Der Öffnung der Muster-Berufsordnung für eine psychotherapeutische Fernbehandlung hat am 17.11.2018 der Deutsche Psychotherapeutentag in Berlin zugestimmt. Dabei sind die Sorgfaltspflichten psychotherapeutischen Handelns einzuhalten. Weiterhin erfordern Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung die Anwesenheit zwischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und den Patienten. Die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) begrüßt die Öffnung der Muster-Berufsordnung.
„Dadurch können wir die psychotherapeutische Versorgung flexibler auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten ausrichten. Insbesondere bei der Behandlung von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen aufgrund somatischer oder psychischer Erkrankungen wie auch anderer persönlicher Lebensumstände haben wir jetzt mehr Handlungsspielräume. So können wir in diesen Fällen z. B. Videosprechstunden durchführen und geeignete elektronisch gestützte Anwendungen nutzen“, sagte die DPtV-Bundesvorsitzende, Dipl.- Psych. Barbara Lubisch. „Wir sehen dabei weiterhin den persönlichen Kontakt zwischen Psychotherapeut und Patient als ‚Goldstandard‘ psychotherapeutischen Handelns in der Beziehung zu den Patientinnen und Patienten an.“
Diese Öffnung der Muster-Berufsordnung kommt zum richtigen Zeitpunkt: Mit dem kürzlich verabschiedeten Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) wird der Anwendungsbereich von telemedizinischen Leistungen auch auf die psychotherapeutische Behandlung erweitert. Die Regelung sieht vor, dass mit Wirkung zum 1. April 2019 durch den Bewertungsausschuss eine Regelung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) zu treffen ist, nach der Videosprechstunden ermöglicht werden. Die Besonderheiten in der psychotherapeutischen Versorgung sind dabei zu berücksichtigen. „Der nächste Schritt ist nun die Umsetzung in die Regularien der ambulanten Versorgung. Hier sind insbesondere die gesetzlichen Krankenkassen gefordert, realisierbare patientenfreundliche und sichere Lösungen zu unterstützen“, betonte Barbara Lubisch.
Pressestelle der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung, 20.11.2018
Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) hat das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft im September 2018 eine Machbarkeitsstudie für das Forschungsvorhaben „Wirkungsprognose nach Artikel 25 Absatz 2 BTHG“ vorgelegt. Die Evaluation soll feststellen, ob die zwei wesentliche Ziele der Reform der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) erreicht werden: die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen und eine Dämpfung der Ausgabendynamik.
Das Gesetzgebungsverfahren zum BTHG war von einer intensiven Beratung mit den Bundesländern, Leistungsträgern, Kommunalverbänden, Behindertenverbänden und Verbänden der Leistungserbringer begleitet. Wegen der unterschiedlichen Erwartungen und Befürchtungen knüpft der Gesetzgeber die Rechtsänderungen an einen Evaluationsvorbehalt. Die vorliegende Machbarkeitsstudie hat die methodischen Grundlagen für die geplante Forschung vorbereitet.
Im Zentrum des Berichts stehen zehn Regelungsbereiche, die mit dem Bundesteilhabegesetz geändert bzw. präzisiert wurden:
Personenzentrierte Eingliederungshilfeleistung (Wunsch- und Wahlrecht)
Gemeinsame Inanspruchnahme
Bedarfsermittlung
Gesamtplankonferenz und Gesamtplan
Steuerungsinstrumente und Verbesserung der Steuerungsfähigkeit
Beitrag der Leistungsberechtigten
Verhältnis zwischen Eingliederungshilfe und Pflegeleistungen
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Leistungen zur Teilhabe an Bildung
Leistungen zur Sozialen Teilhabe
Das Gutachten umreißt den Evaluationsgegenstand, formuliert relevante Evaluationsfragen und gibt Empfehlungen für die Durchführung der Evaluation. Die Autoren schlagen drei Teilstudien vor:
Im Zentrum einer Implementationsanalyse soll die Umsetzung des novellierten Eingliederungshilferechts stehen. Dabei geht es um das Verwaltungshandeln der Leistungsträger. In 80 Kreisen bzw. kreisfreien Städten sollen Prozesse und Lösungswege der Leistungsplanung und -bewilligung untersucht werden, so die Empfehlung.
