Kategorie: Kurzmeldungen

  • „Generationsunterschiede? Bilden wir uns ein!“

    Es gibt in der Bundesrepublik keine Generationen, die sich in ihren Einstellungen voneinander unterscheiden: Zu diesem Ergebnis gelangt der Marburger Soziologe Professor Dr. Martin Schröder in einer Studie (2018), in der er über 500.000 Einzeldaten von mehr als 70.000 Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmern auswertet. Immer neue Studien und populärwissenschaftliche Bücher über Generationenunterschiede beruhen demnach auf einer falschen Grundannahme, die von der Empirie nicht gestützt wird. Schröder veröffentlichte die Ergebnisse seiner Analyse in der September Ausgabe 2018 der „Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie“.

    Nachkriegsgeneration, 68er, Null Bock-Generation, Postmaterialisten: Alle paar Jahre rufen Trendforscher und Ratgeberautoren eine neue Generation aus. „Aber in Wirklichkeit gibt es die dahinter vermuteten Einstellungsunterschiede nicht“, sagt der Marburger Soziologe Professor Dr. Martin Schröder: Seiner Studie zufolge unterscheiden sich die verschiedenen Alterskohorten kaum in ihren Einstellungen zum Leben und zur Welt.

    Schröder legt in seinem Aufsatz dar, dass der präzise Generationenbegriff sozialwissenschaftlicher Klassiker durch theoretisch unscharfe Studien ebenso verwässert wird, wie durch populärwissenschaftliche Bücher. Schröder zitiert die Gemeinplätze, mit denen die einschlägigen Studien die angeblichen Generationen beschreiben, etwa das Bedürfnis der so genannten Generation Y nach emotionaler Bindung, aber auch nach einem gesicherten und eigenständigen Platz in der Gesellschaft: Welche Generation wünsche das nicht? Zudem würden ein- und derselben „Generation Y“ mitunter gegensätzliche Eigenschaften zugeschrieben, führt der Marburger Sozialforscher aus: auf der einen Seite zum Beispiel eine große Freiheitsneigung, auf der anderen eine starke Gemeinschaftsorientierung.

    All diese Studien leiden an einem gravierenden Mangel, behauptet Schröder: Um eine Generation von einer anderen abgrenzen zu können, müsste man ihre Angehörigen mit älteren oder jüngeren Personen vergleichen; genau das tun die Generationenforscher aber nicht, legt der Soziologe dar: Sie „vergleichen Einstellungen gar nicht kohortenübergreifend“. Als Kohorte bezeichnet die Soziologie eine Gruppe von Personen gleichen Alters.

    Bisher standen empirische Studien aus, die Einstellungen verschiedener Alterskohorten miteinander vergleichen. Schröder analysierte Umfragedaten aus einer Langzeituntersuchung: Seit dem Jahr 1984 befragt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Jahr für Jahr zirka 12.000 Privathaushalte und veröffentlicht die Ergebnisse der Erhebung im „Sozio-ökonomischen Panel“ (SOEP). „Wenn es wirklich Generationen gibt, dann müssten die unterschiedlichen Geburtenkohorten im Jugendalter unterscheidbare Einstellungen haben“, erklärt der Marburger Hochschullehrer.

    Das Ergebnis fällt ziemlich eindeutig aus: „Wenn man sich die Einstellungen unterschiedlicher Geburtenjahrgänge anschaut, fällt auf, dass die vermeintliche Generation Y genauso denkt wie so ziemlich alle anderen Generationen vor ihr“, sagt Schröder. Die wenigen und schwachen Effekte, die sich doch zeigen, weisen zudem oft in die genau gegenteilige Richtung dessen, was die Literatur vermutet. „Es gibt Einstellungsunterschiede, die sich in der gesamten Gesellschaft breit machen, aber die erfassen alle Generationen gleichermaßen.“

    Angesichts der Resultate hält es Schröder für sinnlos, Befragungen wie die „Shell Jugendstudie“ durchzuführen, um vermeintliche Generationen zu unterscheiden. „Das periodische Ausrufen neuer Generationen mit unterschiedlichen Einstellungsmustern illustriert die Konstruktion gesellschaftlicher Mythen und nicht tatsächlicher Generationenunterschiede.“

    Professor Dr. Martin Schröder lehrt Soziologie der Wirtschaft und Arbeit an der Philipps-Universität. In seiner Forschungsarbeit untersucht er empirisch, wie Gerechtigkeits- und Moralvorstellungen wirtschaftliches und politisches Handeln beeinflussen. Zuletzt erschien von ihm das Buch „Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig von Krisen reden“, Salzburg & München 2018, das bundesweit ein erhebliches Medienecho hervorrief.

