Kategorie: Kurzmeldungen

  • Kinder suchtkranker Eltern in der stationären Entwöhnungsbehandlung

    Der Fachverband Sucht e.V. (FVS) hat das „Rahmenkonzept für Kinder suchtkranker Eltern in der stationären Entwöhnungsbehandlung“ veröffentlicht. An der Entwicklung mitgewirkt haben neben Expert*innen des FVS auch Expert*innen des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss) sowie aus der Wissenschaft.

    Das Setting der stationären Entwöhnungsbehandlung eröffnet die Möglichkeit, nicht nur die Suchterkrankung der Eltern zu behandeln, sondern auch deren Kinder hinsichtlich ihrer psychischen, sozialen, körperlichen und kognitiven Entwicklung zu fördern und die Beziehung der Eltern zu ihren Kindern zu stärken. In der Mehrzahl der Fälle liegt noch keine psychische Erkrankung der Kinder vor, es bestehen jedoch häufig bereits Verhaltensauffälligkeiten oder Entwicklungsverzögerungen. Durch den Einbezug der Kinder stellen sich im Kontext der Behandlung vielfältige Anforderungen an die Eltern wie auch an die Behandlungseinrichtungen und nicht zuletzt die Leistungsträger.

    Im dem nun erstmalig vorliegenden übergreifenden Rahmenkonzept werden zunächst  die Entwicklungsfolgen und die spezischen Gefährdungen der Kinder beschrieben, es wird auf entwicklungspsychologische Aspekte und Grundbedürfnisse hingewiesen und auf entsprechende Risiko- und Schutzfaktoren für Kinder aus suchtbelasteten Familien eingegangen. Im Weiteren werden grundlegende strukturelle Aspekte und Handlungsmöglichkeiten in der stationären Entwöhnungsbehandlung vorgestellt, die sich über einen vergleichsweise langen Zeitraum von drei bis sechs Monaten erstreckt. Berücksichtigt werden auch die Förderung der Nachhaltigkeit des in der Behandlung Erreichten sowie die Vernetzung mit weiteren Angeboten.

    Dr. Volker Weissinger, Geschäftsführer des FVS: „Wir sollten alles dafür tun, entsprechende strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine an den umfangreichen Bedarfen orientierte Versorgung für die suchtkranken Eltern und ihre Kinder sicherzustellen. Insgesamt ist eine leistungsgerechte Finanzierung von Eltern mit Kindern in der Entwöhnungsbehandlung bislang nicht entsprechend geregelt und bedarf einer verbindlichen Grundlage. Von daher ist ein Dialog von Politik, Leistungsträgern und Leistungserbringern gefordert, um zu bedarfsgerechten Lösungen zur Stabilisierung und Weiterentwicklung dieses Behandlungsangebotes zu kommen. Dafür sollten wir uns – ein jeder an seiner Stelle – einsetzen.“

    Fachverband Sucht (FVS), 31.07.2019

  • Missbrauchsvorwürfe gegen katholische Priester seit 2009 nicht rückläufig

    Die sexuellen Missbrauchsvorwürfe gegen katholische Priester sind trotz verstärkter Präventionsanstrengungen der Kirche seit 2009 nicht rückläufig, haben Forscher unter Beteiligung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim herausgefunden.

    Die Anzahl der sexuellen Missbrauchsvorwürfe gegen katholische Priester ist im Zeitraum von 2009 bis 2015 nicht rückläufig, sondern in etwa konstant geblieben. Das haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Mannheim, Heidelberg und Gießen (MHG) unter Federführung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim durch die Auswertung der Personalakten der deutschen katholischen Kirche herausgefunden. Die jüngsten Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Psychiatrische Praxis“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2019) veröffentlicht. „Es ist bemerkenswert, dass die Beschuldigungsquote von Priestern in den vergangenen Jahren nicht zurückgeht, obwohl die Deutsche Bischofskonferenz bereits 2002 Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker erlassen hat, die in den Jahren 2010 und 2013 überarbeitet wurden“, sagt Prof. Dr. Harald Dreßing, Leiter Forensische Psychiatrie am ZI und Verbundkoordinator der MHG-Studie.

    Missbrauch durch Priester anhaltendes Problem

    Die Forscher stellten fest, dass die Quote der Beschuldigungen gegen katholische Priester von 2009 bis 2015 weitgehend konstant geblieben ist. Bei den Berechnungen wurden keine Fälle aus der Vergangenheit einbezogen, sondern nur Beschuldigungen mit Taten, die im jeweiligen Jahr der Erhebung stattgefunden haben sollen und bei der das Kind zum Tatzeitpunkt jünger als 14 Jahre alt war. „Die Auswertung der Personalakten zeigt deutlich, dass sexueller Missbrauch von Minderjährigen durch katholische Priester ein anhaltendes Problem ist, kein historisches“, sagt Verbundkoordinator Dreßing und ergänzt: „Die Präventionsarbeit der Kirche sollte sich vor allem an die Gruppe von Priestern richten, die zum sexuellen Missbrauch disponiert ist.“