Um die Auswirkung der Rechtsänderungen auf die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu untersuchen, schlägt der Bericht ein Konzept für eine prozessbegleitende Wirkungsbetrachtung mittels eines Längsschnittansatzes vor. Es wird empfohlen, rund 2.500 leistungsberechtigte Personen in Privathaushalten und rund 1.500 Personen in Einrichtungen in die Befragung einzubeziehen.
Als dritten Baustein empfiehlt die vorliegende Machbarkeitsstudie eine kausale Wirkungsanalyse für die beiden neuen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben „Budget für Arbeit“ und „Andere Leistungsanbieter“. Dabei soll untersucht werden, ob das Budget für Arbeit und andere Leistungsanbieter bessere Teilhabemöglichkeiten eröffnen als die Arbeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen.
Auf der Grundlage der Ergebnisse der Studie wird die Hauptuntersuchung zur Wirkungsprognose voraussichtlich im vierten Quartal 2018 ausgeschrieben und im Frühjahr 2019 vergeben. Die Ergebnisse der Wirkungsprognose sollen im Jahr 2022 vorliegen.
Anlässlich des Welt-AIDS-Tages am 1. Dezember hat das Robert Koch-Institut neue Zahlen zum HIV/AIDS-Geschehen in Deutschland veröffentlicht. Im Jahr 2017 haben sich etwa 2.700 Menschen in Deutschland mit HIV infiziert, die Zahl der Neuinfektionen ist damit gegenüber 2016 (2.900 Neuinfektionen) leicht gesunken. Bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), ist die Zahl der geschätzten Neuinfektionen deutlich zurückgegangen, von 2.300 im Jahr 2013 auf 1.700 in 2017. Dazu erklärt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: „Wir wollen die Zahl der Neuinfektionen weiter senken! Deswegen haben wir den Verkauf von HIV-Selbsttests freigegeben. Und deswegen haben wir die Kassen verpflichtet, den medikamentösen Schutz gegen eine Infektion (PrEP) für Menschen mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko zu übernehmen.“
„In Deutschland gibt es geschätzt 11.400 Menschen mit HIV, die nicht wissen, dass sie infiziert sind. Freiwillige Selbsttests und niedrigschwellige Testangebote, auch für Menschen ohne Krankenversicherung, sind daher wichtig, damit Menschen mit HIV-Infektion behandelt werden können“, betont Lothar H. Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts. Sobald durch die Therapie eine stabile Absenkung der Viruslast erfolgt ist, werden keine Übertragungen mehr beobachtet. „Die effektive und frühe Behandlung nach der Diagnose, der Ausbau zielgruppenspezifischer Testangebote und die gestiegene Testbereitschaft der Betroffenen sind wesentliche Gründe für die sinkende Zahl der HIV-Neuinfektionen“, unterstreicht Wieler.
Insgesamt lebten Ende 2017 geschätzt 86.100 Menschen mit HIV in Deutschland. Die größte Betroffenengruppe sind nach wie vor Männer, die Sex mit Männern haben. Unter den 86.100 Menschen mit HIV sind rund 53.000 Männer, die Sex mit Männern haben, etwa 11.000 heterosexuelle Männer und Frauen und etwa 8.100 intravenös spritzende Drogengebrauchende.
Die Trends in diesen Gruppen sind unterschiedlich. Bei MSM ist die Zahl der geschätzten Neuinfektionen zurückgegangen. Im Gegensatz dazu scheint die Zahl der Neuinfektionen bei Heterosexuellen und intravenös spritzenden Drogengebrauchenden auf niedrigem Niveau etwas anzusteigen. Bei Drogengebrauchenden könnte der vermehrte Gebrauch neuer psychoaktiver Substanzen, der zum Teil mit hohen Injektionsfrequenzen verbunden ist, eine Rolle spielen.
Menschen, bei denen die HIV-Infektion erst nach vielen Jahren erkannt wird, leiden oft an Erkrankungen, die in ihrer Gesamtheit als AIDS bezeichnet werden. Etwa ein Drittel aller Menschen hat bei der HIV-Diagnose in Deutschland bereits ein sehr geschwächtes Immunsystem und knapp die Hälfte davon eine AIDS-Erkrankung. Dies kann zu Komplikationen bei der Behandlung, langfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie einer sinkenden Lebenserwartung führen. Beim Auftreten so genannter HIV-Indikatorerkrankungen, etwa einer Tuberkulose oder einer durch Pilze verursachten Pneumonie, sollte daher generell ein HIV-Test durchgeführt werden. Rund 450 Menschen sind gemäß der neuen RKI-Schätzung 2017 mit oder an HIV gestorben.