    Originalveröffentlichung:
    Martin Schröder: Der Generationenmythos, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 3/2018, DOI: https://doi.org/10.1007/s11577-018-0570-6

    Pressestelle der Philipps-Universität Marburg, 31.10.2018

  • Wirkungsvolle Suchtprävention vor Ort

    Am 9. Oktober 2019 haben die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung und der GKV-Spitzenverband gemeinsam den Startschuss zum 8. Bundeswettbewerb Kommunale Suchtprävention gegeben. Das Thema des diesmaligen Wettbewerbs lautet „Wirkungsvolle Suchtprävention vor Ort“.

    Ziel des 8. Bundeswettbewerbs ist es, wirkungsvolle Maßnahmen und Projekte zur kommunalen Suchtprävention intensiver kennenzulernen und sie bundesweit bekannt zu machen. Darüber hinaus sollen diejenigen Städte, Gemeinden und Landkreise ausgezeichnet werden, die mit ihrer wirkungsvollen Herangehensweise im Bereich der suchtpräventiven Aktivitäten ein gutes Beispiel für andere Kommunen geben.

    Eingeladen zur Teilnahme sind alle deutschen Städte, Gemeinden und Landkreise. Teilnahmeberechtigt sind außerdem Kommunalverbände sowie die Träger der kommunalen Selbstverwaltung in den Stadtstaaten. Präventionsaktivitäten Dritter (z. B. Wohlfahrtsverbände, Schulen, Kindertagesstätten, Jugendeinrichtungen, Sportvereine, Krankenkassen) sind willkommen, können aber nur als Bestandteil der Bewerbung einer Kommune berücksichtigt werden.

    Als Anreiz zur Wettbewerbsteilnahme steht ein Preisgeld in Höhe von insgesamt 60.000 Euro zur Verfügung. Zusätzlich lobt der GKV-Spitzenverband einen Sonderpreis von 20.000 Euro zum Thema „Gesundheitsförderung und Prävention für Kinder aus suchtbelasteten Familien“ aus.

    Der Wettbewerb wird vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) betreut, das für die Laufzeit des Wettbewerbs ein Wettbewerbsbüro eingerichtet hat. Kontaktdaten zum Wettbewerbsbüro, Informationen zum Wettbewerb sowie die Bewerbungsunterlagen stehen im Internet unter https://kommunale-suchtpraevention.de/ zur Verfügung. Einsendeschluss für die Wettbewerbsbeiträge ist der 15. Januar 2020. Die Preisverleihung findet im Juni 2020 in Berlin statt.

    Pressestelle des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu), 09.10.2019

  • Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

    Jedes sechste Kind wird innerhalb eines Jahres wegen einer Unfallverletzung ärztlich behandelt. Knapp 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen zeigen Symptome einer Essstörung. Die motorische Leistungsfähigkeit stagniert auf niedrigem Niveau. 36 Prozent der 3- bis 17-Jährigen haben in den letzten sieben Tagen mindestens ein Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel eingenommen. Die Adipositasraten sind nicht gestiegen. Kinder und Jugendliche mit beidseitigem Migrationshintergrund haben seltener Neurodermitis (3,5 Prozent vs. 6,9 Prozent) und ADHS (2,0 Prozent vs. 5,4 Prozent) als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Heranwachsende aus der niedrigen Einkommensgruppe sind im Vergleich zur mittleren und hohen Gruppe sportlich häufiger inaktiv (28,2 Prozent gegenüber 18,4 Prozent bzw. 11,1 Prozent).

