenden „Essener Leitgedanken“ als Ergebnis des Fachgesprächs fassen thesenartig zusammen, wie die Suchthilfe gemeinsam mit den Verbänden und Leistungsträgern den digitalen Wandel für die Weiterentwicklung der Hilfeangebote nutzen kann. Das Papier kann damit erste Hinweise für Strategieentwicklungen sowohl auf einer übergeordneten Ebene als auch für die Träger vor Ort geben.

    Die Einzigartigkeit und der Wert der Essener Leitgedanken liegt nicht in der Sammlung von möglichst vielen zu berücksichtigenden Aspekten, sondern darin, dass sich Akteure aus unterschiedlichen Bereichen der Suchthilfe erstmals auf Basisaussagen für den digitalen Wandel in der Suchthilfe verständigt haben, die für das weitere Vorgehen richtungsweisend sein können.

    Die Initiatorinnen und Initiatoren möchten mit den Leitgedanken den Diskurs zur Thematik bereichern. Sie sind sich bewusst, dass in der fachlichen Diskussion das Papier dann bestimmt noch die ein oder andere Ergänzung erfahren wird.

    Dietrich Hellge-Antoni (Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Hamburg)
    Wolfgang Rosengarten (Hessisches Ministerium für Soziales und Integration)


    Im Folgenden wird der vollständige Text der „Essener Leitgedanken“ (März 2020) wiedergegeben. Das Papier steht auch als PDF zum Download zur Verfügung (Klick auf die Abbildung oben).

    DIGITAL handeln = Zukunft gestalten
    Essener Leitgedanken zur digitalen Transformation in der Suchthilfe

    Präambel

    Das Suchthilfesystem in Deutschland bietet Menschen mit Suchtproblemen und ihren Angehörigen Unterstützung an. Mit seinen qualifizierten Beschäftigten und den ausdifferenzierten Angeboten erfreut es sich einer regen Nachfrage und findet international große Anerkennung.

    Die technologieinduzierten gesellschaftspolitischen Entwicklungen bewirken hier jedoch Änderungen: gerade jüngere Zielgruppen bewegen sich zunehmend in digitalen Räumen (z. B. in sozialen Netzwerken). Dadurch haben sich auch die Wege der Informationsbeschaffung und der Informationsrezeption geändert. Mit den etablierten Strategien, Angeboten und Kommunikationsmedien der Suchthilfe werden diese Zielgruppen unzulänglich oder nicht erreicht. Digitale Angebote können diese Zielgruppen in ihren digitalen Lebenswelten erreichen.

    Digitale Angebote bieten darüber hinaus die Chance weiteren Herausforderungen zu begegnen. Nicht nur in ländlichen Gebieten, in denen die Aufrechterhaltung einer gebotenen Versorgung, anders als in urbanen Räumen, schon von jeher strukturellen Herausforderungen gegenübersteht, bietet sich die Chance, durch die Nutzung neuer technischer Möglichkeiten die Angebote aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Durch intelligente Programme kann zudem entgegengewirkt werden, dass zunehmend ausgedünnte Versorgungsstrukturen den Zugang zu Hilfeangeboten erschweren. Der vermehrte Fachkräftemangel führt bspw. dazu, dass es einerseits zu Versorgungseinschränkungen aber auch zu einer Verdichtung der Arbeit in den Suchthilfeeinrichtungen kommt.

    Um auch in der Zukunft zeitgemäße und zielgruppenorientierte Suchthilfeangebote zu gewährleisten, ist es für die Suchthilfe unerlässlich, ihre digitale Transformation aktiv zu gestalten und bestehende analoge Angebote durch sinnvolle digitale Angebote zu ergänzen.

    Auf Initiative der AG Suchthilfe der Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) und mit Finanzierung des Bundesgesundheitsministeriums haben sich im Januar 2020 in Essen 25 Expert*innen aus unterschiedlichen Bereichen der Suchthilfe (Verwaltung, Träger, Verbände, Fachverbände) mit Wissenschaftlern zu einem Fachgespräch getroffen. Ziel war die Verständigung über Bedingungen, die für eine gelingende Bewältigung des digitalen Wandels benötigt werden und welche grundlegenden Aspekte dabei zu beachten sind.