Die detaillierten Daten sind im Epidemiologischen Bulletin 47/2018 veröffentlicht.
Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 20. November veröffentlichte Bundesfrauenministerin Dr. Franziska Giffey die „Kriminalstatistische Auswertung zu Partnerschaftsgewalt 2017“. Erstellt wurde die Auswertung durch das Bundeskriminalamt. Außerdem stellte sie die neue Kampagne zum Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ vor.
Kriminalstatistische Auswertung zur Partnerschaftsgewalt 2017
Die Auswertung wurde gegenüber den beiden Vorjahren erweitert und an die neue Gesetzeslage angepasst. Die Zahlen zeigen, in welchem Umfang und mit welchen Ausprägungen versuchte und vollendete Gewalt in Paarbeziehungen bei der Polizei in 2017 bekannt geworden sind. Deutlich wird, in welcher Beziehung Täter und Opfer zueinander stehen und welche Delikte passiert sind.
Bundesfrauenministerin Dr. Giffey: „Die Zahlen sind schockierend, denn sie zeigen: Für viele Frauen ist das eigene Zuhause ein gefährlicher Ort – ein Ort, an dem Angst herrscht. Häufiger als jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. 2017 starben insgesamt 147 Frauen durch so genannte Partnerschaftsgewalt. Das ist für ein modernes Land wie Deutschland eine unvorstellbare Größenordnung. Es geht um Straftaten, die geahndet werden und für die die Täter zur Verantwortung gezogen werden müssen. Genauso wichtig ist, den Frauen Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen. Dazu haben wir ein Aktionsprogramm gegen Gewalt an Frauen gestartet und einen Runden Tisch von Bund, Ländern und Kommunen eingerichtete, der abgestimmte Gegenmaßnahmen erarbeiten wird.“
Im Jahr 2017 wurden durch ihre Partner oder Ex-Partner insgesamt 138.893 Personen Opfer versuchter und vollendeter Taten. Zu den Delikten gehören Mord und Totschlag, Körperverletzungen, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Bedrohung, Stalking und Nötigung, Zuhälterei und Zwangsprostitution. Insgesamt waren 113.965 Frauen von Partnerschaftsgewalt betroffen. Die Auswertung des BKA zeigt: Es sind zu über 82 Prozent Frauen, die von Partnerschaftsgewalt betroffen sind. Fast die Hälfte (49,1 Prozent) von ihnen lebte in einem Haushalt mit dem Tatverdächtigen.
Start der neuen Kampagne zum Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“
Gemeinsam mit Petra Söchting, der Leiterin des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“, stellte die Bundesministerin die neue Öffentlichkeitskampagne des Hilfetelefons vor. Mit starken, entschlossenen Persönlichkeiten will die Kampagne noch mehr Frauen ermutigen, sich bei Gewalt Hilfe zu holen. Obwohl jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt erfährt, suchen nur 20 Prozent der Betroffenen Unterstützung. Die unterstützenden Botschaften sollen betroffenen Frauen Mut machen, ihr Schweigen zu brechen.
Bundesfrauenministerin Dr. Franziska Giffey: „‚Du bist doch selber schuld.‘ ‚Dir glaubt doch eh keiner.‘ ‚Die Familie wird dich verstoßen.‘ Es sind Sätze wie diese, mit denen gewaltbetroffene Frauen eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden sollen – in Deutschland, Tag für Tag, quer durch alle Gesellschaftsschichten. Doch die Frauen in der Kampagne lassen sich nicht mundtot machen. „Aber jetzt rede ich“ lautet ihre Antwort. Diese Frauen setzen der Gewalt etwas entgegen, indem sie nicht länger schweigen. Reden ist für viele Frauen der erste Schritt aus der Gewaltspirale. Mit der neuen Kampagne „Aber jetzt rede ich“ wollen wir noch mehr Betroffenen Mut machen, sich Hilfe zu holen und Unterstützungsangebote wahrzunehmen.“
Steigende Beratungskontakte durch höhere Bekanntheit
In den fünf Jahren seit seiner Gründung verzeichnet das bundesweite Beratungsangebot kontinuierlich steigende Beratungszahlen. 143.020 Mal wurden Ratsuchende per Telefon, Chat oder E-Mail zwischen März 2013 und Dezember 2017 beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ beraten.
