Kategorie: Kurzmeldungen

  • Mehr Menschen mit HIV, weniger HIV-Neuinfektionen

    Das Robert Koch-Institut hat anlässlich des kommenden Welt-AIDS-Tages im Epidemiologischen Bulletin eine umfassende Darstellung der HIV/AIDS-Situation in Deutschland veröffentlicht. Im Jahr 2018 haben sich geschätzt 2.400 Personen in Deutschland mit HIV infiziert, 2017 waren es 2.500 Neuinfektionen. Der Ausbau von zielgruppenspezifischen Testangeboten und ein früherer Behandlungsbeginn zeigen offenbar auch in Deutschland Erfolge. „Dieser Weg sollte konsequent weiter umgesetzt werden, insbesondere durch eine weitere Verbesserung der Testangebote und die Gewährleistung des Zugangs zur Therapie für alle Menschen, die in Deutschland mit HIV leben“, betont Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts.

    Die Zahl der Menschen mit einer HIV-Infektion in Deutschland ist bis Ende 2018 auf 87.900 gestiegen. Von diesen sind etwa 10.600 HIV-Infektionen noch nicht diagnostiziert. „Wer von seiner Infektion nichts weiß, kann das Virus unbeabsichtigt weitergeben, außerdem ist bei Spätdiagnosen die Sterblichkeit höher“, unterstreicht Wieler. Etwa jede dritte Neuinfektion wird erst mit einem fortgeschrittenen Immundefekt diagnostiziert. Im Jahr 2018 sind geschätzt 440 Menschen an HIV gestorben. Die Gesamtzahl der Todesfälle seit Beginn der Epidemie in den Achtzigerjahren schätzen die RKI-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler auf 29.200.

    Der positive Trend kommt aus der wichtigsten Betroffenengruppe – Männer, die Sex mit Männern haben. Bei ihnen ging die Zahl der geschätzten HIV-Neuinfektionen von etwa 2.200 Neuinfektionen im Jahr 2013 auf 1.600 Neuinfektionen im Jahr 2018 zurück. Diese Entwicklung ist wahrscheinlich in erster Linie darauf zurückzuführen, dass es bei Männern, die Sex mit Männern haben, gelungen ist, die Testbereitschaft zu steigern und die Testangebote auszuweiten. Außerdem wirkt sich die Empfehlung zu einem sofortigen Behandlungsbeginn positiv aus. Eine erfolgreiche Therapie führt dazu, dass die Weitergabe von HIV nicht mehr möglich ist.

    Der Anteil von Menschen mit HIV, die eine antiretrovirale Behandlung erhalten, hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen und liegt inzwischen bei 93 Prozent. Bei 95 Prozent der Behandelten ist die Behandlung erfolgreich, so dass die Behandelten nicht mehr infektiös sind. Seit 2015 empfehlen die HIV-Behandlungsleitlinien, jede diagnostizierte HIV-Infektion in Deutschland umgehend antiretroviral zu therapieren. Die Empfehlung, Kondome zu benutzen, bleibt weiter ein Grundpfeiler der Prävention von HIV und weiteren sexuell übertragbaren Infektionen.

    Das RKI schätzt die Zahl der HIV-Neuinfektionen jedes Jahr neu. Durch zusätzliche Daten und Informationen sowie Anpassung der Methodik können sich die Ergebnisse der Berechnungen von Jahr zu Jahr verändern und liefern jedes Jahr eine aktualisierte Einschätzung des gesamten bisherigen Verlaufs der Epidemie. Die neuen Zahlen können daher nicht direkt mit früher publizierten Schätzungen verglichen werden. Die geschätzten Neuinfektionen sind nicht zu verwechseln mit den beim RKI gemeldeten Neudiagnosen. Da HIV über viele Jahre keine auffälligen Beschwerden verursacht, kann der Infektionszeitpunkt länger zurückliegen. Die neue Schätzung ist im Epidemiologischen Bulletin 46/2019 veröffentlicht, diese Ausgabe geht auch auf die Entwicklung der HIV-Neudiagnosen ein.

    Das Epidemiologische Bulletin und weitere Informationen, darunter Eckdaten für die einzelnen Bundesländer, sind online abrufbar: www.rki.de/hiv.

    Pressestelle des Robert Koch-Instituts, 14.11.2019

  • Behandlung von Drogenabhängigkeit in Zentralasien

    Abschlusskonferenz in Bishkek

    Am 19. und 20. September 2019 fand in Bishkek, Kirgistan, die Abschlusskonferenz der sechsten Phase des EU Central Asia Drug Action Programme (CADAP) statt (siehe auch Beitrag auf KONTUREN vom 30.10.2018).

    An der Konferenz nahmen von Seiten der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) Kristiane Seidel (Abteilungsleiterin FIT), Prof. Heino Stöver (FB 4, Komponentenleiter) und Dr. Ingo Ilja Michels (internationaler Koordinator) teil, da die Frankfurt UAS die Komponente „treatment“ durchgeführt hat. Das Ziel war die Unterstützung der zentralasiatischen Länder (Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan) bei ihren Behandlungs- und Schadensminimierungsprogrammen unter Anwendung bewährter europäischer Praktiken und Standards. Dafür wurden nationale Expertengruppen gebildet, die in über 40 Trainings von Trainern aus Deutschland, Weißrussland und Österreich fortgebildet wurden. Die Trainer verfügen über langjährige Erfahrungen, viele von ihnen sprechen Russisch oder stammen aus dieser Region. Es ging um moderne psychosoziale Behandlungsmethoden, optimale Opiatsubstitutionsbehandlungen sowie die Behandlung von komorbiden Störungen. Die nationalen Experten nahmen sehr aktiv an den Trainings teil, es war ein Austausch von Erfahrungen auf Augenhöhe.

    In Zukunft werden die internationalen Standards in Zentralasien besser angewendet werden können, auch in Gefängnissen, unter Beachtung der Menschenrechte. Ein wichtiger Punkt war auch, Stigmatisierungen und Ausgrenzungen von drogenkonsumierenden Menschen abzubauen. Es gab sehr positive Rückmeldungen von den beteiligten Regierungen und zuständigen Institutionen. Auch die Stärkung von Nichtregierungsorganisationen und die Rolle der sozialen Arbeit in der Suchthilfe waren Bestandteile der Trainings.