    Die vorliegenden „Essener Leitgedanken“ als Ergebnis des Fachgesprächs fassen thesenartig zusammen, wie die Suchthilfe gemeinsam mit den Verbänden und Leistungsträgern den digitalen Wandel für die Weiterentwicklung der Hilfeangebote nutzen kann. Das Papier kann damit erste Hinweise für Strategieentwicklungen sowohl auf einer übergeordneten Ebene als auch für die Träger vor Ort geben.

    Leitgedanken

    1. Die Zielgruppen im Blick

    Digitale Angebote in der Suchthilfe sind konsequent an den Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppen ausgerichtet. Sie schließen Versorgungslücken, adressieren die gesamte Bevölkerung und bieten einfache Übergänge zwischen verschiedenen Maßnahmen. Die Zielgruppen erhalten damit schnell und frühzeitig Zugänge zum Suchthilfesystem (Suchtprävention, niederschwellige und aufsuchende Hilfen, Suchtberatung und Begleitung, Suchtbehandlung oder Suchtselbsthilfe).

    2. Qualitätsstandards im virtuellen Raum sicherstellen

    Auch für die digitalen Angebote gelten die fachlichen Standards der Suchthilfe. Die digitalen Informations- und Beratungsangebote sind unabhängig. Die Beratung ist grundsätzlich anonym, kostenlos und für alle frei zugänglich. Angebotene Programme und Apps, auch im Bereich der Therapie, unterliegen Qualitätskriterien. Sind aufgrund der Nutzung technischer Instrumente und Medien neue Qualitätsstandards notwendig, werden diese von der Suchthilfe initiiert, erarbeitet und weiterentwickelt.

    3. Die digitale Transformation verändert Strukturen, Prozesse und Qualifikationen

    Die digitale Transformation bedeutet weitaus mehr, als nur neue Informations-, Verwaltungs- und Kommunikationskanäle sowie Beratungs- und Behandlungsoptionen zu entwickeln und zu nutzen. Digitalisierung soll auch genutzt werden, um die Arbeitsstrukturen und Arbeitsprozesse in den Einrichtungen zu verbessern und sie nachhaltig zu optimieren. Die digitale Transformation stellt neue Anforderungen an die Träger und Fachkräfte. Dies erfordert u.a. Anstrengungen in der Personalentwicklung und entsprechende Angebote der Fort- und Weiterbildung.

    4. Agilität ist gefragt

    Um die Herausforderungen der digitalen Transformation zu meistern, sind neue Methoden und Arbeitsformate notwendig wie z. B. Barcamps, Design Thinking oder Co-Creation. Um diese Potentiale zu nutzen, sind Experimentierräume hilfreich, in denen zieloffen gearbeitet werden kann. Die hierfür notwendige Nutzung bestehender Netzwerke und Etablierung neuer agiler Organisationsformen bedürfen der Mitgestaltung und Mitverantwortlichkeit aller Beteiligten.

    5. Das Gelingen der Digitalen Transformation benötigt adäquate Rahmenbedingungen

    Die aktuellen Strukturen und Entscheidungswege in der Suchthilfe, aber auch auf administrativ-politischer Ebene, sowie aktuell bestehende gesetzliche Rahmenbedingungen können der enormen Dynamik im Bereich der digitalen Transformation an verschiedenen Stellen nicht Rechnung tragen. Hier bedarf es insbesondere gezielter und aufeinander abgestimmter Maßnahmen, um agiler reagieren zu können und Entscheidungsprozesse zu beschleunigen. Hier sind Bund, Länder, Kommunen und die Verbände gefragt.