Ob Gewalt in der Partnerschaft, Mobbing, Stalking, Zwangsheirat, Vergewaltigung oder Menschenhandel – das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ steht betroffenen Frauen rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr, zu allen Formen von Gewalt zur Seite. Unter der Rufnummer 08000 116 016 und über die Online-Beratung unter www.hilfetelefon.de können sich Betroffene, aber auch Menschen aus dem sozialen Umfeld der Betroffenen und Fachkräfte beraten lassen – anonym, kostenlos, barrierefrei und in 18 Sprachen. Auf Wunsch vermitteln die Beraterinnen an eine Unterstützungseinrichtung vor Ort.
Auch Männer, die sich beim Hilfetelefon melden, werden im Übrigen nicht abgewiesen.
Pressestelle des Bundesfamilienministeriums, 20.11.2018
Kinder, die viel zucker- und fettreiche Nahrungsmittel zu sich nehmen, haben im Vergleich zu Kindern, die sich fett- und zuckerarm ernähren, ein deutlich erhöhtes Risiko, als Jugendliche regelmäßig Alkohol zu konsumieren. Das ist das Ergebnis einer im Fachmagazin „Public Health Nutrition“ veröffentlichten Studie, an der zehn europäische Institutionen unter Federführung des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS beteiligt waren. Die Studie wurde im Oktober 2018 in Lissabon von der European Society for Prevention Research (EUSPR) als herausragende Forschungsleistung mit dem EUSPR Presidents‘ Award ausgezeichnet.
Ob Burger, Pizza, Bratwurst oder Softdrinks – was Kindern (und auch vielen Erwachsenen) besonders schmeckt, ist häufig ungesund, weil es hohe Mengen Fett und Zucker enthält. Für Süßes haben gerade Kinder ein angeborenes Verlangen, das seine Wurzeln in der menschlichen Evolution hat und in einer urzeitlichen Welt des Mangels die für das Wachstum nötige Energiezufuhr sicherstellen soll. Beim Fett spielen ähnliche Mechanismen eine Rolle. Zudem sind Fette gute Geschmacksträger, von denen sich auch viele Erwachsene gern verführen lassen.
Aus zahlreichen Studien ist bekannt, dass der Konsum von Zucker und Fett zu Sucht- oder suchtähnlichem Verhalten führen kann. Anders als bei vielen Drogen ist es bei fett- und zuckerhaltigen Nahrungsmitteln keine einzelne Substanz, die Suchtverhalten auslöst. Jedoch kann offenbar schon die bloße Präferenz dafür zu Suchtverhalten – also zu Überkonsum, Kontrollverlust und gierigem Verlangen, so genanntem Craving – führen.
Ein europäisches Studienteam, zu dem Leonie-Helen Bogl, Hannah Jilani und Professor Wolfgang Ahrens vom BIPS zählen, wollte nun wissen, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen der Nahrungsmittelpräferenz in der Kindheit und dem späteren Konsum der am meisten verbreiteten Droge Alkohol gibt. Sprich: Greifen Kinder, die viel Zucker und Fett zu sich nehmen, als Heranwachsende auch häufiger zur Flasche?
Die Antwort auf diese Frage lieferten Daten, die im Rahmen der europäischen IDEFICS/I.Family Kohortenstudie erhoben wurden. Bei der vom BIPS geleiteten IDEFICS-Studie wurden mehr als 16.000 Kinder im Alter von zwei bis neun Jahren in acht europäischen Ländern (Belgien, Deutschland, Estland, Italien, Spanien, Schweden, Ungarn und Zypern) untersucht, um den Einfluss von Ernährung und Lebensstil auf ihre Gesundheit zu erforschen. Im Rahmen der ebenfalls BIPS-geführten Folgestudie I.Family wurde ein großer Teil der Kinder – nun zwischen sieben und 17 Jahre alt – zu einem späteren Zeitpunkt erneut untersucht. Darüber hinaus wurden auch Familienmitglieder befragt.