    Das Themenspektrum der in Deutschland einzigartigen „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS) ist breit. Im Bundesgesundheitsblatt, Ausgabe Oktober 2019, sind in elf Beiträgen neue Ergebnisse aus der zweiten Welle der KiGGS-Studie veröffentlicht. „Der KiGGS-Studie ist es in bester Weise gelungen, unserem Anspruch Daten für Taten zu entsprechen“, betont Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts.

    Die KiGGS-Basiserhebung von 2003 bis 2006 lieferte erstmalig belastbare Aussagen über die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in allen Altersgruppen, nicht nur aus Befragungen, sondern auch aus körperlichen Untersuchungen. Danach gab es vielfältige Reaktionen im politischen und gesellschaftlichen Raum. Aktivitäten gegen Adipositas, Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung findet seither auf sehr vielen Ebenen mit ganz unterschiedlichen Akteuren statt. Das Gesundheitsziel „Gesund aufwachsen“ steckt den Rahmen dafür ab.

    Public Health ist die Öffentliche Sorge für die Gesundheit aller. „KiGGS liefert die Basis für Public-Health-Aktivitäten für die Gesundheit aller Kinder und Jugendlichen“, unterstreicht Wieler. Durch die regelmäßige Wiederholung des Surveys und entsprechende Trendanalysen kann der Erfolg gesundheitspolitischer Aktivitäten auf Bevölkerungsebene überprüft werden.

    Sechs der elf Beiträge im Bundesgesundheitsblatt gehen auf die körperliche und psychische Gesundheit ein: seltenere Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen wie Epilepsie oder Herzerkrankungen (die aufgrund der großen Stichprobe der KiGGS-Studie gut abgebildet werden können), Unfallverletzungen, außerdem Schmerzen, Essstörungssymptome und die Lebensqualität bei Heranwachsenden mit chronischen Erkrankungen (Asthma bronchiale, Neurodermitis, Adipositas und ADHS). Die in KiGGS erhobenen Daten zum Anwendungsverhalten für Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel einschließlich der Selbstmedikation sind eine wertvolle Ergänzung zu Verordnungsdaten.

    Die Beiträge zu Gesundheitsrisiken und Gesundheitsverhalten befassen sich mit dem  Body-Mass-Index von Kindern und Jugendlichen und mit der motorischen Leistungsfähigkeit. Den Abschluss des Schwerpunktheftes bilden zwei Beiträge zum Zusammenhang von Gesundheit und sozialer Lage, einem ganz entscheidenden Einflussfaktor für ein gesundes Aufwachsen.

    Weitere Informationen: www.rki.de/kiggs

    Pressestelle des Robert Koch-Instituts, 08.10.2019

  • Suizid bei Jugendlichen verhindern

    Die weltweit zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen zwischen 15 und 29 Jahren ist die Selbsttötung. Jährlich nehmen sich in Deutschland rund 500 junge Menschen das Leben, was neun Prozent aller Todesfälle entspricht. Und auf jeden Suizid kommen noch einmal zwischen zehn und 20 Suizidversuche. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben jetzt das Online-Suizidpräventionsprogramm [U25] des Caritasverbands evaluiert und legen Zwischenergebnisse vor. Demnach hat sich aufgrund der besonderen Form der Beratung durch junge Menschen, die selbst maximal 25 Jahre alt sind, die allgemeine Situation bei 47 Prozent der Jugendlichen in Lebenskrisen verbessert; die Suizidgefährdung wurde signifikant reduziert.

    Noch bis Herbst 2020 wird das FAU-Projekt, das seit 2017 läuft, vom Bundesgesundheitsministerium gefördert. Projektpartner ist der Deutsche Caritasverband. Als nächstes plant das Forschungsteam die repräsentative Befragung aller [U25]-Beraterinnen und -Berater in Deutschland.