    6. Externe Unterstützung ist für den Transformationsprozess unabdingbar

    Um die hohen Qualitätsstandards der Suchthilfeangebote auch bei den digitalen Angeboten beizubehalten, benötigen die Suchthilfeträger bei der Realisierung der neuen Angebote externe Unterstützung:

    • juristisch, z. B. bei Fragen der Datensicherheit und Haftung
    • technisch, z. B. bei der Frage, wie eine sichere Datenkommunikation gewährleistet werden kann
    • ethisch, z. B. bei der Überlegung, welche Angebote digital umgesetzt werden können
    • finanziell, z. B. für die Entwicklung digitaler Angebote, die Anschaffung und Pflege entsprechender IT-Infrastruktur
    • organisationsbezogen, z. B. für die Umstrukturierung von Arbeitsprozessen und für Möglichkeiten bzw. Maßnahmen zur Erweiterung der Kompetenzprofile der Mitarbeiterschaft
    • politisch, z. B. bei der Anpassung von gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie von Förderbedingungen, um agile Arbeitsweisen und Entscheidungsprozesse zu unterstützen
    • wissenschaftlich, z. B. zur wissenschaftlichen Bewertung und Evaluation digitaler Angebote
    • personell, z. B. für eine enge Kooperation von Lehre und Forschung für die Fort- und Weiterbildung.

    7. Gemeinsam handeln – ein Gewinn für alle

    Die Bewältigung der digitalen Transformation erfordert enorme personelle und finanzielle Ressourcen. Einzelne – kleine wie auch große – Einrichtungen sind damit personell und finanziell überfordert. Träger-, verbands- und/oder länderübergreifendes Handeln ist deshalb unumgänglich.

    8. Strategien schonen Ressourcen und geben Orientierung

    Eine übergreifende Strategie sollte die verschiedenen Handlungsebenen berücksichtigen, jeweils darauf aufbauende Maßnahmen beschreiben und Ideen für die Umsetzung möglichst verbindlich vereinbaren. Angesichts der ausdifferenzierten Suchthilfestrukturen sind verschiedene Akteure*innen (z. B. Leistungsträger, Leistungserbringer, Klient*innen, Verwaltung und Politik) bei der Strategieentwicklung zu beteiligen.

    9. Vorhandene digitale Angebote analysieren und die Ergebnisse für die weitere Entwicklung nutzen

    Ausgehend von den bereits vorhandenen digitalen Angeboten in der Suchtprävention, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe gilt es abzuleiten, wo Bedarfe für den weiteren Ausbau bestehen und welche Priorisierung hier vorgenommen werden soll.

    Ausblick

    Die Teilnehmenden der Arbeitsgruppe haben sich darauf verständigt das Thema anhand der formulierten Leitgedanken weiter zu bearbeiten. Die Ergebnisse werden Verbänden, Trägern und Verwaltungen zur Verfügung gestellt. Anregungen für den weiteren Entwicklungsprozess sind willkommen. In einem nächsten Schritt sollen auf Grundlage der Diskussionsergebnisse zu dem Papier in den unterschiedlichen Gremien und einer Ist-Analyse bereits vorhandener Angebote konkrete Umsetzungsschritte diskutiert und angegangen werden.

    Teilnehmer*innen und Referent*innen des Fachgesprächs

    Teilnehmer*innen
    Bobersky, Andrea, Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege
    Böhl, Hans, Jugendberatung Jugendhilfe e.V. , Frankfurt/M
    Egartner, Eva, Condrobs e.V., München
    Goecke, Michaela, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
    Hardeling, Andrea, Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesstellen für Suchtfragen (BAGLS)
    Hellge-Antoni, Dietrich, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Hamburg
    Kirschbaum, Gaby, Bundesministerium für Gesundheit
    Klein, Thomas, Fachverband Sucht e.V.
    Köhler-Azara, Christine, Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, Berlin
    Kunze, Bianca, jhj Hamburg e.V.
    Lohmann, Katrin, VDI/VDE Innovation + Technik GmbH
    Lörcher-Straßburg, Bärbel, Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
    Neugebauer, Friederike, Fachverband Drogen und Suchthilfe e.V.
    Pauly, Jürgen, Bundesministerium für Gesundheit
    Raiser, Peter, Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Geschäftsstelle)
    Reinhard, Kirsten, Arbeitsstab der Bundesdrogenbeauftragten
    Rosengarten, Wolfgang, Hessisches Ministerium für Soziales und Integration
    Ruf, Daniela, Deutscher Caritasverband Freiburg für den Vorstand der DHS
    Schmitt, Susanne, Hessische Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS)
    Schulte-Derne, Frank, Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit in der Suchthilfe und Suchtprävention e.V. (DG-SAS) für den Vorstand der DHS
    Stachwitz, Philipp , health innovation hub des Bundesministeriums für Gesundheit