Das Team um Studienerstautorin Kirsten Mehlig von der Universität Göteborg in Schweden wertete diese Daten nun aus. Das Ergebnis: Wer als Kind viel zucker- und fettreiche Nahrungsmittel konsumiert hat, trinkt später als Jugendlicher deutlich häufiger regelmäßig Alkohol als die Vergleichsgruppe. Dieses Muster fand sich bei beiden Geschlechtern und in allen untersuchten Ländern. Zwar haben die familiären Lebensumstände der Kinder – also etwa Einkommen und Bildungsstand der Eltern – Einfluss auf die Qualität der Ernährung, den positiven Zusammenhang zwischen ungesunder Ernährung und späterem Alkoholkonsum konnten sie allerdings nicht erklären. Die Gründe dafür müssen daher andere sein.
Bei Versuchstieren konnte in der Vergangenheit nachgewiesen werden, dass sich zum Beispiel das Verlangen nach Fett und Alkohol gegenseitig verstärkt. Möglicherweise wird also durch eine fett- und zuckerreiche Ernährung im Kindesalter ein grundsätzliches Verlangen nach suchterzeugenden Stoffen ‚erlernt‘, das sich in späteren Jahren etwa in erhöhtem Alkoholkonsum manifestiert. Ein dem zugrundeliegender neurologischer Mechanismus konnte mit den verfügbaren Daten jedoch nicht identifiziert werden.
Die Studienergebnisse machen allerdings deutlich, wie stark ungesunde Ernährungsgewohnheiten im Kindesalter das Leben und dabei vor allem die Gesundheit im Erwachsenalter negativ beeinflussen können. Es ist daher aus Sicht der Studienautorinnen und ‑autoren enorm wichtig, mithilfe von politischen Maßnahmen das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Auswirkungen ungesunder Ernährung zu schärfen und Produktion und Vertrieb ungesunder Nahrungsmittel stärker zu regulieren – etwa mit einer Zuckersteuer. Die Erkenntnisse der Studie zeigen zudem, wie wichtig es ist, die Probandinnen und Probanden über längere Zeiträume wissenschaftliche zu begleiten. Nur so lassen sich die langfristigen Folgen verschiedener Lebensstile identifizieren. Deshalb plant das Forschungsteam für das Jahr 2019 eine erneute Befragung der dann zwölf bis 22 Jahre alten Studienteilnehmenden.
Originalveröffentlichung:
Mehlig K, Bogl LH, Hunsberger M, Ahrens W, De Henauw S, Iguacel I, et al. Children’s propensity to consume sugar and fat predicts regular alcohol consumption in adolescence. Public Health Nutr. 2018 Aug 24:1-8. doi:10.1017/S1368980018001829.
Pressestelle des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS, 16.11.2018
Vom 23. bis 30. November 2018 findet die jährliche „Europäische HIV-/Hepatitis-Testwoche“ statt. Ein Ziel der Aktionswoche ist das frühzeitige Erkennen einer Infektion mit Hepatitis-B-Viren und Hepatitis-C-Viren. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat zusammen mit dem Robert Koch-Institut, der Deutschen AIDS-Hilfe, medizinischen Fachgesellschaften und Patientenorganisationen ein Informationspaket zum Thema Hepatitis-Virusinfektionen für die ärztliche Praxis entwickelt. Die neuen Materialien, bestehend aus einer Patientenbroschüre, einem Wartezimmerplakat und einer Übersicht für Ärztinnen und Ärzte zu Prävention, Diagnostik und Therapie von Hepatitis-Virusinfektionen, werden im Rahmen der Testwoche bundesweit an Arztpraxen der Allgemeinmedizin, Gastroenterologie und Suchtmedizin versendet.
Unter Federführung der Deutschen AIDS-Hilfe wurden zudem eine Patientenbroschüre und ein Wartezimmerplakat speziell für die suchtmedizinische Praxis erstellt, die in die BZgA-Versandaktion integriert werden.
Oft werden Infektionen mit Hepatitis-B-Viren und Hepatitis-C-Viren über lange Zeit nicht erkannt, da sie in vielen Fällen nur schwache oder unklare Symptome hervorrufen. Verläuft die Infektion chronisch, kann es zu schweren Folgeschäden wie Leberzirrhose (Lebervernarbung) und Leberzellkrebs kommen. Das neu entwickelte Informationspaket soll dazu beitragen, Hepatitis-Virusinfektionen frühzeitig zu erkennen, Behandlungen zu fördern und über Schutzmaßnahmen zu informieren. So erläutert die Patientenbroschüre, für wen ein Test auf das Hepatitis-B-Virus und Hepatitis-C-Virus sinnvoll ist und wie man sich vor diesen Infektionen schützen kann.