    Weitere Informationen unter:
    https://www.fau.de/2019/09/news/wissenschaft/suizid-bei-jugendlichen-verhindern/

    Pressestelle der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 11.09.2019

  • RWI-Studie: Jugend-Suizide steigen nach Ferienende an

    Unter Jugendlichen in Deutschland geht fast jeder achte Todesfall auf Selbsttötung zurück. Die Gründe für diesen Schritt dürften sehr unterschiedlich sein. Wie eine aktuelle Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung zeigt, scheint die Schule dabei jedoch zum Teil eine Rolle zu spielen: Die Wahrscheinlichkeit einer Selbsttötung ist insbesondere an den ersten beiden Schultagen nach Ferienende erhöht. In dieser Zeit könnten gezielte Präventionsprogramme eingesetzt und Hinweise auf spezielle Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche wie die „Nummer gegen Kummer“ (116 111) gegeben werden. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:

    • Von rund zehn Millionen Deutschen im Alter zwischen sechs und 19 Jahren nehmen sich pro Jahr durchschnittlich 221 das Leben.
    • Während der Ferien ist die Wahrscheinlichkeit einer Selbsttötung unter Kindern und Jugendlichen verringert (um 19 Prozent). Statistisch gesehen kommt es somit in dieser Altersgruppe innerhalb von acht Ferientagen deutschlandweit zu einem Suizidfall weniger als innerhalb von acht Schultagen.
    • Am höchsten ist die Suizidrate an den ersten beiden Schultagen nach den Ferien. Die Wahrscheinlichkeit eines Suizids ist an diesen Tagen deutlich erhöht (um gut 30 Prozent).
    • Schüler sind vom Anstieg der Suizidrate an Schultagen stärker betroffen als Schülerinnen.
    • Die RWI-Studie basiert auf Daten der deutschen Todesursachenstatistik der Jahre 2001 bis 2015.

    „Im Verhältnis zur großen Zahl der Personen kommen Suizide unter Jugendlichen zum Glück relativ selten vor. Der Anstieg der Suizidrate nach den Ferien deutet aber darauf hin, dass ein gewisser Zusammenhang zwischen der Schule und psychischen Krisen von Jugendlichen besteht“, sagt RWI-Gesundheitsökonomin Dörte Heger, eine der Autorinnen der Studie. Allerdings könne die Studie nicht zeigen, ob das an Problemen mit Mitschülern, Schwierigkeiten im Unterricht oder an ganz anderen Gründen im schulischen Umfeld liege.

    „In jedem Fall sollten Eltern, Lehrer und Akteure der Bildungspolitik die psychische Verfassung der Schüler und die Gefahren von Mobbing und Schulstress noch stärker in den Blick nehmen, insbesondere an den ersten Tagen nach den Ferien“, so Heger. So könnten gezielte Präventionsprogramme eingesetzt und Hinweise auf spezielle Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche wie die „Nummer gegen Kummer“ (erreichbar per Telefon unter 116 111) gegeben werden.

    Originalpublikation:
    Ruhr Economic Paper #820. Chandler, V., D. Heger und C. Wuckel, „The Perils of Returning to School – New Insights into the Seasonality of Youth Suicides“

    Deutsche Zusammenfassung der Studie:
    RWI Impact Note „Stress in der Schule? Mehr Suizide nach Ferienende“

    Pressestelle des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, 30.09.2019

  • Gießener Psychologenteam erforscht sexuelle Sucht

    Lange war umstritten, ob sexuelles Verhalten zu einem klinisch relevanten Problem werden kann. In der Neuauflage des International Classification of Diseases (ICD), dem offiziellen Diagnoseregister der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wird mittlerweile die Diagnose „Zwanghafte sexuelle Verhaltensstörung“ geführt. An der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen erforscht die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Rudolf Stark (Psychotherapie und Systemneurowissenschaften) seit Jahren dieses Krankheitsbild. Diese beschreibt eine Störung, die oft als sexuelle Sucht bezeichnet wird, da die Betroffenen unfähig sind, ihr problematisches sexuelles Verhalten zu reduzieren oder einzustellen, obwohl es für sie mit massiven negativen Folgen verbunden ist.