    Das EU Programm konnte genutzt werden, um Kooperationsbeziehungen der Frankfurt UAS zu Universitäten in Bishkek, Duschanbe und Astana aufzubauen, an denen Sozialarbeiter ausgebildet werden. Diese Uni-Kooperation wird fortgesetzt. Zudem wird es eine siebte Phase des Programms ab 2020 geben, wieder unter Beteiligung der Frankfurt UAS.

    Dr. Ingo Ilja Michels, Frankfurt University of Applied Sciences, 23.09.2019

  • Ängste und Depressionen bei Schulkindern

    Fast acht Prozent aller depressiven Kinder zwischen zehn und 17 Jahren kommen innerhalb eines Jahres ins Krankenhaus, durchschnittlich für 39 Tage. Nach der Entlassung fehlt oft eine passende ambulante Nachsorge. Folge: Fast jedes vierte dieser Kinder wird innerhalb von zwei Jahren mehrfach stationär behandelt. Das zeigt der aktuelle Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit mit dem Schwerpunkt „Ängste und Depressionen bei Schulkindern“. Basis für die repräsentative Studie sind Abrechnungsdaten der Jahre 2016 und 2017 von rund 800.000 minderjährigen DAK-Versicherten. Laut Auswertung durch die Universität Bielefeld hat die Zahl der Klinikeinweisungen wegen Depressionen in diesem Zeitraum um fünf Prozent zugenommen. Ferner zeigen die Daten, dass chronische Krankheiten das Risiko für eine Depression deutlich erhöhen. Der Report ist beim Verlag medhochzwei, Berlin, veröffentlicht und steht auch auf Homepage der DAK auch als Download zur Verfügung.

    Durch einen Krankenhausaufenthalt kommen die betroffenen depressiven Kinder für durchschnittlich 39 Tage aus ihrem Schul- und Familienalltag raus. „Die Stigmatisierung, die sich mit einem langen Aufenthalt in der Jugendpsychiatrie verbindet, ist für die Betroffenen eine zusätzliche Belastung. Wir brauchen eine offene Diskussion über das Tabuthema Depression bei Kindern“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Wir haben offenkundige Versorgungslücken nach der Krankenhausentlassung, die wir dringend schließen müssen. Eine Rehospitalisierungsquote von 24 Prozent ist alarmierend.“ Die Krankenkasse startet deshalb das neue integrierte Versorgungsangebot „veo“, das depressiven Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren für drei Jahre eine vernetzte ambulante Nachsorge und Versorgung ermöglicht.

    Laut Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit zeigt jedes vierte Schulkind psychische Auffälligkeiten. Zwei Prozent leiden an einer diagnostizierten Depression, ebenso viele unter Angststörungen. Hochgerechnet sind insgesamt etwa 238.000 Kinder in Deutschland im Alter von zehn bis 17 Jahren so stark betroffen, dass sie einen Arzt aufsuchen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Depressionshäufigkeit 2017 um fünf Prozent gestiegen. In den oberen Schulklassen leiden doppelt so viele Mädchen wie Jungen unter ärztlich diagnostizierten Depressionen. Die Entwicklung bei den Geschlechtern geht spätestens ab dem 14. Lebensjahr deutlich auseinander.

    „Bestimmte Schulkinder haben ein stark erhöhtes Risiko für eine Depression“, sagt DAK-Vorstandschef Storm. „Diese Kinder leiden oft leise, bevor sie eine passende Diagnose bekommen. Wir müssen alle aufmerksamer werden – ob in der Familie, in der Schule oder im Sportverein.“ Der Report zeigt erstmals auf Basis von Abrechnungsdaten, wie stark bestimmte Faktoren die Entwicklung eines Seelenleidens beeinflussen. So tragen Kinder mit einer chronischen körperlichen Erkrankung insbesondere im Jugendalter ein bis zu 4,5-fach erhöhtes Depressionsrisiko. Für eine Angststörung ist das Risiko bis zu 3-fach erhöht. Auch bei Adipositas und Schmerzen gibt es deutliche Zusammenhänge: Unabhängig vom Alter sind Jungen und Mädchen mit krankhaftem Übergewicht 2,5- bis 3-mal häufiger von einer depressiven Störung betroffen als Gleichaltrige mit normalem Körpergewicht. Bei Kindern, die unter Schmerzen leiden – Rücken-, Kopf-, Bauch- oder Beckenschmerzen –, besteht ein 2- bis 2,5-faches Risiko. Auch das familiäre Umfeld kann ein Faktor sein: Kinder seelisch kranker Eltern sind deutlich gefährdeter (3-fach), selbst eine depressive Störung zu entwickeln. Kinder suchtkranker Eltern sind ebenfalls signifikant häufiger betroffen (2,4-mal häufiger) als Gleichaltrige aus suchtfreien Elternhäusern.

    Depressionen und Angststörungen zählen nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den schwerwiegendsten Leiden in der Gruppe der psychischen Erkrankungen. Laut Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit treten beide Diagnosen häufig parallel auf. So hat fast ein Viertel (24 Prozent) aller depressiven Mädchen zusätzlich eine Angststörung. Bei Jungen sind es 17 Prozent. Depressionen sind gekennzeichnet durch Niedergeschlagenheit, Traurigkeit und Interessenverlust. Bei schweren depressiven Episoden haben die jungen Patienten Schwierigkeiten, ihre alltäglichen Aktivitäten fortzusetzen. Sie ziehen sich stark zurück, schaffen es kaum noch, in die Schule zu gehen. 41 Prozent aller Fälle im Jahr 2017 diagnostizieren die Ärzte als mittelschwer oder schwer. Bei Angststörungen ist der natürliche Angstmechanismus des Menschen aus den Fugen geraten. Die Betroffenen zeigen Reaktionen, die der jeweiligen Situation nicht angemessen sind und losgelöst von einer realen äußeren Gefährdung ablaufen.

    Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte begrüßt den neuen Report: „Die erstmals mit Krankenkassendaten untermauerten Erkenntnisse zu frühen psychischen Problemen sind sehr wertvoll. Im Report sehen wir allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus“, sagt Präsident Dr. Thomas Fischbach. „Es gibt sehr viele Kinder, die leiden und erst spät zu uns in die Praxen kommen. Erst wenn sie eine entsprechende Diagnose haben, tauchen sie in dieser Statistik auf.“ Auf Grundlage des Reports wollen die DAK-Gesundheit und der Verband die bestehende Versorgung von Kindern und Jugendlichen weiter optimieren.