    Priester nicht seltener angezeigt als Männer in Allgemeinbevölkerung

    Weiter ergab die Analyse der Forscher, dass Priester trotz ihres Weiheamtes und der damit verbundenen hohen moralischen Anforderungen im Untersuchungszeitraum nicht seltener wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern angezeigt wurden als Männer in der Allgemeinbevölkerung. Die Forscher konnten zeigen, dass zwischen 2009 und 2015 die Quote der Beschuldigten unter den katholischen Priestern, gegen die auch eine Strafanzeige gestellt wurde, in einigen Jahren sogar höher lag als die Quote in der männlichen Allgemeinbevölkerung. Die Forscher gehen davon aus, dass über die offiziell bekannten Tatvorwürfe hinaus in allen Bereichen der Gesellschaft von einem erheblichen Dunkelfeld ausgegangen werden muss, da eine Vielzahl von Taten unentdeckt bleibe.

    Veröffentlichung:
    Dreßing H, Dölling D, Hermann D, Horten B, Hoell A, Voss E, Salize HJ: Sexueller Missbrauch von Kindern durch katholische Priester seit 2009: Verlauf und relative Häufigkeit im Vergleich zur männlichen Allgemeinbevölkerung. Psychiat Prax 2019; 46: 1-7. DOI: 10.1055/a-0936-3869.

    Pressestelle des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI), 03.07.2019

  • Magersucht kann in den Genen liegen

    Anorexia nervosa, besser bekannt als Magersucht, ist nach Angaben des National Center of Excellence for Eating Disorders, USA, die psychiatrische Erkrankung mit der höchsten Sterblichkeitsrate. Im Rahmen einer internationalen Studie unter Beteiligung der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen konnte jetzt aufgezeigt werden, dass die Erkrankung auch genetische Ursachen haben kann. Hierüber berichtet jetzt das renommierte Wissenschaftsmagazin Nature Genetics.

    Betroffene, die an Anorexia nervosa erkranken, führen ihrem Körper dauerhaft zu wenig Nahrung zu. Manche verweigern Nahrungsaufnahme fast vollständig. In der Folge entsteht zum Teil gravierendes Untergewicht, das bis zum Tod führen kann. Lange Zeit vermutete man die Ursachen der Magersucht ausschließlich in der Psyche der Erkrankten.

    Im Rahmen der gerade publizierten internationalen Studie ist es den beteiligten Wissenschaftlern nun erstmals gelungen, insgesamt acht genetische Varianten zu identifizieren, die eindeutig mit Anorexia nervosa assoziiert sind. „Die identifizierten genetischen Faktoren beeinflussen auch den Bildungserfolg, den Stoffwechsel und die körperliche Aktivität. Das könnte beispielsweise mit erklären, warum Menschen mit Anorexia nervosa häufig unter einer Hyperaktivität leiden“, erklärt Prof. Johannes Hebebrand von der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am LVR-Klinikum Essen, der an der Studie mitgewirkt hat.

    Bislang ist die Erfolgsbilanz der Behandlung von Magersucht vergleichsweise schlecht, und auch nach einer erfolgreichen Therapie verlieren Betroffene nicht selten erneut gefährlich stark an Gewicht. „Dies mag auch daran liegen, dass metabolische Auslöser nicht in Betracht gezogen wurden“, erklärt Prof. Anke Hinney aus der genannten Klinik. „Die nun gewonnenen Erkenntnisse können zu neuen Therapien führen, die nicht nur an der Psyche, sondern auch am Stoffwechsel der Patienten ansetzen.

    Basis der vom King’s College London aus geleiteten internationalen Studie bildete die Untersuchung der Daten von knapp 17.000 Patienten an rund 100 Einrichtungen in 17 Ländern.

    Originalpublikation:
    Genome-wide association study identifies eight risk loci and implicates metabo-psychiatric origins for anorexia nervosa, Nature Genetics, 2019; doi: 10.1038/s41588-019-0439-2; https://www.nature.com/articles/s41588-019-0439-2

    Pressestelle der Universität Duisburg-Essen, 16.07.2019

  • Depressiv durch Facebook und Co.

    Toller Urlaub, super Party, süße Kinder, abgefahrenes Essen: In sozialen Netzwerken zeigen alle ihr Leben von der Sonnenseite. Wer sich hier umschaut, dessen Selbstwertgefühl kann leicht leiden, weil vermeintlich alle besser sind als man selbst. In Gefahr, dadurch depressive Symptome zu entwickeln, sind vor allem Nutzer, die soziale Netzwerke passiv nutzen, also selbst nicht posten, und dazu neigen, sich mit anderen zu vergleichen. Das hat ein Team der Psychologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) um Dr. Phillip Ozimek herausgefunden. Über die Ergebnisse berichtet die Zeitschrift Behaviour and Information Technology am 12. Juli 2019.