Die Materialien für die suchtmedizinische Praxis wurden federführend durch die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) erstellt. Sie können über die DAH bestellt werden.
Die Materialien für die ärztliche Praxis sind Teil der „LIEBESLEBEN“-Kampagne der BZgA und stehen im Internet unter www.liebesleben.de/hepatitis-material zur Verfügung.
Pressestelle der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 20.11.2018
Das Netzwerk „Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen“ hat eine Expertise in Auftrag gegeben, die die Integration von Selbsthilfefreundlichkeit als Qualitätsmerkmal in Qualitätsmanagement-Systemen im Gesundheitswesen untersucht. Diese Expertise liegt jetzt vor. Betrachtet werden auch Qualitätsmanagement-Systeme im Bereich der Rehabilitation, z. B. das QM-System der Deutschen Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Suchttherapie e.V. (deQus). Der deQus wird ein sehr gutes Zeugnis im Hinblick auf die Integration der Selbsthilfefreundlichkeit bescheinigt. In der Expertise heißt es: „Erwartungsgemäß wird im Suchthilfebereich die Selbsthilfe als Partner sehr ernst genommen und entsprechend deutlich im QM zur Geltung gebracht.“ (S. 79)
Im Netzwerk „Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen“ haben sich Gesundheitseinrichtungen, Organisationen und Privatpersonen zusammengeschlossen, die die Überzeugung eint: Die Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen fördert das patientenorientierte Handeln von Gesundheitseinrichtungen.
Von Beginn an war es ein Ziel des Netzwerks, die positiven Erfahrungen aus selbsthilfefreundlichen Kooperationen in Qualitätsmanagement-Systeme einfließen zu lassen, um aus Nutzersicht – nämlich aus Sicht von Betroffenen – die geforderte „Patientenorientierung“ mitzugestalten und Selbsthilfefreundlichkeit als Standard zu etablieren. Das Konzept Selbsthilfefreundlichkeit als Qualitätsmerkmal trägt unmittelbar dazu bei, Patientenorientierung durch eine verstärkte Partizipation von Selbsthilfeaktiven sowie den Wissenstransfer zwischen Betroffenen und dem Gesundheitswesen systematisch einzufordern und umzusetzen.
Wie jedoch ist der Sachstand der Integration von Selbsthilfefreundlichkeit als Qualitätsmerkmal in den aktuellen Qualitätsmanagement-Systemen? Wo können Gesundheitseinrichtungen bereits jetzt mit ihrem besonderen Engagement ‚doppelt punkten‘, wenn sie selbsthilfefreundlich werden? Und wo wäre dies strukturell möglich? Um diese Fragen zu klären, wurde die Expertise „Integration von Selbsthilfefreundlichkeit als Qualitätsmerkmal in Qualitätsmanagement-Systemen und -strukturen im Gesundheitswesen“ in Auftrag gegeben. Untersucht wurden u. a.:
Qualitätsmanagement-Systeme im stationären Bereich
Qualitätsmanagement-Systeme im ambulanten Bereich
Qualitätsmanagement-Systeme im Bereich der Rehabilitation
Anerkennung und Qualitätsmanagement-System-Varianten für kooperative Strukturen
Bibliographische Angaben:
Alf Trojan: „Integration von Selbsthilfefreundlichkeit als Qualitätsmerkmal in Qualitätsmanagement-Systemen und -strukturen im Gesundheitswesen“, in: NAKOS EXTRA, Ausgabe 39, hrsg. v. NAKOS Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen, Berlin 2018
Redaktion KONTUREN, 15.11.2018, Auszüge aus: Alf Trojan: „Integration von Selbsthilfefreundlichkeit als Qualitätsmerkmal in Qualitätsmanagement-Systemen und -strukturen im Gesundheitswesen
Das Bundesmodellprojekt aktion:beratung soll es Fachkräften der Sucht- und Behindertenhilfe ermöglichen, suchtmittelkonsumierende Menschen mit geistiger Behinderung adäquat zu beraten. Am 1. September 2018 ist in Wiesbaden das Bundesmodellprojekt „aktion:beratung – einfach.gut.beraten“ gestartet. Das vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Projekt soll eine Lücke im Hilfesystem der Versorgung für geistig behinderte Menschen mit Substanzkonsum schließen.