    „Mit dem Kinder- und Jugendreport 2019 haben wir belastbare Analysen zur Versorgungssituation von Kindern mit psychischen Auffälligkeiten“, erklärt Professor Dr. Wolfgang Greiner von der Universität Bielefeld als Studienleiter. Die Untersuchung zeige auch, welche Leistungen junge Patienten mit psychischen Problemen zusätzlich beanspruchen. So haben Schulkinder wegen einer Depression durchschnittlich 4,4 zusätzliche Arzttermine pro Jahr (mit Angststörungen: plus 4,1 Termine). Vor allem im späten Jugendalter bekommen sie auch regelmäßig Antidepressiva: Mehr als jedes vierte Mädchen und jeder sechste Junge im Alter zwischen 15 und 17 Jahren nimmt ein entsprechendes Arzneimittel ein. Angststörungen werden hingegen seltener medikamentös therapiert; nur halb so viele Jugendliche mit Angststörungen bekommen Medikamente verschrieben (sieben Prozent aller Jungen und elf Prozent aller Mädchen).

    Pressestelle der DAK Gesundheit, 21.11.2019

  • Jahresbericht zur Situation illegaler Drogen 2019

    Am 7. November wurde der aktuelle Jahresbericht der deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) veröffentlicht. Er liefert umfangreiches Zahlenmaterial und Hintergrundinformationen über Entwicklungen rund um illegale Drogen in Deutschland.

    Der Bericht erscheint in Form von acht Workbooks, die über die Website der DBDD zur Verfügung stehen. Einen knappen Überblick über aktuelle Entwicklungen geben der ca. zehnseitige deutschsprachige Kurzbericht und das Factsheet illegale Drogen.

    Nach den neuesten verfügbaren Bevölkerungsumfragen haben in Deutschland im Jahr 2018 etwa 15,2 Millionen Erwachsene im Alter von 18 bis 64 Jahren (29,5 Prozent) zumindest einmal in ihrem Leben eine illegale Droge konsumiert. Cannabis nimmt unter den illegalen Drogen weiterhin die prominenteste Rolle ein. Im Jahr 2018 haben 8,0 Prozent der Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren und 7,1 Prozent der Erwachsenen innerhalb eines Jahres mindestens einmal Cannabis konsumiert. Der Anteil für alle anderen Substanzen ist deutlich geringer: 1,2 Prozent der Jugendlichen und 2,3 Prozent der Erwachsenen haben in einem Jahr irgendeine andere illegale Droge konsumiert.

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig: „Die Zahlen beim Cannabis sprechen für sich. Was wir jetzt dringend tun müssen, ist die Aufklärung, die Prävention zu stärken! Und zwar nicht durch Infomaterialien von vorgestern, sondern durch klare Ansagen, welche die Zielgruppe Kinder und Jugendliche auf allen Kanälen erreichen! Die Message muss lauten: „Cannabis ist kein harmloses Kraut! Wer früh viel kifft, kann Depressionen, Schizophrenie oder Psychosen bekommen. Daher: Lasst es am besten bleiben!“

    Personen, die intravenös Drogen konsumieren haben ein erhöhtes Risiko für Infektionskrankheiten. Besonders deutlich ist dieser Zusammenhang bei Hepatitis C: In 80 Prozent der neu gemeldeten Hepatitis-C-Fälle, bei denen der Übertragungsweg bekannt ist, ist i.v.-Drogenkonsum die Ursache.

    Für mehrere Drogen werden sehr hohe Reinheitsgehalte berichtet. Bei Kokain im Straßenhandel hat sich der Wirkstoffgehalt seit 2011 mehr als verdoppelt und liegt 2018 bei 77 Prozent. Auch der THC-Gehalt von Haschisch steigt seit mehreren Jahren an und hat mit 16,7 Prozent einen neuen Höchststand erreicht. Ebenso setzt sich der starke Anstieg des Wirkstoffgehalts bei Ecstasy 2018 fort.

    Esther Neumeier, Leiterin der DBDD: „Die Indikatoren zeigen ein uneinheitliches Bild. Wir beobachten seit mehreren Jahren teils stark steigende Reinheitsgrade einiger Substanzen und gehen davon aus, dass dies für bereits Konsumierende mit erhöhten Risiken verbunden sein kann. Bei den Konsumzahlen in der Allgemeinbevölkerung sehen wir hingegen keinen starken Anstieg, diese sind relativ stabil.“

    Maßnahmen zur Prävention des Konsums illegaler Drogen werden regelmäßig und zielgruppenspezifisch auf kommunaler, regionaler und auf Bundesebene durchgeführt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) informiert auf dem Onlineportal www.drugcom.de wissenschaftlich fundiert zu Cannabis sowie anderen illegalen Drogen und den Risiken des Konsums. Das Portal bietet unter anderem ein individualisiertes Verhaltensänderungsprogramm zur Reduzierung des Cannabiskonsums an.

    Pressestelle der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, 07.11.2019

  • Drogen- und Suchtbericht 2019 erschienen

    „Drogenpolitik heißt Gesundheitspolitik: Wir müssen weg von Ideologien und hin zu neuen Akzenten!“, so äußerte sich Daniela Ludwig, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, die am 5. November den Drogen- und Suchtbericht 2019 vorstellte.

    Der Bericht zeigt aktuelle Trends und Prävalenzen auf, sowohl bei den illegalen als auch bei den legalen Substanzen. Darüber hinaus bietet er einen Überblick über alle neuen gesetzlichen Regelungen und Projekte beim Thema Drogen und Sucht.

    Daniela Ludwig: „Der Bericht macht deutlich, wo es noch offene Baustellen gibt und wo wir bereits gute Fortschritte erzielt haben. Gute Entwicklungen sehen wir bei dem Thema Tabak – Rauchen wird langsam wirklich out. Dafür sehen wir, dass der Konsum von E-Zigaretten klar ansteigt, gerade bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Diesen Trend gilt es zu stoppen. Ein Grund mehr für ein Tabakaußenwerbeverbot mit allen Dampfprodukten inklusive!“

    Bei den illegalen Substanzen bleibt Cannabis nach wie vor die am häufigsten konsumierte Droge, sowohl bei den Erwachsenen als auch bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen. 19 Prozent der Jugendlichen gaben an, in ihrem Leben Cannabis konsumiert zu haben, bei den jungen Erwachsenen (18 bis 25 Jahre) waren dies 42,5 Prozent.