    Referent*innen
    Depew, Sabine, Diözesan-Caritasdirektorin, Essen
    Wolf, Prof. Dr. Dietmar, Hochschule Hof, Fachverband Informationstechnologie in Sozialwirtschaft und Sozialverwaltung
    Epe, Hendrik, IdeeQuadrat Freiburg, Beratungsagentur für Soziale Organisationen
    Leuschner, Fabian, delphi Gesellschaft für Forschung, Beratung und Projektentwicklung mbH, Berlin
    Barnikel, Dr. Norbert, Barnikel Innovation & Digital Transformation, Nürnberg

  • Beschleunigte Alterung des Gehirns bei Konsum von Alkohol und Tabak

    Der Effekt sei nicht groß, aber messbar. Anhand von Aufnahmen des Gehirns und mit Hilfe von künstlicher Intelligenz hat ein Forschungsteam aus den USA Hinweise dafür gefunden, dass sowohl Alkohol als auch Tabak zu einer beschleunigten Gehirnalterung beitragen.

    Das Gehirn altert nicht bei allen Erwachsenen gleich schnell. „Es ist bekannt, dass manche Lebensgewohnheiten in Zusammenhang stehen mit einer beschleunigten Atrophie in bestimmten Gehirnregionen“, erklären Arthur Toga und sein Team in einem Fachartikel. Als Atrophie wird der Abbau von Gewebe bezeichnet.

    Alkoholtrinken und Tabakrauchen gehören zu den Lebensgewohnheiten, die Einfluss nehmen können auf das Gehirngewebe. So gibt es Hinweise aus der Forschung, dass sich bei starken Raucherinnen und Rauchern Gehirnveränderungen in Regionen zeigen, die auch bei der Alzheimer-Demenz eine Rolle spielen. Chronischer Alkoholkonsum wird ebenfalls mit dem Verlust von Hirnsubstanz in einigen Bereichen des Gehirns in Verbindung gebracht. Um den Zusammenhang zwischen dem Konsum von Alkohol und Tabak und beschleunigter Gehirnalterung zu überprüfen, haben Toga und sein Team Daten der UK Biobank ausgewertet. Die UK Biobank enthält Gesundheitsdaten und Angaben zu den Lebensgewohnheiten von etwa 500.000 Personen aus dem Vereinigtem Königreich.

    Künstliche Intelligenz lernt, das Alter von Gehirnen einzuschätzen

    Das Forschungsteam verwendete die Daten von rund 17.000 Personen, von denen MRT-Bilder des Gehirns vorlagen. MRT ist die Abkürzung für Magnetresonanztomographie. Mit Hilfe von MRT-Bildern kann die innere Struktur des Gehirns sichtbar gemacht werden. Alle Personen hatten Tests absolviert, in denen ihre kognitiven Leistungen wie die Intelligenz oder die Merkfähigkeit überprüft wurden. Bei der Auswahl der Testpersonen wurde darauf geachtet, dass nur Personen mit Leistungen im normalen Bereich einbezogen wurden.

    Toga und sein Team setzten Methoden des maschinellen Lernens ein, um das relative Gehirnalter zu ermitteln. Das relative Gehirnalter steht für den Zustand eines Gehirns im Vergleich zu den Gehirnen anderer Personen gleichen Alters. Zunächst wurden 30 Prozent der MRT-Bilder zufällig ausgewählt, um damit ein statistisches Modell zu trainieren. Dieses Modell „lernte“, worin sich die Gehirne verschieden alter Menschen unterscheiden. Anschließend wendeten sie das Modell auf die übrigen 70 Prozent der MRT-Bilder an. Maschinelles Lernen gilt als wichtige Technologie für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz.