Erfreulicherweise ist die Beteiligung von Menschen mit geistiger Behinderung am gesellschaftlichen Leben aufgrund der neuen gesetzlichen Bestimmungen verbessert worden. Vor allem durch das Bundesteilhabegesetzt sind hierzu eine Reihe von Maßnahmen verabschiedet worden, die die Rechte von behinderten Personen deutlich stärken. Dadurch können Personen mit geistiger Behinderung selbstbestimmter ihr Leben gestalten, sind aber auch den Gefahren im Umgang mit Alkohol und Drogen ausgesetzt.
Das System der Suchthilfe, aber auch der Behindertenhilfe, erkennt hier eine offensichtliche Versorgungslücke. Denn es fehlt noch die Erfahrung im Umgang mit dieser Zielgruppe. Mit vorhandenen Konzepten können die Betroffenen bislang nicht adäquat erreicht und versorgt werden. Von daher ist die Entwicklung eines spezifischen Konzeptes erforderlich.
Exakt hier setzt das Projekt aktion:beratung an, indem am Modellstandort Wiesbaden ein Beratungskonzept für Personen mit geistiger Behinderung erarbeitet und erprobt wird. Die Projektpartner Jugendberatung und Jugendhilfe e.V. (JJ) und der Evangelische Verein für Innere Mission in Nassau (EVIM) haben sich zum Ziel gesetzt, zunächst ein Beratungshandbuch mit Praxisanleitung zu entwickeln. Zudem soll eine Online-Datenbank als Informations- und Medienpool konzipiert werden. Dadurch können die Erkenntnisse, aber auch die neuen Praxisansätze, anderen Regionen zur Verfügung gestellt werden.
Ein wichtiger Baustein im Projekt aktion:beratung ist die Partizipation von Menschen mit geistiger Behinderung an der Projektdurchführung. Hierzu werden Kontakte zu den Selbstvertretungsorganisationen und Fachverbänden hergestellt, um möglichst viele Unterstützer im Rahmen des Projektes einbeziehen zu können.
Die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation erfolgt durch das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt sowie durch den Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Fulda.
Die Arbeitsgemeinschaft Medizinische Rehabilitation (AG MedReha) hat die aktiva – Beratung im Gesundheitswesen GmbH mit der Neuauflage des jährlichen Gutachtens zum Stand November 2018 beauftragt. Wie in den vergangenen Jahren werden anhand von Modellrechnungen die Auswirkungen der Kostenentwicklung auf die betriebswirtschaftliche Situation der Einrichtungen für das Jahr 2019 dargelegt.
Die medizinische Rehabilitation gewinnt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland (z. B. Fachkräftemangel) volkswirtschaftlich zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig ist die Branche vielen externen Kostensteigerungen unterworfen, ohne dass diese in dem stark reglementierten System von den Rehabilitationseinrichtungen beeinflusst werden können. Die Vergütungssätze der Kliniken müssen in dem monistisch finanzierten System sowohl den Betrieb als auch die notwendigen Investitionen tragen.
Im Rahmen dieses Gutachtens wurden Kostensteigerungen untersucht, die sich direkt auf die Leistungserbringung in den Kliniken, d. h. deren Betrieb, auswirken und die sich auch in den Steigerungen der Vergütungssätze wiederfinden müssen. Dabei wurden im Gutachten nur absehbare Kostensteigerungen anhand von statistischen Daten und möglichst belastbaren Prognosen in der Modellrechnung verwendet. Zudem wurde das für die Rehabilitationseinrichtungen besonders wichtige Thema des zunehmend drohenden Personalmangels und der damit verbundenen erwarteten Personalkostensteigerungen dargelegt. Der errechnete Prognosekorridor der Kostensteigerungen für das Jahr 2019 zeigt im Vergleich zu 2018 Steigerungsraten von rund 2,36 bis 3,11 Prozent.
Besondere Bedeutung haben aktuell die gesetzlichen Änderungen im Rahmen des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG). Hier muss das Augenmerk auf die Folgewirkung für die rund 30.000 Pflegekräfte in Rehabilitationskliniken gerichtet werden: Wenn Krankenhäuser und Pflegeheime die Personalkosten für zusätzlich eingestellte Pflegekräfte erstattet bekommen, werden sie versuchen, gut und fertig ausgebildete Pflegekräfte aus den Rehabilitationskliniken abzuwerben. Die Tatsache, dass für die Einstellung neuer Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeheimen so gut wie keine zusätzlichen Personalkosten anfallen, schafft Raum für Abwerbeprämien und Gehaltszuschläge, denen die Rehabilitationskliniken finanziell nichts entgegenzusetzen haben. Auch die Rehabilitationseinrichtungen müssen wirksame Refinanzierungsmöglichkeiten für steigende Personalkosten erhalten.