    Eine experimentelle und zwei Fragebogenstudien

    Die Frage, ob die Nutzung sozialer Netzwerke depressive Tendenzen hervorrufen kann, wurde bisher widersprüchlich beantwortet. Die Bochumer Forscherinnen und Forscher haben dazu eine experimentelle und zwei Fragebogenstudien durchgeführt. In der ersten Studie ließen sie zwei Gruppen von Versuchspersonen fünf Minuten lang entweder auf ihrer Facebook-Pinnwand oder auf der Mitarbeiterwebseite der Katholisch-Theologischen Fakultät der RUB Informationen über die ersten fünf Personen herausschreiben, die sie sahen. Eine dritte Gruppe übersprang diese Aufgabe. Alle drei Gruppen füllten danach einen Fragebogen aus, der über ihr Selbstwertgefühl Auskunft gab.

    „Es hat sich gezeigt, dass die Konfrontation mit sozialen Informationen im Internet – die sowohl auf Facebook als auch auf Mitarbeiterseiten selektiv und nur positiv und vorteilhaft sind – zu einem geringeren Selbstwertgefühl führt“, berichtet Phillip Ozimek. Da ein niedriges Selbstwertgefühl eng mit depressiven Symptomen zusammenhängt, sehen Forscher schon in dieser kurzfristigen Auswirkung eine mögliche Gefahrenquelle.

    Über 800 Versuchspersonen

    Die langfristige Perspektive untersuchten sie mittels Fragebogenstudien. Sie befragten über 800 Personen zu ihrer Facebook-Nutzung, zu ihrer Tendenz, sich mit anderen vergleichen zu wollen, zu ihrem Selbstwertgefühl und zum Auftreten depressiver Symptome. Dabei zeigte sich, dass es dann einen positiven Zusammenhang zwischen vor allem passiver Facebook-Nutzung und depressiven Symptomen gibt, wenn Probanden ein verstärktes Bedürfnis nach sozialen Vergleichen ihrer Fähigkeiten haben. „Wenn ich also ein starkes Bedürfnis nach Vergleichen habe und im Internet immer wieder auf meiner Startseite sehe, dass andere tolle Urlaube haben, tolle Abschlüsse machen, sich teure und tolle Dinge kaufen, während ich aus meinem Büro das trübe Wetter draußen sehe, senkt das meinen Selbstwert“, fasst Ozimek zusammen. „Und wenn ich dies Tag für Tag und immer wieder erlebe, kann das langfristig höhere depressive Tendenzen begünstigen.“

    In einer dritten Studie haben die Forscher per Fragebogen untersucht, ob sich ihre Befunde auch auf andere Netzwerke übertragen lassen. Weil professionelle Netzwerke etwas anders funktionieren, entschieden sie sich für Xing. „Da betreibt man zwar auch ein beschönigtes Profil, bleibt aber auf dem Teppich, um möglichst authentisch, aber positiv zu wirken“, erläutert Phillip Ozimek. Die Auswertung ergab ein sehr ähnliches Ergebnis wie die Facebook-Studie.

    Die Art der Nutzung ist entscheidend

    „Insgesamt konnten wir zeigen, dass nicht die Nutzung sozialer Netzwerke generell und unmittelbar zu Depressionen führt oder mit ihnen im Zusammenhang steht, sondern dass gewisse Voraussetzungen und eine bestimmte Art der Nutzung das Risiko für depressive Tendenzen erhöhen“, so Ozimek. Private wie professionelle soziale Netze können höhere Depressionswerte begünstigen, wenn Nutzer hauptsächlich passiv unterwegs sind, sich mit anderen sozial vergleichen und diese Vergleiche den Selbstwert negativ beeinflussen.

    „Wichtig ist, dass dieser Eindruck, dass es alle besser haben, ein absoluter Trugschluss sein kann“, so der Psychologe. „Tatsächlich posten nur die wenigsten Menschen auch negative Erlebnisse und Erfahrungen in sozialen Medien. Dadurch, dass wir mit diesen positiven Erlebnissen im Netz überflutet werden, gewinnen wir jedoch einen ganz anderen Eindruck.“

    Originalveröffentlichung:
    Phillip Ozimek, Hans-Werner Bierhoff: All my online-friends are better than me – three studies about ability-based comparative social media use, self-esteem, and depressive tendencies, in: Journal Behaviour & Information Technology 2019, DOI: 10.1080/0144929X.2019.1642385

    Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum, 18.07.2019

  • Schachbasiertes Training bei Suchterkrankungen

    Foto©patpitchaya – stock.adobe.com

    In zwei wissenschaftlichen Studien untersucht ein Team um Prof. Dr. Sabine Vollstädt-Klein, Forscherin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim, ob ergänzendes schachbasiertes kognitives Training bei der Behandlung von Suchterkrankungen hilft.