    Substanzen wie Heroin, Neue Psychoaktive Stoffe oder Kokain sind dagegen insgesamt weniger konsumiert worden. Dennoch sind opioidhaltige Substanzen, wie beispielsweise Heroin, weiterhin die Hauptursache, weshalb Menschen an Drogen versterben. Die Zahl der Drogentoten ist im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr nahezu konstant geblieben (2017: 1.272 Personen, 2018: 1.276 Personen).

    Dazu die Drogenbeauftragte Daniela Ludwig weiter: „Selbst wenn die Zahlen der jährlich an illegalen Substanzen Verstorbenen seit einigen Jahren fast gleich bleiben, will ich hier noch einmal klar sagen: Zentral ist, was die Gesundheit der Menschen schützt! Eigenbedarf bei harten Drogen wie Kokain oder Heroin kommt daher absolut nicht in Frage! Wichtiger ist, in der Praxis die Anstrengungen für suchtkranke Menschen zu verstärken. Zum Beispiel durch eine flächendeckende Substitution. Hierfür müssen wir mehr Ärzte gewinnen und erreichen, dass auch die nächste Generation der Ärzteschaft sich für die Gesundheit aller Menschen in diesem Land stark macht. Suchtkranke dürfen nicht vergessen werden! Drogenpolitik heißt Gesundheitspolitik – und zwar für alle!“

    Die Drogenbeauftragte Ludwig betonte in ihrem Statement, dass es bei der Drogen- und Suchtpolitik an der Zeit sei, endlich mehr offene Dialoge zu führen statt ideologiebasierter Debatten. Das gemeinsame Ziel sollte sein, den suchtkranken Menschen und ihren Angehörigen mehr Aufmerksamkeit zu geben und wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.

    Pressestelle der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, 05.11.2019

  • aktiva-Gutachten zur medizinischen Reha – Neuauflage 2019 erschienen

    Die in der Arbeitsgemeinschaft Medizinische Rehabilitation (AG MedReha) zusammengeschlossenen maßgeblichen Verbände der in der medizinischen Rehabilitation tätigen Leistungserbringer haben die aktiva Beratung im Gesundheitswesen GmbH mit einer Neuauflage des „Gutachtens zur aktuellen und perspektivischen Situation der stationären Einrichtungen im Bereich der medizinischen Rehabilitation“ beauftragt.

    Die medizinische Rehabilitation gewinnt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland (z. B. Fachkräftemangel) volkswirtschaftlich zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig ist die Branche vielen externen Kostensteigerungen unterworfen, ohne dass diese in dem stark reglementierten System von den Rehabilitationseinrichtungen beeinflusst werden können. Die Vergütungssätze der Kliniken müssen in dem monistisch finanzierten System sowohl den Betrieb als auch die notwendigen Investitionen tragen.

    Im Rahmen dieses Gutachtens wurden Kostensteigerungen untersucht, die sich direkt auf die Leistungserbringung in den Kliniken, d. h. deren Betrieb, auswirken und die sich auch in den Steigerungen der Vergütungssätze wiederfinden müssen. Dabei wurden im Gutachten nur absehbare Kostensteigerungen anhand von statistischen Daten und möglichst belastbaren Prognosen in der Modellrechnung verwendet. Zudem wurde das für die Rehabilitationseinrichtungen besonders wichtige Thema des Personalmangels und der damit verbundenen erwarteten auch übertariflichen Personalkostensteigerungen dargelegt.

    Besondere Bedeutung haben die Auswirkungen der gesetzlichen Änderungen z. B. im Rahmen des Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz – PpSG. Auch die Rehabilitationseinrichtungen müssen wirksame Refinanzierungsmöglichkeiten für steigende Personalkosten erhalten. Der aktuelle Referentenentwurf zum Reha- und Intensivpflegestärkungsgesetz (RISG) setzt mit den Punkten zur Lockerung des Grundsatzes zur Beitragsstabilität bei erforderlichen Mehraufwänden, der Anerkennung von Gehaltsstrukturen auf Tarifniveau als wirtschaftlich sowie den geplanten einheitlichen und verbindlichen Vorgaben für Versorgungs- und Vergütungsverträge endlich an den richtigen Hebeln. Die Umsetzung der geplanten Maßnahmen wird beweisen, ob damit eine Verbesserung der Finanzierungssituation in der medizinischen Rehabilitation und damit die Sicherung dieses Gesundheitssektors gelingt. In diesem Zuge sollte der Gesetzgeber jedoch auch die Datengrundlagen und statistischen Erhebungen in der Rehabilitation deutlich verbessern, um die Transparenz für alle Seiten zu erhöhen. Im Rahmen von Vergütungssatzverhandlungen wird eine Nachweispflicht von zusätzlichen übertariflichen Personalkostensteigerungen auf Einrichtungsebene empfohlen.

    Die Ergebnisse zeigen, dass die Rehabilitationseinrichtungen auch für das Jahr 2020 in vielen wichtigen Bereichen mit Kostensteigerungen rechnen müssen, wodurch die notwendigen Vergütungssatzsteigerungen unter Berücksichtigung wahrscheinlicher übertariflicher Personalkostensteigerungen zwischen 3,92 und 4,41 Prozent (Mittelwert 4,16 Prozent) prognostiziert werden.

    Der Prognosekorridor bildet die Steigerungsraten für den reinen Betrieb der Rehabilitationseinrichtungen, um die Kostensteigerungen des Jahres 2020 im Durchschnitt zu refinanzieren. Eine Bewertung der Investitionsmittelanteile und deren Finanzierung muss auf Basis der individuellen Situationen der Kliniken erfolgen.

    Das „Gutachten zur aktuellen und perspektivischen Situation der Einrichtungen im Bereich der medizinischen Rehabilitation“ in der Neuauflage 2019 steht zum kostenlosen Download bereit.