    Von der Störung sind besonders häufig Männer betroffen, die ihren Pornographiekonsum nicht kontrollieren können. Pornographiekonsum, der sich täglich über mehrere Stunden hinzieht, kann zu Problemen am Arbeitsplatz und auch im privaten Bereich führen. Aktuell untersucht das Team in einer groß angelegten und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Studie die neuronalen Veränderungen bei der Verarbeitung sexueller Reize. Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) werden die hirnphysiologischen Reaktionen auf sexuelle Reize getestet. Hierbei steht die Frage im Mittelpunkt, ob akuter Stress etwas an diesen hirnphysiologischen Reaktionen verändert. Erste vorläufige Analysen legen nahe, dass sich bei der „Zwanghaften sexuellen Verhaltensstörung“ Ähnlichkeiten zu Suchterkrankungen finden lassen. Lassen sich diese Befunde bestätigen, so hat dies weitreichende Konsequenzen für die Diagnostik und die Therapie dieser Störung.

    Neben dieser neurobiologischen Grundlagenstudie wurde in der verhaltenstherapeutischen Ambulanz der JLU ein auf verhaltenstherapeutischen Grundprinzipien beruhendes Therapieprogramm entwickelt, das als Gruppenangebot durchgeführt werden soll. Hierzu wird im Frühjahr 2020 eine neue Studie beginnen, die die Wirksamkeit des Behandlungsprogramms untersucht.

    Um die verschiedenen Forschungsprojekte erfolgreich durchzuführen, sucht das Forscherteam kontinuierlich betroffene Männer zwischen 18 und 45 Jahren, die ihren Pornographiekonsum nicht kontrollieren können. Diese können bei Interesse – und bei Zutreffen der Einschlusskriterien, die in einem Telefonat abgeklärt werden – an der fMRT-Untersuchung teilnehmen. Bei Bedarf wird auch ein kostenloses Beratungsgespräch angeboten, um Klärung anzubieten, ob weitergehende psychotherapeutische Hilfe nötig ist.

    Interessierte können sich per E-Mail unter pornstudies@psychol.uni-giessen.de melden.
    Weitere Informationen unter: http://www.pornstudies-giessen.de

    Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, 01.10.2019

  • Ein Fünftel aller Arbeitnehmer digital gestresst

    Jeder fünfte Arbeitnehmer empfindet starken digitalen Stress durch seinen Beruf. Die Folgen: Digital Gestresste denken öfter daran, die Arbeitsstelle oder den Beruf zu wechseln, zeigen eine schlechtere Leistung und sind unzufriedener mit ihrer Arbeitsstelle. Das geht aus einer Studie hervor, die unter Beteiligung Bayreuther Wissenschaftler entstanden ist. 5.000 Arbeitnehmer*innen haben die Forscher der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT, des Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrums für Fragen der mittelständischen Wirtschaft (BF/M-Bayreuth) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin für die Studie „Gesund digital arbeiten?!“ befragt.

    Wie hoch ist der digitale Stress in Deutschland, was beeinflusst ihn und wer ist besonders gefährdet? Das wollten die Wissenschaftler für das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt „Prävention für sicheres und gesundes Arbeiten mit digitalen Technologien“ (PräDiTec) erfragen. Sie haben dabei zwölf verschiedene Belastungsfaktoren identifiziert: Dazu gehören beispielsweise der gefühlte Zwang zur Omnipräsenz, das Gefühl der ständigen Erreichbarkeit und eine erwartete kürzere Reaktionszeit durch das Auflösen der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben. Bemerkenswert ist nicht nur, dass jeder dritte Befragte mindestens einem der Belastungsfaktoren stark bis sehr stark ausgesetzt ist, sondern auch, dass fast jeder Fünfte aufgrund eines Belastungsfaktors sehr starken digitalen Stress wahrnimmt. Als stressig werden auch Unterbrechungen und Ablenkung durch digitale Medien empfunden. Außerdem fühlen sich viele Menschen mittlerweile als „gläserne Person“, weil sie ihre Privatsphäre durch die berufliche Nutzung digitaler Technologien und Medien in Gefahr sehen.