    Schach kann mehr als ein interessanter Zeitvertreib sein. Das Spiel kann auch therapeutisch eingesetzt werden. Prof. Dr. Sabine Vollstädt-Klein, Leiterin der Arbeitsgruppe „Neuroimaging abhängigen Verhaltens“ am ZI erforscht dies in zwei wissenschaftlichen Studien. Die Forscherin möchte herausfinden, ob sich Schach als ergänzendes Therapieangebot („Therapie-Add-On“) bei suchtkranken Patient/innen positiv auf die Behandlung auswirkt und zu messbaren Veränderungen im Gehirn führt.

    Die Teilnehmenden müssen keine guten Schachspieler sein

    Der Einsatz von therapeutischem Schach unterscheidet sich vom klassischen Schachspiel. Es handelt sich dabei um ein schachbasiertes kognitives Training, das in einer Gruppentherapie angewendet wird. Dazu wird mit einem Demo-Brett gearbeitet, auf dem Schachpositionen zu sehen sind. Im Laufe einer Sitzung wird jede Patientin/jeder Patient  gebeten, eine Aufgabe am Demo-Brett zu lösen. Dazu müssen die Teilnehmenden keine guten Schachspieler sein. Sie lernen aber im Laufe des Trainings mehr über das Spiel und mögliche Spielzüge.

    Neurobiologische Wirkmechanismen identifizieren

    „Das schachbasierte kognitive Training ist gerade für abhängigkeitskranke Patienten interessant, da vermutlich genau die Gehirnbereiche gestärkt werden, die bei Abhängigkeitserkrankungen stark beeinträchtigt sind“, sagt Vollstädt-Klein. Die Forscherin erhofft sich, die neurobiologischen und neuropsychologischen Wirkmechanismen der schachbasierten Therapie zu identifizieren. Da die Therapie Gehirnregionen stärken soll, die für Entscheidungsfindung und Kontrolle wichtig sind, ist die Vermutung der Forscher, dass sich auch die Rückfallquote bei Suchtpatient/innen durch das schachbasierte Training vermindern lässt. Gerade alkohol- und nikotinabhängige Patient/innen sind in der Regel stark rückfallgefährdet.

    Therapieform oft als weniger langweilig empfunden

    Schachbasiertes kognitives Training hat nach Ansicht von Forscherin Vollstädt-Klein zudem den Vorteil, dass es oft als weniger langweilig empfunden wird als andere kognitive Trainings. Zudem können Patient/innen nach einer Therapie das Spiel in ihrer Freizeit weiter betreiben, was wiederum soziale Kontakte fördern kann. Sollte sich die Wirksamkeit des ergänzenden Schachtrainings bestätigen, könnte dies künftig breiter angeboten werden. Sabine Vollstädt-Klein ist deutschlandweit die erste Forscherin, die die möglichen positiven Effekte schachbasierter Therapie bei Abhängigkeitserkrankungen untersucht. Sie ist selbst aktive Turnierspielerin und Gründungsmitglied der International Society for Applied Chess (ISAC), welche die Anwendung von Schach zum Beispiel in der Psychotherapie, der Rehabilitation von Patienten und bei der Arbeit mit Flüchtlingen oder autistischen Kindern unterstützt.

    Die Idee zu beiden Studien hatte die Forscherin, als sie vor einigen Jahren in Kontakt mit dem spanischen Psychologen Juan Antonio Montero kam. Er ist Präsident eines spanischen Schachclubs, der sozial und therapeutisch engagiert ist und der diese Therapieform bereits seit rund 15 Jahren praktiziert. Die Studie mit Rauchern führt Vollstädt-Klein in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Herta Flor, Wissenschaftliche Direktorin des Instituts Neuropsychologie und Klinische Psychologie am ZI, im Rahmen des Sonderforschungsbereichs Transregio SFB/TRR 256 „Losing and Regaining Control Over Drug Intake: From Trajectories to Mechanisms to Interventions“ durch.

    Pressestelle des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI), 15.07.2019

  • Jellinek Memorial Award für Gerhard Gmel

    Dr. Gerhard Gmel

    Anfang Juni 2019 wurde Gerhard Gmel, Forscher bei Sucht Schweiz, mit einem der wichtigsten internationalen Preise für herausragende Forschungen zur Alkoholkrankheit ausgezeichnet. Der Jellinek Memorial Award ist gewissermaßen der Nobelpreis auf diesem Forschungsgebiet.

    Alkoholkonsum und das Risiko für Verletzungen und Unfälle, Jugendliche und Rauschtrinken, alkoholbedingtes Krebsrisiko, Chancengleichheit (von sozial Schwachen) beim Zugang zu Behandlung und Beratung – in den letzten 25 Jahren hat der international renommierte Suchtforscher Gerhard Gmel für Sucht Schweiz unzählige Studien und Analysen zur Entstehung, Verbreitung und Prävention von problematischem Suchtmittelkonsum sowie zu dessen Konsequenzen durchgeführt. „Es ist wichtig zu untersuchen, was und welche Mengen von welchen Personen konsumiert werden, welche Gründe dafür verantwortlich sind und welche Auswirkungen ein problematischer Konsum hat, damit die richtigen Präventionsansätze gefunden werden“, sagt der Doktor der Psychologie und Master of Science in Statistics.