    Redaktion KONTUREN, 08.11.2019, Auszug aus: Borges/Zimolong, Gutachten zur aktuellen und perspektivischen Situation der Einrichtungen im Bereich der medizinischen Rehabilitation – Neuauflage 2019

  • DHS trifft Drogenbeauftragte

    v.l.n.r.: Christina Rummel (DHS), Dr. Daniela Ruf (DCV), Petra Krause (Guttempler), Gabriele Sauermann (Paritätischer Gesamtverband), Daniela Ludwig (Drogenbeauftragte), Stefan Bürkle (CaSu), Friederike Neugebauer (fdr), Gero Skowronek (buss)

    Am 17. Oktober 2019 fand ein Gespräch der DHS mit der neuen Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Daniela Ludwig, statt. An diesem Gespräch nahm auch Gero Skowronek, Geschäftsführer des Bundesverbandes für Suchtkrankenhilfe (buss), teil und lernte Daniela Ludwig sowie Dr. Kirsten Reinhardt und Jette Grabow aus ihrem Arbeitsstab in Berlin kennen. Die DHS-Vertreter nutzten die Gelegenheit, ihre jeweiligen Verbände, die aktuellen Entwicklungen, Sorgen und Nöte der Suchtkrankenhilfe und die ihre Mitglieder derzeit bewegenden Herausforderungen vorzustellen und darzulegen.

    Der buss hatte Daniela Ludwig bereits vor dem Gespräch seine aktuellen Stellungnahmen und Veröffentlichungen sowie interessante Materialien über die 116-jährige Geschichte des Bundesverbandes zugeleitet. Unsere besten Wünsche zum Start in die neue Aufgabe hatten wir verbunden mit der zuversichtlichen Erwartung, dass wir den freundlichen und kooperativen Gesprächsstil, der zwischen dem buss und ihrer Vorgängerin Marlene Mortler bestanden hat, nahtlos fortsetzen werden. Insofern waren sich alle Teilnehmer darüber einig, dass das Gespräch am 17. Oktober der Auftakt für weitere regelmäßige Arbeitsgespräche zwischen der Drogenbeauftragten und ihrem Arbeitsstab und den Suchtfachverbänden sein soll.

    Inhaltlich standen zunächst drei Themenkomplexe im Vordergrund: 1. Digitalisierung in der Suchthilfe, 2. Kinder suchtkranker Eltern und 3. Sucht am Arbeitsplatz. Alle drei Bereiche werden in den nächsten Wochen und Monaten mit unterschiedlichen Aktionen und Herangehensweisen im Fokus der Drogenbeauftragten stehen. Für den buss bot Gero Skowronek die Zusammenarbeit im Rahmen der DHS und darüber hinaus an diesen wichtigen und relevanten Themen an.

    Gero Skowronek, buss-Geschäftsführer

  • Modernes Rollenverständnis verbessert die Zufriedenheit der Eltern

    Dank der zunehmenden Freiheit, zwischen Elternschaft und Erwerbstätigkeit zu wählen und die Kinderbetreuung individuell zu gestalten, sind Mütter und Väter heute zufriedener mit ihrem Leben als vor 20 oder 30 Jahren. Das zeigt eine Studie auf Basis von Daten der für Deutschland repräsentativen Langzeitstudie Sozio-oekonomisches Panel am DIW Berlin, die eine Forschungsgruppe um den Schweizer Soziologen Klaus Preisner erstellt hat. Die Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Gender & Society online veröffentlicht.

    Die Mutter kümmert sich um die Kinder, der Vater arbeitet Vollzeit – dieses gesellschaftliche Rollenverständnis hielt sich lange Zeit hartnäckig. In den letzten Jahrzehnten aber haben sich die normativen Erwartungen an Mütter und Väter verändert. Mutterschaft ist heute für die weibliche Identität und ein erfülltes Leben als Frau nicht mehr zwingend. Von Müttern wird nicht mehr erwartet, dass sie ihre Erwerbsarbeit aufgeben, während es zunehmend selbstverständlich ist, dass sich Väter an der Kindererziehung und -betreuung beteiligen.

    Diskrepanz zwischen öffentlichen Diskussionen und empirischen Daten

    Zusammen mit Forschenden der Universität Konstanz und des Deutschen Jugendinstituts in München hat der Soziologe Klaus Preisner von der Universität Zürich (UZH) untersucht, wie sich diese veränderten gesellschaftlichen Erwartungen auf die Lebenszufriedenheit von Eltern ausgewirkt haben. Um herauszufinden, wie sich die sozialen Normen bezüglich der Elternschaft im Laufe der Jahre entwickelt haben, analysierten die Wissenschaftler/innen Angaben aus der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS). Hier wurde auf einer vierstufigen Skala erfasst, wie stark die westdeutschen Befragten folgender Aussage zustimmten: „Es ist für alle Beteiligten viel besser, wenn der Mann voll im Berufsleben steht und die Frau zu Hause bleibt und sich um den Haushalt und die Kinder kümmert“. Um die Veränderungen in der Lebenszufriedenheit zu erfassen, werteten die Wissenschaftler/innen Angaben von 18.397 Frauen und 11.896 Männern aus den alten Bundesländern aus, die im Zeitraum von 1984 bis 2015 im SOEP befragt worden waren.

    Das Nachlassen sehr spezifischer normativer Erwartungen an die Elternschaft zeigt sich in den ALLBUS-Daten: Die Aussage „Es ist für alle Beteiligten viel besser, wenn der Mann voll im Berufsleben steht und die Frau zu Hause bleibt und sich um den Haushalt und die Kinder kümmert“ wurde im Laufe der Jahre von immer weniger Menschen unterstützt. Während in den 80er Jahren jede/r zweite zustimmte, war es 2015 nur noch jede/r fünfte.

    „Während in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren vermehrt thematisiert wurde, dass Eltern unter großen Belastungen stehen oder ihre Elternschaft sogar bedauern, zeigen unsere Analysen das Gegenteil“, sagt Klaus Preisner. In den 1980er Jahren gaben Mütter bei Befragungen mehrheitlich an, weniger zufrieden mit ihrem Leben zu sein als kinderlose Frauen. Das ‚Glücksversprechen Kind‘ – auch eine Folge des damaligen Tabus, kritisch über die Mutterschaft zu sprechen – wurde damals nicht eingelöst. „Mit zunehmenden Freiheiten, sich für oder gegen ein Kind zu entscheiden und die Elternschaft zu gestalten, ist der so genannte maternal happiness gap verschwunden. Heute finden wir keine Unterschiede mehr in der Lebenszufriedenheit von Müttern und kinderlosen Frauen“, so Preisner.