    „Das bleibt nicht ohne Folgen auch für den Arbeitgeber“, warnt Prof. Dr. Torsten Kühlmann, Inhaber des Lehrstuhls für Personalwesen und Führungslehre an der Universität Bayreuth und Präsident des Betriebswirtschaftlichen Forschungszentrums für Fragen der mittelständischen Wirtschaft (BF/M-Bayreuth): „Erwerbstätige mit starkem digitalem Stress berichten häufiger, dass sie Probleme haben, von der Arbeit abzuschalten. Sie denken öfter daran, die Arbeitsstelle oder den Beruf zu wechseln, und zeigen eine schlechtere Leistung. Sie sind außerdem unzufriedener mit ihrer Arbeitsstelle.“ Die Forscher stellen fest: Digitaler Stress geht meist mit sozialen Konflikten am Arbeitsplatz, einer hohen emotionalen Anforderung sowie einer hohen Arbeitsquantität einher. „Interessanterweise sind vor allem auch Erwerbstätige in innovativen Unternehmen, welche sich durch Kreativität und Risikobereitschaft auszeichnen, von stärkerem digitalem Stress betroffen“, sagt Kühlmann.

    „Die schnell voranschreitende Durchdringung des Arbeitslebens mit digitalen Technologien und Medien bringt viele Chancen, aber auch substanzielle Risiken und Nachteile mit sich“, fasst Prof. Dr. Nils Urbach, Professor für Wirtschaftsinformatik und Strategisches IT-Management und Mitglied der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik am Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, zusammen. Er betont: „Organisationale und soziale Faktoren können digitalem Stress am Arbeitsplatz entgegenwirken. Dazu gehört beispielsweise ein erweiterter Handlungsspielraum hinsichtlich arbeitsrelevanter Entscheidungen sowie eine gute Beziehung zu Vorgesetzten.“

    Originalpublikation:
    https://gesund-digital-arbeiten.de/

    Pressestelle der Universität Bayreuth, 30.08.2019

  • Traumata hinterlassen epigenetische Spuren

    In einer aktuell in der renommierten Fachzeitschrift „Translational Psychiatry“ veröffentlichten Studie untersuchten Forscherinnen und Forscher des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie (MPI) molekulare Mechanismen, die an der Entstehung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) beteiligt sind. Dafür suchten sie bei Menschen und Mäusen Veränderungen auf molekularer Ebene, die nach traumatischen Ereignissen auftreten. Sie konnten zeigen, dass traumatische Erlebnisse bei Menschen und Mäusen zu ähnlichen molekularen Veränderungen führen.

    Eine PTBS ist eine psychische Erkrankung, die nach traumatischen Erfahrungen entstehen kann. Größere Aufmerksamkeit bekam diese Störung erstmals, als viele Soldaten, die aus dem Irakkrieg zurückkehrten, ähnliche psychische Probleme zeigten. Doch auch andere traumatische Ereignisse wie sexueller Missbrauch, ein Verkehrsunfall, Naturkatastrophen oder Gewalterlebnisse können eine PTBS auslösen. Nicht alle Menschen, die Traumatisches erleben, entwickeln jedoch eine PTBS. Die Erkenntnisse aus der aktuellen Studie könnten dazu beitragen, das Risiko einer PTBS frühzeitig einzuschätzen und so eine erneute Traumatisierung zu verhindern.

    Der translationale Ansatz des MPI ermöglicht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ihre Forschung am Menschen und im Mausmodell durchzuführen. Spezialisten beider Bereiche untersuchten die Rolle des Transkriptor-Faktors GILZ (Glukokortikoid-induzierter Leucin-Zipper). GILZ wird durch das Gen Tsc22d3 kodiert, das auf dem X-Chromosom sitzt, wird von Glukokortikoiden hochreguliert und wirkt entzündungshemmend.

    In Blutproben aus einer Kohorte von stark traumatisierten Amerikanern maßen die MPI-Forscherinnen und Forscher GILZ-mRna, Moleküle, die Erbinformation in sich tragen und für deren Übertragung zuständig sind, sowie den epigenetischen Prozess der GILZ-Methylierung. Im Mausmodell erzeugten sie zu verschiedenen Zeitpunkten Traumata: Ein Modellstressor stimulierte pränatal die biologische Aktivierung der zentralen Stressantwort, der andere verursachte PTBS-ähnliches Verhalten im Erwachsenenalter.