    Die Auszeichnung wurde in diesem Jahr nach 2015 erneut im Bereich Epidemiologie und Bevölkerungsstudien verliehen – die Preisträger sind  Gerhard Gmel und Thomas Greenfield. Das Hauptforschungsinteresse von Gerhard Gmel – er forscht seit über 25 Jahren für Sucht Schweiz – liegt in der Epidemiologie des Substanzgebrauchs, insbesondere des Alkoholgebrauchs. Er besetzt leitende Rollen in mehreren internationalen Forschungsprojekten und ist zudem Berater der WHO bezüglich der Alkoholepidemiologie und Alkoholpolitik. Gerhard Gmel arbeitet mit der WHO an der Schätzung der „globalen Krankheitslast (global burden of disease)“, hervorgerufen durch den Alkoholkonsum. Er ist ebenfalls Senior Editor bei Addiction, dem führenden Journal im Suchtbereich.

    Jellinek Memorial Award

    Der Jellinek Memorial Fund bestimmt jedes Jahr den spezifischen Forschungsbereich, in dem der Preis vergeben wird, und ernennt ein Wahlkomitee, das die Kandidierenden aus aller Welt prüft. Die Auszeichnung geht zurück auf den im Jahr 1963 verstorbenen Elvin Morton Jellinek. Mit seinen Studien zur Behandlung und Prävention von Alkoholkrankheit setzte er sich weltweit mit der Ansicht durch, dass Alkoholismus eine Krankheit ist.

    Pressestelle von Sucht Schweiz, www.suchtschweiz.ch, 16. Juli 2019

  • Marlene Mortler wechselt ins Europäische Parlament

    Marlene Mortler. Bildquelle: Elaine Schmidt

    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat am 1. Juli 2019 die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marlene Mortler aus ihrem Amt verabschiedet. Zum 2. Juli übernimmt Frau Mortler ein Abgeordnetenmandat im Europaparlament in Brüssel.

    Dazu erklärt Gesundheitsminister Jens Spahn: „Mit Marlene Mortler verliert die Bundesregierung eine engagierte Kämpferin gegen Drogen. Frau Mortler hat es verstanden, besonders in der Prävention wichtige Akzente zu setzen. In ihrer Arbeit hat sie sich durch eine klare Haltung gegen die Verharmlosung von Drogen, aber auch durch ihr Verständnis für Drogenkranke ausgezeichnet. Für ihr Mandat in Brüssel wünsche ich ihr alles Gute.“

    Die ehemalige Drogenbeauftragte Marlene Mortler: „Wirkungsvollere Prävention, entschlosseneres Eingreifen bei‎ kritischem Konsum und bessere Hilfe für suchtkranke Menschen, das sind die Themen, um die es mir als Drogenbeauftragte vom ersten Tag an ging. International ist uns während meiner Amtszeit der Durchbruch zu einer Drogenpolitik gelungen, die statt unrealistischer Träume von einer drogenfreien Welt den Menschen und seine Gesundheit in den Mittelpunkt stellt. Ein besonderes Herzensanliegen war und ist mir eine bessere Unterstützung der Kinder aus suchtbelasteten Familien. Wir alle müssen ihnen zur Seite stehen. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe! Alles in allem: Es waren intensive Jahre, die sich gelohnt haben.“

    Marlene Mortler war mehr als fünf Jahre Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Am 15. Januar 2014 hatte sie das Amt übernommen. Frau Mortler kümmerte sich besonders darum, die Ausbreitung neuer Designerdrogen und insbesondere von Crystal Meth in Deutschland zu verhindern, und engagierte sich für eine bessere Versorgung für Kinder aus suchtbelasteten Familien. Die ehemalige Drogenbeauftragte startete wiederholt Aufklärungskampagnen und übernahm die Schirmherrschaft vieler Präventionsaktivitäten (z. B. „bunt statt blau“).

    Pressestelle der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, 01.07.2019

  • Neue psychoaktive Stoffe effektiver bekämpfen

    Der Bundesrat hat am 28. Juni 2019 den Verordnungsentwurf zur Änderung der Anlage des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes (NpSG) und von Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) beschlossen. Diese Verordnung tritt mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt – voraussichtlich im Juli 2019 – in Kraft. Ziel ist es, neuen psychoaktiven Stoffen (NPS) rechtlich effektiver begegnen zu können und ihre Verbreitung und Verfügbarkeit zu bekämpfen. Hierfür werden die Anlage des NpSG sowie die Anlagen des BtMG an den aktuellen Stand der Erkenntnisse angepasst