    Lebenszufriedenheit beider Elternteile hat zugenommen

    Für die Männer gilt: Im Unterschied zu Frauen wurde von Vätern früher nicht erwartet, sich an der Kinderbetreuung zu beteiligen, Elternzeit zu nehmen oder die Erwerbsarbeit zumindest zeitweise einzuschränken. Den Freuden der Vaterschaft standen also kaum häusliche Verpflichtungen entgegen, und Männer mit Kindern waren genauso zufrieden wie Männer ohne Kinder. Obwohl sich die Erwartungen an Väter geändert haben, hat sich ihre Lebenszufriedenheit dadurch kaum verändert. Väter sind heute nach wie vor genauso zufrieden wie kinderlose Männer. „Der Grund dafür liegt darin, dass Väter, die den neuen Erwartungen gerecht werden, heute mit viel privater und öffentlicher Anerkennung für ihr Engagement belohnt werden“, sagt Preisner.

    Moderne Familienpolitik nützt sowohl Eltern wie auch Kindern

    Mit den veränderten normativen Erwartungen seien auch neue familienpolitische Maßnahmen wie etwa die Elternzeit nach der Geburt eines Kindes sowie die Schaffung von Betreuungsmöglichkeiten außerhalb der Familie möglich geworden, erklären die Autor/innen. So könnten Mütter und Väter freier entscheiden, wie sie ihre Elternschaft im Hinblick auf Eigen- und Fremdbetreuung gestalten wollen. Darüber hinaus seien die Rollen und Aufgaben zwischen Müttern und Vätern heute weniger ungleich verteilt. Beides wirke sich positiv darauf aus, wie zufrieden Eltern mit ihrem Leben sind. „Diese familienpolitischen Maßnahmen sind nicht nur im Sinne der Gleichstellung von Frauen und Männern von großer Bedeutung. Ebenso wichtig sind sie im Hinblick auf die Lebenszufriedenheit der Eltern und damit letztlich auch der Kinder“, sagt Klaus Preisner.

    DAS SOZIO-OEKONOMISCHE PANEL AM DIW BERLIN
    Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP im DIW Berlin wird als Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den Ländern gefördert. Für das SOEP werden seit 1984 jedes Jahr vom Umfrageinstitut Kantar Public (zuvor TNS Infratest Sozialforschung) in mehreren tausend Haushalten statistische Daten erhoben. Zurzeit sind es etwa 30.000 Personen in etwa 15.000 Haushalten. Die Daten des SOEP geben unter anderem Auskunft über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt werden, können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends, sondern auch die gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen besonders gut analysiert werden.

    Originalpublikation:
    Klaus Preisner, Franz Neuberger, Ariane Bertogg und Julia M. Schaub. Closing The Happiness Gap: The Decline of Gendered Parenthood Norms and the Increase in Parental Life Satisfaction, Gender & Society. August 27, 2019. https://doi.org/10.1177/0891243219869365

    Pressestelle des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), 08.10.2019

  • Kein Anhaltspunkt für einen Nutzen von EMDR bei Angststörungen

    Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) wird bislang hauptsächlich in der Traumatherapie eingesetzt. Hier bezahlen die Krankenkassen die Behandlung. Traumatische Ereignisse sollen dabei mit Hilfe der Aktivierung beider Gehirnhälften, zum Beispiel durch das Verfolgen eines hin und her bewegten Fingers mit den Augen, aufgearbeitet werden.

    Im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat nun eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe der Universität Witten/Herdecke und der Fernuniversität Hagen untersucht, ob eine EMDR-Behandlung auch bei Angststörungen hilft. Die schlechte Studienlage lässt allerdings keine Aussagen zum Nutzen und Schaden von EMDR bei Angststörungen zu. Geeignete Studien zur gesundheitsökonomischen Bewertung fehlen ebenfalls.

    Zu diesem vorläufigen HTA-Bericht bittet das Institut nun bis zum 6. November 2019 um Stellungnahmen. Es handelt sich dabei um ein so genanntes Health Technology Assessment (kurz: HTA) in dem durch Gesetzesauftrag 2016 gestarteten IQWiG-Verfahren ThemenCheck Medizin. Die Fragestellungen der HTA-Berichte gehen stets auf Vorschläge von Bürgerinnen und Bürgern zurück – auch für den vorliegenden Bericht.

    Angststörungen sind keine Seltenheit

    Angststörungen sind in Deutschland mit rund 15 Prozent in der Bevölkerung häufiger als alle anderen psychischen Störungen. Frauen sind mit rund 21 Prozent öfter betroffen als Männer mit rund neun Prozent.

    Angststörungen treten auf, ohne dass sich die Patientinnen und Patienten in einer objektiv bedrohlichen Situation befinden. Dabei unterscheidet man zwei Gruppen: Bei phobischen Störungen wird die Angst durch bestimmte Reize oder Situationen ausgelöst (z. B. Menschenmengen, Tiere, Ärzte oder Höhe). Bei Patientinnen und Patienten mit „anderen Angststörungen“ treten sie unabhängig von externen Auslösern auf (z. B. plötzliche Panikattacken oder belastende Angstzustände im Alltag, deren Auslösung nicht nachvollziehbar ist).

    Als Ursachen für Angststörungen werden sowohl psychosoziale, psychologische und genetische als auch medizinische Ursachen diskutiert, die sich je nach Typ der Angststörung unterscheiden können. Je nach Ausprägung der Symptome kann es zu starken Einschränkungen im Leben der Betroffenen kommen: Angstbesetzte Situationen werden oft vermieden, sodass der soziale Kontakt beeinträchtigt sein kann. Das Ausüben eines Berufes oder sogar Alltagsaktivitäten wie Einkaufen oder Straßenbahnfahren sind zuweilen unmöglich.