    Die Direktorin des MPI, Elisabeth Binder, fasst die Erkenntnisse aus den menschlichen Blutproben zusammen: „Interessanterweise sahen wir bei den Amerikanern, dass mehr traumatische Ereignisse in ihrem Leben zu niedrigeren GILZ-mRNA-Werten und umso höherer GILZ-Methylierung führten. Deshalb nehmen wir an, dass GILZ die Reaktion auf Stress beeinflusst.“

    Die männlichen Mäuse, die pränatalem und späterem Stress ausgesetzt waren, zeigten dreimal so häufig PTBS-ähnliches Verhalten wie die Tiere in der Kontrollgruppe. Zudem ging die erhöhte Stressanfälligkeit mit einer reduzierten GLIZ-mRNA und anderen epigenetischen Veränderungen einher.

    MPI-Direktor Alon Chen, der neurobiologische Vorgänge in Zusammenhang mit Stress im Mausmodell erforscht, erklärt: „Wir wollten herausfinden, wie die Mäuse auf verringerte GLIZ reagierten. So sahen wir, dass 70 Prozent der Versuchstiere mit reduziertem GLIZ PTBS-ähnliches Verhalten zeigten, während es bei den nicht behandelten Mäusen nur 10 Prozent waren.“

    Originalpublikation:
    https://doi.org/10.1038/s41398-019-0509-3

    Pressestelle des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, 03.09.2019

  • Daniela Ludwig ist neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung

    Foto©Daniela Ludwig/Markus Schmuck

    Das Kabinett hat am 18. September dem Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zugestimmt und Daniela Ludwig (CSU) als neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung berufen.

    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: „Ich kenne und schätze Daniela Ludwig seit unserem gemeinsamen Start im Bundestag, und ich weiß, dass sie als neue Drogenbeauftragte frischen Wind in das Amt bringen wird. Daniela Ludwig befürwortet ebenso wie ich den offenen Dialog und die fundierte Debatte. Sie wird ihre langjährige Erfahrung als Bundespolitikerin wie auch in der Kommunalpolitik einbringen. Das ist wichtig, weil das Amt der Drogenbeauftragten eine Querschnittsaufgabe über viele Fachgebiete ist. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.“

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig sagt: „Ich freue mich, dieses wichtige Amt übernehmen zu dürfen! Gerade weil Sucht so viele Menschen in diesem Land betrifft, ist es gut und richtig, unvoreingenommen auf das Thema zu schauen. So kann ich neue Akzente setzen, was von allen Akteuren als Chance gesehen werden kann. Wichtig ist ein offener Austausch mit allen Playern aus dem Drogen- und Suchtbereich. Dazu gehören auch kontroverse Debatten, die niemand scheuen sollte, wenn sie am Ende des Tages dazu dienen, das Thema positiv voranzubringen.“

    Die 44-jährige Juristin Daniela Ludwig ist seit 2002 Mitglied im Deutschen Bundestag und verkehrspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

    Zu den Arbeitsschwerpunkten der Drogenbeauftragten gehören die Förderung und Unterstützung von Initiativen und Aktivitäten der Sucht- und Drogenprävention. Zudem zählt es zu ihren Aufgaben, neue Wege und Schwerpunkte in der Sucht- und Drogenpolitik zu entwickeln, um gesundheitliche, soziale und psychische Probleme zu vermeiden oder abzumildern. Sie vertritt die Sucht- und Drogenpolitik der Bundesregierung auf internationaler Ebene und in der Öffentlichkeit.

    Pressestelle der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, 18.09.2019

  • Epidemiologischer Suchtsurvey 2018

    Der aktuell im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichte Epidemiologische Suchtsurvey 2018 des Instituts für Therapieforschung in München gibt Auskunft über besonders für die Schmerzmedizin wichtige Erkenntnisse zum aktuellen Stand von Über- und Fehlgebrauch sowie Missbrauch der Schmerzmedikation. Die immer wieder angestoßene Befürchtung, dass sich Entwicklungen wie in den USA zur Schmerzmittelsucht – insbesondere durch Opioide – bewahrheiten, wird nicht bestätigt. Allerdings besteht eine bedenkliche Entwicklung zu freiverkäuflichen Medikamenten im Analgetikabereich.