    Für die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, ein wichtiger Schritt: „Es kommen ständig neue synthetische Drogen auf den Markt, mit denen die Dealer versuchen, die bestehenden Regulierungen zu umgehen. Verkauft werden diese dann als vermeintlich harmlose ‚Legal Highs‘, ‚Kräutermischungen‘ oder ‚Badesalze‘. Dabei sind viele dieser Stoffe wegen ihrer starken Wirkung unberechenbar und überaus gefährlich. Mit dem 2016 in Kraft getretenen NpSG haben wir der Polizei und den Staatsanwaltschaften neue Möglichkeiten in die Hand gegeben, gegen den Verkauf dieser gefährlichen Stoffe vorzugehen und Verfahren zu eröffnen. Jetzt legen wir nach und passen das Gesetz an die aktuellen Entwicklungen des Drogenmarktes an.“

    Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG)

    Das Auftreten und die Verbreitung immer neuer chemischer Varianten psychoaktiver Stoffe stellen eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar. Die Entwicklung des Marktes hat gezeigt, dass es wegen des Ausmaßes der missbräuchlichen Verwendung bestimmter psychoaktiv wirksamer Stoffe und deren Wirkungsweise erforderlich ist, die beiden Stoffgruppen des NpSG (Phenethylamine und synthetische Cannabinoide) fortzuentwickeln und das NpSG um drei zusätzliche Stoffgruppen (Benzodiazepine, von N-(2-Aminocyclohexyl)amid abgeleitete Verbindungen und Tryptamine) zu erweitern.

    Betäubungsmittelgesetz (BtMG)

    Außerdem werden durch die neue Verordnung acht besonders gefährliche Einzelstoffe (sechs synthetische Opioide und zwei synthetische Cannabinoide) in die Anlage II des BtMG aufgenommen, dessen strengere Regelungen denen des NpSG vorgehen. Hierbei handelt es sich um Stoffe, deren chemische Struktur im Vergleich zu bereits unterstellten Betäubungsmitteln so verändert wurde, dass der jeweilige neue Stoff nicht mehr dem BtMG und den dortigen Verboten unterliegt. Die für Missbrauchszwecke geeignete Wirkung bleibt jedoch erhalten oder kann sogar verstärkt sein.

    Pressestelle der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, 28.06.2019

  • Digitaler Aufbruch in der Suchthilfe

    Beim 41. fdr+sucht+kongress „Hey Alex, ich habe ein Suchtproblem! Digitaler Aufbruch in der Suchthilfe“ am 20./21.05.2019 in Frankfurt am Main wurden die Digitalisierung, ihre Entwicklung und insbesondere ihre Chancen und Möglichkeiten für die Suchtprävention, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe in den Mittelpunkt gestellt. 165 Teilnehmende informierten und beteiligten sich an fünf Vorträgen und 14 vertiefenden Seminaren renommierter und praxiserfahrener Referent*innen zu diesem Thema. Es wurde untersucht, welcher Veränderungsbedarf im Hilfesystem besteht und wie digitale Strategien adäquat in die bestehenden Strukturen implementiert werden können. Die Ergebnisse sollen hier differenziert dargestellt werden: 

    Welche Chancen birgt die Digitalisierung für …

    … die Mitarbeiter*innen?

    • räumliche/zeitliche Flexibilität, u. a. auch durch Möglichkeiten von Homeoffice
    • Verringerung von Verwaltungsaufgaben durch digitale Assistenzsysteme (Terminvergabe, Dokumentation, Kommunikation und Organisation)
    • Ausbau von Ressourcen durch Onlineprogramme in Therapie und Beratung (Online-Edukationstraining, Selbstkontrollprogramme, Algorithmen für passgenaue Interventionen, Informationsvermittlung, Checkups)
    • Erhöhung der Kooperationsfähigkeit/Vernetzung durch überregionales Projektmanagement
    • Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten (z. B. Videokonferenzen für Fallberatungen und Supervision)
    • Steigerung der Attraktivität des Arbeitsfeldes durch Methodenvielfalt, Medienkompetenz, Flexibilität

    … die Zielgruppe/Klientel?

    • Erhöhung der Erreichbarkeit
    • höhere Unverbindlichkeit/Anonymität
    • niedrigschwelliger Zugang (Herabsetzung von Ängsten durch Online-Kontaktmöglichkeit)
    • schnelle Verfügbarkeit von Interventionen und unkomplizierter Erhalt von Informationen über Plattformen und Tools
    • flexiblerer und barrierefreier Zugang bzw. barrierefreie Kontaktanbahnung
    • positive Entgrenzung/überregionale Erreichbarkeit
    • bedarfsgerechte, zielgruppenorientierte und individuelle Angebote
    • Motivierende Onlineangebote wecken Interesse, eigenständiges ‚Austesten‘ möglich, Veränderungsbereitschaft wird verstärkt, Lernchance für Lebenskompetenzen (somit können neue Zielgruppen erreicht werden)

    … den Träger/den Verband?