    Gehirntraining soll Ängste mindern

    Die klassische EMDR-Methode folgt dem Behandlungsprotokoll von Dr. Francine Shapiro, die das Verfahren Ende der 1980er Jahre entwickelt hat: Nach einer Stabilisierungsphase wird in der Therapie ein prägnantes Bild des angstauslösenden Ereignisses identifiziert. Während die Patientin oder der Patient sich dieses Bild wieder vorstellt, leitet die Therapeutin oder der Therapeut dazu an, die Augen von Seite zu Seite zu bewegen, indem über einen kurzen Zeitraum zwei Finger im Blickfeld der Patientin oder des Patienten hin und her bewegt werden. Alternativ dazu können auch Töne im Wechsel rechts und links abgespielt werden oder die Patientenhände werden wechselweise berührt.

    Durch die wechselnden optischen, akustischen oder Berührungsreize soll neurobiologisch eine beidseitige Stimulation der beiden Gehirnhälften erzeugt werden. Nach mehreren Wiederholungen der EMDR-Behandlung sollte die negative Reaktion auf die Erinnerung immer schwächer werden – die Angststörung wird abgebaut.

    Studien ohne Aussagekraft

    Zwar haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 22 für die Fragestellung relevante Studien identifizieren können – wegen ausgeprägter methodischer Mängel dieser Studien (hohes Verzerrungspotenzial, ungeeignete Vergleichsgruppen, zu kurze Nachbeobachtung nach der Intervention oder auch mangelhafte Aussagen zur Randomisierung) konnten sie daraus aber keinen Anhaltspunkt für einen Nutzen der EMDR-Behandlung bei Angststörungen im Vergleich zu etablierten Therapieverfahren oder auch im Vergleich zu keiner Behandlung ableiten. Dies gilt für die patientenrelevanten Endpunkte Angst, Depression, angstspezifische Effekte wie Vermeidungsverhalten oder körperliche Symptome, gesundheitsbezogene Lebensqualität und psychosoziale Aspekte.

    Keine geeigneten gesundheitsökonomischen Studien

    Weil das Wissenschaftsteam keine geeigneten Studien identifizieren konnte, bleibt die gesundheitsökonomische Bewertung der Behandlung von Angststörungen mit EMDR ebenfalls offen.

    Das IQWiG bittet um Stellungnahmen und Themenvorschläge

    Interessierte Personen und Institutionen können nun bis zum 6. November 2019 schriftliche Stellungnahmen zum vorläufigen HTA-Bericht „Angststörungen: Führt der ergänzende Einsatz der Eye Movement Desensitization and Reprocessing Therapie bei psychotherapeutischen Behandlungs- und Anwendungsformen zu besseren Ergebnissen?“ beim IQWiG einreichen. Diese werden ausgewertet und gegebenenfalls in einer mündlichen Anhörung mit den Stellungnehmenden diskutiert. Danach wird der vorläufige HTA-Bericht finalisiert. Außerdem schreiben die Autorinnen und Autoren eine allgemein verständliche Version (HTA kompakt), und das IQWiG ergänzt das Paket um einen Herausgeberkommentar.

    Alle Dokumente werden auf der Website „ThemenCheck-Medizin.iqwig.de“ veröffentlicht sowie an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) übermittelt.

    Unabhängig von diesem HTA-Bericht ist es jederzeit möglich, Vorschläge für neue Themen einzureichen. Sie werden in der nächsten ThemenCheck-Auswahlrunde begutachtet, die im August 2020 beginnt.

    Originalpublikation und weitere Informationen finden Sie hier.

    Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 08.10.2019

  • Shell Jugendstudie 2019

    Jugendliche melden sich vermehrt zu Wort und artikulieren ihre Interessen und Ansprüche nicht nur untereinander, sondern zunehmend auch gegenüber Politik, Gesellschaft und Arbeitgebern. Dabei blickt die Mehrheit der Jugendlichen eher positiv in die Zukunft. Ihre Zufriedenheit mit der Demokratie nimmt zu. Die EU wird überwiegend positiv wahrgenommen. Jugendliche sind mehrheitlich tolerant und gesellschaftlich liberal. Am meisten Angst macht Jugendlichen die Umweltzerstörung.

    Das sind zentrale Resultate der 18. Shell Jugendstudie, die am 15. Oktober in Berlin vorgestellt wurde. „Bereits im Jahr 2015 hatten viele Jugendliche ein größeres Engagement für politische und gesellschaftliche Themen gezeigt. Dieses Engagement verstärken sie inzwischen durch ein zunehmendes Umwelt- und Klimabewusstsein. Obwohl die Jugendlichen optimistisch in ihre persönliche und die gesellschaftliche Zukunft blicken, sehen sie doch, dass es Zeit ist, zu handeln“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Mathias Albert von der Universität Bielefeld. Die Botschaft der Jugend an ältere Generationen ist: „Wir bleiben zuversichtlich, aber hört auf uns und achtet jetzt auf unsere Zukunft!“

    Die wesentlichen Ergebnisse im Detail:

    Interesse an Politik

    Das seit Beginn des Jahrtausends stark gestiegene Interesse an Politik bleibt stabil. Jugendliche meinen, dass politisches Engagement eine hohe Bedeutung hat. Diese Auffassung nimmt insbesondere bei Mädchen zu, bleibt jedoch vornehmlich auf höher gebildete Jugendliche beschränkt.

    Ängste und Sorgen

    Die Ängste und Sorgen reflektieren die Debatten der vergangenen Jahre. Umweltängste haben insbesondere bei höher Gebildeten stark an Bedeutung gewonnen. Die Debatten um Flucht und Migration spiegeln sich in gestiegener Angst sowohl vor Ausländerfeindlichkeit als auch – auf niedrigerem Niveau – vor Zuwanderung wider. Angst vor Zuwanderung äußern tendenziell eher die niedriger Gebildeten.

    Zuversicht und Gerechtigkeit

    Mehr als die Hälfte der Jugendlichen sieht die gesellschaftliche Zukunft eher positiv. 59 Prozent finden, dass es in Deutschland insgesamt gerecht zugeht. Das gilt für West- und Ostdeutschland gleichermaßen.

    Europäische Union

    50 Prozent der Jugendlichen stehen der EU insgesamt positiv, aber nur acht Prozent negativ gegenüber. Das Vertrauen in die Staatengemeinschaft hat eher zugenommen. Sie steht bei Jugendlichen für Freizügigkeit, kulturelle Vielfalt und Frieden, im Vergleich zu 2006 zunehmend aber auch für wirtschaftlichen Wohlstand und soziale Absicherung.