    Alkohol und Tabak haben neben anderen Faktoren Einfluss auf Gehirnalter

    Wie sich zeigte, ermittelte das so trainierte Modell anhand der MRT-Bilder tatsächlich ein höheres relatives Gehirnalter, wenn die Personen täglich Alkohol tranken oder täglich rauchten. Das Team weist jedoch darauf hin, dass die gefundenen Effekte eher klein seien und auch erst dann auftreten würden, wenn die Personen täglich oder fast täglich Alkohol trinken oder täglich rauchen. Denkbar sei aber, dass die Effekte größer sind, wenn auch Testpersonen in die Studie einbezogen werden, deren kognitive Leistungen nicht mehr im Normbereich liegen.

    Toga und sein Team betonen, dass es viele Faktoren geben würde, die Einfluss haben auf das relative Gehirnalter. So stünden beispielsweise Sport und Meditation mit einem niedrigeren relativen Gehirnalter in Verbindung. Hinzu komme, dass auch Gene an der Gehirnalterung beteiligt seien.

    Quelle: www.drugcom.de, 26.02.2020

  • Leitfaden Sozialrecht 2020 erschienen

    Mit Beginn des neuen Jahres 2020 wurde der „Leitfaden Sozialrecht“ von Rüdiger Lenski überarbeitet. Dieser bietet eine Orientierungshilfe im Sozialrecht, insbesondere im Aus- und Fortbildungsbereich. Die aktuelle Version steht auf der Website des fdr+ im Downloadbereich zur Verfügung.

    Quelle: https://fdr-online.info/

  • Nacht der Solidarität

    In Berlin wurden in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar 2020 obdachlose Menschen gezählt, die auf der Straße oder in Einrichtungen der Kältehilfe angetroffen wurden. Dies war die erste Zählung obdachloser Menschen deutschlandweit. Erste Ergebnisse wurden am 7. Februar vorgestellt.

    Wie viele Menschen wurden gezählt?

    • Insgesamt wurden 1.976 obdachlose Menschen gezählt.
    • 807 Menschen wurden bei der Straßenzählung im öffentlichen Raum registriert.
    • 15 obdachlose Menschen wurden in Rettungsstellen in Berliner Krankenhäusern gezählt.
    • 158 Obdachlose im ÖPNV (112 in der S-Bahn, 46 bei der BVG)
    • 12 in Polizeigewahrsam
    • 942 in Einrichtungen der Kältehilfe
    • 42 im Warte- und Wärmeraum Gitschiner Straße 15

    Was wissen wir jetzt von den befragten Menschen?

    • Von den 807 Personen, die bei der Straßenzählung angetroffen wurden, ließ sich ca. jede dritte auch befragen (288 Personen).
    • 56 Prozent der 288 befragten Personen waren zwischen 30 und 49 Jahre alt, drei Personen waren noch nicht volljährig.
    • Von den 288 befragten Personen waren 39 weiblich (14 Prozent), 243 männlich (84 Prozent), niemand inter/divers, sechs Menschen machten keine Angabe.
    • Die 288 Befragten hatten folgende Herkunft: 113 deutsch, 140 EU, 31 Drittstaaten, vier machten keine Angabe.
    • Fast die Hälfte (47 Prozent) hatte seit mehr als drei Jahren keine feste Wohnung mehr.
    • Von den 288 Befragten leben:
      • 117 Personen allein,
      • 74 mit einem weiteren Erwachsenen zusammen, 25 davon leben in einer Beziehung, weitere zwei davon mit einem Kind,
      • 13 mit zwei weiteren Erwachsenen zusammen,
      • 19 mit drei oder mehr Erwachsenen zusammen.
      • 65 machten dazu keine Angaben.
    • Von den 288 Befragten leben:
      • 74 Personen ohne Tier,
      • 14 Personen mit einem Tier,
      • vier Personen mit zwei Tieren,
      • zwei Personen mit drei oder mehr Tieren auf der Straße zusammen.
      • 194 Personen machten dazu keine Angaben.