    • Modernisierung/Methodenerweiterung: Neue Konzepte, Neue Visionen – Aufbruch als Chance!
    • Erhöhung der Wettbewerbs- bzw. Marktfähigkeit
    • Qualitätssicherung, Messbarkeit von Ergebnissen bzw. Erfolgen
    • ressourcenschonender Einsatz (personell/finanziell) als Ausgleich zum Fachkräftemangel
    • Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, da z. B. weniger Räume und Arbeitsplätze vor Ort notwendig sind
    • größere/r Erreichungsgrad, Effektivität, Effizienz
    • Verbesserte Zusammenarbeit/Vernetzung/Kooperation; Prozesse können verbandsübergreifend organisiert werden
    • wirksamere Interessenvertretung
    • Lobbyarbeit – Zugänge
    • Systematisierung der Datenerfassung

    Fazit

    Die Akteur*innen der Suchtprävention, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe setzen sich bereits intensiv mit dem Thema der ‚Digitalisierung‘ auseinander und halten teilweise bereits Onlineangebote vor. Um diese zu entwickeln, zu organisieren und umzusetzen bedarf es personeller und zeitlicher Ressourcen, struktureller Voraussetzungen und Medienkompetenzen und einer entsprechenden Finanzierung (Personal- und Sachkosten). Im Sinne einer Nachhaltigkeit und Wirksamkeit bzw. einer Begleitung und Weiterentwicklung der Onlineangebote sind weiterhin regelmäßige Fortbildungen/Schulungen bzw. Coachings notwendig.

    Auf den Ergebnissen des 41. fdr+sucht+kongress basierend empfiehlt der fdr+ …

     … auf Verbands-, Träger- und Einrichtungsebene:

    • eine gezielte Vernetzung und Verknüpfung von analogen und digitalen Angeboten, um eine bedarfsgerechte, zielgruppenspezifische, nachhaltige und wirksame Suchthilfearbeit leisten zu können.
    • Im Sinne einer Qualitätssicherung und ‚Trenderfassung‘ müssen fortlaufend einrichtungs- und klient*innenbezogene Daten erhoben, ausgewertet und im Rahmen der Deutschen Suchthilfestatistik veröffentlicht werden können. Entsprechende Programme und Technik müssen zur Verfügung gestellt werden.
    • die kontinuierliche Vermittlung von digitalen Kompetenzen (Medienkompetenzen) bzw. eine regelmäßige Inanspruchnahme von Fortbildungen zu diesem Thema. Insbesondere bei der Anwendung von Online-Beratung bedarf es spezifischer Lese- und Schreibkompetenzen, die es ermöglichen, Problemlagen ohne visuelle Unterstützung zu verstehen und darauf entsprechend zu reagieren. Die Vermittlung der für die Online-Beratung und -Behandlung notwendigen Kompetenzen muss in die etablierten Aus- und Fortbildungen eingebunden werden; dazu zählen ebenfalls datenschutzrechtliche Kompetenzen.
    • sich den innovativen digitalen Möglichkeiten zu öffnen bzw. das digitale Verständnis weiterzuentwickeln und insbesondere im Hinblick auf den bestehenden Fachkräftemangel, Organisationsstrukturen zu digitalisieren. Mit dem Ziel der Ressourcenschonung können z. B. durch elektronische Anwendungen Kommunikationswege optimiert und beschleunigt werden (Videokonferenzen, Abstimmungsmöglichkeiten, Terminorganisation, Informationsvermittlung, digitales ‚Recruiting‘)
    • Das interne betriebliche Gesundheitsmanagement sollte die risikobehafteten Aspekte der Digitalisierung (‚always on‘) berücksichtigen und die Umsetzung entsprechender Präventionsmaßnahmen ermöglichen.

    Auf politischer Ebene fordert der fdr+:

    • die Digitalisierung für die Arbeitsfelder Suchtprävention, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe bundesweit nutzbar zu machen. Mit dem Ziel eines frühzeitigen Erreichens der Zielgruppe sollte eine verbands- und trägerübergreifende Informations- und Beratungsplattform entwickelt und bundesweit bereitgestellt werden. Die Gestaltung der digitalen Informationsplattform muss demokratisiert erfolgen, d. h. teilhabeorientiert, mit öffentlicher Zugänglichkeit und einer demokratischen Steuerung. Da die Leistungen der Suchtprävention, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe eine öffentliche bzw. gesellschaftliche Daseinsvorsorge darstellen, müssen sie auch als ‚öffentliche Güter‘ im digitalen Raum zur Verfügung gestellt und genutzt werden können und dürfen nicht dem kommerziellen Markt überlassen werden.
    • Eine kommunale/regionale Finanzierung ist dabei nicht zielführend, da die digitalen Angebote gebietskörperschaftliche Grenzen überschreiten und somit Zuständigkeitsfragen aufwerfen würden. Deshalb muss eine verlässliche und kostendeckende Finanzierung im Sinne einer kommunen- und länderübergreifenden Lösung bzw. Digitalstrategie gewährleistet werden.
    • eine funktionierende und flächendeckende IT-Infrastruktur, sodass ein gleichberechtigter Zugang zum ‚Markt‘ (seitens der Träger bzw. Einrichtungen) und zu den Angeboten (seitens der Klient*innen und Patient*innen) möglich ist und keine regional bedingten Wettbewerbsvorteile bzw. Nachteile entstehen können.