    Populismus

    Bestimmte rechtspopulistisch orientierte Aussagen stoßen auch bei Jugendlichen auf Zustimmung. So stimmen mehr als zwei Drittel der Aussage zu, dass man nichts Negatives über Ausländer sagen darf, ohne als Rassist zu gelten. Graduell sind westdeutsche Jugendliche und höher gebildete eher weltoffener als ostdeutsche und weniger gebildete.

    Vielfalt und Toleranz

    Die Trends zu einer immer bunteren Gesellschaft gehen bei Jugendlichen mit einem hohen Maß an Toleranz einher. Die Studie zeigt, dass Mädchen und Jungen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Minderheiten mit sehr großer Mehrheit positiv gegenüberstehen. Die Ablehnungswerte liegen durchweg bei unter 20 Prozent.

    Zufriedenheit mit der Demokratie, Politikverdrossenheit und Vertrauen in Institutionen

    Mehr als drei Viertel der Jugendlichen sind mit der Demokratie zufrieden. Gleichzeitig kritisieren mehr als zwei Drittel, dass die Politiker sich nicht um ihre Belange kümmern, was als Ursache für Politikverdrossenheit gesehen werden kann. Bei der Frage nach dem Vertrauen in Institutionen kommen die Polizei, das Bundesverfassungsgericht und Umweltschutzgruppen auf deutlich überdurchschnittliche Werte. Großen Unternehmen, Kirchen, Parteien und Banken wird deutlich weniger Vertrauen entgegengebracht.

    Wertorientierungen

    Für die überwältigende Mehrheit der Jugendlichen bilden nach wie vor gute Freunde, eine vertrauensvolle Partnerschaft und ein gutes Familienleben die wichtigsten Werte. Ein hoher Lebensstandard und die Durchsetzung eigener Bedürfnisse verlieren vergleichsweise stark an Bedeutung. Insgesamt stehen idealistische, eher sinnstiftende Wertorientierungen bei jungen Menschen wieder höher im Kurs. Gegenläufig ist die Entwicklung bei tendenziell mate­rialistischen Orientierungen, die darauf abzielen, die persönliche Macht und Durchsetzungskraft zu steigern.

    Eltern und Familie

    Im Ergebnis zeichnet sich ein relativ familienorientiertes Bild ab. Das Verhältnis der Jugendlichen zu ihren Eltern ist überwiegend gut. Die Mehrheit sieht ihre Eltern als Erziehungsvorbilder. Der Kinderwunsch ist stabil. Bei der Familiengründung wünschen sich vor allem westdeutsche Männer und Frauen, dass der Mann der Haupt- oder Alleinversorger der Familie ist.

    Religion

    Die große Mehrheit der Jugendlichen ist Mitglied einer Religionsgemeinschaft. Dabei liegt der Wert aktuell zwar niedriger als 2015, aber höher als 2002. Während die christlichen Konfessionen seit 2002 stetig an jugendlichen Mitgliedern verloren haben (allein zwischen 2015 und 2019 um fünf Prozentpunkte), haben der Islam und andere nicht-christliche Religionen an Bedeutung gewonnen. Der Anteil der Konfessionslosen stagniert. Der Anteil der Jugendlichen, für die der Glaube an Gott tatsächlich wichtig ist, liegt mit fast einem Drittel allerdings deutlich niedriger und hat seit 2002 sogar leicht abgenommen.

    Schule und Abschluss

    Der Trend zu höheren Bildungsabschlüssen hält an. Das Gymnasium ist unangefochten die populärste Schulform und unter den Mädchen sogar schon die Schule, die von einer absoluten Mehrheit besucht wird. Entsprechend ist das Abitur der mit Abstand am häufigsten angestrebte Schulabschluss. Der Trend zur akademischen Bildung nimmt weiter zu. Integrierte Schulformen, die in fast allen Bundesländern eingeführt wurden, verzeichnen die stärksten Zuwächse seit 2015. Der Anteil der Jugendlichen, die sie besuchen, hat sich seit 2002 verdoppelt. Entsprechend weniger Jugendliche gehen auf eine Haupt- oder Realschule.

    Zusammenhang Bildung und soziale Herkunft

    Nach wie vor lässt sich ein starker Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft feststellen. Bei Jugendlichen aus bildungsfernen Elternhäusern ist es nur halb so wahrscheinlich, dass sie das Abitur erreichen, wie bei Jugendlichen aus gebildeten Elternhäusern. Allerdings ist die Bildungspolitik der letzten Jahre insofern erfolgreich, als auch Jugendliche aus bildungsfernen Schichten das Abitur mittlerweile deutlich häufiger anstreben bzw. erreichen als früher.

    Die Studie wurde von Prof. Dr. Mathias Albert (Leitung, Universität Bielefeld), Prof. Dr. Gudrun Quenzel (Universität Vorarlberg), Prof. Dr. Klaus Hurrelmann (Hertie School of Governance) sowie einem Expertenteam des Münchner Forschungsinstituts Kantar um Ulrich Schneekloth im Auftrag der Deutschen Shell verfasst. Das Unternehmen finanziert die Jugendstudie bereits seit 1953. „Mit diesem Engagement für die Jugendforschung untermauern wir nicht zuletzt unsere Bereitschaft, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen“, sagt der Vorsitzende der Deutsche Shell Holding GmbH, Dr. Thomas Zengerly.

    Die 18. Shell Jugendstudie stützt sich auf eine repräsentativ zusammengesetzte Stichprobe von 2.572 Jugendlichen im Alter von zwölf bis 25 Jahren, die von Kantar-Interviewern zu ihrer Lebenssituation und ihren Einstellungen und Orientierungen persönlich befragt wurden. Die Erhebung fand auf Grundlage eines standardisierten Fragebogens im Zeitraum von Anfang Januar bis Mitte März 2019 statt. Im Rahmen der qualitativen Studie wurden zwei- bis dreistündige Interviews mit 20 Jugendlichen dieser Altersgruppe durchgeführt.

    Die Studie ist im Beltz-Verlag erschienen und im Buchhandel für 24,95 Euro bzw. als E-Book für 22,99 Euro erhältlich.

    Webseite: www.shell.de/jugendstudie

    Der Podcast zur Shell Jugendstudie #dieseJugend ist auf allen gängigen Streaming-Plattformen verfügbar.

    Pressestelle von Shell, 15.10.2019