    Laut Survey haben 17,5 Prozent (9 Millionen Menschen) der Befragten in den letzten 30 Tagen verschreibungspflichtige und 31,4 Prozent (16,2 Millionen Menschen) freiverkäufliche Medikamente eingenommen, d. h. rund 26 Millionen Menschen haben Schmerzmittel zu sich genommen – mehrheitlich ohne ärztliche Verordnung. Der Frauenanteil lag dabei deutlich höher als der von Männern. Die zweithäufigste Medikamentengruppe betraf mit 4,1 Prozent (2,1 Millionen Menschen) Antidepressiva. Unter den freiverkäuflichen Medikamenten wurden Hypnotika und/oder Sedativa (2,0 Prozent; eine Million Menschen) eingenommen. Auch diese wurden von Frauen häufiger eingenommen als von Männern. Anteilig war der tägliche Gebrauch verschreibungspflichtiger Antidepressiva mit 87,7 Prozent und Neuroleptika mit 78,0 Prozent am höchsten.

    Dr. med. Johannes Horlemann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS), weist in diesem Zusammenhang darauf hin, „dass auch der unsachgemäße Gebrauch freiverkäuflicher nicht-opioidhaltiger Analgetika über einen längeren Zeitraum (ab 15 Tage pro Monat) bedenklich sein kann“. Es können medikamenteninduzierte Kopfschmerzen ausgelöst oder ein weiterer Medikamentenmissbrauch bis hin zur Abhängigkeit induziert werden.

    Es wird angenommen, dass etwa 1,6 Millionen der 18 bis 64-Jährigen analgetikaabhängig sind. Nach ESA-Daten aus dem Jahr 2015 wird die Prävalenz einer Gebrauchsstörung durch Opioidanalgetika nach DSM-V auf ein Prozent und der Anteil aller durch Analgetika verursachten psychischen Störungen auf zwölf Prozent geschätzt.

    Diese Daten zeigen, dass der Großteil der Abhängigkeitserkrankungen durch freiverkäufliche Analgetika und nicht durch opioidhaltige Analgetika ausgelöst wird. „Somit unterstützt die Datenlage eine seriöse Opioidtherapie im schmerzmedizinischen Bereich“, betont Horlemann. Keineswegs könne in Deutschland von einer Entwicklung gesprochen werden, die mit der in den USA zur Verschreibung von Opioiden vergleichbar wäre. Wenn auch die Schmerzmittelabhängigkeit in ihrer Prävalenz die Alkoholabhängigkeit überholt hat, lassen sich Hinweise dafür finden, dass vorrangig die psychische Komorbidität bei Schmerzmittelsucht im Nicht-Opioidbereich die Problematik in Deutschland erklärt.

    Aus diesem Grunde unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. die Initiative des Gesundheitsministers, die freie Abgabe von Schmerzmitteln an Patienten verstärkt zu kontrollieren bzw. zu beenden. Denn die gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Folgen dieses Missstandes sind eine schwere Belastung für die gesamte Gesellschaft. „Es ist zu wenig verbreitet, dass auch nicht-opioidhaltige freiverkäufliche Analgetika zur Sucht führen und sehr häufig psychische Folgeerkrankungen auslösen bzw. gemeinsam mit ihnen auftreten“, so der DGS-Präsident weiter.

    Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V. unterstützt als Versorgergesellschaft deshalb den schmerzmedizinisch begründeten Gebrauch von Opioiden und nicht-opioidhaltigen Analgetika bei chronischen Schmerzen. Jedoch wendet sie sich gegen unkontrollierte Abgabebedingungen, die nach der vorliegenden Datenlage Suchterkrankungen mit Analgetika fördern. Gleichzeitig befürwortet die DGS weiterhin die kritische Beobachtung der Verordnungslage – auch wenn für die Therapie mit Opioiden eine epidemiologische Entwarnung in den publizierten Daten liegt.

    Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin, 06.09.2019