    Gemeinsam sollten wir die voranschreitende Digitalisierung mitgestalten, unser Fachwissen einbringen und Risiken minimieren. Halten wir uns diesbezüglich zurück, werden andere Anbieter*innen – auch ohne Expertise – die Digitalisierung der Suchtpräventions-, Suchthilfe- und Suchtselbsthilfearbeit steuern und kommerzielle Angebote entwickeln.

    Das Ergebnispapier steht als download zur Verfügung.

    Fachverband Drogen- und Suchthilfe (fdr+), 21.06.2019

  • Anstiege beim Cannabiskonsum junger Menschen

    Zum Weltdrogentag am 26. Juni 2019 warnen die Drogenbeauftragte der Bundesregierung und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vor mit dem Konsum von Cannabis verbundenen Risiken. Neue Studiendaten der BZgA zeigen, dass der Konsum von Cannabis bei jungen Menschen im Alter von 12 bis 25 Jahren in Deutschland seit 2016 weiter angestiegen ist.

    Für den Teilband „Der Cannabiskonsum Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland 2018“ der bundesweiten BZgA-Repräsentativbefragung „Alkoholsurvey 2018“ wurden im Zeitraum April bis Juni 2018 insgesamt 7.002 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12 bis 25 Jahren befragt.

    Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, erklärt: „Wer behauptet, Cannabis ist ungefährlich, der irrt sich gewaltig! Cannabis ist und bleibt eine Droge mit hohen gesundheitlichen Risiken, gerade für regelmäßig konsumierende Jugendliche. Daher führt eine Debatte um Legalisierung völlig am Ziel vorbei. Wir möchten erreichen, dass mehr Jugendliche über die Gefahren Bescheid wissen und nicht aus Gruppenzwang oder Neugierde noch leichter an den Stoff herankommen. Ich habe mich dafür stark gemacht, dass der Bund mehr Geld für bundesweite Präventionsprojekte bereitstellt. Das hat geklappt, die BZgA arbeitet gerade auf Hochtouren an Materialien, die bald schon an die Schulen verteilt werden. Ein wichtiger Schritt, dem noch weitere folgen müssen!“

    Die aktuelle bundesweite BZgA-Repräsentativbefragung im Jahr 2018 belegt, dass 22,0 Prozent der 18- bis 25-Jährigen angeben, in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert zu haben. Im Jahr 2016 waren es 16,8 Prozent und im Jahr 2008 noch 11,6 Prozent. Dieser deutliche Anstieg ist sowohl bei den weiblichen als auch bei den männlichen Befragten zu verzeichnen. Anstiege sind auch in der Gruppe der 12- bis 17-Jährigen zu beobachten: Aktuell geben 8,0 Prozent der Jugendlichen an, Cannabis mindestens einmal in den letzten zwölf Monaten konsumiert zu haben. Im Jahr 2016 waren es 6,9 Prozent, im Jahr 2011 noch 4,6 Prozent.

    Dr. Heidrun Thaiss, Leiterin der BZgA, betont: „Die Anstiege des Cannabiskonsums bei jungen Menschen geben Anlass zur Sorge. Besonders verbreitet ist der Konsum unter 18- bis 25-jährigen Männern: Nahezu jeder Zweite gibt an, schon einmal Cannabis konsumiert zu haben. Gerade für junge Menschen ist der Konsum von Cannabis mit hohen gesundheitlichen Risiken verbunden. Je früher und je häufiger konsumiert wird, desto größer ist das Risiko, an einer Psychose zu erkranken. Vor dem Hintergrund der Konsumentwicklungen der vergangenen Jahre verstärkt die BZgA die Angebote zur Cannabisprävention im Jugendalter.“

    Das BZgA-Internetportal www.drugcom.de bietet wissenschaftlich fundierte, qualitätsgesicherte Informationen zu Cannabis. Zudem gibt der Drugcom-Online-Selbsttest „Cannabis-Check“ die Möglichkeit, das eigene Konsumverhalten zu überprüfen, um eine Risikoeinschätzung zu erhalten. Außerdem bietet die BZgA Unterstützung bei einer Konsumreduzierung mit dem Online-Verhaltensänderungsprogramm „Quit the Shit“ sowie einen dazugehörigen Chat an. Der Drugcom-Chat bietet werktags zwischen 15 und 17 Uhr Hilfesuchenden persönliche Beratung. Als Social-Media-Angebot ergänzt ein YouTube-Kanal mit kurzen Erklärvideos zu Wirkung und Risiken von Cannabis die Informationen von www.drugcom.de.

    Für eine anonyme, persönliche Hilfestellung ist das BZgA-Infotelefon zur Suchtvorbeugung erreichbar unter der Telefonnummer 0221-89 20 31, weitere Infos unter: https://www.bzga.de/service/infotelefone/suchtvorbeugung/

    Pressestelle der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 24.06.2019