Von daher sind entsprechende Sondertatbestände, die über eine begrenzte Vergütungssatzsteigerung im Rahmen der Grundlohnrate nicht abgedeckt werden, im Bereich der medizinischen Rehabilitation zu beachten, um etwa die stark steigenden Personalkosten insbesondere im Bereich der Pflege zu refinanzieren. Hierzu wird eine Nachweispflicht der zusätzlichen Personalkostensteigerungen auf Einrichtungsebene empfohlen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Rehabilitationseinrichtungen auch für das Jahr 2019 in vielen wichtigen Bereichen mit Kostensteigerungen rechnen müssen, wodurch die notwendigen Vergütungssatzsteigerungen zwischen 2,36 und 3,11 Prozent (MW: 2,74 Prozent) prognostiziert werden. Dabei konnten die einrichtungsspezifischen Sonderbelastungen, die im Rahmen der aktuellen Gesetzgebung zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wahrscheinlich auftreten werden, nicht berücksichtigt werden. Diese müssen bei Verhandlungen der Vergütungssätze auf Einrichtungsebene Eingang finden.
Der Prognosekorridor bildet die Steigerungsraten für den reinen Betrieb der Rehabilitationseinrichtungen ab, um die Kostensteigerungen des Jahres 2019 im Durchschnitt zu refinanzieren. Eine Bewertung der Investitionsmittelanteile und deren Finanzierung muss auf Basis der individuellen Situationen der Rehabilitationseinrichtungen zu diesen Steigerungsraten addiert werden.
Das „Gutachten zur aktuellen und perspektivischen Situation der Einrichtungen im Bereich der medizinischen Rehabilitation“ in der Neuauflage 2018 steht zum kostenlosen Download bereit.
Redaktion KONTUREN, 09.11.2018, Auszug aus: Borges/Zimolong, Gutachten zur aktuellen und perspektivischen Situation der Einrichtungen im Bereich der medizinischen Rehabilitation – Neuauflage 2018
In Deutschland gibt es rund 1.150 Reha-Kliniken, in denen ca. 38.000 Pflegekräfte um die 2.000.000 Patientinnen und Patienten betreuen. Diese Pflegekräfte erhalten von der Bundesregierung keine Unterstützung! Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG), das 2019 in Kraft treten wird, berücksichtigt nur Akutkrankenhäuser und die Altenpflege, nicht jedoch die Rehabilitation.
Dies bedeutet, dass auch die etwa 170 Mitgliedseinrichtungen des Bundesverbands für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss) auf keine weitere Unterstützung durch das PpSG hoffen können. Das verschärft die wirtschaftliche Situation der bereits heute überwiegend nicht-auskömmlich finanzierten Suchtreha-Kliniken. Es steht zu befürchten, dass Akutkrankenhäuser und Pflegeheime in großem Umfang Pflegekräfte aus den Suchtfacheinrichtungen abwerben werden.
Schon jetzt sind die Gehälter für Pflegekräfte in den Reha-Einrichtungen häufig niedriger als in Krankenhäusern. Mit der Grundlohnbindung in der medizinischen Rehabilitation gibt es keine Chancen, steigende Gehaltsforderungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finanzieren. In der Folge wird es für die Mitgliedseinrichtungen des buss e.V. immer schwerer werden, ihre Pflegefachkräfte zu halten und zu entwickeln und neue hoch qualifizierte Kräfte für die Suchtreha zu gewinnen.
Diese Benachteiligung ist nicht nachvollziehbar und stößt die äußerst engagierten und bereits heute stark belasteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Suchtkrankenhilfe vor den Kopf! Wir brauchen eine Gleichbehandlung aller Fachkräfte im deutschen Gesundheitswesen, und zwar in Akutkrankenhäusern, der Altenpflege und der medizinischen Rehabilitation. Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz in seiner geplanten Form benachteiligt die Rehabilitation und damit alle Patientinnen und Patienten in der Reha und ist daher dringend reformbedürftig.
Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe (buss), 08.11.2018