    Elke Breitenbach, Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales: „Wir haben in Berlin zum ersten Mal erfolgreich eine Obdachlosenzählung auf der Straße durchgeführt und stadtweit 807 obdachlose Menschen in einer Januarnacht auf Berlins Straßen angetroffen. Etwa ein Drittel dieser Menschen hat den Zählteams über ihre Lebenssituation berichtet. Wir wissen jetzt mehr über das Alter obdachloser Menschen, ihr Geschlecht, woher sie kommen und erstmals auch, wie lange sie schon wohnungslos sind. Wir werden jetzt die Daten der einzelnen Zählräume auswerten und in Zusammenarbeit mit den Bezirken sowie den Akteurinnen und Akteuren der Wohnungslosenhilfe überprüfen, welche Hilfsangebote vor Ort verbessert werden müssen.“

    Susanne Gerull, Professorin für Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin, Armutsforscherin und Mit-Initiatorin der Nacht der Solidarität: „Die in Berlin angewandte Methode der Straßenzählung beruht auf einem Modell, das in New York entwickelt und in mehreren europäischen Metropolen umgesetzt wurde und wird. Nach allen mir bisher bekannten Informationen aus den Freiwilligen-Teams ist die Zählung nach allen Regeln sozialwissenschaftlicher Forschung erfolgreich durchgeführt worden. Es gab keine systematischen Verzerrungen, die ethischen Richtlinien wurden eingehalten. Wir konnten mit der Zählung nur die sichtbar im öffentlich zugänglichen Raum lebenden Menschen an einem Stichtag erfassen. Subjektive Einschätzungen, wie viele Menschen sich womöglich versteckt haben, um nicht gezählt zu werden, sind sozialwissenschaftlich nicht haltbar.“

    Einen Stadtplan mit der stadtweiten Verteilung obdachloser Menschen als Ergebnis der Zählung finden Sie im Internet unter: www.berlin.de/sen/ias/presse/downloads/

    Weitere Informationen: https://www.berlin.de/nacht-der-solidaritaet/

    Quelle: Pressestelle der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Berlin, 07.02.2020

  • Gemeinsame Gestaltung des Reha-Prozesses

    Für mehr Rollen- und Aufgabenklarheit im Reha-Prozess hat die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (BAR) eine Übersicht veröffentlicht, in der die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Leistungserbringer beschrieben werden. 

    Reha-Träger und Leistungserbringer tragen beide Verantwortung für den Erfolg von Leistungen zur Teilhabe für Menschen mit Behinderungen. Die Reha-Träger entscheiden über den Leistungsanspruch und sind auch für die Organisation der Leistungserbringung verantwortlich. Für die Durchführung sind sie auf geeignete Leistungserbringer angewiesen, die den Reha-Prozess in verschiedenen Phasen aktiv mitgestalten und steuern, indem sie z. B. neue oder veränderte Bedarfe erkennen. Nur gemeinsam können Reha-Träger und Leistungserbringer somit eine möglichst umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch Reha- und Teilhabeleistungen erreichen.

    Für eine zielorientierte Zusammenarbeit ist es wichtig, die jeweiligen Aufgaben und Verantwortlichkeiten gegenseitig zu kennen und zu verstehen. In der Übersicht der BAR wird hierfür die Rolle der Leistungserbringer entlang der Phasen des Reha-Prozesses verdeutlicht. Grundlage der Beschreibung sind gesetzliche Reglungen ebenso wie die auf Ebene der BAR trägerübergreifend abgestimmten Gemeinsamen Empfehlungen der Reha-Träger.

    Die Übersicht richtet sich für ein gemeinsames Verständnis an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Leistungserbringern und bei Leistungsträgern. Neben ausführlichen Informationen wird unter der Rubrik „Kurz & Knapp“ eine schnelle Zusammenfassung der Inhalte bereitgestellt. Damit kann die Übersicht sowohl einen Einstieg in das Thema bieten als auch zur Vertiefung bestehender Kenntnisse genutzt werden.

    Die Übersicht ist unter folgendem Link abrufbar: https://www.bar-frankfurt.de/themen/reha-prozess/rolle-der-leistungserbringer-im-reha-prozess.html

    Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR), 19.02.2020